eBook Insel Verlag Berlin 2015
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4363.
© Insel Verlag Berlin 2015
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Umschlaggestaltung und Layout : Marion Blomeyer, München
Illustrationen : Ryo Takemasa, Tokio
Karten : Peter Palm, Berlin
ebook-Konvertierung : Greiner & Reichel, Köln
eISBN 978-3-458-74122-0
www.insel-verlag.de
INHALTSVERZEICHNIS
Zu diesem Buch
GOTISCHES VIERTEL, RAVAL, BARCELONETA
El Born
L’Aquàrium
Estació de França
Escalivada und Botifarra
El Call
Els 4 Gats
Rambla del Raval
Plaça dels Àngels
Parc de la Barceloneta
Barcelona zu Rad
Zoologischer Garten
El Peix (Der Fisch)
Bestial/Agua
Plaça de Sant Felip Neri
Die Caganers
Kreuzgang der Kathedrale
Dachterrasse Hotel 1898
Hafenseilbahn
Sant Pau del Camp
Carrer Petritxol
Casa Gispert
Bliss
Escollera del Poblenou
Txacolin & Co.:
Esplanade beim Hotel W
Fifteen Raval
La Central
Carballeira
Umbracle
ENSANCHE
Carrer Enric Granados
Sant Jordi – Bücher und Rosen
Estació del Nord
Büchermarkt Sant Antoni
Bitte setzen Sie sich!
SANTS-MONTJUÏC
Parc de l’Espanya industrial
Botanischer Garten (JBB)
Las Arenas
Plaça d’Europa
Carrer Blai
LES CORTS, SARRIÀ-SANT GERVASI
Carretera de les Aigües
Mercat de Galvany
Torre de Collserola
Bus del Barri
Major de Sarriá
GRÀCIA
Gràciawärts
Die Castellers
Mi Gràcia
Festa Major de Gràcia
Disco 100
Der Correfoc
Plaça Rovira i Trias/La Panxa del Bisbe
Estel de Gràcia
Karneval
Passeig de Sant Joan
HORTA-GUINARDÓ
El Carmel
Mühlberg
NOU BARRIS
Parc Central de Nou Barris
SANT ANDREU
Sant Andreu
Der vierbeinige Liebling
SANT MARTÍ
Rambla del Poblenou
Friedhof Poblenou (Ostfriedhof)
El Clot
Forumsgelände
Els Encants
AUSFLÜGE
Exkursion 1: Am Stadtrand
Exkursion 2: Sant Cugat
Exkursion 3: Sitges
AUSKLANG
Eduardo Mendoza, der Chronist von Barcelona
Zu diesem Buch
Zweifellos, Barcelona está de moda – Barcelona ist in. Es gibt keine Jahreszeit mehr ohne Touristen, es gibt höchstens Monate (wenige) mit etwas weniger und solche (die meisten) mit überbordend vielen Touristen. Man braucht nicht auf die Kanaren zu fliegen, um am Weihnachtstag oder an Silvester im Freien zu Mittag zu essen. Normalerweise ist das durchaus auch in Barcelona möglich, und zwar in Hemdsärmeln, und seit der Mensch das Wetter verrückt spielen lässt, erst recht. Von März bis Oktober stolpern Touristen im Zentrum der katalanischen Hauptstadt nicht über Barcelonesen, sondern über ihresgleichen, Franzosen über Holländer, Deutsche über Russen, Engländer über Italiener. Die Ramblas, der Park Güell, die Sagrada Familia, das Gotische Viertel, der Olympische Hafen, der Mercat de la Boquería – alles fest in der Hand von Menschen, die sich »Die Stadt der Wunder«→ zu eigen machen wollen.
Sie, die Sie dieses Buch in der Hand halten, gehören höchstwahrscheinlich auch dazu oder schicken sich gerade an dazuzugehören. Die Zahl der Reiseführer, die Ihnen sagen, welche Wunder der Stadt Sie unbedingt gesehen haben müssen, ist Legion. Wir möchten Ihnen hier einige Alternativen aufzeigen, Orte, an denen Sie nicht über Ihre Landsleute, sondern bestenfalls über Spanier beziehungsweise Katalanen stolpern. Wir empfehlen Ihnen also nicht den üblichen Spaziergang ramblasabwärts zum Meer, denn die Ramblas haben Sie ja bereits am ersten Nachmittag abgeschritten; stattdessen möchten wir Ihnen einen Spaziergang durchs Viertel Sant Andreu schmackhaft machen, damit Sie sehen, wie Barcelona auch noch aussehen kann. Wir schicken Sie nicht auf den Mercat de la Boquería, wo Sie längst die Butt-Auslage fotografiert haben, falls man Ihnen das überhaupt noch erlaubt hat, sondern in den Mercat de Galvany im oberen Teil der Stadt. Und da Sie auch den Parc de la Ciutadella schon durchkreuzt und durchquert haben, machen wir Sie dort nur auf ein stilles Örtchen aufmerksam – nein, natürlich nicht auf die Toilette, sondern auf das schattig-beschauliche Gewächshaus. Und dann sollen Sie sich als Alternative den Parc Central Nou Barris ansehen. Darüber hinaus empfehlen wir Ihnen einige gute, aber preiswerte Restaurants, wo Sie ebenfalls die Chance haben, etwas anderes als Paella vorgesetzt zu bekommen und erst noch unter Einheimischen zu sitzen. Ganz zu diesen zu gehören, also völlig fern von der Touristenfront die Stadt zu erobern, das können wir Ihnen nicht garantieren. Aber ein wenig abseits des breiten Stroms schwimmen können Sie mit diesem Bändchen schon. Und der Touristenbus mit seinen verschiedenen Routen ist eine feine Sache – doch auch mit der Straßenbahn lässt sich zwischendurch die Stadt erkunden.
Noch ein paar Hinweise: Die Texte sind nach den zehn amtlichen Distrikten geordnet, in die sich die Stadt Barcelona aufteilt, ohne dass wir sie jeweils im Einzelnen voneinander abgrenzen; am Schluss folgen drei Ausflüge in die Umgebung. Und: Wir halten uns hier an die katalanische Schreibweise der Straßen- und Ortsbezeichnungen, da es die sind, die auch Sie antreffen, wenn Sie in Barcelona unterwegs sind. Das am häufigsten erscheinende Wort ist carrer (sprich karr’e), was schlicht und einfach Straße bedeutet. Drittens schließlich: Natürlich wünschen wir uns, dass alles noch genau so ist wie auf den folgenden Seiten beschrieben, wenn Sie diese lesen, aber wie jede Großstadt verändert sich auch Barcelona ständig und besonders in wirtschaftlich heiklen Zeiten oft in Windeseile.
Gotisches Viertel,
Raval, Barceloneta
METRO L4 BIS JAUME I ODER BARCELONETA
El Born
PLAÇA COMERCIAL 12
ELBORNCENTRECULTURAL.BCN.CAT/ES/PORTADA
Eine der großen Attraktionen Barcelonas ist seine Janusköpfigkeit: Vormittags lässt man sich irgendwo auf den rund vier Kilometern Strand als sehenswertes Individuum in der Sonne rösten, um dann nachmittags oder gegen Abend in die kulturellen Sehenswürdigkeiten der Stadt einzutauchen oder den Zeugnissen des sprichwörtlichen Barceloneser Designs zu folgen. Seit 2013 gibt es eine kulturelle Pilgerstätte mehr: das Kulturzentrum El Born in der riesigen ehemaligen Markthalle desselben Namens. 1876 als erster einer ganzen Reihe von Märkten in Eisenkonstruktionen eingeweiht, wurde der Born-Markt 1971 geschlossen. Der Protest der Anwohner gegen den geplanten Abbruch veranlasste die Stadt zur Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs, mit der Folge, dass 1993 der Umbau zum Sitz der Provinzbibliothek angegangen wurde. Und nun geschah ein Wunder: Die Bauarbeiten förderten eine unterirdische Stadt zu Tage. Auf 8000 Quadratmetern wurde ein halbes Viertel mit Wohnhäusern, Läden, Schenken und Schulen ausgegraben. Selbstverständlich wurden die Bauarbeiten an der Markthalle umgehend unterbrochen und die Archäologen und Historiker aufgeboten.
Was ursprünglich als mehrjährige Verzögerung zu einigem Unmut Anlass gab, hat nun reiche Früchte gezeitigt. In der Mitte der riesigen Halle ist ein Teil des ehemaligen Vilanova-del-Mar-Viertels aus dem Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts zu sehen, und rundherum erhellen zwei permanente und mehrere wechselnde Ausstellungen die Epoche. So gilt eine von ihnen der Belagerung Barcelonas durch die spanischen Truppen Philipps V. zu Lande und zu Wasser und der endlichen Kapitulation am 11. September 1714, während die andere, ebenfalls mit modernsten audiovisuellen Medien und Fundstücken in Hülle und Fülle, den Alltag der Zeit illustriert. Zugleich ist die Halle aus Eisen und Glas (Restaurant eingeschlossen) ein ins Ribera-Viertel eingefügter Durchgangsort für Einheimische und Fremde. Wahrlich ein lohnenswerter Durchgang, der zu mehrstündigem Verweilen einlädt. Im ersten Jahr seines Bestehens haben zwei Millionen Menschen davon Gebrauch gemacht.
METRO L3 BIS DRASSANES ODER L4 BIS BARCELONETA
L’Aquàrium
9.30–21 UHR
MOLL D’ESPANYA DEL PORT VELL S/N
WWW.AQUARIUMBCN.COM
Auf einmal gurgelt im Unterwassertunnel ein Taucher heran, hoch über den Köpfen der Besucher, eine durchsichtige Tüte in der Hand, Blasen schlagend. Und siehe da, es schwimmt ihm elegant ein Mondfisch entgegen, fast so groß wie der Taucher selbst, und geht, leicht mit den Flossen fächelnd, kurz vor diesem in Ruhestellung. Der Taucher angelt einen Happen aus seiner Tüte und steckt ihn dem Mondfisch in das aufgeklappte Maul. Einem Schoßhündchen gleich kaut und schluckt der Fisch. Das Ganze wiederholt sich ein paarmal, der Mondfisch ist satt, wendet sich ab und trollt sich. Ein weiterer dreht kurz vor der Fütterung hochnäsig ab, die Tagesspezialität scheint ihm nicht zu passen, ein dritter jedoch schluckt die Häppchen gefügig.
Auch wenn einen der Zufall nicht gerade an dieser Speisung teilhaben lässt, lohnt sich ein Besuch des 1995 gegründeten Barceloneser Aquariums, das über die hölzerne Rambla del Mar gut zu Fuß erreichbar ist. Zwar sind die zwanzig Euro Eintrittsgebühr nicht für jeden Geldbeutel ein Klacks, aber was man geboten bekommt, ist ebenfalls nicht wenig, und im Nu sind Stunden verflogen. Der Rundgang führt zunächst an einer Vielzahl kleinerer Aquarien vorbei, in denen sich die unendliche Farben- und Formenvielfalt der Meeresfauna und -flora bewundern lässt. Höhepunkt ist schließlich der verglaste Unterwassertunnel, wo einem Haie, Rochen, Mondfische und andere eindrucksvolle Flossenwesen mehr oder weniger um die Ohren schwimmen, während man sich auf einem langsamen Förderband vorwärts bewegt. Und wie eingangs beschrieben – mit etwas Glück erlebt man kurz vor Mittag noch eine Sondervorstellung.
BUS 39 U. A.
Estació de França↗
AVINGUDA DEL MARQUÈS DE L’ARGENTERA
Und wieder eine Stahlkonstruktion, wie Barcelona sie so sehr liebt(e) – und wie sie in verschiedenen Rostbauten der Gegenwart ihre Fortsetzung findet. Der Französische Bahnhof, 1929 von König Alfons XIII. eingeweiht, ist der einzige Barceloneser Bahnhof, der einen Besuch allein seiner Architektur wegen lohnt. Zwar weist er ein jährliches Passagieraufkommen von rund einer Million auf, aber seine enorme Eingangshalle sowie die Abfahrts- und Ankunftszone wirken in ihrer Riesigkeit menschenleer und laden zum Verweilen. (Leider fehlt es an Bänken, seltsames Phänomen in einer Stadt, wo sich allenthalben Sitzgelegenheiten befinden.)→
Ende des 19. Jahrhunderts war Barcelona eine wichtige Eisenbahnstadt, verfügte aber über keinen entsprechend dimensionierten Bahnhof. So beschloss die Eisenbahngesellschaft MZA (Madrid–Zaragoza–Alicante), einen Monumentalbau in Auftrag zu geben, dessen Spatenstich 1926 erfolgte. In den gut fünfundachtzig Jahren seines Bestehens hat der Bahnhof seine Funktion oft gewechselt; seit die zentrale Estació de Sants mit den unterirdisch angelegten Gleisen in den siebziger Jahren die Rolle des Hauptbahnhofs übernommen hat – auch als Bahnhof des Hochgeschwindigkeitszuges AVE –, beherbergt die Estació de França den Kurz- und vor allem den Mittelstreckenverkehr. Das verleiht ihr eine gewisse Geruhsamkeit.
Das kunsthistorisch Sehenswerte ist nicht unbedingt die Fassade, sondern sind die großen Stahlbogen der Abfahrtshalle dieses (einzigen oberirdischen und einzigen Kopf-)Bahnhofs. 2016 wird er mit der Inbetriebnahme des Bahnhofs Sagrera auf die dritte Position zurückgestuft werden; dafür dürften die sonstigen Aktivitäten wie Ausstellungen noch zunehmen; seit Jahren beherbergt der Französische Bahnhof beispielsweise den internationalen Comic-Salon.