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Eine kurze Geschichte des Katholizismus

Oh, Geschichtsunterricht. Für manche ist das ja so aufregend wie ein Roman von Stephen King (und zuweilen auch genauso grausig). Für andere ist Geschichte so langweilig wie ein Steuerformular. Wir zählen uns zu Ersteren. Wenn es Ihnen ähnlich geht, liegen Sie hier genau richtig.

Antike und frühes Mittelalter (33 n. Chr.–74)

Dieser Abschnitt betrachtet die Geschichte der katholischen Kirche von der Zeit Jesu bis zum endgültigen Niedergang des Römischen Reiches, also vom ersten bis ins achte Jahrhundert.

Das nicht christliche Rom (33 n. Chr.–312)

Das heutige Israel wurde zur Zeit Jesu als Palästina bezeichnet. Auch wenn es dort einen König (Herodes) gab, handelte es sich bei diesem doch nur um eine Marionette, denn die wahre Macht über das Heilige Land übte das Römische Reich aus. Kaiser Tiberius ernannte Pontius Pilatus zum Statthalter von Judäa, und der war dann der eigentliche politische Herrscher in Jerusalem. Dennoch galt Palästina nicht als erobertes Gebiet Roms, sondern als ein unfreiwilliger und weitgehend unfähiger Verbündeter. Dem Kaiser selbst, angefangen bei Kaiser Augustus, wurden ja ebenfalls göttliche Eigenschaften zugeschrieben.

Solange man die Christen als eine Randgruppe der Juden ansah, genossen sie denselben Schutz und dieselbe Toleranz unter römischer Herrschaft. (Nach Ansicht von Gelehrten führte dies schließlich zu Unstimmigkeiten zwischen der Mehrheit der Juden und der kleinen Minderheit der christlichen Juden, und bis sich dies zu einem Politikum ausweitete, zögerte Pilatus zunächst noch, Jesus hinrichten zu lassen.)

Die frühen Christen

Nach katholischer Lehre erstand Jesus von den Toten, nachdem er gekreuzigt wurde und gestorben ist. Seine Jünger wurden als Christen bezeichnet. Zumeist wollten diejenigen Juden, die Jesus als Messias annahmen, ihre jüdischen Traditionen beibehalten und weiterhin auch ihren hebräischen Glauben praktizieren. Sie gingen zum Tempel und zur Synagoge, hielten Sabbat und Pessach ein, gehorchten den Essensvorschriften (koschere Kost), versammelten sich dennoch an jedem Sonntag, am Tag der Auferstehung, um sich anzuhören, was Jesus predigte, und um die Messe zu feiern (siehe Kapitel 10 zu weiteren Informationen über die Messe).

Die Apostelgeschichte, das Buch aus dem Neuen Testament, das gleich hinter den vier Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas und Johannes) folgt, beschreibt, wie das religiöse Establishment in Jerusalem ganz am Anfang die frühen Christen als eine Randgruppe des Judentums tolerierte.

Wie sich das Christentum als eigenständige Religion etablierte

Zwei Faktoren führten zu der offiziellen Abspaltung und zur Unabhängigkeit des Christentums als einer eigenständigen Religion:

Die wachsende Anzahl heidnischer Konvertiten zum Christentum ließ schließlich die jüdische Herkunft verblassen. Auch wenn Jesus und seine 12 Apostel praktizierende Juden waren, als er zum ersten Mal dazu aufrief, ihm zu folgen, so erwiesen sich doch die Reisen des hl. Paulus und anderer Jünger in nicht jüdische Gebiete als beschleunigende Faktoren einer Ausbreitung und Verselbstständigung des Christentums. So wurden immer mehr griechische und römische Einflüsse im Christentum sichtbar und ihm angepasst, und immer weniger jüdische Bräuche und Traditionen konnten in ihm überleben. Am Ende des ersten Jahrhunderts waren die meisten Christen keine jüdischen Konvertiten mehr, sondern kamen aus anderen Kulturen.

Die Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. war das Waterloo der jüdisch-christlichen Beziehungen. Sechs Jahre zuvor gab Kaiser Nero den Christen die Schuld am brennenden Rom und machte sie so zum Sündenbock. Später betrieben jüdische Eiferer – die von einigen Pharisäern dazu angeregt und aufgehetzt wurden – den Rückzug der heidnischen Römer und versuchten, einen Krieg gegen das Römische Reich anzustiften. Im folgenden »Jüdischen Krieg« brannte der antike Tempel in Jerusalem, der jedem Juden (und auch den Christen) heilig war, fast vollständig ab. Es war Titus, der den jüdischen Revolutionären für ihre Auflehnung gegenüber Rom und dafür, dass sie sich gegen seinen Vater Vespasian erhoben hatten, eine harsche Lektion erteilen wollte. Der Tempel wurde bis auf die Grundmauern zerstört, und 97.000 Überlebende des Aufstands wurden in die Sklaverei verkauft.

Dieser schwarze Tag in der jüdischen Geschichte führte zur endgültigen Trennung von Christentum und Judentum. Das Christentum war nicht mehr länger eine Randgruppe oder ein gleichberechtigter Partner, sondern es war eine andere und selbstständige Religion.

Doch die Christen waren weder in Rom noch in Jerusalem wohlgelitten. Die Römer hielten die Verehrung und Anbetung eines hingerichteten Revoluzzers (Jesus) für gefährlich für die politische Stabilität des Reiches. Und die Juden behaupteten, dass die Verehrung Jesu als Sohn Gottes Blasphemie und Häresie sei. Das Christentum erschütterte die Grundlagen des jüdischen Glaubens an einen einzigen Gott. So hegten also beide Seiten einen Groll gegen die neue Religion, und sowohl die Römer als auch die Hebräer Jerusalems verfolgten die Christen gleichermaßen.

Veränderungen, die sich auf die Urkirche auswirkten

In der Diaspora wurden die Juden aus Palästina vertrieben. Während des Babylonischen Exils mussten zwei Drittel aller Juden zwangsweise ihr Land verlassen, um zu verhindern, dass sie zu einem politischen und militärischen Rivalen werden konnten – besonders die griechischsprachigen Juden (die auch als hellenistische Juden bezeichnet wurden). Saulus, der nach seiner Konversion zu Paulus wurde, war hellenistischer Jude und wurde zu einem der bedeutendsten Missionare des Evangeliums Christi und der christlichen Religion.

Manche Christen waren früher Heiden, manche Juden. Daraus ergaben sich zunächst allerhand Probleme – vor allem hinsichtlich der Essensvorschriften und der Beschneidung. Die meisten der Urchristen waren ja zuerst Juden, die die Gesetze des Moses getreu befolgten. Ihre Männer waren beschnitten, und sie aßen ausschließlich koschere Kost. Doch als heidnische Römer und Griechen damit anfingen, Jesus Christus als den Sohn Gottes und als den Messias anzuerkennen, kam die Frage auf, ob sie zunächst den Weg der Apostel beschreiten müssten, die erst Juden waren, bevor sie zu Christen wurden. Manche bejahten dies, andere verneinten es. Auch die Apostel waren sich darüber uneins.

Jesus hinterließ zu dieser Frage keine ausdrücklichen Anweisungen, sodass dieses Thema auf dem Ersten Allgemeinen Konzil der Kirche, dem Konzil von Jerusalem, zum Abschluss gebracht werden konnte. Das Konzil entschied, dass jüdische Bestimmungen keine Gültigkeit mehr besaßen. Es war also nicht mehr verpflichtend für christliche Konvertiten, zunächst den jüdischen Glauben anzunehmen. Nach diesem Beschluss waren die Verbindungen zur Religion Abrahams, Isaaks und Jakobs endgültig abgebrochen. Seit dieser Zeit war der christliche Glaube nicht mehr mit dem jüdischen verbunden.

Nach dem Fall von Jerusalem, der Zerstörung des Tempels und den Missionarsreisen des hl. Petrus und des hl. Paulus nach Rom zog die Kirche von Jerusalem in die Ewige Stadt – dem ständigen Zentrum der Kirche.

Die römischen Christenverfolgungen

Die erste Phase

Die erste Phase der römischen Verfolgungen begann im Jahre 64 n. Chr. während der Regierungszeit Neros (54–68 n. Chr.), der den Christen die Schuld am Brand Roms gab. (Viele Historiker sind der Meinung, dass er selbst den Brand legte, um die Stadt gegen den Widerstand der örtlichen römischen Aristokratie wiederaufzubauen.) Diese Phase setzte sich während der Herrschaft von Domitian (81–96) weiter fort und endete mit der Herrschaft des Kaisers Trajan (98–117).

Vorurteile beruhen auf Lügen und so ließen die Unwahrheiten, die man über die Christen verbreitete, die Verfolgungen immer stärker werden. Man warf den Christen vor, sie feierten ein Menschenopfer, was die zivilisierten Römer als barbarisch ansahen. Tatsächlich rissen sie die christliche Lehre von der Realpräsenz in der Heiligen Eucharistie aus ihrem Zusammenhang: Nach katholischer Ansicht essen und trinken die Gläubigen das Fleisch und das Blut, den Leib und die Seele Christi.

Die zweite Phase

Die zweite Phase der römischen Christenverfolgungen setzte nach Trajan mit dem Philosophen und Kaiser Marcus Aurelius (161–180) wieder ein und endete mit Commodus (180 bis 192). In dieser Periode gab es weniger tyrannische und despotische Kaiser als in der ersten Periode, dennoch wurden die Verfolgungen noch immer vorangetrieben.

Die dritte Phase

Die letzte Phase der Christenverfolgungen war die bösartigste, gewalttätigste und grausamste. Ein Nachfolger von Commodus, Septimus Severus (193–211), wechselte die Gangart, indem er es nicht mehr der Dorfguerilla überließ, die Christen zusammenzuschlagen, sondern die Verfolgungen wieder zu einer allgemeinen staatlichen Institution machte. Vier Kaiser später hatte es Maximus Thrax (235–238) auf die Bischöfe abgesehen und startete einen Feldzug gegen die Bischöfe und den Papst, um sie zu inhaftieren und hinzurichten in der Hoffnung, das Christentum dadurch zu zerstören, dass er seine Führer vernichtete. Drei Kaiser später leitete Decius (249–251) die blutigste aller Verfolgungen ein. Das Römische Reich war auf dem absteigenden Ast, und wie es bei Reichen auf absteigenden Ästen nun mal so ist, suchte es nach Möglichkeiten, wieder Herr der Lage zu werden, oder wenigstens nach einem Schuldigen. Außerdem muss man wissen, um diese Christenverfolgung verstehen zu können, dass die Kaiser im 3. Jahrhundert nach Christus nicht wie früher einen gottähnlichen Status hatten, sondern inzwischen schon den eines richtigen Gottes, dem geopfert wurde. Decius verlangte in dieser Situation von allen Bewohnern seines Reiches ein Opfer, nur die Juden waren davon ausgenommen, und bei den genannten Voraussetzungen war es ein Politikum, wenn man das Opfer verweigerte. Christen, wenn sie ihrem Glauben treu blieben, durften aber keinen fremden Göttern opfern, und so wurden sie als Staatsfeinde verfolgt. Was die Religionen angeht, waren die Römer ansonsten eigentlich recht tolerant. Und unter Diokletian (284–405), Kaiser und Begründer der Tetrarchie (was die Tetrarchie ist, das ist, wie Michael Ende sagen würde, eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll), fand die tiefgreifendste und schlimmste Christenverfolgung überhaupt statt. Ganze Familien, Männer, Frauen, Kinder, Alte, Kranke und so weiter wurden gefoltert und hingerichtet. Diokletian hasste alle Christen und das Christentum im wahrsten Sinne des Wortes und schwor, die Welt von diesem Krebsgeschwür zu befreien.

Das christliche Rom (313–475)

»Das Blut der Märtyrer ist der Samen der Kirche«, sagte Tertullian, ein christlicher Apologet der Antike. Nach dreihundert Jahre mit von Ort zu Ort gelegentlich wiederkehrenden Verfolgungen erließ der römische Kaiser Konstantin im Jahre 313 sein berühmtes Mailänder Edikt, durch das das Christentum legalisiert wurde. Nun war es kein Kapitalverbrechen mehr, Christ zu sein, und die Christen konnten zum ersten Mal in die Öffentlichkeit gehen.

Obwohl das Edikt den Christen erlaubte, ihren Glauben frei auszuüben, wurde das Christentum erst 380 n. Chr. zur offiziellen Staatsreligion. Die Christen machten also recht schnell Nägel mit Köpfen: Das Heidentum wurde geächtet, und das einstmals verbotene Christentum wurde zur offiziellen Religion des Römischen Reiches. Die Konsequenzen dieser neuen Allianz zwischen Kirche und Staat waren zahlreich. Die Kirche erhielt finanzielle, materielle und rechtliche Vorteile vom Staat. Gebäude, vor allem die früheren heidnischen Tempel, Ländereien und Besitztümer wie auch Geld wurden den Christen gespendet, geschenkt oder was auch immer. Auf jeden Fall befanden sie sich im Endeffekt im Besitz der Kirche.

Bis heute ähneln viele der römischen Basiliken in Rom und überall in Italien in ihrer Architektur heidnischen Tempeln, weil viele der Kirchen zuvor ja auch heidnische Tempel waren, bevor sie zu christlichen Gotteshäusern umgestaltet wurden. Altäre, auf denen den heidnischen Göttern Roms Tiere geopfert wurden, waren nun zu Altären für das Heilige Messopfer geworden.

Der Fall von Rom und weitere Einfälle der Barbaren (476–570 n. Chr.)

Der bekannteste Eindringling war kein Germane, es war der Hunnenkönig Attila, und er ging im Jahre 452 n. Chr. schnurstracks auf die Stadttore Roms zu. Kaiser Valentian III. bat den hl. Papst Leo den Großen, etwas zu unternehmen, was er auch tat: Er traf sich außerhalb Roms mit Attila, und mit ihm zogen 100 Priester, Mönche und Bischöfe mit lateinischen Chorälen, brennendem Weihrauch, vielen Kreuzen und Kruzifixen und mit Bildern von Jesus und Maria.

Attila wusste, dass jeder andere ihn fürchtete und beim Hören seines Namens erzitterte, und er wusste ebenfalls, dass seine Truppen überlegen waren. Doch als er diesen heiligmäßigen Mann sah und hörte, dass man ihn den Stellvertreter Christi auf Erden nannte und dass sich sogar Engel seiner Herrschaft unterwarfen, fürchtete der Hunnenkönig nicht so sehr die Macht des menschlichen Papstes, sondern die unsichtbare Macht Gottes, und das, obwohl er nicht einmal ein Christ war. Er rechnete sich aus, dass nur jemand, der auf noch mächtigere Waffen und auf noch größere Truppen als er vertrauen würde, es wagen konnte, sich ihm in dieser Art zu nähern. Er fürchtete, dass der Papst keinerlei Angst vor ihm hatte, weil er die himmlischen Streitkräfte der Engel herabrufen könnte, die dann für die Kirche kämpfen würden. Menschen könnten sich schließlich nicht gegen Geister verteidigen. So willigte Attila ein, Rom nicht anzugreifen, und zog sich zurück. Aber so beeindruckt, dass er Tributzahlungen, Gold und Edelsteine als Geschenk für die Verschonung Roms ablehnte, war der gute Attila auch wieder nicht. Gut zwanzig Jahre später war dann aber trotzdem Schluss mit den Kaisern in Rom.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches erkennen die germanischen Könige und Herrscher, dass es extrem schwer sei, das ganze Volk und das ganze Land zu regieren.

Die Bischöfe waren auf die Hilfe der Mönche angewiesen. Während der Invasionen der Barbaren wurden die Städte zerstört, doch die Klöster – außerhalb der Städte – blieben verschont. Die Mönche gingen hinaus und predigten den Eroberern über Jesus und die katholische Kirche, und so bekehrten sich viele Menschen – insbesondere nach einer erfolgreichen Bekehrung eines ihrer Könige oder Stammesherren.

Die Eroberer ließen sich in großen und kleinen Städten nieder und wurden schließlich kultiviert. Sie hörten mit dem Plündern und Brandschatzen auf und gaben ihr Nomadenleben auf, um in stabileren Verhältnissen zu leben. So entstanden die europäischen Nationen Deutschland, Frankreich, England und Spanien. Eigentlich war das Ganze etwas komplizierter, aber über die Entstehung der verschiedenen Nationen Europas könnte man problemlos ein eigenes Buch schreiben. Die Kirche übernahm das römische Regierungssystem, indem sie Pfarreien, Diözesen und Erzdiözesen schuf, und genau diese Struktur half den Völkern, die Kulturen der Franken, Lombarden, Sachsen und so weiter aufzubauen.

Und raten Sie mal, bei wem die Franken, Lombarden, Angelsachsen und so weiter Lesen und Schreiben lernten? Und wenn wir schon dabei sind, raten Sie doch auch, wer das Latein und das Griechische als gesprochene und als Schriftsprache bewahrte – wer bewahrte die philosophischen und juristischen Schriften, die Bücher der Dichtung und der Literatur, der Geometrie und der Grammatik, damit die Kultur wiederaufblühen konnte? Die Mönche. Natürlich mit Ausnahme des Teils, den sie für verwerflich hielten, der ist entweder verschollen oder kam über die Muslime und die vor ihnen nach dem Fall von Byzanz im Jahre 1453 fliehenden Griechen zu uns.

Aber zurück zu den Mönchen: Sie bewahrten nicht nur die griechisch-römische Literatur, das Recht, die Philosophie und die Kunst, sondern auch die Landwirtschaft der Griechen und Römer. Am Pflug waren die Germanen keine großen Meister. Sie wussten nicht viel über die Viehzucht, über den Anbau von Pflanzen, über die Ernte und Ähnliches. Für die Mönche waren diese Tätigkeiten Teil ihres Lebens – es war der labora-Teil des benediktinischen Mottos Ora et labora (Bete und arbeite). Die Mönche zeigten den Völkern, wie man Obst und Getreide anbaut, wie man Brücken, Aquädukte und Kanalisationsanlagen errichtet, wie man Gesetze macht und wie man sie auslegt. Damit machten sie sich natürlich nicht immer Freunde, und gerade im letztgenannten Punkt bissen sie häufig auf Granit. Das römische Recht setzte sich in Deutschland zum Beispiel erst im Spätmittelalter durch. Das ist eine sehr interessante und komplizierte Geschichte, die aber auch leider ein andermal erzählt werden muss.

Von Papst Gregor dem Großen bis zu Karl Martell (590–741)

Der hl. Benedikt von Nursia (480–547) ist als Vater des westlichen Mönchtums bekannt, weil er es war, der das erste Kloster in Italien in Subiaco aufbaute. Er gründete ebenfalls das berühmte Kloster von Monte Cassino. Sein Mönchsorden ist, raten Sie mal, der Benediktinerorden. Dieser Wahlspruch steht im Zentrum des mönchischen Lebens in der Kirche des Abendlandes, zumindest stand er es damals, inzwischen gibt es viele Orden, die teilweise ganz anderen Regeln folgen.

Der hl. Papst Gregor der Große (540–604) entstammte einer römischen Patrizierfamilie, war der Sohn eines Senators und wurde im Jahre 575 Benediktinermönch. Das Volk und die Geistlichkeit Roms waren derart beeindruckt von seiner persönlichen Heiligkeit, seiner Weisheit und seinem Wissen, dass Gregor 590 nach dem Tod des Papstes Pelagius II. durch Akklamation – durch einstimmige Zustimmung – zu dessen Nachfolger gewählt wurde. Bevor Gregor Mönch wurde, war er Präfekt von Rom (572–574); obwohl er damals erst 30 Jahre alt war, hatte er schon ein politisches Leitungsamt inne. Diese Erfahrung kam ihm später als Papst (590–604) zugute, als sich die politische und militärische Führung Roms auflöste und die Stadt verloren gab. Er mobilisierte die Bürger, indem er ein großes Projekt zur Versorgung der zahlreichen Opfer von Seuchen und Hunger startete, weil diese armen Menschen die Stadt Rom, die ja mehr oder weniger keine Zivilregierung mehr hatte, buchstäblich überrannten. Er beteiligte sich ebenfalls aktiv an dieser Armenfürsorge. Gregors Stellung als Papst und als einziges sichtbares Oberhaupt Roms mehrten Macht, Ansehen und Einfluss des Papsttums.

Karl Martell (688–741) besetzt eine weitere Schlüsselstellung in der Geschichte der katholischen Kirche, aber um die näher zu erklären, müssen wir unseren Blick erst einmal nach Osten zu einem anderen Herrn richten. Der im Jahre 570 in Mekka geborene Mohammed wurde mit 40 Jahren (610 n. Chr.) zum Begründer und Propheten des Islam und starb 632 in Medina. 711 besetzten muslimische Truppen Spanien, nachdem sie die Westgoten besiegten, die das Land seit 419 n. Chr. beherrschten. Karl Martell war der uneheliche Sohn Pippins II., man könnte auch sagen, der »natürliche« Sohn, das hört sich etwas freundlicher an, und Großvater von Karl dem Großen. Bei der Schlacht von Tours und Poitiers im Jahre 732 errang er einen entscheidenden Sieg über Abd-er-Rahman und die Mauren (so nannte man die spanischen Muslime in dieser Zeit). Dies war der allerwichtigste Sieg für die ganze Christenheit, weil er darüber entschied, ob der Islam oder das Christentum die vorherrschende Religion in den nächsten Jahrhunderten in Europa sein würde.

Das Mittelalter (800–1500)

Hier werfen wir einen Blick auf die Geschichte der katholischen Kirche, angefangen bei Karl dem Großen bis zum Anbruch der Reformation – also vom 9. bis zum 15. Jahrhundert.

Die Christenheit: Ein großes, mächtiges Königreich

Der Aufstieg des Heiligen Römischen Reiches

Chlodwig, der König der Franken (466–511), wurde zum großen Herrscher, nachdem er die halbautonomen fränkischen Stämme zu einer gewaltigen Streitmacht vereinte. Er besiegte den letzten römischen General Syagrius im Jahre 486. 493 heiratete er die burgundische Prinzessin Chlothilde und vereinte somit Franken und Burgunder. Zusammen mit all seinen Soldaten konvertierte er am Weihnachtstag 496 zum katholischen Glauben, denn seine Frau Chlothilde war eine fromme Christin. Ganz nebenbei hatte er auch den Christengott um den Sieg in einer Schlacht angefleht, und dieser Sieg wurde ihm auch zuteil. So romantisch veranlagt, dass er aus Liebe zu seiner Frau zum Christen wurde, war der gute Chlodwig auch nicht, genau genommen war er sogar ein recht ruppiger Bursche

Chlodwig begründete die erste erfolgreiche Dynastie (die man als Merowinger bezeichnet), die aus der Asche des Römischen Reiches hervorging. Diese Dynastie besetzte das Gebiet, das von den Römern Gallien genannt wurde, und das im Großen und Ganzen das heutige Frankreich, Belgien und Luxemburg umfasst. Er erkannte den Vorteil, wenn ein Land einen einzigen Herrscher besaß und eine einzige Religion hatte, sodass nicht nur er das Christentum annahm, sondern das Gleiche ebenfalls von all seinen Soldaten und Untergebenen verlangte, die bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Heiden waren.

Chlodwigs Kinder und Enkelkinder waren keine so starken Monarchen wie er, sodass sich sein vereintes Königreich schließlich aufzulösen begann. Die Merowinger wurden durch eine neue Dynastie ersetzt: durch die Karolinger. Dies geschah 751, als Pippin der Kurze (714–768) den letzten merowingischen König, Childerich III., absetzte und ins Kloster schickte. Pippins Vater war Karl Martell, der die Schlacht von Poitiers im Jahre 732 gewann.

Mit Regierungsantritt Pippins des Kurzen und dem Geschlecht der Karolinger war die Bühne für den Auftritt seines Sohnes, Karls des Großen, bereitet. Karl (742–814) war sein Taufname, doch die Geschichte kennt ihn nur als Karl den Großen (Carolus Magnus auf Lateinisch und Charlemagne auf Französisch).

Papst Leo III. verlieh Karl dem Großen den gleichen Titel, den schon Karls Großvater innehatte: Patricius Romanorum. Diese Bezeichnung bedeutete, dass er eine besondere Verpflichtung hatte, die Bevölkerung und das Gebiet Roms zu schützen. Am Weihnachtstag des Jahres 800 krönte Papst Leo Karl den Großen zum Kaiser des Römischen Reiches. Papst Leos Absicht war es, dass ein einziger Herrscher, der Kaiser des Römischen Reiches, weltlicher Herrscher über die bis dahin bekannte Welt sein sollte. Doch mit der Krönung durch den Papst in Rom erlangte die Kirche eine Art Überlegenheit: Den Kaiser, den sie gekrönt hatte, konnte sie auch wieder absetzen. Zumindest war die Kirche dieser Meinung, die Kaiser und Könige sahen das selbstverständlich nicht so. Dieser Konflikt zog sich durch das ganze Mittelalter, die Päpste exkommunizierten Kaiser, die Kaiser ernannten Gegenpäpste. Beigelegt wurde der Streit schließlich relativ unspektakulär. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nannten sich die gewählten Könige gewählte Kaiser, ob sie nun vom Papst gekrönt wurden oder auch nicht. Das Ganze hatte natürlich noch einen etwas dramatischeren Vorlauf, mit fast geköpften Botschaftern des Papstes, geschändeten Kaiserleichen, einem Sohn, der sich gegen seinen kaiserlichen Vater auflehnt, einer »Goldenen Bulle«, aber auch das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.

Das Schisma zwischen Osten und Westen

Das Oströmische Reich, das auch als das Byzantinische Reich oder als Byzanz bezeichnet wird, nahm es nicht gerade freundlich auf, dass es nun einen Kaiser und ein zweites Römisches Reich gab, denn es wurde deutlich, dass der Papst die Karolinger zu den alleinregierenden Herrschern des gesamten ehemaligen Römischen Reiches machen wollte – zum Herrscher über den Westen und den Osten. Dies würde sowohl den Kaiser von Byzanz als auch den Patriarchen, der mit ihm stets eng verbunden war, nahezu überflüssig machen. Zumindest theoretisch, erst einmal fürchtete der Byzantiner um seine Besitzungen in Italien. Seit der Teilung des alten Römischen Reiches im Jahre 286 n. Chr. und der Errichtung der Kaiserstadt Konstantinopel durch Kaiser Konstantin (306–337 n. Chr.) hielt sich der östliche Teil des Römischen Reiches trotz der Invasionen der Barbaren im Westen. Nach dem Fall Roms im Jahre 476 n. Chr. blieb vom Reich allein Byzanz noch übrig. Die Krönung des Frankenkönigs Karls des Großen durch den Papst in Rom zum Kaiser des Römischen Reiches wurde aus byzantinischer Sicht wie ein Schlag ins Gesicht des Ostkaisers und des Ostreiches selbst empfunden. Von diesem Zeitpunkt an verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Osten und Westen zusehends, bis es 1054 zu einer formalen Trennung anlässlich des Schismas kam. Die Ostkirche wurde zur griechisch-orthodoxen Kirche und löste sämtliche Bindungen, die sie einst mit Rom und der römisch-katholischen Kirche verband – angefangen vom Papst bis zum Römischen Kaiser. Im Laufe der Jahrhunderte entfernten und isolierten sich die Ost- und die Westkirche aus folgenden Gründen immer mehr voneinander:

Geografie: Der Westen umspannte Westeuropa und die nördlichen und westlichen Gebiete des Mittelmeers, während der Osten Kleinasien, den Mittleren Osten und Nordafrika einnahm.

Unkenntnis: Die byzantinische Kirche konnte immer weniger Latein und wusste auch immer weniger von der lateinischen Überlieferung, wie es auch umgekehrt der Fall war. So konnten die meisten Patriarchen Konstantinopels gar kein Latein mehr lesen, und die meisten Päpste in Rom konnten kein Griechisch mehr. Die Byzantiner im Osten benutzten in ihrer Göttlichen Liturgie gesäuertes Brot, um damit den auferstandenen Jesus zu symbolisieren, während die Lateiner im Westen ungesäuertes Brot verwendeten, wie es auch Jesus beim Letzten Abendmahl tat.

Verschiedene Theologien: Sie sind zwar beide gültig, doch jede hat ihre eigene Sichtweise. Die westliche (lateinische) Theologie war eher praktisch ausgerichtet und legte ihren Schwerpunkt mehr auf die Menschheit Jesu, wenn sie ihn in der Kunst darstellte, obwohl sie vollauf auch an die Göttlichkeit Christi glaubte. Die östliche (byzantinische) Theologie war eher theoretisch ausgerichtet und konzentrierte sich auf Jesu Göttlichkeit – die viel geheimnisvoller war –, obwohl sie vollauf auch an die Menschheit Christi glaubte.

Persönlichkeiten und Politik: Michael Cerularius, der Patriarch von Konstantinopel, und der Papst Leo IX. waren keine Freunde, und jeder misstraute dem anderen. Cerularius überschritt die Grenzen, als er in einem Brief schrieb, dass der lateinische Gebrauch von ungesäuertem Brot jüdisch, aber nicht christlich sei. Er leugnete die Gültigkeit der Heiligen Eucharistie in der Westkirche. Leo konterte, indem er sagte, dass die Patriarchen schon immer die Marionetten der byzantinischen Kaiser gewesen seien.

Zum Schluss exkommunizierten sich Papst Leo und Patriarch Michael gegenseitig und ihre jeweiligen Kirchen. Doch nach mehr als 900 Jahren hoben 1965 Papst Paul VI. und Patriarch Athenogoras I. von Konstantinopel die gegenseitigen Exkommunikationen wieder auf.

Die Kreuzzüge

Anfangs war der Zweck der Kreuzzüge durchaus ehrenhaft. Sie waren die Antwort auf den Hilferuf des byzantinischen Reiches, das waren damals zwar keine richtigen Katholiken mehr, aber immerhin waren es Christen.

Im Jahre 1095 sandte der byzantinische Kaiser Alexios Komnenos Botschafter zu Papst Urban II. nach Rom und bat um Hilfe bei der Verteidigung der Christenheit gegen einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Die Sarazenen (arabische Muslime zur Zeit der Kreuzzüge) hatten das Heilige Land erobert, und die Christen konnten sich nicht mehr frei bewegen und ihre heiligen Wallfahrtsstätten besuchen; außerdem sahen die Byzantiner ihrerseits die Gefahr, dass weitere Gebiete erobert werden könnten. Bevor man sich versah, war schon ein Kreuzzug zur Befreiung ins Heilige Land unterwegs. Das kam natürlich nicht so von jetzt auf gleich, aber mit dieser Bereitschaft zum Kreuzzug, die solche Massen mobilisieren konnte, hatte wohl niemand gerechnet, auch in der Kirche nicht.

Der Papst betrachtete die Kreuzzüge auch als Möglichkeit, die internen Kämpfe und Kriege zwischen den christlichen Monarchen um Macht und Territorien aufzulösen und zu zerstreuen. (Zu dieser Zeit existierten ja noch keine eindeutig festgelegten Nationalstaaten.) Er wollte sie unter einem Banner, dem der Christenheit, zielgerichtet vereinen, um das Heilige Land für die Wallfahrer zu befreien. Dass sich mit der Ausdehnung natürlich auch die Macht von Kirche und Papst ausdehnte, trieb Urban gewiss nicht die Tränen in die Augen. Das christliche Heer sollte gegen einen gemeinsamen Feind, den Islam, kämpfen.

Insgesamt gab es acht Kreuzzüge:

Der Erste Kreuzzug (10951101): Der Erste Kreuzzug war ein großer Erfolg, zumindest militärisch. Die Christen schafften es, im Jahre 1099 Jerusalem zu erobern. Aber schon hier wurde deutlich, dass die Kreuzzüge mit Nächstenliebe, so wie wir sie heute verstehen, nicht viel zu schaffen hatten. Kurz und knapp: Die Kreuzritter verhielten sich im gelobten Land wie die Axt im Walde. Außerdem fühlten sich die Heerführer der Kreuzritter nicht an die Eide, die sie dem byzantinischen Kaiser gegeben hatten, gebunden, und errichteten ihre eigenen, unabhängigen Königreiche und Fürstentümer. Es wurde also schnell klar, dass viele der Protagonisten nicht das Christentum, sondern die Suche nach Macht und Besitz ins Heilige Land trieb. Bemerkenswert ist hier auch noch, dass während dieses Kreuzzuges die berühmten Tempelritter gegründet wurden

Der Zweite Kreuzzug (11451147): Kaiser Konrad III. und Ludwig VII. von Frankreich führten den Zweiten Kreuzzug nach der sarazenischen Eroberung von Edessa im Jahre 1144 an. Dieser Kreuzzug wurde in Europa durch die Kreuzzugspredigten des hl. Bernhard von Clairvaux (1090–1153) gefördert.

Der Dritte Kreuzzug (11881192): Kaiser Friedrich I, besser bekannt als Barbarossa, Philipp II. von Frankreich und Richard I. von England (alias Richard Löwenherz) führten den Dritten Kreuzzug nach der Einnahme Jerusalems 1187 durch Saladin. Friedrich Barbarossa starb dabei im Fluss Saleph, und das ganze Unternehmen war ein ziemliches Fiasko. Bei der Rückkehr nach England wurde König Richard von Leopold V. von Österreich gefangen gesetzt und Kaiser Heinrich VI. übergeben, der für ihn ein ordentliches Lösegeld forderte. Das hört sich gemein an, aber hier rächte sich, dass Richard Heinrich auf der Hinreise bei einer Landung in Sizilien ernsthafte Probleme beschert hatte. Insgesamt stellte sich Richard bei seiner Heimreise dermaßen ungeschickt an, dass ein Zeitgenosse bemerkte, dass er zwar das Herz eines Löwen, aber das Hirn eines Spatzen habe. Dadurch wurde England von Richards Bruder John bis zu seiner Freilassung im Jahre 1194 regiert. Das ist der Schurke aus den Robin-Hood-Filmen.

Der Vierte Kreuzzug (1204): In der umstrittenen Geschichte der Kreuzzüge ist dieser Kreuzzug ein besonders unrühmliches Kapitel. In Byzanz ging es zu dieser Zeit drunter und drüber. Dazu muss man wissen, dass Palastrevolten dort fast schon so etwas wie eine gewisse Tradition hatten. So weit so gut, auf jeden Fall hatte sich Byzanz mit Venedig überworfen, und Venedig hatte den Auftrag, die Kreuzritter nach Ägypten zu fahren. Nun konnten die Kreuzritter die Passage nicht bezahlen, und die Venezianer boten ihnen nicht ganz uneigennützig an, dass sie sich die Überfahrt ja verdienen könnten. Die Kreuzfahrer sollten die unbotmäßige Stadt Zara erobern, was sie auch taten, und da sie schon einmal in der Ecke waren und noch eine Rechnung mit Byzanz offenstand, wurde die Stadt gleich auch noch erobert, geplündert und das lateinische Kaisertum dort begründet, das aber nicht besonders lange Bestand hatte. In Ägypten kam der Kreuzzug übrigens nie an.

Der Fünfte Kreuzzug (1217): Herzog Leopold VI. von Österreich und Andreas II. von Ungarn leiteten den Fünften Kreuzzug und eroberten dabei Damiette im Nil-Delta. Interne Streitigkeiten zwischen den französischen und italienischen Truppen und den Tempelrittern verhinderten jedoch einen Sieg, und 1221 wurde die Stadt von den Sarazenen zurückerobert.

Der Sechste Kreuzzug (12281229): Am Sechsten Kreuzzug nahm Kaiser Friedrich II. teil, Theobald IV. von Champagne und Richard von Cornwall schlossen sich 1229 an. Der Papst exkommunizierte Friedrich wegen seines Zögerns, in den Kreuzzug einzutreten. Seine Verspätung ist darauf zurückzuführen, dass er keine große Armee unter seinem Befehl hatte. Deshalb entschloss er sich, lieber mit dem Sultan zu verhandeln, als gegen ihn zu kämpfen. So erlangte er auf diplomatischem Wege einen zehnjährigen Waffenstillstand und die christliche Kontrolle über Jerusalem, Bethlehem und Nazareth.

Der Siebente Kreuzzug (12491252): Der hl. Ludwig IX. von Frankreich führte den Siebenten Kreuzzug, nachdem Jerusalem vom Sultan von Ägypten annektiert worden war. Ludwig wurde gefangen, gegen Lösegeld festgehalten und schließlich freigelassen.

Der Achte Kreuzzug (1270): Der hl. Ludwig von Frankreich führte die Truppen erneut an und starb in Tunis an einer Krankheit und nicht im Kampf. Dieser letzte Kreuzzug läutete mit seiner Niederlage das Ende der Kreuzzüge ein. Zu dieser Zeit brachten kleinere Kämpfe, nationale Rivalitäten, politische Intrigen und sonstige Schwierigkeiten in der Heimat die christlichen Herrscher dazu, die Kreuzzüge ins Heilige Land einzustellen. Es gab noch weitere sogenannte Kreuzzüge, in Spanien und den Ostgebieten, aber die lassen sich nicht so ohne Weiteres mit den hier angeführten vergleichen. Wirklich wichtig ist hier, dass als Ergebnis eines dieser Kreuzzüge Ostpreußen an den Deutschen Ritterorden und im Endeffekt einige Jahrhunderte später an Preußen fiel, dass dieser Umstand es dem Markgrafen von Brandenburg ermöglichte, sich außerhalb des Reiches zum König zu krönen und, und, und. Aber Sie ahnen es wohl schon, das ist eine andere Geschichte, die auch ein anderes Mal erzählt werden soll.

Der berüchtigte Kinderkreuzzug ereignete sich im Jahre 1212. Tausende von Kindern wollten auf eigene Faust das Heilige Land befreien, doch sie wurden von rücksichtslosen Männern ausgenutzt, die sie Mauren (Muslime, die in Spanien wohnten) als Sklaven verkauften. Viele der Kinder starben auf dem Weg an Hunger und Erschöpfung.

Das Goldene Zeitalter

Das Mittelalter war die Blütezeit der katholischen Kirche – insbesondere unter Papst Innozenz III. Die Kirche war an ihrem Höhepunkt angekommen, sowohl in spiritueller als auch in politischer Hinsicht. Und in der Tat: Niemals mehr würden diese beiden Sphären in der Kirche wieder so fest vereint werden.

Mönche in Bewegung

Zu dieser Zeit bildeten sich zwei neue Orden heraus – die Dominikaner und die Franziskaner. Sie wurden als Bettelorden bezeichnet, weil sie überhaupt kein Eigentum besaßen und daher auf Almosen angewiesen waren. Sie lebten nicht in Klausur (das heißt in geschlossenen Klöstern) wie die Benediktiner oder die Trappisten. Sondern sie wurden zu Wanderpredigern, gingen von Stadt zu Stadt und predigten das Evangelium. Anstatt dass die Leute zur religiösen Unterweisung ins Kloster gingen, kam das Kloster nun zu ihnen in die Stadt. Diese beiden Orden hatten sehr viel Erfolg. Einige Anmerkungen zu ihren Gründern:

Der hl. Dominikus, der Gründer der Dominikaner, wurde 1170 in Spanien geboren. Er war ein begnadeter Prediger. Einige eifrige Priester schlossen sich ihm an, und sie entschieden sich zu einem Leben in der Gemeinschaft. Diese kleine Gruppe stand am Anfang eines Ordens, dessen Hauptziel die Verkündigung des Evangeliums war. Dieser Orden wurde auch als Predigerorden bezeichnet (OP von lateinisch Ordo Praedicatorum). Bei ihrem Gang durch die Städte gelang es ihnen, das Unwissen in religiösen Dingen, die zu Häresie führen (falsche Lehren hinsichtlich des Glaubens und der Moral), zu bekämpfen. Was heißt das konkret? Die Dominikaner spielten eine herausragende Rolle in den Inquisitionsverfahren gegen die Katharer, die Waldenser und anderen »Ketzer«. Der hl. Dominikus gründete auch einen weiblichen Zweig, den Orden der Dominikanerinnen.

Der hl. Franz von Assisi, der Gründer der Franziskaner, wurde 1182 in Italien geboren. Der hl. Franziskus sagte, dass er einen Ruf vom Herrn erhalten habe, seine Kirche wiederaufzubauen. Und dies tat er mit der Errichtung des Ordens der Minderbrüder (OFM für lateinisch ordo fratrum minorum), bekannter unter dem Namen der Franziskaner. Der hl. Klara half Franziskus, das weibliche Gegenstück zu den Franziskanern aufzubauen, den Orden der Armen Klarissen. Wie die Dominikaner wanderten auch die Franziskaner von Ort zu Ort, predigten, lehrten den Glauben und feierten die Sakramente. Später gründete der Orden Universitäten und ging auch in die Neue Welt, um dort das Evangelium zu verkünden.

In Kapitel 21 erhalten Sie weitere Informationen über den hl. Dominikus und den hl. Franziskus.

Gotische Architektur, prachtvolle Kunst und großartige Literatur

Zu dieser Zeit wurden die imposanten Kathedralen erbaut. Sie wurden im neuen Stil der Gotik errichtet, der den Bau hoher Gewölbe und riesiger bunter Kirchenfenster erlaubte.

Bücher waren zu dieser Zeit noch rar, weil der Buchdruck noch nicht erfunden war. Manuskripte wurden per Hand kopiert und waren sehr teuer, sodass die ItOll meisten Menschen zu dieser Zeit noch nicht lesen und schreiben konnten. Bunte Kirchenfenster wurden zu einer Bilderbibel für die Armen.

Jede bedeutende Stadt wollte eine noch größere Kathedrale als die anderen Städte. Der Bau dieser Gebäude zog sich oft über Jahrhunderte hin und beschäftigte die Leute mit Arbeit, wenn nicht gerade ein Krieg oder ein Aufruhr im Gange war. Diese fantastischen Zeugnisse der Wahrheit lassen sich heutzutage noch immer in Deutschland (zum Beispiel der Kölner Dom) oder in Frankreich (beispielsweise Notre Dame in Paris) bewundern.

Diese Epoche ist ebenfalls charakteristisch für den Aufstieg der Städte, der Gilden für Kaufleute und der Zünfte für Handwerker. (Die Gilden und Zünfte sponserten übrigens oftmals eine Kapelle, ein Fenster oder einen Seitenaltar in einer Kathedrale.) Und es war die Blütezeit großer Künstler. Giotto di Bondone (1266–1321) malte zentralperspektivische Gemälde und zeichnete realistische und lebensnahe Alltags- und Naturszenen.

Auch die Literatur erlebte eine Hochzeit: Dante Alighieri aus Florenz (1265–1321) verfasste Die Göttliche Komödie, die Geschichte einer imaginären Reise durch Hölle, Fegfeuer und Himmel. Allerdings führte der Umstand, dass Papst Bonifaz VIII. in der Hölle prominent vertreten war, dazu, dass dieses Meisterwerk in der Kirche zunächst auf wenig Gegenliebe stieß. In England schrieb Geoffrey Chaucer (1343–1400) die Canterbury Tales, bei denen sich Pilgerreisende auf dem Weg zu ihrem Wallfahrtsort Geschichten erzählen.

Intellektuelles Streben

Im Mittelalter entstanden die ersten Universitäten. Zunächst waren sie den Kathedralen angegliedert und sollten der Ausbildung des Klerus dienen. Nach und nach wurden an ihnen auch säkulare Wissenschaften gelehrt. In Bologna bildete sich die Jura-Fakultät heraus, in Paris die Fakultäten für Philosophie, Rhetorik und Theologie, und Salerno hatte einen Fachbereich für Medizin. Zu dieser Zeit entstanden auch die Universitäten von Oxford, Cambridge, St. Andrews, Glasgow, Prag und Dublin.

Mit den bedeutenden Fakultäten kamen auch die großen Lehrer wie Petrus Lombardus, der hl. Albert der Große, Hugo von St. Viktor und Johannes Duns Scotus – um nur einige Namen zu nennen. Die beiden angesehensten und einflussreichsten Intellektuellen und Gelehrten waren der hl. Thomas von Aquin und der hl. Bonaventura. Der Erstgenannte war Mitglied des Dominikanerordens (des Predigerordens), der zweite war Franziskaner (vom Orden der Minderbrüder).

Der hl. Thomas von Aquin

Der hl. Thomas von Aquin (1225–1274) war der Sohn eines wohlhabenden Grafen und einer Gräfin. Seine Brüder waren von kräftiger Statur und sahen gut aus, was sie zu begehrten Junggesellen machte, um in den Adel einzuheiraten und das Leben eines Adligen zu führen.

Thomas war kein Arnold Schwarzenegger, doch mit Einstein, Newton oder Stephen Hawking hätte er es intellektuell leicht aufnehmen können. Sein Vater glaubte, dass wenn Junior schon kein Soldat oder Ritter sein oder durch eine Heirat zu größerem Wohlstand und Ansehen kommen konnte, er doch wenigstens die Leiter der kirchlichen Hierarchie erklimmen könnte. Thomas wollte studieren, lehren und den katholischen Glauben predigen, doch hatte er überhaupt keinen Ehrgeiz zu einem Aufstieg in der Hierarchie. In Kapitel 21 erhalten Sie weitere Informationen zum hl. Thomas.

Bevor der hl. Thomas von Aquin in Erscheinung trat, war der hl. Augustinus (354–430) der größte Theologe, der sich bei seiner philosophischen Argumentation stark auf Platon stützte. Doch Thomas entschied sich für die wiederentdeckten Schriften des Aristoteles, der leicht von Platon abwich:

Platon betrachtete den Menschen als eine im Körper gefangene Seele. Deshalb vertraute er nicht völlig auf die Wahrnehmung der fünf Sinne. (Er verwendete das Beispiel einer optischen Täuschung, um zu zeigen, wie das Auge irregeführt werden kann.)

Aristoteles dagegen sah den Menschen als eine unerlässliche Verbindung von Leib und Seele. Deshalb waren die Sinne als Quelle der Erkenntnis äußerst wichtig in seiner Philosophie. Für ihn waren es nicht die Sinne, die täuschten, sondern das Urteil des Menschen darüber, was die Sinne ihm mitteilten.

Durch Aristoteles’ postulierte gegenseitige Abhängigkeit von Leib und Seele, der materiellen und spirituellen Welt, erkannte Thomas den tieferen Sinn der sieben Sakramente, weil jedes einzelne von ihnen ja eine äußerliche Komponente hat, die auf einen oder auf mehrere der fünf Sinne gerichtet ist. Das fühlbare äußere Zeichen wie Wasser, Öl, Brot und Wein und so weiter symbolisiert die unsichtbare göttliche Gnade. Thomas setzte diese Methodologie bei seinen herausragenden Werken, der Summa Contra Gentiles und der Summa Theologica ein, in denen er die Lehren des katholischen Glaubens erläutert.

Die Abwärtsspirale

Wenn das 13. Jahrhundert ein goldenes Zeitalter für die Kirche war, so waren das 14. und das 15. Jahrhundert keine strahlenden Epochen mehr.

Das unbeständige und gefahrvolle Klima in Rom

Während Papst Innozenz III. (1198–1216) den Höhepunkt päpstlicher Macht und päpstlichen Einflusses verkörperte, so personifizierte Papst Bonifaz VIII (1294–1303) eines der schwierigsten, geheimnisvollsten und bisweilen widersprüchlichsten Pontifikate der Kirche.

König Philipp IV. von Frankreich und Bonifaz wurden schon früh zu erbitterten Feinden. Ihr Verhältnis zueinander verschlimmerte sich immer weiter, und Philipp sandte im Jahre 1303 Söldner zum Papst, um Bonifaz gefangen zu nehmen und ihn zur Aufgabe zu zwingen. In Anagni wurde der Papst misshandelt, das Geschehen ging als »Bluttat von Anagni« in die Geschichte ein, doch er weigerte sich abzudanken. Genau genommen wurde der Papst nicht von den Franzosen misshandelt, sondern von stadtrömischen Adligen, die mit den Franzosen nach Anagni gekommen waren und den Papst nicht besonders schätzten. Mit der Hilfe der Bürger von Anagni gelang es Bonifaz, seine Angreifer aus der Stadt zu vertreiben. Er wollte Philipp exkommunizieren, doch er starb vor der Durchführung dieser Strafe infolge der Misshandlungen.

Nach seinem Tode wurde Papst Benedikt XI. zum Papst gewählt, doch er erwies sich als zu schwach und zu konfliktscheu, um sich mit Philipp zu streiten. Seine neunmonatige Regierungszeit spaltete das Kardinalskollegium in zwei gleich große Lager. Die einen hassten die Franzosen für das, was Philipp Bonifaz angetan hatte, die anderen sympathisierten mit ihnen und wollten sich wieder versöhnen und weiterkommen. (Weitere Informationen zum Kardinalskollegium finden Sie in Kapitel 6.) Das Problem war ganz einfach, dass Bonifaz den weltlichen Machtanspruch der Kirche besonders betonte, dabei aber die Zeichen der Zeit verkannte. Er hatte schlicht und einfach zu hoch gepokert.

Papst Clemens V. (1305–1314) folgte auf Benedikt. Die Papsterhebung fand in Lyon statt; Clemens betrat niemals römischen Boden. Nach vier Jahren seines Pontifikats zog Clemens in seinen französischen Palast in Avignon um, angeblich um dem gefährlichen Mob in Rom zu entkommen, denn er war Franzose und daher leicht beeinflussbar von König Philipp von Frankreich, der ihm seinen Schutz anbot.

Nachdem Papst Clemens in Avignon angekommen war, residierten die Päpste in dieser Stadt 70 Jahre lang – genauso lange, wie die Juden in Babylon gefangen gehalten wurden; daher der Begriff der Babylonischen Gefangenschaft der Päpste.

Philipp sicherte sein Prestige, indem er Clemens unter Druck setzte, mehr französische als italienische Kardinäle zu ernennen. Auf diese Weise würde nach dem Tod des Papstes die Mehrheit der Kardinäle (zwei Drittel) einen weiteren Franzosen wählen, und das würde dann immer so weitergehen.

Siebzig Jahre verstrichen, und es gab bis dahin sieben Päpste in Avignon, während die Menschen in Rom es ohne residierenden Bischof aushalten mussten oder durften, je nachdem, wie sie zum Papst standen. Die hl. Katharina von Siena (1347–1380) sagte sich: »Nun reicht es!« Sie machte sich auf nach Frankreich, und bei einer Audienz mit Papst Gregor XI. (1370–1378) bat sie ihn inständig, nach Rom zurückzukehren, wohin der Papst als Bischof von Rom schließlich hingehöre. Er erhörte ihr Flehen und verlegte das Papsttum wieder zurück in die Ewige Stadt.

Zwei Päpste zur gleichen Zeit bedeuten doppelten Ärger

Papst Gregor XI. starb im Jahre 1378, und das Konklave (siehe Kapitel 6), das sich zur Wahl seines Nachfolgers versammelte, wollte wieder einen Franzosen wählen, sodass dieser dann nach Frankreich umziehen könnte. Doch das Kirchenvolk in Rom hatte andere Vorstellungen. Es war dermaßen aufgeregt über die Möglichkeit eines französischen Papstes, dass es das Konklave in Rom stürmte und den Kardinälen – von denen ja viele Franzosen waren – zurief: »Gebt uns einen Römer zum Papst, oder zumindest einen Italiener!« Das Konklave wählte rasch den ältesten und kraftlosesten italienischen Kardinal – den sechzigjährigen Urban VI. Damit beabsichtigte man, denjenigen auszusuchen, der wahrscheinlich nicht mehr so lange zu leben hatte (einen Mann, der mit einem Fuß bereits im Grabe stand, um es einmal so auszudrücken), und nach Frankreich zurückzukehren. Und dort hätte man dann nach dem Tode des Papstes ein neues Konklave abhalten können, aber diesmal in Frankreich. Doch gleich nach seiner Wahl zum Papst lebte Urban VI. regelrecht wieder auf und zeigte seine wahre Natur. Seine Gesundheit verbesserte sich nach und nach, und er setzte die notwendigen Reformen in Gang, um dem Machtmissbrauch und der Korruption in der Hierarchie Einhalt zu gebieten.

Sie können sich sicher vorstellen, wie sich die Franzosen fühlten, als deutlich wurde, dass der Papst nicht nach Frankreich zurückkehren würde und dass er die Kirche reformieren wollte. Die französischen Kardinäle fuhren nun nicht mehr zurück in ihr Heimatland, sondern flohen nach Fondi im Königreich Neapel, wo sie ihren nächsten Schritt planten. Es wurde ihnen klar, dass Urban wohl noch eine Weile den Stuhl Petri besetzt halten undGegenpapst