Für meinen Freund
Dr. Andreas Herzfeld einen großen Vexillologen
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© 2017 Jörg M. Karaschewski
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7448-0749-4
Die Reichskriegsflagge. Wenn wir diese Flaggenbezeichnung heute hören, denkt ein großer Teil der Bevölkerung sogleich an das weiße Flaggentuch mit dem schwarzen Kreuz, denken viele an alte Postkarten und an Demonstrationen rechter
Gruppen und Parteien.
Nur wenigen Menschen ist jedoch bewusst, dass diese Flagge in über 150 Jahren zahlreiche Veränderungen durchwandert hat. Allein das Design änderte sich achtmal.
Der Weg zu dieser Flagge war auch ein Weg hin zur deutschen Einigung. Sie wurde ein Symbol deutscher Seemachtstellung und ein Symbol des deutschen Kolonialismus. Sie wurde Symbol konservativer Parteien und von Freikorps. Ihre Änderungen dokumentierten die Entwicklungen deutscher Politik und politischer Verhältnisse. Sie war immer auch Zeichen maritimer Traditionen wie auch Missbrauchs Objekt politischer Gruppen, die ihren Sinngehalt nicht verstanden und sie damit nachhaltig diskreditierten.
In diesem Buch wird zunächst die Entwicklung hin zu einer Kriegsflagge des Deutschen Reiches dokumentiert. Ja, Kriegsflagge, denn die Bezeichnung Reichskriegsflagge bekam das Tuch erst einige Jahre nach dem Auftritt auf die Weltbühne. Es werden die handelnden Personen und ihre Überlegungen zur Flaggengestaltung vorgestellt. Die Gründe für die jeweiligen Änderungen des Designs werden dargelegt und bildreich belegt.
Vielleicht gelingt es so, viele vergessene und unbekannte Episoden dieser Flagge wieder an das Licht zu holen und die heutige sehr verengte Sicht auf dieses Symbol auf eine breitere Basis zu stellen. Der Entwicklung dieser Flagge folgend, erlebt man viele spannende Jahre deutscher Geschichte. Man erfährt, dass auch ein Kaiser sich Gedanken über zu hohe Produktionskosten machte, dass ein falscher Gruß Auslöser für eine Änderung des Designs war, dass die kaiserliche Marine auch bei Flaggen sehr sparsam war, dass auch ausgewehte Flaggen noch praktischen Nutzen hatten, dass ein deutsches Ministerium die Einführung einer neuen Flagge über Jahre einfach ausgesessen hat bis man Zwang ausüben musste und dass ein greiser Präsident Grund einer Zwischenlösung war. Aber es wird auch eines der letzten großen deutschen Flaggenrätsel beschrieben, wenn auch leider nicht gelöst.
Achim, im Juli 2017
Wie so oft in der deutschen Geschichte war Krieg der Wegbereiter für grundlegende Veränderungen. Daher bekamen drei Waffengänge die Bezeichnung Einigungskriege. Im sogenannten Deutschen Krieg von 1866, dem zweiten dieser Einigungskriege, siegte das Königreich Preußen mit seinen Verbündeten gegen den Deutschen Bund mit seiner Führungsmacht Österreich. Im Vorfrieden mit Österreich sicherte Preußen sich das Zugeständnis, die Verhältnisse im Norden Deutschlands bis zur Mainlinie politisch neu zu ordnen. In diesem Zusammenhang taucht erstmals die Bezeichnung „Norddeutscher Bund“ in der Geschichte auf.
Am 18. August 1866 schloss Preußen mit 15 nord- und mitteldeutschen Staaten das sogenannte Augustbündnis. Neben seinem primären Zweck als Verteidigungsbündnis, war dies bereits ein Vorvertrag zur späteren Gründung eines Bundesstaates.
Am 1. Oktober 1866 annektierte Preußen vier seiner Kriegsgegner nördlich des Mains: Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt. Die übrigen Staaten durften ihre Gebiete fast ohne Änderungen behalten. Drei weitere Kriegsgegner nördlich des Mains, das Königreich Sachsen, Sachsen-Meiningen und Reuß älterer Linie, wurden in den Friedensschlüssen dazu verpflichtet, dem Norddeutschen Bund beizutreten. Das Großherzogtum Hessen musste sich mit seiner Provinz Oberhessen dem Bund anschließen.
Nach diesen umfassenden Vorbereitungen wurden im Dezember 1866 durch den Bundeskanzler Bismarck mit den Staaten des Norddeutschen Bundes Verhandlungen über die Annahme einer Verfassung des Bundes aufgenommen. Hier stellte sich nun auch die Frage nach äußeren Symbolen des Bundes und damit auch die der Flagge.
Bereits am 22. September 1866 hatte Adolf Soetbeer im Bremer Handelsblatt unter der Überschrift „Deutsche und auswärtige Rhederei und die deutschen Flaggen“ einen Artikel veröffentlicht, in dem er die Notwendigkeit einheitlicher äußerer Symbole für die deutschen Staaten zum Ausdruck brachte. Hier ein Auszug aus seinem Artikel:
Wie aber steht es mit einer gemeinschaftlichen deutschen Handelsflagge? Das vom Reichsverweser Erzherzog Johann am 12. November 1848 erlassene Reichsgesetz vom 12. November 1848 gab hierfür folgende Anordnung: Art. 3. „Die deutsche Handelsflagge soll aus drei gleich breiten, horizontalen, schwarz, roth, gelben Streifen bestehen, wie die Kriegsflagge, jedoch mit einem Unterschiede, daß sie nicht das Reichswappen trägt.“ – Art. 4. „Diese Flagge wird von allen deutschen Handelsschiffen als Nationalflagge ohne Unterschied geführt. Besondere Farben und sonstige Abzeichen der Einzelstaaten dürfen in dieselbe nicht aufgenommen werden. Dabei soll es jedoch den Handelsschiffen frei stehen, neben der allgemeinen deutschen Reichsflagge, noch die besondere Landes- oder eine örtliche Flagge zu zeigen.“ Die oben angeführte Stelle der Grundzüge der Bundesverfassung spricht von „der deutschen Schifffahrt und ihren Flaggen“ und scheint hierdurch anzudeuten, daß bei Entwerfung derselben eine gemeinsame deutsche Handelsflagge, wie solche im Reichsgesetze von 1848 vorgeschrieben war, noch nicht in bestimmte Aussicht genommen ist. Damals (am 14. Juni 1866) war aber noch nicht an das Aufgehen Hannovers in Preußen gedacht, das sich jetzt vollzogen hat. Uns erscheint es aber als eine der Aufgaben des norddeutschen Parlaments, auf die Gemeinsamkeit der Flagge auch sämtliche norddeutsche Handelsschiffe Bedacht zu nehmen und hierdurch dem Auslande die Existenz eines deutschen Bundesstaates evident zu machen. Die Vorschrift der Verordnung von 1848, daß die gemeinsame Flagge durchaus keine Abzeichen der Einzelstaaten mit aufzunehmen, möchte übrigens vielleicht zu modifizieren sein. Wenn außer der schwarzweißen Flagge auf den preußischen und den bisherigen hannoverschen und schleswig-holsteinischen Schiffen noch die besonderen Flaggen für Mecklenburg, Oldenburg und jede der drei Hansestädte ohne eine obere gemeinsame Flagge fortbestehen werden, so wird trotz der gemeinschaftlichen Kriegsschiffe dem fernen Auslande der Begriff der Zerrissenheit Deutschlands nach wie vor bleiben. Bekanntlich ändert der Schiffer nicht gern die Flagge, unter welcher er bereits längere Zeit glücklich gefahren hat, und den nichtpreußischen Seeleuten gefallen die lebhafteren Farben besser als schwarz-weiß; auch mag vielen Rhedern die Annahme einer neuen gemeinsamen Flagge statt der gewohnten und ehrenwerthen particularen Flagge widerstreben – allein Opfer dieser Art müssen von allen Seiten gebracht werden und die Beibehaltung einer particularen Flagge in geeigneter Verbindung mit der Hauptflagge kann immerhin zugestanden werden.
…
Wir haben die Meinung äußern hören, ob nicht vielleicht die künftige gemeinsame deutsche Flagge in der Weise zu bilden sei, daß mit dem preußischen Schwarzweiß das alte Rothweiß zu einer Tricolore vereinigt werde, um allen Theilen gerecht zu werden – also Schwarz-rothweiß oder Schwarz-weiß-roth. Die Neuheit einer solchen Flagge möchte an sich als ein wesentliches Hinderniß nicht zu erachten sein, denn sie würde gerade recht auffällig im nahen und fernen Auslande darthun, daß für die staatlichen und nationalen Zustände Deutschlands eine neue Epoche eingetreten ist, und wenn eine und dieselbe Flagge unter Beseitigung von neun oder mehr bisherigen deutschen Einzelflaggen auf mehr als 7000 Seeschiffen in allen Meeren weht, so wird sie bald überall genugsam bekannt sein. Eine combinirte neue Flagge dieser Art oder die gleichmäßige Annahme der schwarzweißen Farben als künftige norddeutsche Flagge, zwischen diesen wird die Wahl zu treffen sein. Wie man auch hierin entscheiden möge, die Hauptsache ist die baldige Einführung einer gemeinschaftlichen Handelsflagge für ganz Norddeutschland von Emden bis Sylt und von Hadersleben bis Memel.“
Bismarck wird den Artikel des Bremer Handelsblattes wahrscheinlich nicht selbst gelesen haben. Man geht davon aus, dass Bismarcks Berater Lothar Bucher die Anregung aus dem Artikel aufgegriffen hat und bei einer Besprechung der Flaggenfrage schwarz-weiß-rot ins Spiel gebracht hat. Bismarck schloss sich dieser Idee an. So versah Bismarck höchsteigenhändig den entsprechenden Artikel des Verfassungsentwurfes des Norddeutschen Bundes mit der Randnotiz „Die Kauffahrteischiffe sämtlicher Bundesstaaten führen dieselbe Flagge: Schwarz-Weiß-Rot.“
In einem Brief an den Sohn von Adolf Soetbeer vom 09. Februar 1893 begründet Bismarck die Farbwahl dann jedoch mit den brandenburgischen Farben.
Er schreibt: