»Es beginnt die Komödie des Dante Alighieri, Florentiner von Geburt, nicht von Sitten.«
Ich
fand mich, grad in unseres Lebens Mitte,
In einem finstern Wald
zurück, verschlagen,
weil ich vom rechten Pfad
gelenkt die Schritte.
Ha!
wie er ausgesehn ist hart zu sagen,
Der wüste Wald mit
wildverwachsenen Strecken,
Daß in Gedanken sich erneut
mein Zagen.
So
herb ists, herber kann der Tod nicht schmecken.
Doch um vom Heile, das ich
dort gefunden,
Zu melden, muß ich anderes
erst entdecken.
Wie
ich hineinkam, kann ich nicht bekunden,
So tief war ich zur Zeit
vom Schlaf benommen,
Als meinem Blick der wahre
Weg entschwunden.
Doch nun an eines Hügels
Fuß gekommen,
Wo dieses Tal zu seinem
Ende gleitet,
Das mir mit Bangen hielt
das Herz beklommen,
Blickt ich empor und sah
schon hingebreitet
Auf
Bergesschultern den Planeten prangen,
Der uns auf jedem Wege
richtig leitet.
Da
war ein wenig gleich die Furcht vergangen,
Die auf des Herzens See mir
angedauert
Die Nacht, die ich
durchlebt in solchem Bangen.
Und
wie, wer atemlos und angstdurchschauert
Dem Meer entrann und nun
zurückgebogen
Vom Strande späht zur Flut,
die tückisch lauert,
So wandte auch,
noch immer fluchtbewogen,
Mein Geist sich rückwärts,
auf den Engpaß blickend,
Draus nie ein Wesen lebend
heimgezogen.
Nach kurzer Rast, dem
müden Leib erquickend,
Klomm ich weiter bergan am
öden Hange,
Immer zum tiefern Fuß den
Stützpunkt schickend.
Und
sieh! wo steil beginnt die Felsenwange,
Ein Panther, mit geflecktem
Fell die Glieder
Bedeckt, geschmeidig und
behend im Gange,
Der
wich vor meinem Angesicht nicht wieder;
Nein, hemmte so mich, daß
ich, statt nach oben,
Mehrmals aufs neu zum Walde
wollte nieder.
Die
Zeit wars, als der Morgen sich erhoben.
Die Sonne stieg, vom
gleichen Sternenbilde
Umkränzt, als erstmals
Gottesliebe droben
Die
Welten umschwang durch des Alls Gefilde,
So daß mit neuer Hoffnung
mich belebten
Auf Rettung vor dem
buntgefleckten Wilde
Frühlicht und Frühling,
die mich hold umwebten.
Doch so nicht, daß die
Sinne mir im neuen
Schreckanblick eines Löwen
nicht erbebten –
Der
mir erhobenen Hauptes schien zu dräuen
Und sich voll Hungers wider
mich zu rüsten,
Daß selbst die Luft sich
schien vor ihm zu scheuen –
Und
einer Wölfin, die von allen Lüsten
Mir trächtig schien trotz
ihren dürren Weichen,
Alsob durch sie schon viel
sich grämen müßten.
Die
machte also meinen Mut erbleichen
Durch ihren Blick, drob ich
vor Furcht erschauert,
Daß ich die Höh nicht
hoffte zu erreichen.
Und
jenem gleich, der gern Gewinn erlauert,
Und kommt die Zeit, wo sich
Verluste zeigen,
Was auch sein Denken ist,
er weint und trauert,
So schuf das Tier
mich, dem kein Friede eigen,
Indem sichs schrittweis
nähernd mich im Grimme
Zurücktrieb, wo die
Sonnenstrahlen schweigen.
Indes ich fliehend noch
bergabwärts klimme,
Auftauchte da vor meinem
Blicke einer,
Der vor Erschöpfung
scheinbar ohne Stimme.
»Wer du auch seist,«
begann ich, als ich seiner
Ansichtig ward in solcher
wüsten Heide,
»Ob Schatten oder Mensch,
erbarm dich meiner«. –
»Nicht Mensch; Mensch
war ich,« gab er zum Bescheide.
»Und meine Eltern einst
Lombarden waren;
Denn Mantua war Heimatstadt
für beide.
Gezeugt, zwar spät, sub
Julio dem Zäsaren,
Lebt ich in Rom zur Zeit
Augusts des Guten,
Als Lügengötter Ehrfurcht
noch erfahren.
Ich
war Poet und sang den frommgemuten
Anchisessohn, der Troja
mußte meiden,
Als Ilions Pracht versank
in Staub und Gluten.
Doch du, was kehrst du
um zu solchen Leiden?
Was steigst du nicht, um
auf dem Berg der Wonnen,
Des Glückes Grund und
Anfang, dich zu weiden?« –
»So
bist du denn Vergil, bist jener Bronnen,
Dem reich des Wohllauts
voller Strom entflossen?«
Sprach ich zu ihm, die
Stirn von Scham umronnen.
»Du
Licht und Ehre der Apollgenossen,
Gieb, daß mir zur
Empfehlung nun gedeihe
Inbrunst und Fleiß, die mir
dein Werk erschlossen.
Vorbild und Meister,
dank ich deiner Weihe
Doch nur den schönen Stil,
der mir verliehen,
Drob man ein wenig Ruhm mir
prophezeie.
Sieh dort das Tier,
davor ich im Entfliehen.
Hilf mir, ruhmvoller
Weiser, ihm entrinnen;
Durch Puls und Adern läßt
mirs Schauder ziehen.« –
»Auf einem andern
Weg mußt du vonhinnen,«
Sprach er zu mir, den
Tränen ganz bezwungen,
»Um aus der Wüste Rettung
zu gewinnen.
Denn dieses Tier, das
dich mit Furcht durchdrungen,
Läßt keinen fahrlos wandeln
seine Straße,
Nein, hemmt solang ihn, bis
es ihn verschlungen.
Voll Trug und Tücke
steckts in solchem Maße,
Daß seine Lüste unersättigt
bleiben,
Und stärker hungerts nach
als vor dem Fraße.
Viel Tiere sinds, die
sich mit ihm beweiben,
Und mehr noch folgen, bis
sich wird erheben
Der Jagdhund, es in bittern
Tod zu treiben.
Dem
wird nicht Erz noch Erde Nahrung geben,
Doch Weisheit, Liebe,
Tugend wird ihm munden;
Und zwischen Filz und Filz
entsprießt sein Leben.
Italien wird durch ihn
der Schmach entbunden,
Drob Turnus und Kamilla
einst erlagen,
Euryalus und Nisus ihren
Wunden.
Er
wird das Tier durch alle Städte jagen
Bis ers zurückscheucht in
die Höllenschlünde,
Daraus der Urneid es ans
Licht getragen.
Drum denk ich, daß es
besser um dich stünde,
Wenn du mir folgst, daß ich
dir Rettung leihe,
Von hier dich führend durch
die ewigen Gründe.
Dort wirst du hören der
Verzweiflung Schreie,
Der Vorwelt Geister
schauen, die jammernd flehen,
Daß sie ein zweiter Tod von
Schmerz befreie.
Wirst andre dann in
Feuersgluten sehen
Und dennoch froh, weil sie
der Hoffnung leben,
Wie spät es sei, zur
Seligkeit zu gehen.
Willst du zu diesen dich
alsdann erheben,
Kommt eine Seele, würdiger
im Preise;
Der werd ich dich beim
Abschied übergeben.
Denn der als
Kaiser herrscht im Himmelskreise
Will nicht, weil
widerstrebt ich seinen Worten,
Daß irgendwen zu seiner
Stadt ich weise.
Er
herrscht im Weltall, doch regiert nur dorten,
Wo seine Stadt ist, und
sein Thron zu sehen:
O selig! den er ruft zu
ihren Pforten.«
Und
ich zu ihm: »Poet, laß dich erflehen
Bei jenem Gotte, dem du
fremd verbliebest.
Um diesem Weh und
schlimmerem zu entgehen,
Bring mich, wie du zu
sagen jetzt beliebest,
Hin wo Sanktpeters Pforten
mir erscheinen
Und sie, die als so traurig
du beschriebest.«
Drauf ging er und mein Fuß folgte dem seinen.
Der
Tag entwich, und Nacht mit dunkelm Scheine
Nahm ab den Wesen, die auf
Erden leben,
All ihre Mühsal; und ich
ganz alleine
Hielt mich bereit, den
Wettkampf anzuheben,
Um Wegesmüh und Mitleid zu
erproben,
Davon Erinnrung treues Bild
soll geben.
O
Musen, helft, und hoher Geist dortoben!
Gedächtnis, das du
schriebst, was ich gesehen,
Hier zeige, wie dein
Adelsinn zu loben.
Und
so begann ich: »Dichter, eh wir gehen,
Prüf meine Kraft, ob sie
dazu wird langen,
Wenn du mich lässest
schweren Weg bestehen.
Du
sagst, des Silvius Vater sei gegangen,
Obwohl er noch hinfällig
Fleisch gewesen,
Zur ewigen Welt hinab, vom
Leib umfangen.
Doch ließ des
Bösen Feind ihn des genesen
In Gnaden, eingedenk der
hohen Taten,
Dazu nach Art und Wirkung
er erlesen,
So
billigts jeder, den Vernunft beraten.
Sein Anspruch darf sich auf
den Himmel gründen
Als Vater Roms und Stifter
seiner Staaten.
Denn beides war doch,
will man Wahrheit künden,
Vorausbestimmt zum
Heilsort, daß die Throne
Dort für des größeren Petri
Erben stünden.
Ihm
gab die Wandrung, die du rühmst, zum Lohne
Erkenntnis hoher Dinge; sie
errangen
Den Sieg ihm und nachher
die Papsteskrone.
Auch durfte das Gefäß
dahingelangen,
Das auserwählt zur Stärkung
für den Glauben,
Aus dem von je der Heilsweg
angefangen.
Doch ich, warum hingehn?
Wer wirds erlauben?
Ich bin Äneas nicht noch
Paulus. Keiner,
Ich gar nicht, darf so hoch
den Anspruch schrauben.
Und
wag ichs dennoch, fürcht ich, daß man meiner
Törichten Wandrung lache.
Dieses Bangen
Verstehst du Weiser eher,
als sonst einer.«
Und
jenem gleich, der aufgiebt sein Verlangen
Und neuem Plan zulieb
verfällt ins Schwanken,
Bis gänzlich er verzichtet
anzufangen,
So
ich. Grübelnd verzehrten die Gedanken
Im dunkeln Tal den Plan,
der erst mich freute,
Den ich ergriff im Anfang
ohne Wanken.
»Wenn ich mir deine
Worte richtig deute,«
Ließ des Erhabenen Schatten
sich vernehmen,
»Ist deine Seele jener
Feigheit Beute,
Der
oft sich schwache Menschen anbequemen,
Bis sie sie schreckt vom
ehrenvollsten Wege,
Alsob ein Tier sich scheut
vor einem Schemen.
Vernimm, damit
sich diese Furcht dir lege,
Warum ich kam und was ich
hörte eben,
Als Mitleid mir mit dir
zuerst ward rege.
Bei
denen war ich, die im Zweifel schweben;
Da rief ein selig Weib
mich, schön zu schauen,
Daß ich sie bat, Befehle
mir zu geben.
Ihr
Auge schien ein Stern in Himmelsauen,
Und sie begann zu reden
sanft und leise,
Wie man es hört von
Engelslippen tauen:
›O
Mantuanergeist, zu dessen Preise
Der Ruhm auf Erden niemals
Schweigen kannte
Noch schweigen wird, solang
die Welt nur kreise:
Mein Freund, den nie
Fortuna Freund benannte,
An wüster Felswand irrt der
Furchtverstörte
Vom Wege ab, weil er sich
rückwärtswandte.
Auch fürcht ich, ging so
irr schon der Betörte,
Daß ich zu spät erschien im
Helferdrange
Nach dem, was ich im Himmel
von ihm hörte.
Nun
eile, und mit deiner Worte Klange
Und allem, was ihn sicher
läßt entrinnen,
Sei ihm solch Helfer, daß
ich Trost erlange.
Ich, Beatrice, sende
dich vonhinnen;
Ich komm daher, wohin ich
wieder strebe.
Aus mir spricht Liebe, sie
lenkt mein Beginnen.
Wenn ich vor meinem
Herrn erst wieder schwebe,
Will ich dich oft ihm
nennen, dir zum Preise.‹
Sie schwieg darauf. Und ich
nun Antwort gebe:
›O
Weib, an Tugend reich, die einzigerweise
Die Menschheit läßt ob
allem Inhalt ragen
Des Himmels, der sich
dreht im engsten Kreise,
Es
schafft mir dein Befehl soviel Behagen,
Daß Raschgehorchen Säumnis
noch zu nennen.
Du brauchst den Wunsch
nicht dringlicher zu sagen.
Doch warum
scheinst du keine Furcht zu kennen
Und bist hierher zum
Mittelpunkt gestiegen,
Wenn Heimweh dich schon
wieder ließ entbrennen?‹
›Weil gar soviel dir
scheint daran zu liegen,‹
Sprach sie, ›vernimm in
Kürze denn, weswegen
Der Herweg mir nicht ließ
den Mut versiegen.
Furcht soll man nur vor
solchen Dingen hegen,
Die mit der Macht begabt
sind, uns zu schaden;
Vor andern nicht, weil
Furcht sie nicht erregen.
Geartet bin ich so von
Gottes Gnaden,
Daß eure Erdennot mich nie
beschleiche,
Noch mich verletze dieser
Brand und Schwaden.
Es
klagt ein edles Weib im Himmelreiche
Der Hemmung halb, dahin ich
dich nun schicke,
Daß droben sie den harten
Spruch erweiche.
Die
rief Lucien an im Augenblicke:
»Soll ferner noch dein
Treuer auf dich halten,
Nimm sein dich an, daß
Rettung ihn erquicke.«
Lucia, feindlich allem
rauhen Walten,
Erhob sich schnell, daß sie
am Ort erscheine,
Allwo ich neben Rahel saß,
der alten,
Sprach: »Beatrice,
Gottgelobte, Reine,
Was hilfst du diesem nicht,
der dir zuliebe
Den Schwarm des Pöbels mied
und das Gemeine,
Alsob dein Ohr taub
seinem Wehruf bliebe?
Sahst du nicht, wie er mit
dem Tod gerungen
In Wogen, wie kein Meer sie
wilder triebe?«
Nie
schneller ist ein Erdenmensch gesprungen,
Mag Glück ihm oder Flucht
vor Unheil frommen,
Als ich – da mir ans Ohr
solch Wort geklungen
Herab von meinem seligen
Sitz gekommen,
Vertrauend deiner edeln
Rede gerne,
Die dich und jeden ehrt,
der sie vernommen.‹
Sie sprachs,
worauf sie ihrer Augen Sterne,
In Tränen schimmernd,
wieder von mir kehrte,
Daß michs nur schneller
hertrieb aus der Ferne.
Und
so kam ich zu dir, wie sie begehrte,
Entriß dem Untier dich, das
dir zum Hügel,
Dem herrlichen, den kurzen
Weg verwehrte.
Und
nun? Warum, warum hält dich ein Zügel?
Warum im Herzen nährst du
feiges Grauen?
Warum sinkt dir gelähmt der
Tatkraft Flügel,
Wo
doch drei hochgebenedeite Frauen
Im Hof des Himmels Sorge
für dich zeigen,
Und solch ein Heil mein
Wort dich läßt erschauen?« –
Wie
sich die Blümlein schließen und sich neigen
Im Nachtfrost, aber scheint
die Sonne heiter,
Am Stengel offenen Kelches
lichtwärtssteigen,
So
hob mein welker Mut sich tat-bereiter.
Und so in Eifers Glut mein
Herz entbrannte,
Daß ich begann wie ein
Albdruckbefreiter:
»O
wie voll Mitleid sie! die Hilfe sandte,
Und huldreich du! der eilig
nachgekommen
Den Wahrheitsworten, die an
dich sie wandte.
Es
fühlt mein Herz, von deinem Wort entglommen,
Nach diesem Gange
Sehnsucht, frei von Bangen,
Daß ich den ersten Plan neu
aufgenommen.
Nun
geh, uns beide spornt ein gleich Verlangen,
Du Meister, du Gebieter und
du Leiter.«
So sprach ich. Und als er
dann vorgegangen,
Ging ich auch auf dem tiefen Waldweg weiter.
Durch mich gehts ein zur
Stadt der Schmerzerkornen,
Durch mich gehts ein zur
Qual für Ewigkeiten,
Durch mich gehts ein zum
Volke der Verlornen.
Den
hohen Schöpfer trieb, mich zu bereiten,
Gerechtigkeit, Allmacht zu
offenbaren,
Allweisheit und Urliebe
allerzeiten.
Vor
mir war nichts Erschaffnes zu gewahren
Als Ewiges, und auch ich
bin ewiger Dauer.
Laßt, die ihr eingeht, alle
Hoffnung fahren!
Die
Inschrift zeigte sich an einer Mauer
Mit dunkler Farbe über
einer Pforte.
Drum ich: »O, Herr, der
Sinn erweckt mir Schauer.«
Da
sprach der Wohlerfahrene diese Worte:
»Hier können Zweifelängste
nicht mehr frommen
Und jede Zagheit sterbe
gleich am Orte.
Wie
ichs verhieß, sind wir zum Ziel gekommen,
Wo du das schmerzgequälte
Volk siehst ringen,
Dem der Erkenntnis höchstes
Heil genommen.«
Dann fühlt
ich seine meine Hand umschlingen.
Mit heiterm Antlitz, drob
ich ganz ihm traute,
Führt er mich ein zu den
geheimen Dingen. –
Geseufze, Weinen hier
und Wehelaute
Hört ich die sternenlose
Luft durchzischen,
Daß drob mein Auge sich
zuerst betaute.
Verschiedene Sprachen,
grausiges Wortvermischen,
Des Zornes Schreie,
schmerzliches Gestöhne,
Stimmen, kreischend und
dumpf, Faustschlag dazwischen,
Schufen ringsum ein
ewiges Getöne
In dieser Luft zeitloser
Dämmerungen,
Als tanzte kreiselnd
lockerer Sand im Föhne.
Und ich, dem
Grausen hielt das Haupt umschlungen,
Sprach: »Meister, welch ein
Lärm wird hier erhoben?
Und wer sind diese, so von
Pein bezwungen?«
Und
er: »Nach diesen Chören, schmerzgewoben,
Ziehn hier die trüben
Seelen ihren Reigen,
Die ohne Schmach und Ehre
lebten droben.
Gesellt sind sie der
Rotte jener Feigen,
Der Engel, die sich weder
für noch gegen
Den Herrgott, nein,
parteilos wollten zeigen.
Die
Himmel, ungetrübten Glanz zu hegen,
Stießen sie aus, doch nicht
zum Höllenschlunde,
Daß sich nicht Sünder
brüsten ihretwegen.«
Und
ich: »Was, Meister, liegt der Pein zugrunde,
Die sie so drückt zu
heftigem Schmerzgewimmer?«
Er sprach: »Ich geb mit
kurzem Wort dir Kunde.
Des
Todes Hoffnung tagt den Bösen nimmer.
Ihr Wandel hier ist solch
ein lichtlos-trüber,
Daß ihren Neid kein ander
Los dünkt schlimmer.
Nichts dringt von ihrem
Ruhm zur Welt hinüber,
Vergebens Recht und Mitleid
sie erflehen.
Kein Wort von ihnen, schau
und geh vorüber.«
Und, spähend, konnt ich
eine Fahne sehen,
Bereit, sich immerwirbelnd
umzuschwingen,
Alsob es sie verdrieße,
stillzustehen.
Und
so gewaltige Mengen Volkes gingen
Ihr nach, wie ich vordem es
nimmer glaubte,
Daß je der Tod soviele
mocht verschlingen.
Als
erst der Blick Bekannte mir erlaubte
Zu sehn, sah ich auch den,
der durch Entsagen
Aus Feigheit großen Gutes
sich beraubte.
Da
ward mirs deutlich, ohne noch zu fragen,
Daß hier des Weges jene
Memmen strebten,
Die Gott und seinen Feinden
mißbehagen.
Die Elenden, die
nie in Wahrheit lebten,
Sie waren nackt und
peinigend umflogen
Von Mücken- und
Wespenschwärmen, die dort webten.
Ihr
Antlitz war mit Streifen Bluts durchzogen,
Die abwärtstropften,
untermengt mit Zähren,
Von scheußlichem Geschmeiß
dann aufgesogen.
Und
als dem Blick ich Umschau ließ gewähren,
Sah ich an einem großen
Strom sich scharen
Viel Volk, und bat: »Herr,
wolle mir erklären,
Wer
diese sind, die zum Hinüberfahren
Aus unbekanntem Antrieb so
entbrennen,
Soweit ich das im Zwielicht
kann gewahren.«
Er
gab mir Antwort: »Alles lernst du kennen,
Wenn uns der Fuß zum
düstern Rand getragen
Des Flusses, den sie
Acheron benennen.«
Da
ließ mich Scham die Augen niederschlagen.
Befürchtend, daß ihn
weiteres Reden störte,
Enthielt ich bis zum Flusse
mich der Fragen.
Und
da! zum Strand ein Boot ich plätschern hörte,
Gelenkt von einem
altersbleichen Greise:
»Weh euch, verworfene
Seelen und betörte,
Hofft niemals zu
erschauen des Himmels Kreise!
Ich führe euch,« er riefs
aus rauher Kehle,
»Zur ewigen Finsternis, zu
Glut und Eise.
Und
du, die dort verweilt, lebendige Seele,
Laß diese, deren
Lebenslicht verglommen.«
Doch als er sah, ich trotze
dem Befehle,
Rief er: »Hier giebt es
kein Hinüberkommen!
Daß dichs zu anderm Strand
und Hafen trage,
Muß dir dereinst ein
leichteres Fahrzeug frommen.«
Der
Führer drauf: »Charon, dem Zorn entsage.
Wo eins ist das Vollbringen
und Verlangen,
Dort will mans also! Und
nicht weiter frage.«
Da wurden glatter
die behaarten Wangen
Dem Steuermanne auf dem
fahlen Sumpfe,
Dem sich ums Auge
Flammenräder schlangen.
Doch jene Seelenschar,
die nackte stumpfe,
Erblaßte zähneklappernd
voll Verzagen,
Als Charons Wort erscholl,
das grausigdumpfe.
Gott und der Menschheit
galt ihr lästernd Klagen.
Sie fluchten Eltern, Ort
und Zeit und Samen,
Draus sie dem Schoß
verpflanzt, der sie getragen,
Worauf sie alle weinend
näherkamen
Zum vielverhaßten Strand,
wo bangverzagend
Die Gottverächter stets ein
Ende nahmen.
Charon, der
Dämon, treibt sie alle jagend
Mit sprühendem Blick
zusammen; die da säumen,
Ermuntert er, sie mit dem
Ruder schlagend.
Und
wie der Herbst die Blätter von den Bäumen
Eins nach dem andern rupft,
und zwingt die Zweige,
All ihren Schmuck der Erde
einzuräumen,
So
Adams böse Brut beim Fingerzeige
Zum Strande einzeln lief,
als wenn betrogen
Vom Lockruf Vögel ziehen
zum Dohnensteige.
So
fahren sie dahin auf dunkeln Wogen,
Und eh sie landen dort am
Uferwalle,
Sind diesseits neue schon
herangezogen.
»Mein Sohn,« der Meister
gütig sprach, »sie alle,
Die unter Gottes Zorn
dahingegangen,
Sammeln sich hier vom
ganzen Erdenballe
Und
eilen, fluthinüber zu gelangen.
Denn Allgerechtigkeit macht
sie sich sputen,
Sodaß sich in Begierde
kehrt ihr Bangen.
Kein guter Geist fuhr je
durch diese Fluten.
Drum, führte Charon über
dich Beschwerde,
So kannst du seiner Worte
Sinn vermuten.«
Als er so schloß,
begann die düstere Erde
So stark zu beben, daß ich
noch vor Grausen,
Denk ich daran, in Schweiß
gebadet werde.
Vom
Tränenland hob sich ein Sturmwindsausen,
Durchzüngelt von der Blitze
roten Schlangen,
Daß jeder Sinn mir
unterging im Brausen.
Und niederfiel ich wie von Schlaf befangen.
Den
tiefen Schlaf zersprengte mir im Haupte
Ein Donnerkrach, daß ich
zusammenschreckte
Gleich einem, den Gewalt
des Schlafs beraubte.
Ich
spähte ausgeruhten Auges und reckte
Mich auf, daß ich von
meinem Aufenthalte
Geschärften Blicks
Genaueres entdeckte.
Und
wirklich fand ich mich am Uferspalte,
Der abwärtsführt zum
schmerzensreichen Schlunde,
Draus endlos Jammer
donnernd widerschallte.
Ob
ich den Blick auch schickte tief zum Grunde,
So schwarz blieb der, so
neblig allerseiten,
Daß ich nichts unterschied
in weiter Runde.
»Laß uns zur blinden
Welt nun abwärtsgleiten,«
Begann der Dichter mit ganz
blassen Wangen;
»Ich geh zuerst und du
wirst nach mir schreiten.«
Drauf ich, dem seine
Blässe nicht entgangen:
»Wie komm ich hin, wenn du
des Schreckens Beute,
Wo sonst von dir ich Zager
Mut empfangen?«
Und
er zu mir: »Der Jammer dieser Leute,
Die drunten sind, bemalt
mir nur die Wange
Mit solchem Mitleid. Nicht
als Furcht dies deute.
Wohlauf drum, weil
der Weg uns treibt, der lange.« –
So schritt er zu und so
ließ er mich dringen
Zu dieses Abgrunds erstem
Kreisumfange.
Doch nach den Lauten,
die ich hörte klingen,
Gabs lautes Weinen nicht;
nur seufzend Klagen
Ließ hier die ewige Luft
erzitternd schwingen.
Und
dies entstand von Leiden ohne Plagen,
Die all die großen und
zahllosen Scharen
Der Kinder, Frauen, Männer
hier ertragen.
Der
Meister sprach: »Willst du denn nicht erfahren,
Was hier für Geister dir
der Ort bescherte?
So laß mich, eh du gehst,
dir offenbaren,
Daß
sie nicht sündig. Doch mit eigenem Werte
War nichts getan: sie
mangelten der Taufe,
Die jenes Glaubens Tür, den
man dich lehrte.
Lebten sie auch vor
Christi Zeitenlaufe,
Sie ehrten doch nicht Gott
wie sichs gebührte;
So zählt mich zu den Seinen
dieser Haufe.
Nur
dieser Mangel, keine Schuld sonst führte
Zu den Verlorenen uns. Hier
schmerzt uns eben
Die Sehnsucht nur, die
hoffnungslosgeschürte.«
Sehr schmerzlich ließ
dies Wort mein Herz erbeben;
Denn Seelen, denen hohe
Tugend eigen,
Erkannt ich, die in diesem
Vorhof schweben.
»Sag, Meister, mir; sag,
Herr,« brach ich mein
(Gewißheit jenes Glaubens
zu gewinnen, Schweigen,
Vor dem sich muß jedweder
Irrtum neigen),
»Half keinem eigenes
Verdienst vonhinnen »
Noch fremdes je, daß er
dann selig würde?«
Und er, durchschauend mein
verhehltes Sinnen,
Begann: »Ich war noch
Neuling dieser Hürde,
Da sah ich den gewaltigen
Herrscher kommen,
Gekrönt mit seines Sieges
Lorbeerbürde.
Des ersten Vaters
Geist hat er entnommen,
Abel, den Sohn, und Noa,
diesem Bann;
Auch Moses, der Gesetze gab
den Frommen.
Erzvater Abram, König
David dann,
Israel mit dem Vater und
den Söhnen
Und Rahel auch, die er so
schwer gewann,
Und
viele sah ich noch mit Heil ihn krönen.
Doch merk: zuvor hats nie
sich zugetragen,
Daß sein Erlösungsruf hier
mochte tönen.« –
Stets-wandernd, ob wir
auch Gespräches pflagen,
Wir unterdessen durch das
Dickicht stiegen
(Das Dickicht, dicht von
Geistern, will ich sagen).
Erst wenig ließen wir
des Weges liegen
Vom Gipfel an, da sah ich
Feuershelle
Im Halbrund rings die
Finsternis besiegen.
Ziemlich entfernt noch
waren wir der Stelle,
Doch schon so nah, um etwa
zu erkennen,
Daß ehrenwertes Volk sich
hier geselle.
»O
du, den Kunst und Wissen rühmend nennen,
Sag an, warum solch
Vorrecht die genießen,
Daß sie vom Los der übrigen
sich trennen?«
Und
er: »Sich von der Menge auszuschließen,
Gewährte Gott, weil sie in
deinem Leben
Den ehrenvollsten Namen
hinterließen.«
Da
hört ich eine Stimme sich erheben:
»Dem hohen Dichter laßt uns
Ehre zeigen!
Heimkehrt sein Schatten,
der sich wegbegeben.«
Als
diese Stimme drauf erstarb im Schweigen,
Sah ich heran vier hohe
Schatten wallen;
Dem Blick war Trauer nicht
noch Frohsinn eigen.
Der
gute Meister sprach: »Schau den, der allen,
Die Herrscherhand bewehrt
mit einem Schwerte,
Vorangeht wie ein König den
Vasallen:
Homer ists, der
als Dichterfürst Geehrte.
Ihm folgt Horaz, der
Meister in Satiren,
Ovid sodann, zuletzt Lukan,
der werte.
Und
weil uns alle gleiche Titel zieren,
Womit den Einen du mich
hörtest loben,
So ehren sie mich
schicklich als den Ihren.«
Die
schöne Schule sah ich so verwoben
Mit jenem Meister höchster
Sangesweise,
Der ob den andern schwebt
als Adler droben.
Nach kurzem Zwiegespräch
in ihrem Kreise,
Hold mich zu grüßen sie
herab sich ließen –
Und darob lächelte mein
Meister leise.
Doch größern Vorzug
sollt ich noch genießen:
Sie luden mich als Sechsten
in die Mitte,
Mich solchen Geistesriesen
anzuschließen.
So
lenkten wir zum Lichtschein hin die Schritte,
Von Dingen sprechend, schön
an ihrer Stelle
Zu reden, wo sich hier nur
Schweigen litte.
Nun
gings zu eines stolzen Schlosses Schwelle,
Umschirmt von sieben hohen
Mauerringen,
Beschützt von eines schönen
Baches Welle,
Durch den wir wie auf
trockenem Lande gingen;
Trat mit den Weisen dann
durch sieben Pforten,
Wo grüne Wiesenmatten uns
empfingen.
Wir
trafen Leute stillen Blickes dorten,
Von Haltung würdevoll und
ernst an Mienen,
Redselig nicht, doch sanft
in ihren Worten.
Wir
zogen nunmehr seitwärts hin von ihnen
Zu einer ringsum-offenen,
lichten Stelle,
Wo unserm Blick sie
insgesamt erschienen.
Dort grad vor mir auf
grüner Wiesenhelle
Sah ich die hohen Geister:
sie gewährten
Durch ihren Anblick eine
Freudenquelle
Bis heute mir! –
Im Kreise der Gefährten
Sah ich Elektren, Hektorn
und Äneen,
Dann Zäsar, den mit
Falkenblick verklärten.
Sah
auch Kamilla und Penthesileen
Zur anderen Seite; konnte
bei Latinen
Lavinia, seine Tochter,
sitzen sehen.
Sah
jenen Brutus, der vertrieb Tarquinen.
Lukretia, Julia, Martia
durft ich schauen,
Kornelia auch und abseits
Saladinen.
Dann, als ich etwas
höherhob die Brauen,
Bemerkt ich auch den
Meister aller Weisen
Im Kreis der Jünger, die
auf Weisheit bauen.
Sie
einen sich, bewundernd ihn zu preisen.
Zunächst ihm konnten meinem
Blick sich bieten
Sokrates, Plato. Sah auch –
der das Kreisen
Der
Welt dem Zufall zuschreibt – Demokriten,
Thales, Diogenes,
Anaxagoren,
Empedokles, Zeno und
Herakliten,
Tullius, Linus, Orpheus,
und der geboren
Zum Arzt, Dioskorid. – Die
Runde zierte
Auch Seneka, der die Moral
erkoren,
Galen, Euklid, der Form
und Raum studierte.
Sah Hippokrat, Ptolmäus,
Avicennen,
Averroës, der wacker
kommentierte.
Eingehend kann ich sie
nicht alle nennen,
Weil nicht der Reim des
Stoffes Fülle bindet,
Daß sich Gesichte und
Berichte trennen.
Der
Bund der Sechs auf Zwei nun wieder schwindet.
Auf anderm Pfad führt mich
der weise Leiter
Aus stiller Luft hin, wo es
zitternd windet;
Und dahin komm ich, wo nichts leuchtet weiter.
So
gings vom ersten Kreis zum zweiten nieder;
Und bildet der auch eine
kleinere Schleife,
Hallt er doch mehr vom
Schmerzgeheule wider.
Am
Tor grinst Minos wild, forscht, zwingt zur Reife
Die Schuld ans Licht und
schickt als Urteilskünder
So tief als er es anzeigt
mit dem Schweife.
Ich
meine: ohne Rückhalt muß der Sünder,
Der vor ihn tritt, gestehn
der Frevel Masse.
Und er, ein unerbittlicher
Ergründer,
Erwägt, welch Höllenort
die Seele fasse.
Er peitscht sich mit dem
Schweif sovielemale,
Als man sie Stufen
niedersinken lasse.
Hier drängt sich stets
das Volk, das schreckensfahle,
Tritt einzeln her zum
Spruch, ob ihm auch grause.
Sie beichten, hören,
stürzen dann zutale.
»O
du, der eintritt zu dem Schmerzenshause,«
Rief Minos laut, als er
mich wahrgenommen,
Im hohen Amte machend eine
Pause,
»Wem traust du? Wie bist
du hereingekommen?
Nicht täusche dich das Tor,
wie weit es rage!«
Mein Führer drauf: »Was
soll dein Schreien frommen?
Nicht seinen
Schicksalsgang zu hemmen wage,
Wo eins ist das Vollbringen
und Verlangen,
Dort will mans also! Und
nicht weiter frage.« –
Jetzt wars, wo
Schmerzenslaute angefangen
Mein Ohr zu treffen. Jetzt
war ich gestiegen
Hinab, wo endlos Klagen
mich durchdrangen.
Ich
kam zum Ort, wo alle Lichter schwiegen,
Der gleich dem Meere
brüllt, wenn es gewittert
Und feindlich sich die
Winde drauf bekriegen.
Ruhlose
Höllenwindsbraut packt erbittert
Und reißt mit sich dahin
die Geisterheere,
Dreht, schleudert sie, daß
Glied für Glied erzittert.
Sobald sie nun ergreift
des Anpralls Schwere,
Bricht los ein Weherufen,
Ächzen, Klagen,
Da lästern sie dann des
Allmächtigen Ehre.
Ich
hörte, daß verdammt zu solchen Plagen
Die wären, die – verlockt
vom Sinnentruge –
In Wollust frönend der
Vernunft entsagen.
Und
wie die Stare fliegen, dicht im Zuge
Gedrängt, dem Frost des
Winters zu entrinnen,
So treibt der Wind die
Sünderschar im Fluge
Nach hier, nach dort,
auf, nieder, und vonhinnen.
Mit Trost kann keine
Hoffnung sie versöhnen,
Nicht Ruh, nein: mindere
Pein nur zu gewinnen.
Und
wie die Kraniche mit Klagetönen
Die Lüfte rasch durchziehen
in langen Fahnen,
So sah ich kommen unter
lautem Stöhnen
Die
Schatten auf des wütigen Windes Bahnen.
»Meister,« sprach ich,
»welch Volk wird in die Runde
Hier so gepeitscht von
schwärzlichen Orkanen?« –
»Die erste dieser hier,
davon du Kunde
Begehrest,« jener mich
darauf belehrte,
»War Kaiserin
vielsprachigem Völkerbunde.
Die
Wollust war es, die sie so verzehrte,
Daß ›Schuld hieß Huld‹ nach
ihrer Satzung Thesen,
Die Schmach zu tilgen, die
sieselbst entehrte.
Es
ist Semiramis, von der zu lesen,
Daß sie dem Ninus folgte,
ihrem Gatten.
was heut des Sultans, ist
ihr Land gewesen.
Die
andre, untreu des Sichäus Schatten,
Ließ Liebesnot zum Tod
freiwillig schreiten.
Sie schwebt voran der nie
an Wollust satten
Kleopatra. – Die
Ursach schlimmer Zeiten,
Helenen sieh! Achill, ein
Held vor allen,
Den noch zuletzt die Liebe
zwang zum Streiten.
Sieh Paris hier und
Tristan näherwallen.«
Wohl mehr als tausend er
mir wies und nannte,
Die Liebe straucheln und
hierher ließ fallen.
Als
ich aus meines Lehrers Mund erkannte
Die Frauen und Ritter aus
der Vorwelt Tagen,
Empfand ich, daß mich
Mitleid übermannte.
Und ich begann:
»Poet, gern möcht ich sagen
Ein Wort den zweien, die
umschlungen gehen,
Scheinbar als
Windesspielball hingetragen.«
Und
er: »Wenn nur, sobald sie näherwehen,
Dein Mund bei jener Liebe
sie beschwöre,
Die sie umherjagt, bleiben
sie wohl stehen.«
Und
als das Paar so nahe, daß michs höre,
Ruf ich: »O weilt, ihr
Seelen voller Plagen,
Und sprecht mit uns, falls
euch kein andrer störe.«
Wie
Tauben weit und fest die Flügel schlagen,
Zum holden Nest gelockt vom
Sehnsuchtsharme,
Und eigenen Wunsches durch
die Luft getragen,
So
diese aus der Dido dichtem Schwarme
Zu uns her durch der Luft
Beschwerde flogen:
So stark mein Anruf war,
der liebeswarme.
»O
freundlich Wesen du, das holdgewogen
Uns aufsucht hier in
purpurdunkler Sphäre,
Uns, deren Blut die Erde
aufgesogen,
Wenn uns geneigt des
Weltalls König wäre,
Wir bäten ihn, dir Frieden
zu erzeigen,
weil unserer Qual du zollst
des Mitleids Zähre.
Magst du zum Sprechen
oder Hören neigen,
Wir reden gern und leihen
euch die Ohren,
Will nur, wie jetzt, der
Wind indessen schweigen.
Am Strande liegt
die Stadt, die mich geboren,
Dort wo der Po die Meerflut
weiß zu finden,
Drin er und sein Gefolg
sich bald verloren.
Liebe, die edle Herzen
schnell kann binden,
Mit Macht für meine
Schönheit ihn entzückte,
Die mir geraubt; wie! kann
ich nie verwinden.
Liebe, die Gegenliebe
stets beglückte,
Hielt für den Freund so
heftig mich verblendet,
Daß ichs, du siehst es,
noch nicht unterdrückte.
Liebe hat uns vereint
ins Grab gesendet;
Kaïna harrt auf ihn, der
uns erschlagen.«
So sprachen diese zwei zu
uns gewendet.
Als
ich die Seelen also hörte klagen,
Senkt ich und hielt gesenkt
den Blick solange
Bis ich Vergil »Was sinnst
du?« hörte fragen.
»Weh!« sprach ich,
»welch ein Sehnen ängstlichbange
Und wieviel süßes Träumen
zog hernieder
Die beiden zu so schwerem
Schmerzensgange.«
Drauf kehrt ich mich zu
jenen beiden wieder
Und sagte: »Sieh,
Franzeska, wie dein Leiden
Mit frommer Trauer mir
benetzt die Lider.
Doch sprich: als
liebeskrank geseufzt ihr beiden,
Wie und wodurch ließ denn
in solchen Stunden
Amor der Wünsche Zweifel
sich entscheiden?«
Und
sie zu mir: »Kein Schmerz kann mehr verwunden,
Als der: im Elend
freudenreicher Tage
Zu denken – auch dein
Lehrer kanns bekunden.
Doch weil so voller
Sehnsucht deine Frage,
Was uns zuerst zur Liebe
mocht erregen,
So dulde, daß ichs unter
Weinen sage.
Wir
lasen eines Tags der Kurzweil wegen,
Welch Liebesnetz den
Lanzelot gebunden;
Allein wir zwei und ohne
Arg zu hegen.
Oft hatten unsere
Augen sich gefunden
Beim Lesen und wir fühlten
uns erbleichen.
Doch eine Stelle hat uns
überwunden.
Als
wir gelesen, wie vom Mund, dem weichen,
Ersehntes Lächeln küßt
solch hoher Streiter –
Da trieb es, bebend mir den
Mund zu reichen,
Auch den hier, der nun
ewig mein Begleiter.
Ein Kuppler war das Buch
und ders gedichtet.
An jenem Tage lasen wir
nicht weiter...«
Indem der eine Geist mir
dies berichtet,
Vergoß der andre soviel
Tränen wieder,
Daß ich vor Mitleid
hinschwand wie vernichtet
Und hinfiel so als fiel ein Toter nieder.
Kaum daß mir mein
Bewußtsein wiederkehrte,
Das mir vergangen vor dem
Weh der beiden
Verwandten, das mit Trübsal
mich beschwerte,
So
sah ich ringsherum nur neue Leiden
Und Leidende, wohin ich
mich bewegen,
Wohin ich mich zu sehen
mocht entscheiden.
Ich
bin im dritten Kreis, wo kalter Regen
Als Fluch herniederfällt in
ewiger Dauer,
Des Art und Stoff sich nie
zu ändern pflegen.
Schmutzwasser, Schnee
und Hagel, körnigrauher,
Durchfegen hier die dunkle
Luft mit Brausen.
Die Erde stinkt, die
aufsaugt solche Schauer.
Das
Untier Zerberus, seltsam, zum Grausen,
Bellt wie ein Hund voll Wut
aus dreien Kehlen
Das Volk an, das hier
eingetaucht muß hausen.
Sein Schwarzbart
trieft, sein Aug ist düsteres Schwelen
Wampig sein Bauch. Die
scharfbeklaute Kralle,
Zerkratzt, zerfleischt und
schindet schlimm die Seelen.
Die
heulen Hunden gleich im Tropfenfalle.
Bald diese und bald jene
Seite drehen
Vom Regen ab die
Elendswichte alle.
Als
Zerberus, der Lindwurm, uns ersehen,
Reißt er die Mäuler auf und
zeigt die Hauer;
Kein Glied am Körper blieb
ihm stillestehen.
Mein Führer aber, frei
von jedem Schauer,
Griff Erde auf und warf die
Faust, die volle,
Tief in den Schlund dem
gierigen Verdauer.
Und
wie ein Hund nachläßt in Gier und Grolle,
Gleich ruhig wird, wenn er
den Fraß gefangen,
Und nur noch sinnt, wie er
ihn schlucken solle,
So
ließ die schmutzigen Fratzen ruhig hangen
Der Dämon Zerberus, der
sonst anschmettert
Die Seelen, daß sie taub zu
sein verlangen. –
Wir
gingen nun auf Schatten, hingewettert
Von Regens Wucht, doch
unsere Sohlen traten
Nur scheinbar Körper, die
wir überklettert.
So
lagen alle fühllos, als wir nahten.
Nur einer hat sich
blitzgeschwind erhoben,
Als er uns sah bei sich
vorüberwaten.
»O
du, der durch die Hölle wird geschoben,«
Rief er, »erkenne mich,
will dirs gelingen.
Dir ward vor meinem
Hintritt Eintritt droben.«
Und
ich: »Die Qualen, die du leidest, bringen
Vielleicht entstellt dein
Bild mir vor die Sinne;
Mir scheint, du bist mir
fremd in allen Dingen.
Doch sage mir, wer bist
du im Gerinne
Des Jammerorts? Mags
größere Strafen geben,
Ward ich doch keiner
ekelhafteren inne.«
Da rief er: »Deine
Stadt, von Neidbestreben
So voll, daß schon der Sack
will überlaufen,
Umschloß auch mich dereinst
im heiteren Leben.
Ihr
Bürger wußtet Ciacco mich zu taufen;
Und weil ich frönte nur dem
gierigen Schlunde,
Durchweichen, wie du
siehst, mich diese Traufen.
Doch bin ich nicht
allein im Unglücksbunde,
Denn alle diese müssen
gleiches leiden
Um gleiche Schuld.« Nicht
gab er weitere Kunde.
Und
ich: »O Ciacco, nicht kann ichs vermeiden,
Daß deine Qualen mich zu
Tränen rühren.
Doch, weißt dus, sprich,
wie sich das Los entscheiden
Der
Bürger wird, die Zwist und Streit verführen?
Weilt ein Gerechter dort?
Kannst du mir sagen,
Aus welchem Grund sie
solchen Hader schüren?«
Und
er: »Es kommt nach langem Streit zum Schlagen.
Die Waldpartei, nachdem
viel Blut vergossen,
Wird die der andern ächten
und verjagen.
Doch eh drei Sonnenläufe
noch verflossen,
Wird diese sinken und die
andre steigen
Mit Hilfe des, der noch tut
unentschlossen.
Hoch wird sie lange Zeit
die Stirne zeigen,
Die andre halten unter
Druck und Banden,
Mag sie erzürnen, mag in
Scham sie schweigen.
Zwei sind gerecht nur,
aber unverstanden.
Stolz, Neid und Habsucht
machen allbehende
Dreifachen Brands die
Herzen schon zuschanden.«
Hier machte er dem
Klagelied ein Ende.
Und ich zu ihm: Noch wünsch
ich mehr zu wissen,
Und bitte denn um weitere
Redespende.
Noch läßt mich Mosca,
Farinata missen
Dein Wort. Arrigos,
Rusticuccis Seelen,
Tegghiaios und der andern,
ruhmbeflissen,
Wo sind sie? Wolle
mir dies nicht verhehlen.
Gern wüßt ich, ob sie
Himmelslust erfahren,
Ob sie im bittern Brand der
Hölle schwelen?«
Und
jener: »Die sind bei den schwärzeren Scharen;
Vielfältige Schuld hält
drunten sie auf immer:
Steigst du so tief noch,
wirst du sie gewahren.
Doch kehrst du heim zum
holden Erdenschimmer,
Laß nicht den andern Kunde
von mir fehlen.
Mehr sage und mehr antwort
ich dir nimmer.«
Die
graden Augen wurden drauf zu scheelen;
Er sah mich flüchtig an,
das Haupt dann neigend
Hinfiel er zu den andern
blinden Seelen.
Mein Führer sprach: »So
wird er schlafen schweigend,
Bis des Gerichts
Posaunenrufe schallen
Und machtvoll kommt ihr
Feind, vom Himmel steigend.
Zur
Trauergruft wird jeder wieder wallen,
Sein Fleisch und Aussehen
wird ihm neu gegeben,
Zu hören, was in Ewigkeit
wird schallen.« –
Nun
ging es langsam fort, wo sich verkleben
Zu ekelm Wuste Schatten und
Regenschauer,
Berührend mancherlei vom
Jenseitsleben,
Weshalb ich sprach:
»Sag, Meister, ob die Trauer
Von diesen nach dem großen
Spruch sich mehre,
Sich mindre oder gleich
verbleib an Dauer?«
Und
er: »Ein Wesen, fragst du deine Lehre,
Kann sich um so vollkommner
offenbaren,
Als Lust und Schmerz es
fühlt mit größerer Schwere.
Obgleich nun dieser
Maledeiten Scharen
Nie wirkliche
Vollkommenheit erlangen:
Sie hoffen einst auf mehr
als hier sie waren.«
Drauf sind wir
weiterfort im Kreis gegangen,
Mehr sprechend als ich
sagen will in Worten,
Bis hin, wo wir auf Stufen
abwärtsdrangen.
Plutus, den großen Feind ersahen wir dorten.
Pape Satan, pape Satan
aleppe!«
Schrie krächzend Pluto;
doch des Weisen Stimme,
Dem alles kund, scholl
freundlichtröstend: »Schleppe
Dich nicht mit Furcht.
Er kann trotz seinem Grimme
Und großer Macht dich nicht
verhindern wollen,
Daß diesen Fels dein Fuß
herniederklimme.«
Gekehrt zur Fratze, die
von Zorn geschwollen,
Rief er sodann: »Schweig,
Wolf, vermaledeiter!
Friß und verschlinge dich
im eigenen Grollen.
Nicht unbefugt zur Tiefe
gehen wir weiter.
Dort will mans so, wo mit
dem Schwert stieß nieder
Den stolzen Schänder
Michael der Streiter.«
Wie
windgeschwellte Segel haltlos wieder
Zusammenklappen, wenn
zerknickt die Masten,
So knickten ein des Untiers
grause Glieder. –
Zum
vierten Abgrund ging es ohne Rasten,
Wo vollgepfropft in
tieferen Schmerzensgründen
Aus aller Welt endlose
Qualen lasten.
Gerechter Gott! wer
könnte Häufung künden
Von größern Martern, als
ich hier gesehen,
Dran wir zugrundegehn kraft
unserer Sünden?
Wie
der Charybdis wilde Wogen gehen,
Zerschellend an der
Gegenströmung Toben,
So muß das Volk sich hier
im Wirbel drehen.
Hierunten sah ich Seelen
mehr als droben,
Die mit Geheul, sich in
zwei Gruppen teilend,
Durch ihrer Brust Gewalt
Lasten herschoben.
Zusammenstoßen sie und
unverweilend
Macht alles Kehrt, beginnt
aufs neu die Reise
Und schreit: »Was hältst
du?« – und: »Warum so
eilend?«
So trieben sies in
diesem dunkeln Kreise,
Bis sie von rechts und
links zurückgekommen,
Schreiend und lästernd sich
in ihrer Weise.
War
halb der Kreis durchstürmt und eingenommen
Der Gegenpunkt, gings neu
zum Wetterennen.
Und ich, davon im Herzen
ganz beklommen,
Ich
sprach: »Mein Meister, laß mich nun erkennen,
welch Volk dies ist und ob
hier links die Scharen
All der Geschorenen
geistlich sind zu nennen?«
Und
er zu mir: »Hier diese alle waren
So blind an Geist in ihrem
ersten Leben,
Daß rechtes Maß ihr Aufwand
nie erfahren.
Ihr
Belfern wird dir gültig Zeugnis geben.
Wenn sie im Kreis zum
Wendepunkt gekommen,
Trennt sie die Schuld, drin
sie sich widerstreben.
Die
dort sind geistlich, denen man genommen
Den Haarschmuck. Päpste
sinds und Kardinäle,
Bei denen Geiz den
Gipfelpunkt erklommen.«
Ich
sprach: »Ich glaube, Meister, wohl: ich zähle
Hier manchen, den ich müßte
wiederkennen,
Und der sich unter gleichem
Schandmal quäle.«
Doch er zu mir: »Das muß
ich Täuschung nennen!
Besudelt und entstellt vom
Lasterleben,
Wie könnte sie der Blick
erkennbar trennen?
Sie
müssen stets im Widerstoß erbeben,
Bis sich die einen mit
geschlossenen Händen,
Die andern haarlos aus der
Gruft erheben.
Sie
hat beraubt Schlechtsparen und Schlechtspenden
Der schönen Welt, zum Zank
in diese Gosse
Gestürzt – und nun laß mein
Erklären enden.
Drum sieh, mein lieber
Sohn, die kurze Posse
Der Güter, die Fortunen
sind beschieden,
Drob soviel Zwist erwächst
dem Menschentrosse.
Denn alles Gold,
was unterm Mond hienieden
Ist oder war, es könnte nie
betauen
Nur eine müde Seele hier
mit Frieden.« –
»Meister,« sprach ich zu
ihm, »noch laß mich schauen:
Wer ist Fortuna, die auf
unserer Erde,
Sagst du, die Güter hält in
ihren Klauen?«
Und
er zu mir: »O blinde Menschheitsherde!
Welch Wissensmangel läßt
euch doch erkranken. –
Beherzige wohl, was ich dir
sagen werde.
Er,
dessen Weisheit frei von allen Schranken,
Er schuf die Himmel und gab
ihnen Leitung,
Daß alle Teile allen
Klarheit danken
Durch seines Lichts
gleichmäßige Verbreitung.
So gab dem Erdenglanz der
ewige Hüter
Auch eine Dienerin zur
Wegbegleitung.
Die
schickt zu ihrer Zeit die eiteln Güter
Von Volk zu Volk, von Blut
zu Blut, nie dauernd,
Trotz Witz und Einspruch
menschlicher Gemüter.
Drum herrscht ein Volk,
ein andres schmachtet trauernd,
Wie sies bestimmt
hat, die indes gelegen
Gleich einer Schlange,
unterm Grase lauernd.
All
euer Wissen kämpft umsonst dagegen.
Sie sorgt, sie urteilt und
beschickt hienieden
Ihr Reich, wie auch die
andern Götter pflegen.
In
ihrem Wandel weiß sie nichts von Frieden.
Notwendigkeit erhält sie
stets im Jagen,
Drum ist ein Wechsel
manchem oft beschieden.
Das
ist sie, die so oft ans Kreuz
geschlagen
Von denen, die sie lobend
sollten ehren,
Und sie mit Unrecht
schelten und verklagen.
Doch hörts die Selige
nicht, sich dran zu kehren.
Mit andern Urgeschöpfen
läßt sie eilen
Die rollende Kugel und
erfreut sich deren.
Jetzt komm zu
größerer Qual hinab die Steilen,
Schon jeder Stern sinkt,
der sich aufgeschwungen
Seitdem ich aufbrach, und
es frommt kein Weilen.« –
So
ward zum andern Rand der Kreis durchdrungen
Ob einem Quell, der kochend
sein Gefälle
In einen Bach gießt, der
dem Quell entsprungen.
Dunkler als Purpur noch
war seine Welle.
Und von der trüben Flut
begleitet, klommen
Wir abwärts über eine
grausige Stelle,
Bis
wir zu einem Sumpf, dem Styx, gekommen,
Der rasch den Trauerbach am
Fuß des steilen
Bösartigen Abgrunds insich
aufgenommen.
Begierig ließ ich rings
die Blicke eilen
Und sah im Sumpfe
schlammbedeckte nackte,
Von Zorn durchschüttelte
Gestalten weilen.
Nicht nur mit Fäusten
schlug man sich; man packte
Sich auch mit Kopf, Brust,
Füßen wie mit Klauen,
Wobei den Leib stückweis
der Zahn zerhackte.
Der
Meister sprach: »Mein Sohn, hier kannst du
schauen
Die Seelen derer, die der
Zorn macht rasen.
Und glaub mirs, wenn ich
dir will anvertrauen:
Noch andere liegen
unterm ekeln Wrasen
Und seufzen so, daß
brodelnd aufwärtsfließen,
Wie dich der Blick
belehret, diese Blasen.
Sie
sprechen tief im Schlamme: ›Traurig ließen
Die süßen Lüfte uns in
Sonnentagen,
Gewohnt, ins Herz des
Trübsinns Qualm zu schließen.
Jetzt müssen wir in
schwarzer Suppe klagen‹
Solch eine Hymne gurgeln
sie im Schlunde,
Die sie mit klarem Wort
nicht können sagen.«
So
zwischen dem Morast und festem Grunde
Den Rundgang wir entlang
dem Schmutzteich nahmen,
Den Blick gekehrt auf die
mit Schlamm im Munde.
Zuletzt zu eines Turmes Fuß wir kamen.
Weiterberichtend sag
ich, daß uns lange,
Eh wir zum Fuß des hohen
Turms gekommen,
Die Blicke zog zu seines
Daches Hange
Ein
Flämmchenpaar, das wir dort sahen entglommen,
Und dem fernher ein drittes
Antwort kündet,
So fern, daß es dem Auge
blieb verschwommen.
Blickend zum Meer, drin
alle Weisheit mündet,
Begann ich: »Welch Gespräch
wird hier gepflogen
Von diesen zwein? Und wer
hat sie entzündet?« –
»Schon kannst du sehen
auf den schmutzigen Wogen
Das, was ich zu erwarten im
Begriffe,«
Sprach er, »wenn dirs der
Sumpfqualm nicht entzogen.«
Kein abgeschossener
Pfeil jemals durchpfiffe
Die luftige Bahn mit
solcher Blitzesschnelle,
Als ich es sah von einem
winzigen Schiffe,
Das
grade auf uns zuschoß durch die Welle;
Ein Mann nur drin, ders
lenke und beschütze.
Der schrie: »Bist du,
verruchter Geist, zur Stelle?« –
»Phlegias, Phlegias,
dein Schreien ist nichts nütze
Für diesmal,« hört ich
meinen Weggenossen.
»Dein sind wir nur zur
Überfahrt der Pfütze.«
Wie
jemand merkt, daß ihm ein großer Possen
Gespielt sei, drob ihn Zorn
will schier besiegen,
Hielt Phlegias seine Wut
insich verschlossen.
Mein Führer war ins Boot
hinabgestiegen
Und hieß nach ihm mich
nehmen meine Stelle.
Erst als ich drinnen,
schien es schwer zu wiegen.
Kaum daß im Schiff ich
saß und mein Geselle,
Sah ich den alten Kiel
vondannen eilen
Und tiefer furchen wohl als
sonst die Welle.
Als wir den toten
Graben so zerteilen,
Taucht ein Beschlammter auf
und schreit: »Wer immer
Du seist, du kommst zu
frühe, hier zu weilen.«
Und
ich zu ihm: »Ich kam, doch bleib ich nimmer.
Doch wer bist du, so
schmutzig und abscheulich?«
Er sprach: »Du siehst es,
einer voll Gewimmer.«
Und
ich: »So sei – verdammt und unerfreulich –
Weinend und klagend ewig
hier gefunden!
Dich kenn ich,
schwärzt dich der Morast auch greulich.«
Da
hielt er jede Hand ums Bord gewunden,
Daß ihn der kluge Meister
mußt verjagen,
Rufend: »Weg! troll dich zu
den andern Hunden.«
Drauf er, den Arm um
meinen Hals geschlagen,
Mich küssend sprach: »O
Seele, glutenvolle,
Gesegnet sei der Schoß, der
dich getragen.
Auf
Erden lebte dieser Hochmutstolle
Derart, daß nichts wird
seinen Namen loben;
Drum zürnt auch hier sein
Schatten noch im Grolle.
Wie
viele schilt man große Fürsten droben,
Die hier im Kot wie Säue
werden stehen,
Nachlassend grause Flüche
nur dortoben.«
Drauf ich: »Gern,
Meister, möcht ich eines sehen,
Daß er von dieser Tunke
kosten müßte,
Bevor ans Land wir aus dem
Sumpfe gehen.«
Und
er zu mir: »Noch eh die andere Küste
Uns naht, wirst du es
schauen mit Behagen.
Befriedigung fordert billig
solch Gelüste.«