ZUM BUCH
Als ihre Labradorhündin Shira starb und Elli Radinger ihre Trauer darüber öffentlich machte, erreichten sie unzählige Nachrichten: Menschen aus aller Welt erzählten der bekannten Wolfs- und Hunde-Expertin von ihren alten, kranken oder verstorbenen Tieren. Von dem tiefen Kummer, der Verzweiflung und von ihrer Einsamkeit, weil der Schmerz um ein Tier oft nur begrenztes Verständnis im Umfeld findet. Elli Radinger möchte Betroffenen Kraft geben und sie vorbereiten, wenn sie für einen Hund sorgen, der bald sterben wird oder wenn sie um einen Hund trauern, der sie bereits verlassen hat. Sie zeigt, welche Stärke und Zuversicht darin liegen kann, wenn wir uns mutig auf die letzte Lebensphase unseres Hundes einlassen. Ein berührendes Buch für alle, die sich und ihren Hunden helfen wollen, Abschied zu nehmen, und ein herzerwärmender Begleiter durch die Traurigkeit und den Schmerz nach dem Tod des Tieres – bis hin zu neuem hoffnungsvollem Mut für das Weiterleben.
ZUR AUTORIN
Elli H. Radinger ist Fachjournalistin und Autorin mit Schwerpunkt Wolf und Hund. Die Naturforscherin und Wolfsexpertin beobachtete 30 Jahre lang wildlebende Wölfe im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark. Um ihre 13 Jahre alte Hündin durch die letzten Jahre ihres Lebens zu begleiten, beendete sie ihre Wolfsforschung: »Shira ist meine Familie und hat Priorität. Das habe ich von den Wölfen gelernt.« Im Sommer 2020 starb Shira. Im März 2021 zog Hope, ein Hund aus dem rumänischen Tierschutz, bei der Autorin ein.
ELLI H. RADINGER
ABSCHIED VOM
GELIEBTEN
HUND
Trauern, loslassen, neuen Mut fassen –
Was uns Hunde über das Sterben
und die Liebe lehren
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Originalausgabe 03/2022
Copyright © 2022 by Ludwig Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Ulrike Strerath-Bolz
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,
unter Verwendung eines Fotos von © Getty Images/Marla Rutherford
Illustrationen: Sabine Fladung-Wagener
Fotos im Innenteil: [>>] [>>] Elli Radinger,
[>>] Alamy Stock Foto/TYNZA,
[>>] Alamy Stock Foto/Stockimo/Seachange,
[>>] Alamy Stock Foto/LVRee,
[>>] Alamy Stock Foto/Amelia Martin,
[>>] Sabine Fladung-Wagener,
[>>] Sabine Fladung-Wagener,
[>>] [>>] Elli Radinger
Satz: Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-28524-1
V001
www.Ludwig-Verlag.de
Charlie Brown: »Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy!«
Snoopy: »Stimmt, aber an allen anderen Tagen nicht.«
(Charles M. Schulz)
INHALT
VORWORT
TEIL EINS
ABSCHIED
DAS LEBEN FEIERN
DIE VORBEREITUNG
Selbstfürsorge
DIE ENTSCHEIDUNG
Der Zeitpunkt
Die Kosten
Die Schuldgefühle
DER LETZTE TAG
Leb wohl, Shira
DAS LEBEN DANACH
TRAUERREISE
Wer bin ich ohne meinen Hund?
Chaos im Kopf
Hoffnungslosigkeit
Endloser Schmerz
Was bleibt
NEUE FREUNDE
Reaktionen der anderen
Ich fühle mich so allein
Andere trösten
ANDERE VERLUSTE
Bei einer Scheidung oder Trennung
Animal Hoarding
Im Katastrophenfall
Wenn ein Tier verschwindet
Alte Menschen
DIE LIEBE BLEIBT
TEIL ZWEI
NEUANFANG
EIN ANDERES LEBEN
EIN NEUER HUND?
Bin ich bereit?
Herzschmelze
Zu alt für einen neuen Hund?
Verantwortung
Das nötige Budget
DOG-DATING
HOPE HEISST HOFFNUNG
ANGEKOMMEN
ABENTEUER TIERSCHUTZHUND
Wer bist du, Streuner?
Liebe ist nicht genug
Mythos Dankbarkeit
HOPES GEHEIMNIS
DANKE
ANHANG
BESTATTUNGSFORMEN
Mitnahme durch den Tierarzt
Begräbnis im eigenen Garten
Tierfriedhof
Einäscherung
Seebestattung
Luftbestattung
Mensch-Tier-Bestattung
Einfrieren, Ausstopfen, Klonen
Diamant, Tierkristall
Virtueller Tierfriedhof
STADIEN DER TRAUER
Leugnen, Schock, Unglaube
Zorn, Schuld
Verhandeln
Depression
Akzeptanz, Neuorientierung
HAUSTIERBETREUUNGSVOLLMACHT, ERBE
Versorgung nach dem Tod des Halters
TIERSCHUTZHUNDE AUS DEM AUSLAND
Streuner in Rumänien
ANMERKUNGEN
BILDTEIL
VORWORT
Shira starb zwanzig Monate nach der Veröffentlichung meines Buches Die Weisheit alter Hunde, in dem ich über mein Leben mit ihr und anderen alten Hunden erzählt habe.
Der Gesundheitszustand meiner Hündin hatte sich in den letzten Monaten immer mehr verschlechtert, und ich musste erkennen, dass uns nicht mehr allzu viel Zeit miteinander blieb. Die zwei weiteren Jahre, die wir noch hatten, waren ein Geschenk, oft ein schmerzhaftes, wenn mir ihre Gebrechlichkeit bewusst wurde, aber meist ein beglückendes, weil ich jede Minute, die wir zusammen verbrachten, intensiv genossen habe.
Shiras Sterben, ihr Tod, meine Trauer und letztendlich auch die Hoffnung, dass ich irgendwann einen neuen Hund und damit ein neues Leben finden werde, waren Erfahrungen, die ich in dieser Tiefe nur im Angesicht des Todes machen konnte.
Ursprünglich habe ich dieses Buch, das Sie jetzt lesen, für mich selbst geschrieben. Als ich nach Shiras Tod in eine tiefe Depression verfiel, half mir das Schreiben dabei, meine Gedanken zu ordnen. Nachdem ich meinen Verlust in den sozialen Medien bekannt gegeben hatte, erreichten mich Hunderte E-Mails, Briefe und Karten von Menschen, die mir ihr Mitgefühl ausdrückten und Trost zusprachen. Menschen aus aller Welt erzählten mir von ihren alten, kranken oder verstorbenen Tieren. Von dem tiefen Kummer, der Angst und der Verzweiflung und von ihrer Einsamkeit und Hilflosigkeit, weil die Trauer um einen Hund oder um eine Katze in unserem Umfeld nur auf begrenztes Verständnis stößt.
Ich erfuhr, dass wir in unserer Liebe zu Tieren, in unserem Mitgefühl und unserer Empathie füreinander verbunden sind. Wir alle, die wir unser Herz verschenken, werden auf die eine oder andere Weise die universelle Erfahrung von Verlust und Trauer machen. Die Anteilnahme der Menschen, die mir Trost zusprachen und Shira und ihr Leben würdigten, erinnerte mich daran, dass großes Leid in vielerlei Hinsicht auch die ultimative Feier des Lebens, der Gemeinschaft und der Liebe ist.
Fast jeder, den ich kenne, hat schon einmal ein Tier verloren. Was uns eint, ist die Leere, die bleibt, wenn das Geschöpf, mit dem wir unser Leben geteilt haben, nicht mehr da ist. Dabei beginnt die Trauer oft schon lange vorher, wenn der bevorstehende Abschied durch das Alter oder eine schwere Krankheit absehbar wird.
Niemand, der um ein Tier trauert, ist »dumm«. Ein Haustier ist selten »nur ein Hund« oder »nur eine Katze«. Es ist oft ein integraler Bestandteil des eigenen Lebens und bietet eine liebevolle, emotionale Verbindung, die in einer komplexen und oft grausamen Welt große Bedeutung hat.
Unterschätzen Sie nicht die Macht Ihrer Gefühle und das Chaos, das der Verlust eines geliebten Tieres in Ihrer Seele anrichten kann. Sie werden sich oft selbst nicht wiedererkennen. Sie brechen auch Monate oder Jahre nach dem Tod Ihres Hundes beim Anblick der gleichen Rasse in Tränen aus. Sie beenden eine langjährige Freundschaft oder reichen die Scheidung ein, weil Sie sich in Ihrem Schmerz nicht verstanden fühlen. Sie buchen urplötzlich eine Weltreise oder verkaufen Ihr Haus, um in eine Hütte in den Wald zu ziehen. Auch ich habe einiges davon getan. Für Außenstehende mag das alles unverständlich sein, aber es ist normal: eine Reaktion auf den Schmerz und Ausdruck unserer Trauer.
Wenn jemand stirbt, den wir sehr lieben, verlieren wir einen Teil von uns selbst. Die Erde dreht sich weiter, während wir verzweifelt versuchen, sie anzuhalten.
Irgendwann hat uns der Alltag wieder. Doch dann hören wir urplötzlich ein Geräusch, sehen oder riechen etwas, ein Jahrestag steht an, der Urlaub am Meer – und wir fühlen wieder diesen Stich im Herzen. An einem Tag geht es uns gut, am nächsten stürzen wir in einen Abgrund der Verzweiflung.
Der Tod eines Haustieres, mit dem wir sein ganzes, viel zu kurzes Leben lang verbunden waren, ist ein intimer, unausweichlicher Teil der Mensch-Tier-Beziehung. Die Bedeutung dieses Verlustes ändert sich mit der Lebenssituation, der Stärke der Bindung an das Tier und mit dem Alter. Je näher ich meinem eigenen Lebensende komme, umso mehr verändert sie sich.
Mit jedem Verlust, den wir durchleben, werden wir ein wenig trauriger. Wir werden den geliebten Hund nie vergessen, er wird immer bei uns sein. Aber wir lernen, unser Leben ohne tierischen Begleiter auszurichten. Vertrauen Sie darauf, dass der Abschied von einem Herzenstier nicht das Ende von etwas sein muss. Es kann ein Anfang sein, ein Tor zur nächsten Erfahrung.
Um von alldem zu erzählen, habe ich dieses Buch auch für Sie geschrieben: für die traurigen Leserinnen und Leser, die einen Verlust erlitten und mit mir geteilt haben. Es soll Ihnen sagen: Sie sind nicht allein. Ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ihr Schmerz ist der meine. Ich möchte Ihnen helfen und Sie in Ihrem Kummer unterstützen. Ihnen Kraft geben und Sie vorbereiten, wenn Sie für einen Hund sorgen, der bald sterben wird, oder wenn Sie um eine Katze weinen, die Sie bereits verlassen hat. Lassen Sie uns gemeinsam das Leben unserer Tiere feiern, um sie trauern … und dann in ihrem Sinne weitermachen.
Shiras letzte Jahre haben mir bewusst gemacht, welches Geschenk uns unsere Tiere hinterlassen, wenn sie uns erlauben, sie in dieser wertvollsten Lebensphase zu begleiten. Letztendlich bleiben die Liebe und die Hoffnung.
Dieses Buch ist Shiras Vermächtnis.
TEIL EINS
ABSCHIED
DAS LEBEN FEIERN
13. Juni 2020, Shiras fünfzehnter Geburtstag. Während ich meine eigenen Geburtstage nur sehr selten feiere, habe ich für meine Hunde immer gern ein kleines Fest daraus gemacht. Manchmal fuhr ich mit ihnen irgendwohin, wo es ihnen besonders gut gefallen hatte. Das war bei meinen beiden Labradoren ein See oder das Meer. Ein paar Mal organisierte ich sogar eine Party. Die Zweibeiner trafen sich zu Kaffee und Kuchen, und für die Vierbeiner gab es Leckerlis. Es war ein großer Spaß für alle.
Diesmal jedoch hatte ich keine Pläne; wir blieben allein. Shira hatte eine unruhige Nacht gehabt. Ich war erleichtert, aber auch völlig erschöpft, als endlich die Schmerztablette zu wirken begann und sie einschlief. Es war ungeheuer anstrengend, sich Tag und Nacht um einen kranken Hund zu kümmern. Nach dem gemeinsamen Frühstück – wir teilten uns ein Leberwurstbrötchen – fuhr ich mit dem Auto zu unserer Lieblingswiese. Shira trabte erstaunlich locker durch das Gras, die Nase auf dem Boden. Ich bewunderte ihr Fell, das in der Sonne golden leuchtete. Nach einer halben Stunde hatten wir gemächlich einen leichten Hügel erklommen und machten uns auf den Rückweg. Shira fiel zurück, zu gut roch es überall. Dann hörte ich ein Geräusch hinter mir, das wie die donnernden Hufe einer galoppierenden Mustangherde klang. Ich schaute mich um. Meine alte Hündin preschte mit einem breiten Grinsen und fliegenden Ohren an mir vorbei, drehte drei große Kreise – früher ihre liebste Urlaubschoreografie am Strand. Ein Bild der Lebensfreude. Ich schöpfte Hoffnung. Es ging ihr besser. Vielleicht schaffen wir noch ein Jahr – oder wenigstens ein paar Wochen …
Uns blieben noch zwei gemeinsame Monate.
Shiras fünfzehnter Geburtstag war unser letzter vollständig unbeschwerter Tag. Im Jahr zuvor hatte sich ihr Alter immer deutlicher bemerkbar gemacht. Sie war nun fast taub und sah schlecht. Besonders machten ihr die Arthrose und Spondylose zu schaffen. Sie verschlief ganze Tage, dann wieder war sie voller Energie und rannte durch die Wiesen wie ein junger Hund. Es sah aus, als sammelte sie noch einmal ihre Kräfte, um Abschied zu nehmen. An anderen Tagen trottete sie ein paar Schritte neben mir her, blieb stehen, schaute mich an und drehte um, wollte zurück zum Auto.
Ich konnte die Augen nicht mehr vor der Wahrheit verschließen. Meine große Hundeliebe würde sterben, es war einfach so. Es half nicht, wenn ich so tat, als sei die Welt noch in Ordnung. »Das kriegen wir schon hin. Alles wird gut.« Nichts würde mehr gut werden. Nicht alles lässt sich reparieren, und von manchen Schmerzen gibt es keine Erlösung. Jetzt kam es auf mich an. Darauf, wie ich den Rest unserer gemeinsamen Lebenszeit gestalten würde.
Das Leben mit meiner alten Hündin war unkalkulierbarer, sprunghafter geworden. Es sind die alltäglichen Routinen, die unserem Leben mit Tieren Struktur geben. Füttern, Spielen, Gassigang geben uns auch in schwieriger Zeit Kraft und Halt. Diese Routine begann zu bröckeln. Ich verlor nicht nur meinen Herzenshund, sondern auch den gemeinsamen Alltag, wie wir ihn kannten. Das Leben und unser Tagesablauf veränderten sich, und ich passte mich an.
Eine der wichtigsten Lektionen, die ich nun lernte, war die Wertschätzung des Lebens, das ich mit Shira führte. Das half, mich auf meine Hündin zu konzentrieren statt auf das Gedankenchaos, das in mir tobte. Wann immer ich bei dem Gedanken an die nahe Zukunft in Panik geriet, zwang ich mich, auf das Hier und Jetzt zu blicken und jeden kostbaren Augenblick mit Shira zu genießen. Wir feierten das Leben und verbrachten viel Zeit miteinander. Zeit, bei der Qualität und nicht Quantität im Mittelpunkt stand.
Unsere Tiere haben uns tonnenweise Liebe geschenkt. Am Ende unserer gemeinsamen Zeit können wir ihnen diese Liebe zurückgeben. Es gibt so viel, was auch mit einem sehr alten oder sterbenden Hund noch möglich ist.
Ich schrieb eine kleine Liste mit allem, was meine Hündin liebte und wozu sie körperlich noch fähig war: gemütliche Spaziergänge, Kuscheln auf der Couch, Schwimmen, (Hunde-)Freunde besuchen. All dies konnte ich mit ihr machen. Lange Wanderungen fielen aus, für kürzere kaufte ich einen Hundebuggy. Wenn Shira müde wurde, stieg sie ein, und ich schob sie, während Madame aus ihrer royalen Kutsche bequem auf die Welt blickte.
Schwimmen war immer die große Leidenschaft meiner Labrador-Hündin gewesen. Mit ihrer altersbedingten Arthrose fiel ihr im Wasser die Bewegung leichter. Wenn wir nun meine Freundin und ihren Flat-Coated Retriever Mr. Darcy am Edersee besuchten, war es das Highlight für Shira, mit ihrem Freund eine Runde im See zu schwimmen und anschließend um die Wette zu schnarchen. Und mir halfen die Gespräche mit meiner Freundin, mich abzulenken und zu entspannen.
Shira apportierte auch im Alter noch mit Begeisterung. Mit erhobenem Kopf und wedelndem Schwanz trug sie stolz die Post oder die Zeitung vom Briefkasten ins Haus. Diese Momente brannten sich fest in mein Gedächtnis ein.
Der Höhepunkt eines jeden Tages war das gemeinsame Kuscheln auf der Couch. Meinen Atem dem meiner schlafenden Hündin anzupassen, ihr weiches Fell zu streicheln und die leichten Vibrationen ihres Schnarchens zu spüren – all das brachte mir einen tiefen inneren Frieden.
Später, nachdem Shira gestorben war, dachte ich oft daran zurück und war dankbar für diese geschenkte Zeit. Allerdings quälte mich die Frage: Hätte ich etwas anders gemacht, wenn ich gewusst hätte, dass uns nur noch zwei Monate bleiben würden? Ich hatte drei Jahre zuvor das Reisen und meine Wolfsforschung in Amerika aufgegeben, um ganz bei Shira zu sein. Mehr ging fast nicht. Hätte ich jede Sekunde an meiner Hündin kleben wollen, sie keinen Schritt mehr allein machen lassen? Vermutlich wäre ich ihr damit mächtig auf den Geist gegangen.
Allzu oft verlieren wir uns im Alltag, sind zu beschäftigt, um uns Zeit für unsere Hunde zu nehmen, mit ihnen spazieren zu gehen oder zu spielen. Wir nehmen ihre Geduld für selbstverständlich. Jetzt, wo Sie wissen, dass Ihre gemeinsame Zeit verrinnt, möchten Sie am liebsten alles anders machen. Aber was geschehen ist, ist geschehen. Es zählt die Zeit, die Sie jetzt mit Ihrem Liebling verbringen. Geben Sie Ihrem Hund größtmögliche Unterstützung, und passen Sie auch auf sich selbst auf. Nur wenn Sie stark, gesund und präsent bleiben, können Sie hundertprozentig für Ihr Tier da sein. Sie werden froh sein, dass Sie das getan haben, und es wird Ihr Leben über alle Maßen bereichern. Feiern Sie Ihr gemeinsames Leben. Es ist so einfach.
Zum Beispiel: Wenn Sie im Eiscafé sitzen, telefonieren Sie nicht und checken Sie nicht Ihr Smartphone. Genießen Sie stattdessen Ihr Eis, während Ihr Hund neben Ihnen liegt und die Menschen auf der Straße beobachtet. Ich habe es immer geliebt, Shira ein Bällchen Vanilleeis im Becher zu bestellen und zuzuschauen, wie sie mit geschlossenen Augen verzückt das Eis schleckte. Wenn Sie sich zu Hause auf der Couch entspannen, vergessen Sie die E-Mails oder nervige Whatsapp-Meldungen: Atmen Sie tief durch, streicheln Sie Ihren Hund und senden Sie ihm liebevolle Energie. Glauben Sie mir, nach seinem Tod werden Sie froh und dankbar sein, weil Sie Ihrem vierbeinigen Liebling diese besondere Art der Aufmerksamkeit geschenkt haben. Und etwaige Schuldgefühle, nicht genug Zeit miteinander verbracht zu haben, werden verschwinden. Denn Sie waren voll und ganz für Ihr Tier da, als es noch gelebt hat.
Mehr als zuvor saugte ich jeden Augenblick mit Shira in mich auf. Wir gingen spazieren und saßen an unseren Lieblingsplätzen. Wenn wir eng beieinander im Gras lagen und ich sie streichelte, entspannte sie sich. Die Kamera wurde mein ständiger Begleiter. Ich baute für uns beide ein Schloss aus Erinnerungen, die Räume konnte ich später betreten.
Von den Fotos und Filmen, die ich von ihr machte, sollte später ein Video besonders wichtig werden, als es darum ging, eine Entscheidung zu treffen. Irgendwann legte ich die Kamera zur Seite. Die letzten Erinnerungen werden in unseren Herzen geformt.
Die erste Seite des Bildteils zeigt zwei Fotos von Shira.