Band 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)
Band 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)
Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)
Band 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)
Band 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)
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In den Mythen der Germanen treten mehrere Götter auf, die bei genauerem Hinsehen Priester und Priesterinnen sein könnten, die in den Bereich der Götter versetzt worden sind.
Dies sind Atli, Fimafeng, Eldir, Franmar, Thialfi, Hermodr, Skirnir, Byggvir und Otr sowie Gna, Beyla, Röskwa und die neun „Dienerinnen“ der Freya-Menglöd.
Am ehesten kann noch Hönir als ein Priester-Gott, d.h. als ein Gott mit Priester-Funktion, angesehen werden, obwohl auch er den Eindruck macht, als ob er ein „vergöttlichter Priester“ sei.
Da es über Hönir eine umfassendere Überlieferung gibt, ist er in einem einzelnen Band dargestellt worden (Band 18).
Atli ist der Gesandte und Zauberer des Königs Hiörvard. Er tritt in den Helgi-Liedern auf. Da „Helgi“ („Heiler“, „Heiliger“) einer der Beinamen des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr ist, ist es gut denkbar, daß auch Atli aus den Mythen des Tyr stammt.
Der Name „Atli“ bedeutet „Vater“. Der bekannteste Träger dieses Namens ist vermutlich der Hunnenkönig Attila.
Atli ist in diesem Lied der Sohn eines Jarls (Grafen) des Königs Hiörvard.
Hiörward hieß ein König, der hatte drei Frauen. Eine hieß Alfhild und der beiden Sohn Hedin; die andere hieß Säreid und der beiden Sohn Humlung; die dritte hieß Sinriöd und der beiden Sohn Hymling.
Ein König mit drei Frauen wird kein normaler König zu sein – es besteht der Verdacht, daß es sich bei ihm um eine Sagen-Version des ehemaligen Göttervaters Tyr handelt. Die „3“ und vor allem der dreifach dargestellte Vorgang sind die germanische Methode, einen zyklischen Vorgang und insbesondere den Sonnenlauf darzustellen (siehe „3“ in Band 47 und „Wiederzeugung“ in Band 51).
Für die Vermutung, daß dieses Lied auf die Tyr-Mythen zurückgeht, spricht auch, daß Hiörward zwei Söhne hat, die in den Sagas und Liedern der zu einer Saga-Gestalt umgedeutete Göttervater sind: Hedin und Helgi. Helgi wird später geboren; zu „Hedin“ siehe die Saga über Hedin und Högni (in Band 39 dieser Reihe).
Hiörward hatte gelobt, die Frau zu ehelichen, die er die schönste wüßte. Da hörte er, daß König Swafnir eine allerschönste Tochter hätte, Sigurlinn geheißen.
Der Name „Svaf(nir)“ bedeutet „Schläfer“ und im übertragenen Sinne auch „Toter“. Im Fiölswin-Lied ist er ein Riese und der Vater der Freya-Menglöd:„Menglada heißt sie, die Mutter zeugte sie mit Swaf, Thorins Sohn.“ Auch König Svaf ist daher wohl aus einer Übertragung des ehemaligen Göttervaters in die Saga entstanden.
Dazu paßt auch die „schönste Tochter“: Die Muttergöttin wurde bei der Patriarchalisierung in die Tochter des Göttervaters umgewandelt, woraus dann in der Sage die „schönste Königstochter“ wurde.
Idmund hieß sein Jarl. Atli, dessen Sohn, fuhr zu dem König, um Sigurlinn zu freien. Er blieb einen Winter lang bei König Swafnir.
Dies Form der Brautwerbung war damals zwar weit verbreitet, aber sie erinnert auch an das Skirnir-Lied, in dem Freyrs Diener/Priester für seinen Herrn die schöne Jenseitsgöttin-Riesin Gerdr freit.
Franmar hieß da ein Jarl, der Pfleger Sigurlinns, und dessen Tochter Alof. Der Jarl riet, daß die Maid verweigert würde: da fuhr Atli heim.
Hier erscheinen Atli und Franmar als Gegenspieler bei der Werbung um die „schönste Frau“. Es besteht somit der Verdacht, daß es sich bei ihnen um Tyr und Loki handeln könnte, die sich in einem endlosen Zyklus um die Göttin Freya streiten, ohne die sie nicht wieder geboren werden können. Durch diesen Streit und durch die durch ihn bewirkte abwechselnde Herrschaft des Sommergottes Tyr und des Wintergottes Loki entstehen die Jahreszeiten.
Atli Jarls-Sohn stand eines Tages an einem Wald: Da saß ein Vogel oben in den Zweigen über ihm und hatte zugehört, da seine Mannen die Frauen die schönsten nannten, die Hiörward hatte. Der Vogel zwitscherte und Atli lauschte, was er sagte.
Atli, der um Sigurlind gefreit hatte, war offenbar zauberkundig, da er die Vogelsprache verstand. Das Verstehen der Vogelsprache ist ein Bild für die Fähigkeit, mit den Ahnen in deren Gestalt als Seelenvögeln zu sprechen, also für die Fähigkeit ins Jenseits zu reisen oder ein Utiseta (Herbeirufung der Toten) durchzuführen.
Er sang:
„Sähest Du Sigurlinn, Swafnirs Tochter,
Die schönste Maid in Munarheim?
Und hier behagen doch Hiörwards Frauen
Deinen Leuten in Glasislundr.“
„Glasir-Wald“ ist allgemein ein Heiliger Hain und speziell der Hain bzw. Baum neben Odins Walhalla – der Weltenbaum. Die „Glasir-Ebene“ wird in mehreren Mythen und Sagas als der Wohnort des Tyr-Gudmund angegeben (siehe „Gudmund“ in Band 5). Dieser Ort bestätigt die Annahme, daß dieses Lied auf die Tyr-Mythen zurückgeht.
Atli ist offensichtlich ins Jenseits gereist, was die Deutung des Königs Svafnir als Tyr und Sigurlinn als Göttin bestätigt. Sigurlinn ist wahrscheinlich aus der Göttin Freya heraus entstanden, die manchmal auch als Walküre auftritt.
Atli:
„Willst Du mit Atli, Idmunds Sohn,
Vielkluger Vogel, Ferneres reden?“
Der Vogel:
„Ja, wenn der Edling mir opfern wollte;
Doch wähl' ich, was ich will aus des Königs Wohnung.“
Ein Vogel auf dem Weltenbaum mit Anspruch auf ein Opfer klingt nach dem Adler-Seelenvogel des Tyr auf dem Weltenbaum, der u.a. im „Haustlöng“ und in der „Skaldskaparmal“ als der Adler des Tyr-Thiazi von Odin, Hönir und Loki Opfergaben erhält.
Atli:
„Wenn Du Hiörward nicht kiesest noch seine Kinder,
Noch des Fürsten schöne Frauen.
Kiese keine von des Königs Bräuten:
Laß uns wohl handeln, das ist Freundes Weise.“
Der Vogel:
„Einen Hof will ich haben und Heiligtümer,
Goldgehörnte Kühe aus des Königs Stall,
Wenn Sigurlinn ihm schläft im Arm
Und frei dem Fürsten folgt zum Haus.“
Einen Tempel („Hof“) und „Heiligtümer“ sowie Stieropfer stehen lediglich dem ehemaligen Göttervater Tyr zu. Atli spricht und verhandelt hier offenbar mit dem Seelenvogel des Tyr-Svafnir.
Er selber wird hier anscheinend zu dem Priester des Adler-Seelenvogels des Tyr und errichtet ihm einen Tempel.
Die goldgehörnten Kühe sind auch aus dem Lied über den Tyr-Riesen Thrym bekannt – sie gehörten offenbar einst zu dem Kult des Tyr.
Dies geschah, ehe Atli heimfuhr; als er aber nach Hause kam und der König ihn frug, sprach er:
„Wir hatten Arbeit und üblen Erfolg:
Unsre Rosse keuchten auf dem Kamm des Gebirgs,
Dann mußte man durch Moore waten;
Doch ward uns Swafnirs Tochter verweigert,
Die spangengeschmückte, die wir holen wollten.“
Der König bat, daß sie zum anderen Mal hinführen, und er fuhr selbst mit. Aber da sie auf den Berg kamen und hinblickten auf Swawaland, sahen sie großen Landbrand und Staub von Rossen. Da ritt der König vom Berge herab ins Land und nahm sein Nachtlager bei einem Flusse.
Das Schwabenland befand sich im Krieg. Die Schwaben lebten damals noch in Holstein.
Atli, der die Warte hatte, fuhr über den Fluß und fand da ein Haus. Darin saß ein großer Vogel als Hüter und schlief. Atli schoß mit dem Spieß den Vogel tot.
Der „große Vogel“ in dem Haus ist vermutlich wieder der Adler, d.h. der Seelenvogel des Tyr. Dieser Mord entspricht dem Mord des Tyr-Thiazi durch die Asen bzw. der diversen Tyr-Riesen durch Thor.
Der Fluß ist anscheinend der Jenseitsfluß, da sich hinter ihm der Seelenvogel findet.
In dem Haus fand er Sigurlinn, die Königstochter und Alof, die Jarlstochter. Die nahm er beide mit sich fort.
Franmar Jarl hatte sich in Adlergestalt gekleidet und die Jungfrauen durch Zauberei vor dem Heere behütet.
Hier scheint der Kampf zwischen zwei Zauberern/Priestern beschrieben zu werden: zwischen dem Jarl Atli des Königs Hiörward und dem Jarl Franmar des Königs Svafnir.
Der Ursprung dieses Kampfes ist vermutlich der endlose Streit zwischen Tyr/Heimdall/Odin und Loki um die Jahreszeiten, die Göttin Freya und ihren goldenen Halsreif Brisingamen.
Hrodmar hieß ein König, der Freier Sigurlinns: der hatte den Swawakönig erschlagen und das Land verheert und verwüstet.
Da König Hiörward der Vater des Tyr-Helgi und des Tyr-Hedin ist, sollte König Hrodmar die Saga-Variante von Loki sein.
Da nahm König Hiörward Sigurlinn, und Atli nahm Alof zur Ehe.
Hiörward und Sigurlinn hatten einen Sohn, der groß und schön war. Er war aber stumm und kein Name wurde ihm beigelegt.
Der Sohn des Hiörvard und der Sigurlinn ist der eigentliche Held dieses Liedes. Er wird wie viele Helden der Germanen der wiedergeborene Sonnengott-Göttervater Tyr sein. Er erhält später in diesem Lied den Namen „Helgi“, nachdem er durch die Hilfe einer Walküre ein magisches Schwert (die Waffe des Tyr) gefunden hat.
Der Name „Atli“ bedeutet „Vater“. Evtl. entspricht dies der lateinischen Bezeichnung „pater“ („Vater“) für den christlichen Priester, da anscheinend auch Atli ein Priester und Magier ist.
Bei der Brautwerbung und dem Kampf im Helgi-Lied spielen die beiden Priester-Magier der beiden Könige bzw. Götter die zentrale Rolle. Zumindestens einer der beiden Götter sowie einer der Priester-Magier (Franmar) können sich in einen Adler verwandeln – sie haben also die Fähigkeit der Astralreise erlangt.
Der Adler-Gott wird getötet. Es gibt somit viele Parallelen zu anderen Tyr-Mythen wie z.B. der im Haustlöng.
Da König Hiörward der Vater des Tyr-Helgi und des Tyr-Hedin ist, wird sein Jarl Atli ursprünglich der Priester-Schamane des Tyr gewesen sein.
In diesem Lied haben sich einige Motive aus den früheren Tyr-Mythen vermischt: Atli gehört zur Seite des Tyr, aber er erschießt Franmar, der die Gestalt eines Adlers, also die des Tyr-Seelenvogels hat. Dieser Vogel müßte eigentlich ein Loki-Falke sein – oder Franmar nicht der Feind des Atli. Hier sind vermutlich die beiden „Alcis“-Söhne des Tyr mit dem Motiv des Kampfes zwischen Tyr und Loki vermischt worden.
Franmar ist der Jarl und Zauberer des Königs Svafnir.
Die Bedeutung des Namens „Franmar“ ist nicht sicher.
„Frann“ bedeutet „funkelnd, scharf“, aber auch „Schlange“ im Sinne von „Glänzende“.
„Mar“ ist die Bezeichnung für „Meer“ und „Seemöwe“. „Mar“ ist in Eigennamen wie z.B. „Sigmar“ jedoch oft auch eine Kurzform von „märd“ für „Ruhm“.
„Franmar“ wird somit am ehesten „glanzvoller Ruhm“ bedeuten, auch wenn eine Assoziation zu Schlangen und zum Meer nicht ausgeschlossen sind.
Dieses Lied ist schon in dem Kapitel über Atli besprochen worden. Der Teil, in dem Franmar auftritt, folgt hier noch einmal ohne Kommentare.
Der König bat, daß sie zum anderen Mal hinführen, und er fuhr selbst mit. Aber da sie auf den Berg kamen und hinblickten auf Swawaland, sahen sie großen Landbrand und Staub von Rossen. Da ritt der König vom Berge herab ins Land und nahm sein Nachtlager bei einem Flusse.
Atli, der die Warte hatte, fuhr über den Fluß und fand da ein Haus. Darin saß ein großer Vogel als Hüter und schlief. Atli schoß mit dem Spieß den Vogel tot.
In dem Haus fand er Sigurlinn, die Königstochter und Alof, die Jarlstochter. Die nahm er beide mit sich fort.
Franmar Jarl hatte sich in Adlergestalt gekleidet und die Jungfrauen durch Zauberei vor dem Heere behütet.
Hrodmar hieß ein König, der Freier Sigurlinns: der hatte den Swawakönig erschlagen und das Land verheert und verwüstet.
Da nahm König Hiörward Sigurlinn, und Atli nahm Alof zur Ehe.
Hiörward und Sigurlinn hatten einen Sohn, der groß und schön war. Er war aber stumm und kein Name wurde ihm beigelegt.
Franmar erscheint hier als der zauberkundige Gegenspieler des Atli, der auf den Priester-Schamanen des Tyr zurückgeht. Franmar scheint daher auf den Priester des Loki zurückgehen – es wird allerdings nirgendwo auch nur der Hauch einer Andeutung eines Loki-Kultes erwähnt.
In dieser Saga tritt ein Mann mit dem Namen 'Framar' auf, der eine Variante des 'Franmar' sein könnte.
„Die Saga muß auch über einen Mann mit dem Namen Kol berichten, über den viele gute Dinge erzählt werden: zunächst, daß er groß wie ein Riese war, übel aussah wie der Teufel und so bewandert in den Schwarzen Künsten, daß er genausogut durch die Erde wie auf ihr gehen konnte, Sterne und Rosse zusammenkleben konnte, und daß er außerdem ein so großer Gestaltwandler war, daß er die Gestalt verschiedener Tiere annehmen konnte. Manchmal ritt er auf dem Wind oder ging durch das Meer und er hatte einen so großen Buckel auf seinem Rücken, daß selbst dann, wenn er aufrecht stand, sein Buckel über seinen Kopf hinaufragte.
Dieser Kol zog mit einem großen Heer nach Indien, tötete Tirius, nahm Trona zur Frau und unterwarf Land und Leute. Er hatte mit Trona viele Kinder, die alle mehr nach ihrem Vater als nach ihrer Mutter gerieten.
Kol wurde 'Buckelrücken' genannt.
Wenn Tirius auf Tyr zurückgeht, dann muß Kol eine Sagen-Variante seines Feindes Loki sein. Dazu paßt, daß Kol Tirius tötet, daß er wie Loki mit seinen Flugschuhen durch die Lüfte gehen kann, daß er wie dieser die Gestalt verschiedener Tiere annehmen kann und ein großer Zauberer ist. Auch der Raub der Trona wird ein Motiv aus den Mythen des Tyr und des Loki sein, da sich diese beiden gegenseitig die Frau, d.h. die Jenseitsgöttin raubten, um sich mit ihr zu vereinen und durch sie wiedergeboren zu werden und dann das Jenseits verlassen zu können.
Der Name „Kol“ leitet sich von „Kolr“ für „Kohle“ ab und entspricht Loki als dem Gott der finsteren Unterwelt, aber auch dem Tyr-Beinamen „Surt“, d.h. „Schwarzer“, den er als Gott im Jenseits trug, in dem er als „schwarze Sonne“ aufgefaßt worden ist.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Buckel des Kol, da dieser in den Loki-Mythen nicht vorkommt.
Er (Kol) besaß drei rare Schätze. Diese waren: ein Schwert, das so mächtig war, daß zu dieser Zeit niemand ein besseres schwang, und der Name dieses Schwertes war Angervadil; ein weiterer dieser Schätze war ein goldener Ring, der Gleser genannt wurde; der dritte war ein Horn, das mit einem Trank von solch einer Beschaffenheit gefüllt war, daß jeder, der von seinem unteren Teil trank, sofort von der Krankheit, die man Lepra nennt, befallen und so vergeßlich wird, daß er sich an nichts aus der Vergangenheit erinnern kann; aber wenn man von dem oberen Teil dieses Hornes trinkt, wird die Gesundheit und die Erinnerung sofort wiederhergestellt.
Schwert, Ring und Horn sind die drei Schätze des Tyr, die u.a. auf dem Runenstein von Drävle dargestellt werden.
Das Schwert ist das magische Sonnen-Schwert des Schwertgottes, daß er auch als Tyr-Riese unter dem Namen Surtur in seiner Hand hält. Oben in der Mitte des Runensteines ist ein Mann mit Schwert zu sehen, der die Schlange ersticht, auf der die Runen geschrieben stehen – die Wurzel dieses Motivs geht über Ragnar, Sigurd und Beowulf letztlich auf den Kampf des Himmelsgottes mit dem Drachen, der den Regen geraubt hat, zurück. Der Schwertname „Angervadil“ bedeutet wahrscheinlich „Wut/Sorgen-Schwinger“, d.h. „das, was in Wut geschwungen wird und dadurch Sorgen bereitet“.
Der Ring ist ursprünglich ein Symbol der Sonne und somit der Wiedergeburt gewesen – deshalb ist er auch immer der wichtigste Teil in allen von den Drachen bewachten Schätzen. Die Drachen sind „große Schlangen“ und die Schlangen sind wiederum ein Symbol für die Totengeister, das bis in die späte Altsteinzeit zurückreicht. Auf dem Runenstein ist oben links der Tyr-Zwerg Andvari mit dem Ring Draupnir zu sehen.
Das Trinkhorn war ein wichtiger Ritualgegenstand, der in der Form der beiden Goldhörner von Gallehus am bekanntesten ist. Aus ihm wurde der Ritualmet getrunken, der symbolisch dem griechischen Ambrosia, dem indischen Soma und dem persischen Haoma entspricht – er ist der Trank der Wiedergeburt. Da er mit dem Tod verbunden war, war er auch der Trank des Vergessens, der als Zaubertrank z.B. von Griemhild dem Sigurd gereicht wird, damit dieser Brünhild vergißt. Dieser Ritualtrank wird auf dem Runenstein oben rechts von einem Priester in einem langen Gewand getragen.
Unten auf dem Runenstein findet sich noch eine der vielen Varianten des Hrungnirherzens und in der Mitte das sehr beliebte germanische Sonnensymbol, das aus einem Kreis und einem Kreuz bestand und das allmählich zu einer Variante des christlichen Kreuzes umgedeutet worden ist.
In der Saga ist Kol, d.h. Loki im Besitz dieser drei magischen Gegenstände. Es stellt sich daher die Frage, ob Kol tatsächlich nur Loki ist, oder ob sich in ihm Motive des Tyr und des Loki vermischt haben. Tyr und Loki rauben sich zwar immer wieder gegenseitig den Ring, aber von dem Schwert und von dem Trinkhorn wird dies ansonsten nicht berichtet.
Das älteste Kind des Kol und der Trona war Björn Blauzahn. Sein Zahn war von blauer Farbe und ragte eineinhalb Ellen lang aus seinem Mund heraus und mit diesem Zahn tötetet er oft andere Leute, wenn er in einer Schlacht war oder wenn ihn die Wut überkam.
Die Farbe „Blau“ wurde so eng mit dem Jenseits assoziiert, daß auch Hel halb blau und halb Haut-Farben war und man die Toten „Blau-Menschen“ nennen konnte.
Dis war eine Tochter des Kol.
„Dis“ ist ein altes Wort für „Göttin“, das die Femininform von „Diar“ („Tyr-Priester“) ist. Beides sind Ableitungen von dem Namen Tyr – ähnlich wie das lateinische Dea und Deus. Diese beiden Namen kamen nach der Zeit, in der Tyr der Göttervater gewesen ist, also nach 500 n.Chr. allmählich außer Gebrauch.
Dis ist eine Saga-Variante der Jenseitsgöttin.
Das dritte Kind des Kol und der Trona hieß Harek, dessen Kopf schon im Alter von sieben Jahren vollkommen kahl war und dessen Schädel hart wie Stahl war, weshalb er Harek Eisenkopf genannt wurde.
Das vierte Kind hieß Ingjald. Seine Oberlippe maß eine Elle von der Nase aus gemessen, weshalb er Ingjald Schnauze hieß.
Kol hat wie Tyr drei Söhne, die ehemals die Repräsentanten der drei Stände gewesen sind, und eine Tochter, die die umgedeutete Jenseitsgöttin ist.
Diese Fülle an Details macht die Auffassung, daß diese Erzählung ihre Wurzeln in den Mythen über Tyr und Loki hat, sehr sicher.
Es war ein Zeitvertreib der Brüder, wenn sie daheim waren, daß Björn Blauzahn seinen Zahn in den Schädel seines Bruders Harek stieß.
Keine Waffe konnte die Lippe des Ingjald Schnauze durchstechen.
Ein ähnliches Motiv wie die Lippe des Ingjald Schnauze Motiv ist ansonsten nur noch von Loki bekannt, dessen Mund in der Mythe über die Herstellung der magischen Waffen der Götter zunächst nicht von den Zwergen zugenäht werden konnte.
Durch Zaubersprüche hatte Kol der Bucklige es erreicht, daß keiner seiner Nachkommen anders als durch das Schwert Angervadil getötet werden konnte – kein anderes Eisen konnte sie verletzen.
Auch diese Beinahe-Unverwundbarkeit ist ein Motiv aus den Tyr-Mythen. Als Kriegsgott und Göttervater ist er unverwundbar, jedoch nicht als Sonnengott, der am Abend stirbt. Daher ist es kaum möglich, Tyr zu töten – außer mit seinem eigenen Schwert oder mit einer andere spezielle Waffe (meistens eine Keule) und mit Steinen.
Doch als Kol alt genug geworden war, starb er einen schrecklichen Tod.
Zu dieser Zeit ist Trona schwanger gewesen und gebar einen Sohn, der nach seinem Vater ebenfalls Kol genannt wurde – und er sah nicht nur so aus wie sein Vater, sondern glich ihm auch von seinem Wesen. Als er ein Jahr alt war, war Kol zu den anderen Kindern so gemein, daß er Kol der Verschlagene genannt wurde.
Kol der Jüngere ist offensichtlich sein eigener wiedergeborene Vater – ein weiteres Motiv aus den Mythen des Tyr und des Loki: Der Wintergott Loki wird im Herbst wiedergeboren und kehrt dann aus dem Jenseits zurück und tötet Tyr – und der Sommergott Tyr wird im Frühjahr wiedergeboren und kehrt aus dem Jenseits zurück und tötet Loki.
Der Beiname „der Verschlagene“ des Kol paßt gut zu Loki, der der listige Gott und der Verursacher fast allen Leides gewesen ist.
Dis heiratete Jokul Eisenrücken, einen blauen Berserker.
Wahrscheinlich sind Harek Eisenkopf und sein Schwager Jokul Eisenrücken Sagenvarianten der beiden „Alcis“ genannten Pferdezwillinge des ehemaligen Göttervaters Tyr, die in den späteren Odin-Mythen zu dem achtbeinigen Doppelpferd Sleipnir wurden. Auch einer der Eisriesen trägt den Namen „Jokul“. Das Eisen ist zum einen ein Symbol der Beinahe-Unverwundbarkeit der beiden und zum anderen auch ein Symbol des Jenseits – das Eisen und das Jenseits wurde in den meisten frühen Kulturen miteinander assoziiert, weil Eisen zunächst nur als Meteor-Eisen bekannt war, das als heruntergefallene Stücke des Himmels und somit des Jenseits aufgefaßt worden ist.
Vermutlich wird hier nicht mehr genau zwischen „Riese“ und „Berserker“ unterschieden. Die Farbe Blau ist wieder ein Hinweis darauf, daß Jokul Eisenrücken ein Wesen des Jenseits ist.
Sie und ihre Brüder teilten das Erbe ihres Vaters in der Weise unter sich auf, daß Dis das Horn erhielt, Björn Blauzahn das Schwert, Harek den Ring, Ingjald das Königreich und Kol den persönlichen Besitz.
Drei Winter nach dem Tod des Königs Kol heiratete Trona Jarl Herfinn, den Sohn des Königs Rodmar von Marseraland. Im ersten Winter nachdem sie geheiratet hatten, gebar sie ihm einen Sohn, der Framar genannt wurde und ein Mann von großen Fähigkeiten war und sehr verschieden von seinen Brüdern war.
Hier hat Trona, die Saga-Variante der Göttin einem anderen Mann einen Sohn geboren, d.h. ihn wiedergeboren – was vermuten läßt, daß Framar der Gegenspieler des Kol ist.
Der Verfasser der Thorstein-Saga hat offensichtlich die alten Mythen über Tyr und Loki noch sehr gut gekannt und die ihm bekannten Details allesamt in diese Saga eingebaut.
Ketil ist eine Saga-Variante des ehemaligen Göttervates Tyr, in dessen Geschichte sehr viele Elemente der früheren Tyr-Mythen vorkommen. Seinen Beinamen „Forelle“ hat er erhalten, nachdem er einen Drachen getötet hat, den er spöttisch „Forelle“ nannte.
Sein Gegner Framar wird daher dem Franmar aus dem Helgi-Lied entsprechen.
Der Name „Framar“ (ohne „n“) ist wahrscheinlich nur eine Verkürzung von „Franmar“.
Dann kam der Wikinger-König Framar nach Rabennest. Er war ein überzeugter Heide und ihn biß kein Eisen. Er herrschte über ein Königreich, das von Hunaveld bis nach Gestrekaland reichte. Er führte seine Opferungen in Arhaug durch. Kein Schnee blieb auf seinem Hügelgrab liegen.
„Arhaug“ bedeutet „Adlerhügel“ und ist eine Bezeichnung für den Platz, an dem an den Tyr-Adler geopfert wurde.
Das Schnee-Motiv stammt aus der Vorstellung, daß in einem „bewohnten Hügelgrab“ ein Feuer glüht, daß den Schnee zum Schmelzen bringt.
Sein Sohn war Bodmod, der einen großen Hof bei Arhaug besaß und ein beliebter Mann war, während alle Framar alles Üble wünschten. Odin hatte es dem Framar bestimmt, daß ihn kein Eisen biß.
Framar verlangte Hrafnhild zur Frau, doch Ketil antwortete, daß sie selber ihren Mann wählen würde.
Sie sagte „Nein.“ zu Framar, „wenn ich schon nicht den Ali nehme, dann werde ich sicherlich nicht diesen Troll heiraten!“
Ketil sagte Framar ihre Antwort.
Er wurde sehr wütend und er forderte Ketil zu einem Zweikampf am ersten Tag des Jul heraus, „und Du bist der wertloseste alle Nidlinge, wenn Du nicht kommst!“
Mit „Nidling“ ist ein Mann gemeint, der „nid“ ist, d.h. zum „Niederen“ gehört, womit sowohl das Jenseits als auch Wertlosigkeit, Ehrlosigkeit und eine homosexuelle Vergewaltigung gemeint ist.
Ketil sagte, daß er kommen werde.
Hjalm und Stafnglam baten darum, mit ihm kommen zu können.
Ketil sagte, daß er alleine gehen werde.
Kurz vor Jul ging Ketil zum Naumu-Tal. Er trug einen Fell-Umhang und hatte Skier an seinen Füßen, und er ging die Täler hinauf und dann durch die Wälder nach Jamtaland und dann weiter nach Osten über Skalkskog nach Helsingjaland, dann weiter nach Osten über Eyskogamark, daß Gestrekaland von Helsingjaland trennte und das zwanzig Rasten lang und drei Rasten breit war und in dem es beschwerlich zu reisen war.
Eine Raste sind ca. 9 km.
Dort lebte ein Mann mit dem Namen Thorir in dem Wald. Er bot Ketil seine Begleitung an und sagte, daß in dem Wald Übeltäter lebten, „und der übelste von ihnen wird Soti genannt. Er ist verräterisch und stark.“
Ketil sagte zu sich selber, daß er keine Schwierigkeit sein werde.
Er ging in den Wald und kam zu Sotis Hütte. Er war nicht daheim. Ketil entfachte ein Feuer. Soti kam heim und grüßte Ketil nicht und setzte sich alleine an der Seite hin.
Ketil saß beim Feuer und sprach: „Bist Du der größte der Nidlinge, Soti?“ frug er.
Da war Soti einige Stöcke nach Ketil.
Als sie genügend gegessen hatten, legte sich Ketil neben dem Feuer nieder und schnarchte laut. Da sprang Soti auf, doch Ketil erwachte und frug: „Was hast Du vor, Soti?“
Er sagte: „Ich will in das Feuer blasen. Es ist beinahe ausgegangen.“
Ketil schlief weiter.
Da stürzte Soti mit einer zweischneidigen Axt herbei.
Ketil sprang auf und sagte: „Du willst wohl viel hacken?“ sprach er.
Danach blieb Ketil die ganze Nacht über wach.
Gegen Morgen erhob er sich und Soti ging mit ihm in den Wald. Als die Nacht hereinbrach, legten sie sich unter eine Eiche. Ketil schlief ein, was Soti bemerkte, denn er schnarchte laut.
Soti sprang auf und schlug nach Ketil, da er dachte, daß das Schnarchen aus der Kapuze seines Umhanges käme, doch Ketil lag nicht unter seinem Umhang.
Ketil erwachte und beschloß Soti auf die Probe zu stellen.
Er kam herbei und sprach: „Nun wollen wir unsere Fähigkeiten im Ringen vergleichen!“
Ketil warf Soti nieder, schlug seinen Kopf ab und ging dann seines Weges.
Am Yul-Abend kam er nach Arhaug, dem Opferplatz des Framar und das Heim der Adler. Er war von Schnee bedeckt. Ketil stieg das Hügelgrab hinauf und saß in dem kalten Wind und wartete auf das Treffen.
Da kam ein Mann zu Bodmods Hof und frug: „Wann wird Ketil nach Arhaug kommen?“
Die Männer antwortete, daß es nicht zu erwarten sei, daß er käme.
Bodmod sagte: „Das glaube ich in diesem Fall nicht. Er ist ein weitgereister Mann und er hält sein Wort.“
Sie gingen zu dem Hügelgrab, aber sie fanden Ketil nicht und berichteten dies dem Bodmod.
Bodmod sagte, daß er auf das Hügelgrab gehen werde. Er ging dort hinauf und stieg auf die Kuppe des Hügelgrabes und sah eine große Erhebung an seiner Nordseite.
Bodmod sprach diese Strophe:
„Wer ist dieser Hohe,
der auf dem Hügel sitzt
und sich nicht um das Wetter kümmert?
Ein frostfester Mann.
Mir scheint, das ist schrecklich
und keineswegs warm.“
Ketil sprach diese Strophe:
„Ich werde Ketil genannt,
Ich komme von Rabennest.
Dort bin ich zäh geworden;
Mein Herz ist voller Mut,
ich weiß, ich werde überleben
und ich werde Unterkunft erhalten.“
Bodmod sprach:
„Erheb Dich nun,
verlasse dieses Hügelgrab
und komme in meine Halle.
Wir werden sprechen
und Gastfreundschaft haben,
wenn Du dort bleibst.“
Ketil trug diese Strophe vor:
„Ich werde mich nun erheben
und dieses Hügelgrab verlassen,
so wie mich Bodmod auffordert.
Mein Bruder,
selbst wenn er näher wohnen würde,
könnte mir keine bessere Einladung geben.“
Bodmod nahm Ketil bei der Hand. Als er sich erhob, glitten Ketils Füße auf dem Hügelgrab aus.
Da sprach Bodmod diese Strophe:
„Das zeigt, Zieh-Sohn,
daß Du den Kampf beginnen
und siegen wirst.
Doch Du wirst dies niemals erreichen,
denn Odin gibt den Sieg
und oftmals läßt er den besseren Krieger verlieren.“
Ketil wurde über den Namen „Odin“ wütend, denn er glaubte nicht an ihn, und er trug diese Strophe vor:
„Ich habe niemals
dem Odin geopfert,
obwohl ich schon lange gelebt habe.
Wenn ich in dem kommenden Kampf fallen werde,
weiß ich, daß ich zuvor sicherstellen werde,
daß mein Feind seinen Kopf verliert.“
Dann ging Ketil mit Bodmod und bleibe diese Nacht und auch die nächste bei ihm. Und am Morgen bot Bodmod ihm an, mit ihm zu gehen oder ihm einen anderen Beisteher bei dem Zweikampf zu stellen.
Doch Ketil lehnte dies ab.
„Dann werde ich mit Dir gehen,“ sagte Bodmod.
Dem stimmte Ketil zu und ging nach Arhaug. Framar kam laut bellend zu dem Hügelgrab und fand dort Bodmod und Ketil mit einer Schar Männer.
Framars „Bellen“ zeigt, daß er ein Ulfhedinn, d.h. ein Wolfs-Ekstasekämpfer ist.
Da trug Framar die Zweikampf-Regeln vor.
Bodmod hielt einen Schild vor Ketil, aber nicht vor seinen Kopf.
Framar sagte: „Du bist nun mein Feind und nicht mehr länger mein Sohn!“
Bodmod sagte, daß er ihre Verwandtschaft durch diese Hexerei gebrochen habe.
Bevor sie begannen, kam ein Adler aus dem Wald auf Framar zugeflogen und zerrte an seinen Kleidern.
Obwohl Framar den Adlern (Tyr) opfert und unter dem Schutz des Odin steht, wendet sich ein Adler gegen ihn. Das bedeutet, daß ihn sein Schutzgott verlassen hat.
Da sprach Framar diese Verse:
„Dieser Adler ist von übel,
ich fürchte die Wunde, die ich erhalten habe;
er stürzte sich wild auf mich
und sein Gift ist in meinem Blut.
Wie eine Sturmböe schrie er,
daß er gierig sei.
Oft habe ich Adler erfreut,
ich will nun töten!“
Da stürzte der Adler so schnell auf ihn zu als ob er eine Waffe wäre.
Da sprach Framar diese Verse:
„Schlage nur mit den Flügeln!
Ich gebe Dir den Namen 'Waffe'!
Du kreist über mir, Weit-Flieger,
als ob Du wüßtest, daß ich todgeweiht bin!
Du irrst Dich, Kampf-Antreiber,
ich werde den Sieg erringen.
Du mußt festlegen,
daß Forelle nun sterben wird!“