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Impressum:
© 2018 Hanna Elisabeth Stotzer-Schmucki
Graben 4, 3294 Büren a/A
elisabeth_stotzer@hotmail.com
Layout: René Zimmermann, Goldiwil
Erste Auflage
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-746-02130-0
Sponsoring:
Die Drucklegung des Buches ist von der Kulturförderung des Kantons Obwalden, Swisslos, unterstützt worden
Kulturförderung
Kanton Obwalden
Mein Vater, der katholische Theologe und Kunstmaler Johann Schmucki, bleibt mir vor allem als geistreicher, nicht sehr kommunikativer, viel lesender und stets begeistert malender Mensch in Erinnerung. Es mag erstaunen, dass ich insbesondere durch meine Mutter darüber informiert wurde, dass er sich seinerzeit nach Grundschule und Gymnasium zum katholischen Priester ausbilden liess, danach in Deutschland Kunstgeschichte studierte, am Gymnasium ”Missionshaus Bethlehem” in Immensee mehrere Jahre als Ästhetik-, Deutsch- und Zeichenlehrer wirkte und mit der Kirchenführung in Widerstreit geriet – was schliesslich zum Bruch und Weggang führte.
Der Vater unterhielt sich mit uns Kindern fürwahr nur äusserst selten über seine Vorgeschichte. Genaueres erfuhren wir erst, als er in späteren Jahren einen Lebensbericht verfasste, in welchem er sich jedoch über seine Zeit im katholischen Amt grösstenteils ausschwieg. Meine latente Neugier erhielt indes zu jenem Zeitpunkt starken Auftrieb, als sich über fast wundersame Wege herausstellte, dass Johann Schmucki während seines letzten Kirchenamtes als Kaplan in Bürglen / OW innerhalb eines knappen Jahres fast die gesamte Dorfbewohnerschaft porträtiert hatte (die über 120 Farb- und Schwarzweiss-Zeichnungen befanden sich unerkannt in Schmuckis Nachlass). Das meisterhafte Bildmaterial wurde im Jahr 2011 in Form einer Sonderausstellung in Lungern der Öffentlichkeit gezeigt und danach als Geschenk dem Kanton Obwalden übergeben, zur Aufbewahrung und weiteren Verfügung.
Doch was hatte wohl zum Zerwürfnis mit der katholischen Kirche geführt? Jetzt musste ich mir unbedingt weiteren Zugang zur Vita meines Vaters verschaffen, insbesondere über den Zeitabschnitt kurz vor dem Verbot zur Ausübung der priesterlichen Funktionen im Gebiet der Churer Diözese.
Es war eine Eigenheit des Johann Schmucki, zeitlebens allen Dokumenten grössten Respekt zu zollen, sowohl eigenen als auch fremden. Diese generelle Haltung dürfte im Faktum wurzeln, dass er als Jüngling und heranwachsender Mann über lange Jahre hinweg akribisch Tagebuch geführt hatte. In diesen insgesamt 17 Büchern finden sich neben einer unglaublichen Menge an detaillierten Einträgen auch gegen tausend Gedichte, die noch der Aufarbeitung harren. So mag es nicht erstaunen, dass sich nach dem Tode meines Vaters zahlreiche Schachteln voller verschnürter Bündel mit alten Briefen von Verwandten, Freunden, Malern und Dichtern vorfanden.
Als wahre Fundgrube stellte sich dabei der Briefwechsel mit seiner langjährigen Freundin und Geliebten heraus, der Pianistin Elsa Helbling. Letztere hatte nämlich kurz vor ihrem Ableben dafür gesorgt, dass sämtliche Briefe des Johann Schmucki wieder den Weg zu ihm zurückfanden. Es ist ein aussergewöhnlicher Glücksfall, dass auf diese Weise die unzähligen, umfangreichen gegenseitigen Berichte in Form fast tagebuchähnlicher Schilderungen erhalten blieben; sie umspannen den Zeitraum von 1924 bis 1966.
Zunächst begann ich, die Schreiben der Freundin aufzuarbeiten. Sie vermochten bereits eine ganze Menge Unbekanntes, Erstaunliches über meinen Vater auszusagen, darunter auch faszinierende Einblicke in jene Zeit des geistigen Aufbruchs.
Danach beschäftigte ich mich mit den Briefen des Vaters. Seine extrem kleine, gedrängte deutsche Schrift mit vielen persönlichen Eigenheiten erschien mir anfänglich als kaum entzifferbar. Doch nach und nach entstand auch hier ein lebendiges und aufschlussreiches Bild über das Wesen und die gesamte Persönlichkeit von Johann Schmucki, darunter die Kernpunkte seiner religiösen Auffassung, die Beweggründe zur Kontaktsuche mit Philosophen, Dichtern, Malern und ”Zeitkritikern” verschiedenster Art und nicht zuletzt über seinen endgültigen Durchbruch zur Malerei.
Nach der Durchsicht und Ordnung sämtlicher Korrespondenzen sahen mein hilfsbereiter Ehemann und ich uns konfrontiert mit mehreren tausend Schriftstücken, abgelegt in vielen prall gefüllten Bundesordnern, davon alleine zwölf mit Briefen von Johann an Elsa und zehn mit Briefen der Freundin an den Verehrten und Geliebten.
Beim Aufbau des Buches wählte ich das Vorgehen, zunächst einige Einblicke in die Jugendzeit und die Studienjahre des Johann Schmucki zu werfen. Das primäre Augenmerk danach ist auf seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer in Immensee und als Hilfskaplan in Bürglen (während der Jahre 1929–1930) sowie den Abbruch der kirchlichen Ämter gerichtet. Abschliessend folgen einige Streiflichter auf seinen Aufenthalt in Paris und das spätere Leben als Familienvater, Künstler und Restaurator.
Ich will der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es mit dem vorliegenden Werk gelingen möge, einen lebensnahen Bericht über den Aufbruch einiger aufgeschlossener, eifrig suchender Menschen in den 20er-Jahren des verflossenen Jahrhunderts zu verfassen, welcher indes auch in Bezug auf das Ringen gläubiger Gottessucher mit den einengenden Glaubensdogmen der katholischen Kirche Klartext redet.
Bern, Sommer 2018 Hanna Elisabeth Stotzer-Schmucki
Abkürzungen:
12.7.24 = Briefdatum
TB = Tagebucheintrag
LB = Lebensbericht (verfasst in den Jahren 1971–1988)
Die Zitate aus Elsas Briefen sind in Kursivschrift wiedergegeben.
„Hochwürden Schmucki, Sie sind an diesem Institut nicht mehr länger tragbar!“ Ein Moment irritierender Stille folgte. „Wie man mir mitteilte, nimmt der Skandal, in welchen Sie Unglücklicher verwickelt sind, immer grössere Dimensionen an. Privatpersonen und auch etliche Priester der Diözese laufen Sturm beim Bischof in St. Gallen mit der Forderung, Sie seien den Studenten des Gymnasiums ”Missionshaus Bethlehem” nicht länger zumutbar.“ Bondolfi räusperte sich, und nicht ohne einen kaum bemerkbaren Anflug von Hohn im Unterton bemerkte er kurz und klar: „Ich sehe mich gezwungen, Sie auf Jahresende zu entlassen.“
Es war am 12. Dezember 1926, als sich der noch junge Ästhetik-, Deutsch- und Zeichenlehrer Dr. Johann Schmucki mit diesem Schicksalsschlag konfrontiert sah. Wie sehr hatte er doch während den vergangenen Wochen immer wieder Mut und Zuversicht geschöpft und auf eine glückliche Wende gehofft. Und nun dies! Mitten im Winter, weg von der Schule und dem blühenden Betrieb, den er geschaffen hatte. Abschied nehmen von der trauten Schülerschar, die mit solcher Bewunderung an ihm hing und seinem Unterricht mit Begeisterung folgte.
Wortlos trennten sich die beiden Männer. Der soeben abberufene, geschasste Priester und Lehrer begab sich sogleich in die Kapelle des Missionshauses, um inbrünstig zu beten und zu danken, ja auch um zu danken für eine jener göttlichen Fügungen, denen er sich seit eh und je bedingungslos zu unterwerfen verstand. Und dennoch nahm er sich vor, am morgigen Tag nochmals das Gespräch mit dem Direktor zu suchen und sich danach zum Bischof nach St. Gallen zu begeben, um dort die Chance einer Rechtfertigung wahrzunehmen.
Was war wirklich geschehen? Wie hatte es zu einer solchen Eskalation kommen können? Dies wird im Detail aufzuzeigen sein. Aber wenden wir uns vorerst dem vorangegangenen Werdegang des Johann Schmucki zu.
Erhöht über dem Dorf Kaltbrunn am Rande der Linthebene liegt noch heute das schlichte Bauernhaus, das ”Hältli”, in welchem Johann Schmucki am 30. November 1896 geboren wurde und wo er seine Kindheit verbrachte.
Das ”Hältli”, Geburtshaus von Johann Schmucki
Er wuchs gemeinsam mit drei jüngeren Schwestern in bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen auf. Seine Vorschulzeit wurde vornehmlich geprägt durch die Ereignisse in Hof und Stall, Feld und Wald. Schon sehr früh zeichnete sich ein zutrauliches und enges Verhältnis zur Natur ab. Jeder Baum, jeder Strauch der Umgebung, die Blumen und Gräser am Wege, Steine und Tiere in Stall und Flur waren ihm innig vertraut. Hier nahm er unbewusst geistiges Wirken wahr, das ihm durch sein ganzes Leben richtungsweisend sein sollte, am intensivsten zweifellos beim späteren schöpferischen Kunstschaffen.
Die Eltern, Johann Georg Beat Schmuki-Wildhaber (25.3.1855–21.7.1944) und die 16 Jahre jüngere Ehefrau, Johanna Schmuki-Wildhaber (25.6.1871–14.2.1923), schrieben ihren Familiennamen mit ”k”. Johann entschied sich jedoch – vermutlich der Aussprache wegen – mit dem Beginn des Theologiestudiums seinen Namen künftig mit ”ck” zu schreiben. Dies führte in den fogenden Generationen mehrfach zu Kontroversen mit Amtsstellen.
Das Ehepaar Schmuki erzog die Kinder streng religiös. Sie berichteten ihnen von Gott, dem alles gehorchen müsse, und belehrten sie über das Wirken der Schutzengel. Das leuchtete Klein-Johann ein. Die kirchlichen Festtage im Jahreskreis bedeuteten Höhepunkte für ihn. Zum Beispiel der Weisse Sonntag, jeweils eine Woche nach Ostern, an welchem die Mädchen in weissen Kleidchen und die Bürschlein in dunklen Gewändern zur Erstkommunion aufgeboten wurden. Ob sich in der damaligen Zeit die vornehmlich armen Bauern den Luxus teurer Kinderkleider leisten konnten, ist allerdings fraglich. Mit Laub und Blumen wurde die Kirche jeweils prächtig ausgeschmückt, und die Dorfjugend freute sich sehr darauf. In den vorangehenden Wochen hatte der Pfarrer im Kommunionsunterricht den Kindern jeweils erklärt, dass unter den Gestalten von Brot und Wein Jesus Christus wirklich und wesentlich gegenwärtig sei. Mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Johann hegte nicht die leisesten Zweifel, war mit grossem Eifer dabei. In seinen Lebenserinnerungen äussert er sich dazu wie folgt: „Die Einsicht, dass diese ganze Dogmatik des Altarsakraments eine materialistische Vergröberung des Liebesmahles ist, das Christus seinen Jüngern als Vermächtnis gegeben hat, diese Einsicht konnte erst viel später kommen. In den Jahren des Theologiestudiums hatte ich ein Heimweh nach der verlorenen, unmittelbaren, beglückenden Anschauung der Gotteswelt in meinen Kinderjahren.“
In den ersten Primarschuljahren hatte Johann einen sehr verständnisvollen Kaplan als Religionslehrer und liebte die Geschichten, welche dieser erzählte. Aber man musste ja auch Katechismusfragen lernen und das bereitete ihm grosse Mühe. Erst viel später begriff er warum: Die dogmatisch-intellektuellen Formulierungen standen in keiner direkten, engen Beziehung zu seinem gottesfreudigen Innenleben.
„Einmal redete der Kaplan im Unterricht vom Glauben. Wie notwendig er sei. Und dass es das furchtbarste Unglück für einen Menschen sei, wenn er den Glauben verliere. Es fiel ein grosser Stein auf mich. Irgendwie sah ich es kommen: Ich werde den Glauben verlieren! So unglaublich das war. Damals konnte ich ja noch nicht ahnen, dass es zweierlei gibt: Einen Glauben, der im Boden gottesfreudigen Vertrauens seine Wurzeln hat, und etwas, das sich Glaube nennt, aber auf Furcht und Angst aufgebaut ist.“ (Zitat LB)
Einen schönen Teil seiner frühen Jahre verbrachte Johann mit dem Vater im warmen, heimeligen Kuhstall. Dort erlebte er auch das Wunder des neuen Lebens, wenn ein Jungtier geboren wurde. Mit natürlicher Selbstverständlichkeit sprach man darüber, sah den runden Leib der Kuh und konnte eines Tages selber mithelfen, das Kälbchen zur Welt zu bringen. Dazu schrieb er: „Ganz anders verhielt es sich bei den Menschen. Da wurde einem alles verheimlicht. Den Kindern wurde gesagt, die Hebamme habe das kleine Schwesterlein gebracht. Und auf keinen Fall durfte man sehen, wie die Mutter das Kleine an die Brust nahm und stillte. Auch die kleinen Geschwister bekam ich ja nie nackt zu sehen.“ Überhaupt nahm Johann seine Eltern stets in Kleidern wahr, aus denen nur der Kopf, sowie Hände und Füsse hervorguckten. „Man sei ein Schwein, wenn man etwas Unbekleidetes anschaue, meinte der Vater. Aber handkehrum hing in der Stube eine farbige Tafel mit der Darstellung des Gekreuzigten. Wieso war es denn nicht auch Sünde, wenn man dessen nackten Leib sah? Im Religionsunterricht wurde am gleichen Strang gezogen. ‚Ich habe Unkeusches angeschaut, ich habe Unkeusches angerührt‘, hiess es im Beichtspiegel. Also gab es an unserem Körper scheinbar unkeusche Bereiche, an unserem von Gott geschaffenen Körper. Gott selber hat Unkeusches geschaffen!“ (Zitat LB)
Ruht allenfalls hier der Kern für Johanns Interesse am menschlichen Körper, welchen er in späteren Jahren geradezu mit Leidenschaft immer wieder mittels Fotos und Zeichnungen darstellte? Schon als Student entrüstete er sich 1919 in seinem Tagebuch darüber, dass Nacktheit in der religiösen Kunst nicht dargestellt werden durfte. Nacktheit sah er stets als etwas göttlich Natürliches und Reines an.
Früh schon erwachte in ihm die Freude am Zeichnen und Gestalten. Mit grossem Eifer zeichnete er auf die Schieferplatte des Stubentisches. Er entwarf dabei Häuser, Ställe oder eine Sennhütte – und alles wurde wieder ausgewischt.
Mit acht Jahren erkrankte Johann Schmuki am Weihnachtsabend an Diphtherie und musste in bedenklichem Zustand mit einem ”Chaisli” (von Pferden gezogenes kutschenähnliches Fuhrwerk) ins Spital Uznach gefahren werden, wo man sogleich die erforderliche Operation vollzog. Der besorgte Vater meinte zu ihm: „Johann, und wenn du sterben musst?“ Ihm aber machte das Sterben gar keinen Eindruck, es war für ihn noch nicht Zeit. Dem Vater aber werden an jenem Weihnachtsabend noch etliche Tränen in den Melkeimer getropft sein, und er entschloss sich spontan zu einem Gelöbnis: Wenn sein Sohn mit dem Leben davonkomme, wolle er mit ihm nach Einsiedeln und auf die Rigi wallfahren. Für den Genesenden war dies dann ein unvergessliches Erlebnis. Staunend nahm der kleine Johann das Klosterviereck mit der mächtigen Kirche mittendrin und den zwei Türmen wahr, als er sich an der Hand seines Vaters über die Hochebene vom Etzel her Einsiedeln näherte. „In die Wallfahrtskirche von Einsiedeln kam ich zum Glück später noch oft und konnte sie mit der Zeit erfassen lernen. Für den Buben von damals war es, wie wenn er unter einen Wasserfall käme, wo er von dem Überschwall keinen Schluck zu trinken fähig ist.“ (Zitat LB) Später, auf Rigi First, wo man den Vierwaldstättersee und auch den Zugersee tief unten sieht, fürchtete sich Johann im ersten Moment beinahe, da hinabzuschauen. So nah kamen die grossen Wasser an die Füsse heran. Damals ahnte der kleine Knirps nicht, dass er Jahre später in unmittelbarer Nähe am Gymnasium ”Missionshaus Bethlehem” in Immensee heranwachsende Jugendliche unterrichten würde.
Eines Tages meldete sich im Bauernhaus Schmuki der Ortspfarrer zu Besuch an. Er müsse überprüfen, welche Art Bücher in den Häusern vorhanden seien. Auf keinen Fall etwas Anrüchiges oder Verbotenes! Bei Schmukis war dies einfach, denn ausser Grossvaters handschriftlichem ”Doktorbuch” (er genoss in der Gegend den Ruf eines erfolgreichen Heilpraktikers) war kein Buch vorhanden – auch keine Bibel. In der Bibel zu lesen war für eine Bauernfamilie nicht üblich. Nur der ”Zugerkalender” war da, aus welchem der Vater einmal eine humorvolle Erzählung vorgelesen habe – ein unvergessliches Erlebnis für Johann. Er bemerkte dazu: „Wenn das nur öfter vorgekommen wäre!“
Nun aber trat plötzlich eine unerwartete Wende ein. Im Lebensbericht lesen wir: „Eines Abends, im Winter 1908/09, war ich mit dem Vater am Melken. Da kam wie ein Blitz vom Himmel des Vaters Frage: ‚Johann, möchtest du nicht studieren?’ [Der Pfarrer hatte ihn offenbar darauf angesprochen, der Junge hätte die nötige Begabung dazu und die Familie das nötige Geld. Der Steinbruch für den Bau des Rickentunnels hatte ja einen schönen Vermögenszuschuss eingebracht]. Er bezahle mir das Studium, es werde mir nicht am Erbteil abgerechnet. Ich könne werden, was ich wolle, nur kein Afikat [Advokat]. Ich dürfe nach Einsiedeln, wenn ich studieren wolle. Einsiedeln, das war ein Zauberwort. Ja, ja, das war etwas Verlockendes. In der Nacht, im Bett, liess ich mir die Sache durch den Sinn gehen. Am andern Morgen, als wir wieder zusammen molken, sagte ich dem Vater, ich sei mit seinem Vorschlag einverstanden.“
Hätte Johann damals geahnt, wie schwer ihm zu Beginn das Studium fallen sollte, wäre er keinesfalls auf des Vaters Angebot eingegangen. Dann wäre er ein Bauer geworden, sicher kein schlechter. „Aber ich wäre an all dem Reichtum vorbeigegangen, an dem wahrhaft Beglückenden, das mir als Ergebnis der Mühsale aufgehoben war.“ (Zitat LB)
Doch nicht in Einsiedeln sollte Johanns Weiterbildung ihren Anfang nehmen. Er rückte im Oktober 1909 ins Kollegi Stans ein, weil noch einige weitere Jungen aus der näheren Umgebung in Stans eingeschrieben waren. Gar viel Neues, Unbekanntes stürzte zu Beginn des Schulunterrichts auf den kleinen Bauernjungen ein. Am meisten Sorgen bereiteten ihm die Lateinstunden. In der Rückschau erinnerte er sich: „Ich müsse jeden Tag Latein studieren, sagte unser Pfarrer jedes Mal zu mir, wenn ich in den Ferien heimkam und ihm mein schlechtes Zeugnis vorwies. Dann bekamen wir Pater Georg als Klassen- und Lateinlehrer in der vierten Klasse. Und siehe: Das Latein ging plötzlich, ich arbeitete sehr gut.“ Pater Georg kam auch als Zeichenlehrer Johanns innerstem Bedürfnis entgegen. Schon damals war das Malen sein heimlicher Herzenswunsch. Pater Georg war kein Künstler, aber er interessierte sich für Malerei. Er merkte, dass Johann eine bessere Veranlagung hatte als die meisten anderen. So liess er ihn allerlei malen in Pastell und Öl. Nichts nach Natur. Nichts Schöpferisches, sondern Kopieren nach besseren und schlechteren Vorlagen. Aber Johann durfte sich immerhin in der Freizeit seiner Vorliebe hingeben, nicht mehr jassen, sondern malen! Und die Technik, die er sich so aneignete, kam ihm zugute, als sich ihm endlich der schöpferische Weg auftat.
Seine schulischen Leistungen verbesserten sich zusehends. Er arbeitete pflichtbewusst und fleissig, doch seinem Tagebucheintrag vom 5.11.1915 entnehmen wir Folgendes: „Ich habe jetzt alle Tage gemalt, und mein Gemälde ist bereits zur Hälfte gediehen. Ich male mit einer wahren Leidenschaft; dies beschäftigt mich mehr als alles andere.“
Wichtig war für Johann auch das Herbarium, seine eigene Pflanzensammlung, die er sich neben den Schularbeiten aufbaute. Ein systematisches Buch über sämtliche Schweizer Pflanzen half ihm dabei, „und vor allem meine Augen, die auf den gemeinsamen Spaziergängen genau achtgaben auf alles, was in Feld und Wald wuchs, was an Gräben, an trockenen Hängen, an alten Mauern blüht. Ja, in der Botanik kannte ich mich aus.“ (Zitat LB)
Auch die religiösen Themen in der Malerei scheinen Johann Schmucki schon sehr früh beschäftigt zu haben.
30.11.16: „Mit meinem Thomas [vermutlich eine Kopie des heiligen Thomas] geht es gut vorwärts. Heute, an meinem zwanzigsten Geburtstag, malte ich den mittleren Teil des Habits. Ich hoffe, dass dieses Bild, das mein Interesse geweckt und wachgehalten hat wie kein anderes, für mein zukünftiges Leben von grosser Bedeutung sein wird, dass es mein treuer Begleiter sein wird durch mein zukünftiges Leben von meinem zwanzigsten Jahr an.“
Familienfoto 1913 mit Johann Schmucki als Gymnasiast
Johanns Maturitätszeugnis vom 18.7.1917
Nach dem Maturitätsabschluss im Jahr 1917 begann Johann Schmucki sogleich mit dem Theologiestudium in Chur. Diesen Entschluss begründete er im Lebensbericht wie folgt: „Nicht dass ich dazu genötigt oder auch nur gedrängt worden wäre. Mein Vater hatte mir ja von vornherein die Fächerwahl freigegeben. Ich entschloss mich für Theologie, weil mir der Dienst Gottes die Lebensangelegenheit war, obschon die Kunst unabdingbar zu meinem Leben gehörte. Aber etwa als Maler mein Brot zu verdienen, an eine solche Möglichkeit dachte ich gar nicht.“
Über seinen Umzug ins Priesterseminar schrieb er am 23.10.17 ins Tagebuch: „Ich bin gestern in St. Luzi eingezogen, wirklich ein wunderlicher, alter Kasten. […] Aber dieses alte Gemäuer hat ja auch seine romantisch-poetische Seite, und wenn auch anfangs das St. Luzi-Leben spanisch anmutet, so hoffe ich doch, mit der Zeit auf meiner Bude ein gemütliches Leben zu führen. Die Gesellschaft ist ja sehr nett und die Gegend zur Zeit gerade von hohem Reiz. Die Vorlesungen haben tüchtig eingesetzt, und die Professoren haben mir den besten Eindruck gemacht.“
Johann verfolgte das Theologiestudium mit Ernsthaftigkeit, und dennoch geht aus den Tagebucheinträgen deutlich hervor: Die Kunst war seine grosse Angelegenheit. Denn neben dem Malen in der Freizeit beschäftigte er sich auch immer wieder mit dem Analysieren von Künstlern und ihren Werken. Am meisten beschäftigte er sich mit dem Kunstschaffen Ferdinand Hodlers. Bestimmt hegte er schon während der Churer Seminarjahre den heimlichen Wunsch, sich nach dem Theologiestudium noch in Kunstgeschichte weiterzubilden.
Dazu der bedeutsame Tagebucheintrag vom 18.12.18: „Es schwirrt mir immer der Wunsch im Kopf herum, nach Beendigung der Theologie mich noch aufs Studium der Ästhetik zu verlagern und darin, wenn möglich, den Doktor zu machen; der Schwierigkeiten sind freilich genug, aber der Gedanke kommt mir doch immer wieder obenauf.“
Aber vorerst erfreute er sich noch seiner geistlichen Arbeit.
TB 26.12.20: „Ich wurde heute zum ersten Mal ausgeschickt, um meines geistlichen Amtes zu walten. Heute, am Feste des heiligen Diakons Stephanus, durfte ich zum ersten Mal die heilige Kommunion spenden und predigen. Das war eine Freude.“
TB 2.1.21: „Heute habe ich zum ersten Mal als Diakon am Altar funktioniert. Ich habe zuweilen einen kläglichen Ritus verübt, dank meines schlechten Gedächtnisses und der Unruhen, die mir der "nervus sympaticus" verursachte. Beim Gesang jedoch war der Erfolg glücklich; ein guter Anfang und damit ist die Besorgnis überwunden, die mich lange Jahre hindurch gequält hat“ [das Singen bereitete ihm am meisten Sorge].
Die heilige Priesterweihe von Johann Schmucki, 12.3.21
Gegen Ende des Theologiestudiums reifte sein Wunsch schliesslich zum Entschluss heran, sich noch an einer Hochschule für Kunstgeschichte zu immatrikulieren. TB 6.2.20: „Heute nahm ich mir eine kurze Audienz beim Bischof, um dem Ästhetikstudium wieder einen Schritt näher zu kommen. Er ist auch heute noch nicht für meinen Plan begeistert. Wenn er mir auch noch keine Zusage gab, so gab er mir auch keine Ablehnung.“
Letztendlich war er überglücklich, dass seinem Gesuch doch noch entsprochen wurde, nach der Priesterweihe auf dem Gebiete der Kunst weiterstudieren zu dürfen. Dazu seine spätern Überlegungen: „Dass der Bischof zu meinem Wunsch ja sagte, hing mit der damals übermässig grossen Zahl junger geistlicher Stellenanwärter zusammen. Es mag aber auch der Gedanke im Hintergrund gewesen sein, ich könnte Nachfolger des Präfekten Dr. Fäh werden, der die Stiftsbibliothek St. Gallen leitete.“ (Zitat LB)
Der junge Priester Johann Schmucki nach der Priesterweihe am 12.3.21
Familie Schmucki Wildhaber mit vier Kindern und zwei Geistlichen, ohne Vater, um 1918
Johann Schmucki wollte sein Kunststudium nicht in der Schweiz absolvieren, das bedurfte für ihn keiner langen Überlegung. Die grosse Kunst war ja nicht in diesem Land zu finden. München dagegen besass die alte Pinakothek. Damals stand in dieser Stadt auch noch der Glaspalast mit der alljährlichen, umfangreichen Ausstellung moderner Kunst. Leider fiel das grosse Ausstellungshaus einige Jahre später einem Grossbrand zum Opfer, und dabei wurde zweifellos auch ein kostbarer Bestand von Werken des jungen Cuno Amiet vernichtet.
TB 13.5.21: „Nach München! Früh morgens die letzte Messe in St. Joseph. Dann bin ich abgereist. Es war der schönste Morgen, den man sich denken kann. Die Wiesen im Toggenburg schimmerten so grün und golden in der Frühsonne. Immer ist die Heimat am schönsten, wenn man sie verlassen muss.“
Als Johann sein Studium an der Münchner Universität aufnahm, traf er auf den überragenden Ordinarius der Kunstwissenschaft, Heinrich Wölfflin. Das Auditorium, in dem der Professor seine Vorlesungen hielt, sei jeweilen so voll gewesen wie eine Kirche an hohen Festtagen. An den Sonntagvormittagen zog es Johann oft in die Pinakothek, wo er sich mit den vielen alten und neuen Werken bekannt machte, dabei die gelernten Theorien zunächst bewusst nicht anwandte, sondern vorerst alles nur sehr intensiv betrachtete.
Das Kunstgeschichtestudium erarbeitete er sich äusserst gewissenhaft. In den Tagebüchern jener Jahre hielt der fleissige Student Tag für Tag in kleinster Schrift und über unzählige Seiten hinweg alle seine Eindrücke und Schlussfolgerungen zu den besuchten Vorlesungen fest. Welch wahre Fundgrube an Reflexionen und sinnreichen Ergebnissen! Eine kleine Kostprobe dazu:
TB 7.2.23: „Raffaels Madonnen haben eine ganz eigene, stille unaufdringliche Idealität: Nicht die noch ganz mädchenhafte, unerschlossene Befangenheit, sondern die freie Unbefangenheit der reifen Frau, aber die eigentümliche Verve der ganz jungen Mütter, wie bei Caneggio, nicht das überreife Frauentum Tizians, nicht die weibhafte Dämonie Leonardos. Freie Unbefangenheit und natürliche, frauenhaft innerliche, ungesuchte Versenktheit, anders kann ich es nicht nennen. Das ist das spezifisch Raffaelische Lebensgefühl, aber auch das spezifisch klassische.“
Johann wohnte im Herzöglichen Georgianum, dem zweitältesten unter staatlicher Aufsicht stehenden Priesterseminar der Welt, das ausländischen Priestern offenstand, die von ihrem Bischof zum Studium nach München geschickt wurden. Dort stand er zwar weiterhin unter einer gewissen religiösen Aufsicht, atmete aber den freien Geist der Weimarer Republik begierig ein. Er war oft mit seinem neu angeschafften Fotoapparat unterwegs und bannte Kirchen, Kunstwerke sowie antike Gebäude auf Glasplatten, die er selber entwickelte. Aber neben der Welt der Kunst begann ihn zunehmend auch der menschliche Körper in Bann zu schlagen, denn er wagte sich – bestimmt mit einiger Scheu zunächst – schon damals an erste Aktaufnahmen mit einem gewissen Fräulein B. (möglicherweise eine Haushalthilfe am Georgianum).
TB 11.2.23: „Heute habe ich zum ersten Mal Aktstudien gemacht am lebenden Modell. Aber es ist mehr als ein Aktstudium daraus geworden, ein seelisches Erlebnis tiefster Art. Ich habe nicht nur ein Weib vor mir gesehen in der mannigfachsten Stellung und Bewegung, sondern ich habe in seine Weibesseele hinein geschaut mit einem ehrfürchtigen Erstaunen. Fräulein B. hat sich entschlossen, mir den Modelldienst zu erweisen, aus aufrichtigem Mitgefühl für meine Notlage und in unbegrenztem Vertrauen auf meine ehrliche Absicht: nur der Wissenschaft dienen und nicht der Sinnlichkeit frönen zu wollen. Ich hätte es früher nicht gewagt, sie darum zu bitten, weil ich ihr gutes Zartgefühl zu verletzen fürchtete. Nun haben die Umstände selber das Wort von meiner Zunge genommen. Wenn sie sich zögernd bereit erklärte, so weiss ich, dass nicht Lüsternheit sie trieb, sondern dass sie als unberührte Jungfrau mir ein grosses Opfer brachte und dass sie das nicht tat, ohne vorher die Einwilligung ihres Beichtvaters eingeholt zu haben – ein Glück, dass es noch solch einsichtige Beichtväter gibt in unserer prüden Zeit – steigerte meine Hochachtung vor ihr und meine Überzeugung von der Reinheit ihrer Gesinnung. Ich meinerseits habe innig zu Gott gebetet um die Berufsgnade, dass wir beide das gefährliche Unternehmen ohne Sünde vollbringen könnten. Einen Ansturm des Blutes, wie der eines wilden Tieres, hatte ich befürchtet beim ersten Anblick der weiblichen Nacktheit. Nun habe ich zwei Stunden dieselbe vor mir gehabt und habe nicht eine unreine Regung in mir gespürt. Freilich: das Schamgefühl dieser Jungfrau hat mir eine grenzenlose Hochachtung, eine heilige Ehrfurcht abgezwungen; es war eine sittliche Erfahrung für mich, wie sie mir kaum in stärkerem Masse hätte begegnen können. (Zitat TB)
Noch während des Aktstudiums klopfte es mehrmals ungestüm an der Türe. Johann gab keine Antwort. Hernach erfuhr er, es sei ein Telegramm eingetroffen von daheim: „Mutter sehr schlimm – bitte heimkommen.“ Augenblicklich organisierte er seine Heimreise für den nächsten Tag.
Johann Schmucki erreichte Uznach am Morgen des 12. Februars 1923 und traf seine Angehörigen weinend an. Die krebskranke Mutter litt unter grossen Schmerzen, doch ihr starkes Herz wollte noch nicht aufgeben. In seinem Tagebucheintrag vom 12.2.23 steht: „Dieses Herz, das in langen Jahren so viel gelitten, das so viel für uns gesorgt und getan hatte. Ich betete Sterbegebete mit ihr und sie gab mir klare Antwort auf alles und betete still mit.“ Nach zwei Tagen wurde Johanna Schmuki-Wildhaber mit nur 52 Jahren endlich von ihrem Leiden befreit.
Nach sechs Semestern an der Universität München übersiedelte Johann Schmucki im Jahre 1924 für den Abschluss des Studiums nach Würzburg. Eigentlich wollte er dort bei Prof. Knapp eine Arbeit über die Kunst Albrecht Dürers (1471–1528) verfassen. Aber der Gelehrte war damit nicht einverstanden und überzeugte den Studenten, ein Thema aus der Schweiz zu wählen. „Was lag mir da näher, als die Erforschung der geheimnisvollen Kathedrale von Chur. Sie ist eines der hauptsächlichsten Bindeglieder zwischen Süden und Norden in Bezug auf Architektur und Plastik innerhalb der grossen Kulturbewegung, welche um die Wende des 12. zum 13. Jahrhundert durch Europa ging. Die Churer Kathedrale ist in der ganzen Art ihrer architektonischen Erscheinung etwas Einzigartiges, das seinesgleichen weder auf deutschem noch auf lombardischem noch auf französischem Boden hat; sie steht da als einsame, überragende historische Persönlichkeit.“ (Zitat LB)
Zur Dokumentation seiner kunsthistorischen Nachforschungen unternahm Johann Schmucki Anfang März bis Ende Mai 1924 eine Reise nach Italien, über dessen Städte und Kunstdenkmäler er detailliert Tagebuch führte. Anschliessend bereiste er während des ganzen Monats Juni Südfrankreich. Sein Augenmerk galt vor allem den romanischen und gotischen Kathedralen. „St. Gilles war nicht nur mit seinem gewaltigen, mit Chur verwandten Figurenwerk an der Fassade, sondern als ganzes Kirchengebäude ein überwältigender Eindruck.“ (Zitat LB)
Nach seiner Rückkehr nahm er den Aufbau der Doktorarbeit in Angriff. Später verwendete er diese Dissertation zur Ausarbeitung eines kunsthistorischen Führers über die Churer Kathedrale mit vielen eigenen Zeichnungen (erschienen 1928).
Churer Kathedralen-Führer
Zur Gestaltung dieses Handbuches hatte ihn vor allem Dr. Linus Birchler ermuntert. Er war es auch, welcher Johann Schmucki dazu aufforderte, im neu gegründeten Verlag Felser in der Schweiz weitere Kunstführer herauszugeben, beispielsweise über das Grossmünster in Zürich, das Münster in Basel oder die Valeria von Sitten. Johann schrieb dazu: „Dieser neue Verlag mit Birchler an der Spitze eröffnet mir eine ganz glänzende Aussicht – nämlich meine Forschungen fortzuführen und ans Tageslicht zu bringen.“ (TB 12.6.26) Diese Pläne zerschlugen sich danach leider allesamt.
In Würzburg lernte Johann Schmucki im Jahr 1924 Maria Jolly kennen, eine junge Kunststudentin und begabte Malerin. Sie tippte ihm seine Dissertation in die Maschine und wurde sein zweites Aktmodell. Es sind zahlreiche schöne Aktaufnahmen aus jener Phase erhalten. Mit Maria blieb er zeitlebens verbunden, denn er schätzte und bewunderte ihre Malerei sehr. Über Jahre hinweg musste er diese Frau indes durch ihre fortgesetzten psychischen ”Hochs” und ”Tiefs” begleiten und beratend unterstützen. Im Nachlass von Johann Schmucki finden sich zahlreiche Briefe, Gedichte und auch Gemälde von Maria Jolly. Fast ihr ganzes künstlerisches Werk wurde im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombenabwurf auf ihr Elternhaus in Würzburg vernichtet.
Im Herbst 1924 begegnete der Doktorand in Uznach während eines Heimaturlaubs der Pianistin Elsa Helbling. Diese hatte in den Zwanzigerjahren ihr Klavierstudium in Stuttgart abgeschlossen, wohnte nun wieder im elterlichen Haus, erteilte in Uznach und Umgebung Privatunterricht und wurde gelegentlich auch für Konzerte engagiert.
Elsa Helbling um 1925
Zusammen mit dem Jugendfreund Hans Gestach suchte sie den jungen Priester auf, um gemeinsam über Glaubensprobleme zu diskutieren. Vermutlich begannen sie schon damals eine starke gegenseitige Sympathie aufzubauen, denn sogleich nahm ein intensiver Briefwechsel zwischen den beiden seinen Anfang, der sich über viele Jahrzehnte hinziehen sollte. Bereits am 3.11.24 richtete Elsa ihr erstes Schreiben an Johann, der wieder nach Würzburg zurückgekehrt war.
„Sehr geehrter Herr Schmucki, […] Es ist heue Allerseelentag, da bin ich an Ihrer Stelle am Grab Ihrer Mutter gestanden. Es ist zwar anmassend, dies zu sagen, aber Sie wissen schon wie ich es meine, Sie können sich ja so fein in etwas hineinfühlen. […] Ich hätte Ihnen schon lange gerne geschrieben, in Gedanken unterhalte ich mich sehr, sehr oft mit Ihnen bei den verschiedensten Gelegenheiten, beim Lesen, beim Üben und dann auch bei häuslichen Beschäftigungen.“
Am 30.11.24 antwortete er: „Teure Elsa […] Und beim Beten atmet meine Seele immer auf. Heute habe ich wieder den ganzen Rosenkranz beten können; es war eine grosse Erlösung für mich. – Aber die Liebe zu den Menschen hat mir doch auch Gott gegeben, und sie kann nichts Unwahres sein, und das Heimweh nach Ihnen. Nichts Unrechtes, wenn ich auch als Priester Mensch bin, ganz Mensch – vielleicht menschlicher als Sie es von mir erwarten.“
Johann sehnte sich offensichtlich nach Elsas Nähe und schrieb am
3.12.24