eISBN 978-3-99025-348-9
© 2017 Freya Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
A-4020 Linz
www.freya.at
Layout: freya_art, Christina Diwold
Lektorat: Dorothea Forster
Fotos: Peter Germann & Gudrun Zeuge-Germann,
Xenia Fitzner, Tanja Kapell, Anita Fleuth, Jutta Watzlawik
weitere siehe Seite 304
printed in EU
Hinweis:
Die Angaben in diesem Buch sind von den Autoren sorgfältig geprüft worden, dennoch sind sie ohne Gewähr. Die beschriebenen Heilwirkungen und medizinischen Anwendungen von Pflanzen haben lediglich informativen Charakter, eine Durchführung der Heilanwendungen findet vom Leser eigenverantwortlich statt. Dies gilt insbesondere bei ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Eine Haftung der Autoren, des Verlages oder seiner Beauftragten ist ausgeschlossen.
NATURHEILMITTEL UND RITUALE
GASTAUTORINNEN:
Xenia Fitzner, Tanja Kapell, Jutta Watzlawik
Vorwort
Was ist Sterben?
Hildegard von Bingen
Philosophie, Religion und Medizin
Die Wandlungsphasen der Elemente im Sterbeprozess
Der Tod in unserer Gesellschaft
Rechte und Wünsche
Die Sterbephasen
Was Sterbende bereuen?
NATURHEILKUNDLICHE BEGLEITUNG
Begleitung mit ätherischen Ölen
Hydrolate in der Pflege
Fette Öle in der Pflege
Mazerate in der Pflege
Weitere Hilfsstoffe
Wunderbar einfache Rezepte
Begleitung mit Bachblüten
Begleitung mit Heilsteinen
Begleitung mit Farben
Begleitung mit Heilpflanzen
Begleitung mit homöopathischen Mitteln
Begleitung mit Musik
Begleitung mit dem Wort
Begleitung in der dunklen Jahreszeit
Begleitung mit Pflanzen für die Seele
PRAXISTEIL
Einführung
Angst
Atemtrakt
Haut
Lymphödem
Magen-Darm-Trakt
Mundpflege
Nasenpflege
Schlaflosigkeit
Schmerzen
Sterbebegleitung
Stimmungsschwankungen
Tumorwunden
Uro-Genital-Trakt
Das MRSA-Problem
DIE LETZTEN TAGE UND STUNDEN
Essen und Trinken
Aromatherapie in den letzten Stunden
Einfache Verhaltensregeln für Angehörige zum Umgang mit Sterbenden
Warum man nicht sterben darf
Sterbebegleitung aus ethnomedizinischer Sicht
NACH DEM EINTRETEN DES TODES
Nach dem Tod
Totenwaschung
Totenwache
Das Totenmahl
Der mündige Patient und der mündige Angehörige
Selbstmitgefühl in Zeiten von Trauer und Krise
Die rechtliche Lage
TIPPS, ADRESSEN & LITERATUR
ÜBER DIE AUTOREN
Es ist schön, bei der Geburt Hilfe zu erfahren, genauso ist es beim Übergang in eine andere Dimension auch. Beide Vorgänge könnten wir in der Regel selbst bewältigen, aber weitaus angenehmer ist es, Hilfestellung dabei zu bekommen.
Sowohl der Begleiter als auch der Sterbende selbst ist in den meisten Fällen von Unsicherheit befallen. Man kennt diese Situation nicht, man weiß nicht, was kommt, und möchte alles richtig machen.
Einige haben vielleicht schon mehrere Werke zum Thema gelesen, eventuell auch Totenbücher aus den unterschiedlichsten ethnischen Bereichen dieser Welt. Für den Laien wirken sie eher verwirrend als informativ. Sie sind eigentlich für Ethnologen oder Religionswissenschaftler gedacht und nicht für den praktischen Begleiter beim Sterbeakt selbst. Es geht auch nicht vorrangig darum, was im und nach dem Tod geschieht, das wissen wir bis ins Letzte alle nicht, sondern um die Hilfestellung.
Es geht auch um eine selbstverständliche Bewusstwerdung des Themas.
Nur so kann ein unverkrampfter Umgang mit dem Tod gewährleistet sein.
In Deutschland werden 2,5 % der chronisch Kranken und Sterbenden von Angehörigen gepflegt. Wir Autoren wollen mit unserem Buch vor allem die pflegenden Familienmitglieder ansprechen. Aber wir sind uns sicher, dass auch das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Hospizmitarbeiter viele Anregungen finden werden. So stehen vorrangig Grundtypen, Rezepturen zur inneren und äußeren Anwendung, psychologische Grundsätze und Anwendungen von Düften, Tönen und Farben im Vordergrund. Dieses Buch soll ein Nachschlagewerk sein, das sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Begleitung des Sterbenden beschäftigt. Jeder kann das finden, was für ihn wichtig ist.
Für beide Parteien, die Gehenden und die Begleitenden, sollen Möglichkeiten im körperlichen, energetischen und verbalen Bereich zur Verfügung gestellt werden, um sich selbst und dem oder den anderen helfen zu können. Denn der Tod bedeutet nicht nur für den Sterbenden eine Neusituation, sondern für die Hinterbliebenen ebenso. Nicht nur die Angehörigen müssen loslassen und freigeben, sondern der Sterbende ebenfalls.
Sterben – in allen früheren Kulturen hatten Geburt und Sterben eine zentrale Rolle in unserem Dasein inne. Im Gegensatz zu heute wurden beide Vorgänge als natürliche Prozesse angesehen und sowohl in das tägliche Leben als auch in die religiösen Abläufe integriert.
Diese Rituale gaben den Menschen früher Halt. Von Generation zu Generation überliefert, legten sie fest, wie mit einem Toten umzugehen war. So wurde der Verstorbene vor allem in ländlichen Bereichen noch vor wenigen Jahrzehnten drei Tage im Haus aufgebahrt und alle hatten Zeit, sich von ihm zu verabschieden. Zur Beerdigung trug man den Leichnam mit dem Gesicht zur Tür hinaus, um seinen Blick auf den neuen Weg zu richten. Denn wäre sein Antlitz dem Hause zugewandt gewesen, hätte er es womöglich nicht verlassen wollen und im Grab keine Ruhe gefunden.
Leider verlieren Sterbe- und Beerdigungsrituale in unserer Zeit an Bedeutung. Im industriellen Zeitalter, in dem die Technik immer mehr den Menschen bestimmt, werden das Sterben und die Auseinandersetzung damit immer mehr verdrängt. Seinen Höhepunkt erlangte dieser Prozess in unserer Gesellschaft vor circa 20 bis 30 Jahren. Patienten wurden zum Sterben ins Krankenhaus abgeschoben und selbst dort während des Sterbeprozesses z. B. ins Badezimmer gestellt. Zum Glück sind aus dieser Not und Hilflosigkeit Sterbehospize entstanden, in die man heute seine Angehörigen bringen kann.
Sterben – für viele ein Mysterium, von dem landläufig gemeint wird, dass man sich erst damit auseinandersetzen muss, wenn es so weit ist. Doch – wann ist es so weit?
Sterben – ein Wort, das viele von uns verdrängen. Erst wenn wir in der Familie oder im Freundeskreis einen Menschen verlieren, sind wir gezwungen, uns Gedanken zum Thema Tod zu machen. Sind die ersten Tränen vertrocknet, ziehen wir schon wieder das Mäntelchen des „Vergessens“ darüber. Was wir nicht anfassen, in Worte fassen oder erklären können, macht uns unsicher. In einer Gesellschaft, in der Unsicherheit als Schwäche ausgelegt wird, wollen wir uns nicht als „Schwächlinge“ outen.
Was wir nicht fassen können, macht uns aber auch Angst. Darauf programmiert und vorbereitet, dass unser Leben in einer gewissen Form zu verlaufen hat (Kindheit, Schule, Ausbildung, Beruf, Heirat, eigene Kinder, Rente), werden wir von der Gesellschaft nicht auf den Tod vorbereitet.
… Und so wird das Sterben
aus dem Leben ausgegliedert
und tabuisiert.
Medizinisch gesehen, ein Versagen der lebenswichtigen Organe. Dies führt zu Herz- und Hirntod. Die Blut- und Sauerstoffversorgung im Gewebe fehlt und innerhalb von Stunden tritt die Leichenstarre aufgrund von fehlenden Stoffwechselvorgängen in den Muskelzellen ein. Danach ist augenscheinlich nichts mehr, nur noch tote Materie.
Philosophisch gesehen ist der Tod der Übertritt in eine andere Dimension.
Leider finden sich wenig verständliche Hinweise auf den Tod und das Sein danach.
Im Tibetischen Totenbuch, einer buddhistischen Schrift aus dem 8. Jahrhundert, die im 14. Jh. in einer Höhle entdeckt wurde und dem Gründer des tibetischen Buddhismus, Padmasambhava, zugeschrieben wird, werden das Sterben und der Übergang jedoch deutlicher beschrieben:
„Der Mensch empfindet seinen Körper schwerer als sonst; Nase und Mund fühlen sich trocken an; die Lebenswärme weicht aus dem Körper; der Geist verdunkelt sich immer mehr, bis er in Ohnmacht sinkt. Ist die Lebenswärme zurückgewichen, dann steigt dem Geist ein dämmriges weißliches Licht auf, das in etwa dem Himmel zu Beginn der Morgendämmerung vergleichbar ist, ehe noch die Sonne den Rand des Horizontes berührt hat. Dieses grauweiße Licht geht über in ein rötliches, das dem Himmel zur Zeit des Sonnenaufgangs gleicht. Danach umhüllt Dunkelheit den Geist und er versinkt in Ohnmacht. Wacht der Geist des Verstorbenen aus dieser Ohnmacht auf, dann erblickt er das hell strahlende Urlicht, das in der gleißenden Transparenz dem blanken Himmel vergleichbar ist.“1
Übertragen auf die christliche Mythologie hat es Franz von Sales so ausgedrückt:
„Die Zeit, Gott zu suchen, ist das Leben.
Die Zeit, Gott zu finden, ist der Tod.
Die Zeit, Gott zu besitzen, ist die Ewigkeit.“
Erkennt der Sterbende dieses Licht, dann ist er vom Tode befreit. Erkennt er es jedoch nicht, dann tritt er in den Zwischenzustand ein.
Damit kann die Vorbereitung auf die nächste Wiedergeburt gemeint sein oder das Verharren in diesem Zwischenstadium, oftmals als Geist oder Spukgestalt in Horrorfilmen dargestellt.
Viele Menschen, die eine Nahtod-Erfahrung erlebt haben und sich an diese Situation erinnern können, berichten von einem wunderschönen, samtweichen Gefühl oder unendlich empfundener Liebe. In dem Tibetischen Totenbuch wird der Vorgang des Sterbens als ein Akt der Befreiung beschrieben.
Im Sterben würden wir die gleichen Stufen durchlaufen, die wir in Stadien fortgeschrittener Meditation durchleben. Durch die Ausschaltung der Körperlichkeit und somit unseres Egos, des Oberflächenbewusstseins, gibt uns das Sterben augenscheinlich eine außergewöhnliche Gelegenheit, uns von der Herrschaft unserer dunklen Seelenanteile zu befreien und in das erlösende Licht zu blicken. Wer sich diese Erkenntnishöhe erhalten könne, würde der Befreiung teilhaftig. Ein Absinken von diesem Niveau bedeutet einen Rückfall in die Schleife der Wiedergeburt. Daher ist es notwendig, den Tod in das tägliche Leben mit einzubeziehen. Nicht, um in uns die Ablehnung gegen das Leben zu erzeugen, sondern um ihn als notwendigen Bestandteil des Lebens zu erkennen. Uns sollte bewusst werden, dass das Sterben kein Ereignis darstellt, das auf einen Zeitpunkt beschränkt ist, sondern einen Prozess, der sich oft lange hinzieht.
Sterben – ein Vorgang, der heute für Angehörige von der Ungewissheit und Angst, dem schlechten Gewissen, nichts unternommen zu haben, dem Verdrängen und der Unfähigkeit, Schwäche zeigen zu können, geprägt ist.
Auch der Geruch des Todes spielt vermutlich eine Rolle, warum Sterbende gemieden werden. Doch ein bewusster Abschied erleichtert die anschließende Trauerbewältigung; wir müssen nur wieder lernen, damit umzugehen.
Wir stellten immer wieder fest, dass die Menschen der heutigen Zeit schon bereit sind, sich dieses Themas anzunehmen, wenn ihnen fachkundiger Beistand und Hilfsmittel an die Hand gegeben werden. Dabei ist es wichtig, ihnen deutlich zu machen, dass sie vor Worten und Gesprächen mit Sterbenden keine Angst zu haben brauchen, auch wenn dieser scheinbar nicht mehr ansprechbar ist. Wichtig sind Berührungen, zum Beispiel mittels einer kleinen Handmassage, wodurch sich der Scheidende nicht allein gelassen fühlt.
Es ist einfach notwendig, dass wir den Tod in unser tägliches Leben mit einbeziehen; nicht, um in uns eine Ablehnung gegen das Leben zu erzeugen, sondern um ihn als notwendigen Bestandteil des Lebens zu erkennen.
1 Rinpoche Sogyal, Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben, Knaur Verlag 2010
Jeder Mensch, ohne Ausnahme, braucht spirituellen Beistand in seinem Leben und Sterben. Jeder von uns braucht einen spirituellen Vater oder eine spirituelle Mutter, die ihm den Zugang zum Geist eröffnet. Es geht dabei nicht um Heilslehren, sondern es geht um den Geist – das ist ein erheblicher Unterschied. Wir aber definieren uns über unsere Religionszugehörigkeit und blicken verächtlich herab auf die diejenigen, die sich einer anderen Richtung zugehörig fühlen – ist das nicht verrückt?
Als der Urahn eines großen Schamanen starb, kam ein lutherischer Missionar an sein Sterbebett, um ihn wissen zu lassen, dass er nun bald in der Hölle schmoren werde. Der Schamane sagte zu ihm:
„Hoho, das ist gut. Dann können wir gemeinsam brennen.“
„Nein, nein“, erwiderte der Missionar, „mein Gott ist besser als der deine – er wird mich zu sich rufen.“
Der Sterbende sagte: „Hm, aber schau, es gibt nur eine Sonne. Das bedeutet, es gibt nur einen Schöpfer, und das bedeutet, wenn du sagst, dass ich in der Hölle schmoren werde, dann wirst du auch in der Hölle schmoren.“
Der Missionar wollte das nicht glauben. Er dachte, sein Gott sei besser als der dieses Schamanen, er verließ ihn und glaubte, er habe gewonnen. Aber so war es nicht – denn es gab nichts zu gewinnen. Es gab nur zu begreifen: Es gibt nur einen Gott. Es gibt nur eine Schöpfung, alles ist eins. Der Missionar hat das nicht verstanden, es war ihm zu einfach.
Er hatte es lieber komplizierter, denn er wollte überlegen sein, wichtiger, besser: Mein Gott. Welch ein Unsinn!
Wir haben die großen Lehrer der Religionen nicht verstanden. Wir haben Abraham und Moses nicht verstanden, wir haben Zarathustra nicht verstanden, nicht Krishna, nicht Buddha, nicht Christus, nicht Muhammad, nicht Bha’u’llah.
Die Menschen führen Krieg um ihretwillen, anstatt die einfachen und schönen Wahrheiten dieser weisen Menschen zu befolgen. Ihre Lehren rufen uns auf zu Gemeinschaft und Einheit.
Christus müsste sich permanent „im Grab umdrehen“, wenn er hörte, dass es 1500 verschiedene christlichen Kirchen gibt (Methodisten, Anglikaner, Baptisten etc.). Als Martin Luther sah, dass durch die Reformation um ihn herum geschändet, gemordet und verbrannt wurde, soll er ausgerufen haben: Das hab ich nicht gewollt!!
Über Religion soll man nicht streiten, denn wenn wir über sie streiten, kehren wir den Sinn der Lehren in sein Gegenteil. Religion ist dafür da, die Welt zu vereinen – wir aber missbrauchen sie für das jeweils Entgegengesetzte. Wir führen uns auf wie Halbwüchsige, die meinen, sich gegenüber anderen behaupten zu müssen.
Wir starren auf die Unterschiede, anstatt uns die Mannigfaltigkeit in ihrer Schönheit zu Herzen gehen zu lassen.
Anstatt zu begreifen: Es gibt nur eine Schöpfung, es gibt nur eine Welt.
Wir sollten in Eintracht und Liebe miteinander umgehen, so wie es gewollt ist.
Auch für Hildegard von Bingen sind Leben und Tod nur zwei Seiten einer Medaille. Sie beschrieb den Menschen im Kontext des christlichen Hochmittelalters, für den Sterben weitaus präsenter war als heute. Die Bevölkerung wurde nicht so alt, die Sterblichkeitsrate der Kinder war hoch und Mangelernährung sowie Gewalt und menschenunwürdige Rechtssprechungen taten ihr Weiteres, um den Tod zum ständigen Begleiter zu machen.
Die Auffassung, nach dem Ableben hoffentlich in ein geordnetes, für alle Menschen positives Dasein zu gelangen, machte den harten Alltag erträglicher. Das Sterben von Angehörigen in jungen Jahren wurde als Prüfung verstanden, an der man lernen sollte, loszulassen. Da wir Menschen den kosmischen Reigen nicht durchblicken, können wir auch viele sogenannte Schicksalsschläge nicht interpretieren und müssen uns mit einer in sich stimmigen, übergeordneten Aufsicht als Lenkung momentan zufriedengeben.
Das alles bringt Halt. Auch Atheisten beten in lebensbedrohlichen Situationen. Spätestens dann geben wir uns in beschützende, positiv regelnde Hände.
Hildegard von Bingen sagte:
Der Mensch muss nicht die via negativa, den schmerzvollen Weg gehen.
Aber manchmal, wenn alles bis dahin erfolgte Aufmerksam-Machen ignoriert wurde, bleibt schon mal nichts anderes übrig. Dies geschieht aber nie als Strafe, sondern immer als Korrektiv, um danach die Möglichkeit zu haben, wie Phoenix aus der Asche geläutert neu ins Dasein zu starten.
So kann auch der Verlust von Menschen durch Tod oder Trennung beim Weiterführen des eigenen Lebens und der Bewältigung der Lebensaufgabe im Endeffekt durchaus positive Aspekte aufweisen.
Ein indisches Sprichwort sagt:
Kümmerst du dich drei Jahre lang nicht um ein Leid, dann wird es dir zum Wohl.
Damit ist gemeint, dass momentane, als leidvolle Lebenssituationen eingestufte Geschehnisse im weiteren Verlauf des Daseins als korrigierende, positive Situationen erkannt werden können.
Jeder kann aus seiner eigenen Historie Beispiele angeben, wo er dachte, jetzt bricht alles zusammen. Aber in der Rückschau kommt häufig: Gott sei Dank, dass das damals passiert ist. Sonst wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin und wo ich meine Aufgabe gefunden habe!
Zu den Texten der Hildegard von Bingen gibt es Gemälde, die zu ihren Lebzeiten bis 150 Jahre danach angefertigt wurden. Eines davon ist der Mensch im kosmischen Lebenskreis.
Hier wird das Kosmosrad dargestellt, das von Liebe gedreht wird. Hildegard sagt, dass das, was den Kosmos zusammenhält, Liebe ist. Somit ist die gesamte Schöpfung in sich stimmig und alles auf Zuneigung ausgerichtet.
Weiter sagt sie, dass das Rad beim Drehen rumpelt und eiert. Ein Rad ist endlos und kommt somit immer wieder an der gleichen Stelle an. Es ist wie ein Jahr, das immer wieder zu Ende geht und neu beginnt. Aber die gleichen Daten zu unterschiedlichen Jahren weisen nicht immer das gleiche Wetter oder dieselben Lebensbedingungen auf. Dies meint Hildegard mit der gewissen Unwucht im Drehen des kosmischen Reigens.
In dem Rad sind die vier Jahreszeiten dargestellt und der Mensch in seinen Lebensphasen. Auf dem Höhepunkt um zwölf Uhr ist eine liegende Person zu sehen. Diese soll erst einmal die Geburt darstellen. Dann sind im Uhrzeigersinn die unterschiedlichen Lebensphasen skizziert. Es folgt das Kinder- und Jugendalter, identisch mit dem Frühling. Die Schaffensphase geht bis in den Hochsommer. Zur herbstlichen Erntezeit ist auch der Mensch in einer Lebenssituation, wo er aus dem bisher Aufgebauten Nutzen zieht. Vom Herbst geht es in den Winter, wo eine sitzende Person zu sehen ist. Diese stellt das beginnende und fortschreitende Alter dar, in dem optimalerweise über das Leben und die bisherigen Situationen nachgedacht wird. Dann kommt wieder der liegende Mensch, der auch schon für die Geburt stand. In diesem Stadium des Kreislaufs stellt er den Tod dar. Geburt und Tod sind mit demselben Symbol belegt. Sie zeigen auf, dass das Rad wieder an der gleichen Stelle ankommt, um eine weitere Umdrehung vorzunehmen. Diese Darstellung ist natürlich auch schon als Indiz der Wiedergeburt definiert worden, die so bei Hildegard von Bingen aber nicht vorkommt. Der Mensch geht nach dem Tod in eine andere Dimension über, durch die er weiter spiralförmig zu einem final gesteuerten Ende kommt. Dies ist die Vereinigung mit den himmlischen Heerscharen vor Gott.
In einem anderen Bild zu den Hildegard’schen Schriften sind die himmlischen Heerscharen in verschiedenen Kreisen dargestellt, welche unter anderem die Hierarchien symbolisieren sollen. In der Mitte, der Radnarbe, ist ein weißer, ausgesparter Fleck. Hier soll Satanel mit seinem Gefolge gesessen haben, welche nach ihrem Sturz einen freien Platz hinterlassen haben. Wenn die gesamte Menschheit reif ist, soll sie dort angesiedelt werden.
Dies zeigt den hohen Stand des Menschen im Kontext des Gesamtkosmos. Er soll in ferner Zeit dort Platz nehmen, im Zentrum der himmlischen Heerscharen! Diese Vorstellung lässt im Leben den Grundgedanken zu: Eigentlich kann mir gar nichts passieren. Ich komme aus der Einheit und ich gehe in die Einheit. Damit ist der Tod weitaus weniger mit Angst belegt als bei einem anderen Weltbild.
Eine mongolische Weisheit sagt:
Da hattest keine Angst vor der Geburt,
willst du jetzt etwa Angst vor dem Tod haben?
Medizin ist und war weder im Umgang noch in der Auslegung für alle Gesellschaftsordnungen und zu allen Zeitaltern gleich. Dass es im Hochmittelalter, zur Zeit von Hildegard von Bingen, keine Notfallsmedizin mit lebensverlängernden Maßnahmen im heutigen Sinne gab, lag nicht nur an einem mangelnden Können, sondern auch an der damaligen Auffassung.
Ein Weltbild, das auf einem von Gott erschaffenen Kosmos mit einer steuernden Intelligenz aufgebaut ist, sieht das Sterben als einen normalen Vorgang, dem nicht um jeden Preis entgegengearbeitet werden muss. Wenn Gott den von ihm geschaffenen Menschen wieder in die Einheit zurückholt, dann ist das ein als Naturgesetz gesehener Kreislauf, dem der nur mäßig wissende Therapeut im Sinne der Gesamtkosmologie nicht im Wege stehen sollte. Damals wurde nicht vorrangig die möglichst lange Lebenserhaltung gesehen, sondern die Linderungen, die den Übergang erleichtern.
Hildegard schreibt sinngemäß, wenn der Mensch trotz aller versuchten therapeutischen Maßnahmen nicht zur Genesung kommt, dann kann es sein, dass Gott ihn noch nicht von seiner Krankheit befreien kann. Dies zeigt, dass Krankheit nicht Abwesenheit von Gesundheit bedeutet, sondern als Korrektiv zu sehen ist. Lernt der Patient nicht aus dem Leidensprozess, den er übrigens nicht auf jeden Fall gehen muss, sondern nur, wenn er alle bisherigen Corrigenzia erfolgreich ignoriert hat, dann kann es auch mal sein, das er kurzzeitig die via negativa, den leidvollen Weg, zu absolvieren hat. Das ist allerdings nie Strafe, sondern immer im Sinn einer Umstimmung seines Erdenverhaltens, um danach wie Phoenix aus der Asche neu ins Leben zu starten. Klopft der Tod an, dann ist des Menschen Zeit in dieser hochmittelalterlichen Philosophie abgelaufen. Diesem von Gott gegebenen Phänomen wird nicht entgegengearbeitet, sondern es wird mit Symptome lindernden Maßnahmen unterstützt.
In der westlichen Medizintradition gehen wir von vier Elementen aus, aus denen sich das gesamte Universum zusammensetzt. In ihrer Kombination ergeben sie eine Einheit, zum Beispiel einen Baum, eine Pflanze, ein Tier oder einen Menschen. Sie werden mit Erde, Wasser, Luft und Feuer bezeichnet. Es handelt sich um zwei Elemente grobstofflicher Art, nämlich Erde und Wasser, und zwei feinstofflicher Zusammensetzung, Luft und Feuer. Sieht man diese beiden Pole von verdichteter und flüchtiger Form, so haben wir die Gegensätze von Yin und Yang.
Im Schöpfungsakt der Bibel wird beschrieben, wie Gott die Elemente zusammensetzt und schließlich den Menschen erschafft. Er formt ein Männchen, dazu benötigt er Erde und Wasser, also die grobstoffliche Zusammensetzung. Man könnte dies nach heutiger Semantik auch als Hardware bezeichnen. Dann haucht er dieses Lehmmännchen an, jetzt kommen die feinstofflichen Varianten Luft und Feuer dazu. Diese könnte man Software nennen. Erst das Zusammenspiel aller dieser Faktoren ergibt einen intakten, in sich stimmigen und lebendigen Organismus. Um allerdings so etwas zu schaffen, muss man schon göttlicher Herkunft sein!
In vielen Schöpfungsgeschichten anderer Religionen haben wir ähnliche Aspekte. Es gibt die Vermählung der Elemente untereinander oder die Fusion des Göttlichen mit dem Vergänglichen. Egal wie diese Anfänge dargestellt werden, es handelt sich immer um die Verbindung von Grobstofflichem und Ätherischem.
So funktioniert der Mensch auch nur dann, wenn diese vier Elemente in ihm stimmig zueinanderstehen. Hat ein Element überhand, müssen eins oder mehrere in der Unterfunktion sein. In einer Therapie würde man versuchen, dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Die Gesamtenergie beträgt immer 100 Prozent, nur die Gewichtung oder Verteilung ist unterschiedlich im Krankheitsbild.
Kommt es zum Tod, dann lösen sich die Elemente in ihrer Vereinigung auf. Dies führt zum nicht reparablen Zusammenbruch des Organismus und zum Ende dieses Lebewesens.
Sieht man sich in der Sterbephase selbst diese Auflösung an, dann geht als Erstes das Element Erde. Der Mensch wird schwach, ist nicht mehr Herr seines Körpers. Er kann nicht alleine aufstehen, die Muskulatur schwindet, das Körperliche versagt.
An zweiter Stelle geht das Element Wasser. Der Körper verliert Flüssigkeit durch beispielsweise ständiges Wasserlassen oder Stuhlabgänge. Die Formgebung des Körpers, welche unter anderem von der Einlagerung von Wasser abhängig ist, ändert sich. Wangen und Schläfen fallen ein, die Oberseite der Hand scheint nur noch aus Knochen und Haut zu bestehen. Alle Fließsysteme, vor allem Blut und Lymphe, kommen in eine Stase und der An- sowie Abtransport und damit die Versorgung zu und von den Zellen sind nicht mehr gewährleistet.
An dritter Stelle verabschiedet sich das Element Feuer, die Körpertemperatur sinkt ab. Am wichtigsten Organ, dem Herzen, bleibt die Wärme am längsten, damit möglichst lange das Leben gehalten wird. In der alten chinesischen Heilkunde hat man alle Organe dem Hofstaat zugeordnet; das Kaiserorgan ist das Herz. Ist etwas mit dem Kaiser, ist der gesamte Hofstaat in Aufruhr.
Als Letztes geht das Element Luft. Es gehört zu den äußerlich zugeführten Elementen, von dem wir am meisten abhängig sind. Der Mensch kann bis zu 60 Tage ohne Nahrung auskommen, bis zu acht Tage ohne Wasser, aber nur drei bis vier Minuten ohne Luft. Setzt die Atmung aus, sind die Elemente in ihrer göttlichen Zusammensetzung alle wieder frei; der lebende Organismus existiert nicht mehr. Allerdings lösen sie sich nicht auf, sondern werden in anderer Kombination zu neuen Existenzen kreiert. Somit geht in diesem Kosmosbild nichts verloren, nur die Zusammensetzung erneuert sich.
Dieses Gehen der Elemente kann auch im Kommen in umgekehrter Reihenfolge bei der biologischen Menschentstehung gesehen werden. Trotz aller Bemühungen auf körperlicher Ebene muss eine Seele anwesend sein, die sich durch diese menschliche Fusion inkarnieren will. Sie stellt das Ätherische (Spirituelle) dar, das Element Luft. Als Feuer kann die Leidenschaft von Frau und Mann beschrieben werden, die den Zeugungsakt vollziehen. Wasser als Transportmechanismus muss die Samenzellen zum reifen Ei schwemmen, um aus dieser Fusion das neue Wesen entstehen zu lassen. Die Menschwerdung als Wachstum im Mutterleib ist dem Element Erde zugeordnet.
Was sich in der vorherigen Reihenfolge an Elementen zu einem intakten Lebewesen zusammensetzt, geht im Tod in umgekehrter Form wieder in seine Einzelbausteine zurück und steht dem göttlichen Baukasten wieder zur Verfügung.
Du hattest keine Angst, geboren zu werden,
willst nun etwa Angst haben zu sterben?
Leben und Tod sind nichts anderes als zwei Seiten der gleichen Medaille. Mit der ersten Zellteilung im Mutterleib fängt zugleich der Countdown zum Tod an. Ab dem dreißigsten Lebensjahr gehen mehr Zellen zu Grunde, als nachgebaut werden. Das Rad von Leben und Tod dreht sich unaufhörlich und macht bei keinem Lebewesen eine Ausnahme.
Warum haben wir, trotz dieser Erkenntnis, eine solche Angst vor dem Ableben?
Jede Gesellschaftsordnung geht mit dem Thema des Sterbens anders um. In den westlichen Industrieländern ist der Tod zum größten Tabuthema geworden. Man stirbt nicht! Jeder Alterungsprozess, als Vorstufe zum Tod, wird ignoriert oder kosmetisch korrigiert. In der Werbung laufen alte Menschen, nur erkennbar am weißen Schnauzbart oder leicht grauen Haaren, Marathon, springen mit zwei Enkeln in den Armen über Weidezäune oder fahren Motorradrennen. Ein leichtes Altern ist erkennbar, aber sonst ändert sich nichts. Eine Pfarrerin erzählte mir, dass die Hinterbliebenen einer verstorbenen 104-jährigen Dame darauf bestanden, in der Anzeige den Text plötzlich und völlig unerwartet zu verwenden. Ja, wer rechnet schon damit, dass man mit 104 Jahren versterben kann!
In den Industrieländern werden die Menschen immer älter, doch unter welchen Bedingungen! Kein Biologe kann nachvollziehen, dass nur das reine Altwerden als erstrebenswert dargestellt wird. Welche Angst steht hier Pate? Die Angst vor dem Sterben. Lieber 20 Jahre unter lebensunwürdigen Bedingungen vegetieren, als den Tod zu akzeptieren. Wir werden über 80 oder 90, aber die Hälfte der 40-Jährigen steht unter Dauermedikation! Blutdruckmittel, Schmerzmittel, Antidepressiva, Cortison, Cholesterinsenker oder Schilddrüsenhormone sollen am besten bis zum Lebensende eingenommen werden. Unser halbes Leben haben wir demnach medizinische Unterstützung nötig, um älter werden zu können. Ab Mitte 60 erhöhen sich dann die Medikamenteneinnahmen noch drastisch, sodass viele vor der statistisch errechneten Ablebenszeit versterben. Die junge Generation kann nicht in den Arbeitsprozess nachrücken, weil die Alten mit immer höheren Altersgrenzen aus dem Erwerbsprozess ausscheiden. Schon in absehbarer Zeit wird dieses System nicht mehr zu finanzieren sein. Das wird alles in Kauf genommen – im Endeffekt aus Angst, aus dem Leben scheiden zu müssen.
Wer nicht mit dem Tod umgehen kann, vermag dies auch nicht mit der Trauer. Man will sich mit dem Trauern nicht auseinandersetzen, man will es lieber verdrängen. Wer ganz kurze Zeit nach dem Ableben eines nahestehenden Menschen immer noch in niedergeschlagene Zustände fällt, ist nach heutiger Definition nicht mehr in der Trauerphase, sondern in einem therapierungswürdigen Depressionsprozess. Dieser wird dann medikamentös angegangen, sodass ein für den psychischen Prozess wichtiger Faktor der Auseinandersetzung unterdrückt, unterbunden und verdrängt wird. Natürlich kann und sollte Trauer auch hilfreich unterstützt werden, aber nicht im Sinne eines Krankheitsprozesses mit dem Hintergrund, den Patienten möglichst schnell wieder gesellschaftlich eingliederungsfähig zu machen!
Das Lebensende ist für denjenigen der größte Schrecken, der von einer Auffassung des endgültig Beendeten ausgeht. Aber auch Atheisten beten in extremen Situationen. Gehe ich jedoch von einem Prozess des immer wiederkehrenden Neuanfangs aus, egal, ob ich dies als Reinkarnation oder als Rückkehr ins Ganze sehe, hat der Tod viel von seinem giftigen Stachel verloren.
Alle Lebewesen, vom Menschen bis zur Amöbe, wollen kein Leid ertragen und möglichst unter guten Verhältnissen lange leben. Dieses Muster scheint im Leben verankert zu sein. Daran ist auch gar nichts auszusetzen, aber eine Gesellschaftsordnung, die nur auf die Verlängerung des Lebens fixiert ist, egal unter welchen innerlichen oder äußerlichen Bedingungen, muss den Tod angstvoll ignorieren. Wird man jedoch durch das Versterben eines lieben Menschen oder die eigene Konfrontation mit dem Tod an die Vergänglichkeit erinnert, dann ist die Auseinandersetzung mit dem Thema doppelt schmerzlich. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, wir können diesem Thema nicht entgehen.
Viele Märchen und Geschichten aus der ganzen Welt setzten sich mit dem Feilschen zwischen Mensch und Sensenmann auseinander. Es wird durch Ortwechsel versucht, das Hinscheiden zu umgehen, durch die Suche nach beispielsweise einem heiligen Gral ein ewiges Leben zu erlangen – all das aus der Angst der Menschen vor dem Sterben.
Noch über der Angst vor dem Tod steht der Horror vor einem qualvollen Sterben. Das Ableben wird weitgehend akzeptiert, wenn es plötzlich, unerwartet und völlig schmerzfrei daherkommt. Ich lebe und im Bruchteil einer Sekunde bin ich nicht mehr. Auch das Lebensende von Nahestehenden bei einem Unfall wird prozentual ein wenig entschärft, wenn durch beispielsweise Ärzte bestätigt wird: Das ging alles so schnell, er hat nichts davon mitbekommen!
Sterbebegleitung unterstützt Rechte und Wünsche. Der Patient hat das Recht festzulegen, wie seine medizinische Behandlung aussehen soll, besonders dann, wenn er nicht mehr selbst entscheiden kann.
Viele Betroffene fühlen den Wunsch, ihre Angelegenheiten zu ordnen und Abschied zu nehmen. Es ist auch wichtig, dass sich der Sterbende sicher ist, dass seine Wünsche bezüglich der Beerdigung und des Nachlasses entsprechend respektiert und ausgeführt werden.
Religion, eigene Werte und Weltanschauung können in dieser Phase eine wesentliche Hilfe sein oder zu zentralen Themen werden. Umso wichtiger ist es für Begleitpersonen, dies zu respektieren. Schmerz, Leid, Trauer und Loslassen müssen gemeinsam durchlebt und bewältigt werden. Dabei sollten die Bedürfnisse und Wünsche des Sterbenden selbst im Mittelpunkt stehen. Es kann außerdem sein, dass Angehörige mit Aggressionen und Vorwürfen konfrontiert werden. Dies ist Prozess im Rahmen der Trauerarbeit und für alle Beteiligte nicht einfach, darum ist fachkundige Sterbebegleitung sinnvoll.
In der jüngeren Vergangenheit hat die bekannte Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross fast ihr ganzes Leben dem Erforschen von Sterben und Tod gewidmet. Ihre Erkenntnisse und Erfahrungen haben sie zu dem Ausspruch veranlasst: „Sterben – das ist, wie wenn man bald in Ferien fährt. Ich freue mich unheimlich.“
Frau Kübler-Ross hat in ihrem Leben mit über 200 sterbenden Patienten gesprochen und daraus ein Modell entwickelt, in dem sie die psychischen Vorgänge im Zusammenhang mit dem nahenden Tod in Phasen einteilt. Natürlich kann diese Einteilung, welche auch für die Angehörigen gilt, nur als Richtlinie dienen, denn letztendlich stirbt jeder Mensch seinen eigenen, individuellen Tod.
Phase 1 > Verleugnen oder nicht wahrhaben wollen
Phase 2 > Neid und Zorn
Phase 3 > Verhandeln mit Gott und den Ärzten
Phase 4 > Depression
Phase 5 > Akzeptanz, Zustimmung oder Resignation
Die Phase 1, das Nicht-wahrhaben-Wollen ist weniger ein Problem von älteren Menschen, sondern von denjenigen, die sich nie mit dem Tod auseinandergesetzt haben und sich plötzlich mit einer tödlichen Diagnose konfrontiert sehen. Dieser Standpunkt wird meist von Phase 2, dem Zorn, abgelöst. In diesem Zustand kann entweder mit innerer Wut reagiert werden oder die Betroffenen wirken ungehalten und unverstanden auf ihre Umwelt.
Dann kommt die Phase des Verhandelns, Phase 3: Wenn ich dies und das mache, dann muss ich doch wieder gesund werden. Wenn sie bemerken, dass all ihre Bemühungen nicht helfen, fallen die Betroffenen in eine mehr oder weniger starke Depression, Phase 4. Erst sehr viel später, meist auf dem Sterbebett, sind die Betroffenen bereit, das Sterben und den Tod zu akzeptieren und anzunehmen (Phase 5). Zudem darf man nicht vergessen, dass in allen Phasen die Angst den Sterbenden begleitet.
Der Sterbende braucht Zuwendung, Nähe, Geborgenheit, Berührung, Ruhe und Harmonie. Doch in der heutigen Zeit findet das Sterben meist in der anonymen Atmosphäre des Krankenhauses oder im Pflegeheim statt. Orte, in denen es oftmals schwerfällt, die entsprechenden Rahmenbedingungen für einen guten Übergang zu schaffen. Um diesen Zustand zu ändern, findet seit einigen Jahren die Aromatherapie einen stetigen und erfolgreichen Eingang in die Sterbebegleitung. Nicht nur aufgrund der Inhaltsstoffe der ätherischen Öle eignet sie sich als Begleittherapie und hilft sowohl dem Sterbenden als auch den Angehörigen und den Pflegenden, mit der Situation besser zurechtzukommen.
Rehabilitationsphase
Die erste Phase beinhaltet den Zeitpunkt der Diagnosestellung mit einem weitgehend normalen Alltag. Darauf folgt die Präterminalphase, bei der die Aktivität des Kranken schon sehr eingeschränkt ist. Die anschließende Terminalphase ist gekennzeichnet von zunehmender Inaktivität, Rückzug oder Ruhelosigkeit.
Terminalphase
Nach der Definition der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin werden mit dem Begriff die letzten Monate bis Wochen eines Schwerkranken vor seinem Tod bezeichnet.
Auf die Terminalphase folgt das endgültige Sterben, die Finalphase.
Als Anzeichen für das Eintreten in die Terminalphase kann gelten, wenn der Patient
zunehmend bettlägerig und extrem geschwächt ist.
neue Symptome beklagt (z. B. Unruhe, Dyspnoe, Angst, Schmerz, Somnolenz).
zeitweise desorientiert erscheint.
immer weniger Interesse für Essen und Trinken aufbringt.
immer weniger Interesse für seine Umgebung und sein Leben zeigt.
eine oder mehrere lebensbedrohende Komplikationen entwickelt (beispielsweise eine Pneumonie).
Wenn die meisten oder alle oben genannten Punkte erfüllt sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Patient im Lauf der nächsten sechs Monate sterben wird (s. a. Karnofsky-Index = Skala, mit der die symptombezogene Einschränkung der Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung bei Patienten mit bösartigen Tumoren bewertet werden kann).
Diese Phase verläuft gewöhnlich in langsamen Schritten, kann aber auch plötzlich und für alle mehr oder weniger unerwartet ablaufen.
Finalphase
Der Begriff umschreibt die eigentliche Sterbephase und bezieht sich auf die letzten Stunden bzw. Tage des Lebens.
In dieser Phase steht bei der palliativen pflegerischen Versorgung die Wahrnehmung der Bedürfnisse des Sterbenden im Vordergrund. Bei allen Tätigkeiten sollte abgewogen werden, ob sie überhaupt notwendig sind, ob sie eine Belastung für den Sterbenden sind oder ob sie ihm Erleichterung verschaffen. Oft benötigt der Sterbende in dieser Phase kaum noch pflegerische Intervention; es sind oft eher die anwesenden Angehörigen, die der Unterstützung bedürfen.
Folgende Verhaltensveränderungen und Symptome bei Schwerkranken können auf den nahen Tod hinweisen (nach Kern und Nauck 2006):
Extreme motorische Unruhe: wiederholter Drang zum Aufstehen, Nesteln, Umhergreifen, Entkleiden oder das Wegschieben der Bettdecke
vermehrte Müdigkeit und Teilnahmslosigkeit, Apathie, zunehmende Somnolenz
längere Schlafphasen bis hin zum Koma
Reduzierung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme bis hin zum vollständigen Verzicht
Reduzierung der Urinausscheidung, evtl. Inkontinenz oder Harnverhaltung
kalte Füße, Arme, Hände (schwache Durchblutung) oder übermäßiges Schwitzen
dunkle, livide Verfärbung der Körperunterseite, Hände, Knie und/oder der Füße (Marmorierung)
bleiche, wächserne Haut
ausgeprägt bleiches Mund-Nasen-Dreieck
schwacher Puls
Blutdruckabfall (an der Pulsqualität erkennbar – eine Messung ist in dieser Situation nicht angemessen, zumal die Feststellung des Wertes keine Konsequenzen nach sich ziehen würde)
reduzierte Wahrnehmung der Außenwelt (Zeit, Raum, Personen)
veränderter Atemrhythmus (Cheyne-Stoke’sche Atmung, Schnappatmung)
Atemgeräusche wie das präfinale Rasseln
2 Auszüge der Interseite www.pflegewiki.de/wiki/Pflegeplanung
Es gehört nicht unbedingt ein hohes Maß an Sensibilität dazu, um sich vorzustellen, dass ein Mensch, der mit seinem Abschiednehmen konfrontiert ist, Rückschau auf sein bisheriges Leben hält. Oftmals hat er aus Selbstmitleid nicht mehr die schönen Augenblicke im Blick, sondern verliert sich in Gedanken, in denen er aus seiner momentanen Sichtweise versagt hat.
Sprechen Sie mit Ihrem Angehörigen offen über sein bisheriges Leben und vermeintliche