Ein paar Worte vorweg

In diesem Buch geht es um Geld, genauer gesagt darum, wie wir in der Familie, der Schule und der Gemeinschaft, in der wir leben, über das Thema Geld reden können. Natürlich ist mit diesem Buch nicht das letzte Wort in puncto Geld gesprochen. Ohnehin versteht es sich eher als Einstieg.

Ich gehe hier davon aus, dass die meisten Leser ein Haushalts­einkommen von etwa 40 000 Euro haben, aber die Tipps und Ideen, die Sie hier finden, lassen sich auch mit weniger oder mehr Geld umsetzen. Verstehen Sie sie als Anregungen, die Sie Ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechend anpassen. Probieren Sie einfach aus, was bei welchen Kindern in welchem Alter funktioniert, und wenn Sie Lust haben, können Sie mir schreiben, womit Sie Erfolg hatten: Sie erreichen mich über meine Webseite: http://www.ronlieber.com.

Ich spreche hier meist in der ersten Person und beziehe mich dabei meist auf »Kinder« im Plural. Das hat zwei Gründe. Erstens haben alle Eltern dieselben Schwierigkeiten, und ich glaube, die meisten von uns wollen für ihre Kinder dasselbe: Wir wollen ihnen positive Werte, Eigenschaften und Charakterzüge vermitteln. Was die »Kinder« angeht, so bietet der Plural einen ganz pragmatischen Vorteil. Ich habe selbst auch nur ein Kind, aber wenn ich von »Kindern« rede, dann muss ich mich nicht entscheiden, ob ich Söhne oder Töchter meine.

Ich habe die hier vorgestellten Ideen praktisch getestet. Viele Menschen, die Ihnen hier im Buch begegnen, habe ich über meine Facebook-Seite kennengelernt: http://facebook.com/ronlieberauthor. Bitte liken Sie diese Seite, denn die hier angestoßene Diskussion geht dort weiter. Andere Ideen, die ich Ihnen hier vorstelle, habe ich bereits in Vorträgen an Schulen präsentiert oder in Artikeln für die New York Times.

Die Zitate in diesem Buch sind alle echt, wie die Menschen, von denen berichtet wird. Die beschriebenen Ereignisse haben sich alle wirklich so zugetragen. Nichts davon ist ausgedacht. Manchmal habe ich Namen und Orte geändert (sonst nichts), wenn Gesprächspartner anonym bleiben wollten. Die Namen Magnolia Davis, Bramson Dewey, Lucy Gilchrist und Stephanie Joss sind nicht die wirklichen Namen der Personen.

Kapitel 1

Warum wir über Geld reden müssen

Die Verantwortung, die wir in ihrem Alter nicht hatten, und was ein echtes Gespräch bewirken kann

Mitte 2011 hörte ich innerhalb einer Woche von zwei Elternpaaren, dass sie Schwierigkeiten hätten, ihren Kindern Antworten auf bestimmte Fragen zu geben. Auf Fragen, die mit Geld zu tun hatten. Damals war in den USA gerade viel die Rede von Ungleichheit, davon, wer wie viel hatte und warum. Die Kampagne zur Präsidentschaftswahl im folgenden Jahr verschärfte diese Debatte noch, weil man sich allenthalben fragte, wer wohl am besten alle Amerikaner vertreten könne.

Niemand wusste damals, welche Dimensionen diese Debatte annehmen würde, aber eine Gruppe von neugierigen Kids aus der Mittel- und Oberstufe begann, Fragen zu stellen. Die Kinder sahen Nachrichten und zogen von dem, was sie dort hörten, Rückschlüsse auf ihr persönliches Umfeld. Sind wir reich? Kennen wir jemanden, der reich ist? Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden? Du hättest doch auch etwas machen können, womit wir uns ein schöneres Haus und coolere Ferien leisten könnten.

Diese Eltern wussten nicht, was sie ihren Kindern darauf sagen sollten. Mir war auch klar, weshalb sie sich an mich wandten, denn Schulen sind nicht der geeignete Ort, um solche Fragen zu stellen. Wenn Lehrer versuchen, darauf Antworten zu finden, drehen diese sich meist um die Regierung, die Steuern und die Politik im Allgemeinen. Das wird dann schnell hochpolitisch (und damit langweilig). Nehmen sie hingegen auf das persönliche Verhalten, den eigenen Ehrgeiz Bezug, geraten sie schnell in moralisches Fahrwasser. Wie auch immer: Die Kinder kommen nach Hause und fangen heikle Gespräche an, und am nächsten Morgen schrillt unweigerlich das Telefon beim Direktor, weil die Eltern sich reihenweise beschweren. Privatschulen haben ein wenig mehr Freiheit, was den Lehrplan angeht, doch das Reden über Geld ist hier fast noch schwieriger. Die meisten Kinder dort stammen aus Familien, die genug Geld haben, sich diese Schule leisten zu können. Oder sie sind so begabt, dass sie ein Stipendium bekommen. Doch gerade dort ist die Thematisierung von »Wohlstand« und dessen Auswirkungen auf Kinder weder von der Schule noch von den Eltern gewünscht.

Große Fragen lassen die Emotionen hochkochen

Und die Journalisten? Wir lieben doch unbequeme Fragen. In dem Jahr, in dem die eingangs erwähnten Eltern mich kontaktierten, hatte ich angefangen, die kniffligsten Fragen, die Kinder aller Altersgruppen über Geld stellen, zu sammeln und die besonders guten auf der Webseite der New York Times zu veröffentlichen. Warum hat der Mann an der Ampel uns um Geld angehauen? Sollten wir unsere Zweitwohnung nicht jemandem geben, der gar keine Wohnung hat? Warum haben wir keine Zweitwohnung? Verdienen Sie weniger als mein Papa? Sind wir arm? Sind Menschen, die keine schönen Sachen zum Anziehen haben, faul? Werden wir bald kein Geld mehr haben, weil du deinen Job verloren hast? Ich schlug zu jeder dieser Fragen eine Antwort vor, die Leser schickten ihre Verbesserungsvorschläge, und alle Beteiligten fanden das ausgesprochen nützlich. Ein paar dieser Fragen hat mir auch meine Tochter, die mittlerweile neun Jahre alt ist, gestellt, also erprobte ich die Praxistauglichkeit meiner Antworten vorher an ihr.

Die beiden oben erwähnten Eltern hatten diese Kolumne verfolgt. Und sie stellten mich vor eine Herausforderung in Form einer Einladung: Ob ich nicht an der Schule ihrer Kinder einen Informationsabend veranstalten wolle, der Eltern zeigte, wie sie mit ihren Kindern über Geld sprechen könnten? Und natürlich sollte ich bei meinen Ausführungen auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die betuchteren Eltern sich mittlerweile regelrecht an den Pranger gestellt fühlten, während die weniger wohlhabenden sich so vorkamen, als würde man sie ständig mit der Nase darauf stoßen, dass sie nun mal weniger Geld hätten. Es wäre daher sehr hilfreich, hieß es in der Mail, wenn ich diese Problematik in einer Weise behandeln könnte, dass keiner sich dämonisiert oder verachtet fühlen würde.

Ich sagte sofort zu. Es gibt heutzutage nicht mehr viele Themen in puncto Geld oder Kindererziehung, die eine wirkliche Herausforderung darstellen. Dies aber schien mir ein solches zu sein. Und zwar aus mehreren Gründen.

In den letzten Jahrzehnten wurde sehr viel zu einem neuartigen Phänomen geforscht, dem man den Namen Behavorial Finance gegeben hat und das auch Gegenstand einer ganzen Reihe populärwissenschaftlicher Bücher ist. Wenn Sie je ein Buch wie Freakonomics gelesen haben, wissen Sie, was ich meine. Menschliche Launen und Emotionen haben einen enormen Einfluss auf ökonomische Entscheidungen, ob es nun um Budgets von Regierungen oder die Guthaben einfacher Bürger geht. Unsere Einstellung zum Geld, dazu, wie viel Geld wir verdienen und haben, wird von einer Flut von Gefühlen beeinflusst. Da sind zum einen Stolz, Freude und Erregung, wenn wir uns etwas Schönes leisten können. Manchmal aber mischen sich auch Zweifel, Scham, Neid oder Verlegenheit hinein. Die meisten Menschen, die einmal im Monat ihren Kontoauszug oder die Kreditkartenabrechnung gründlich studieren, kennen diese Gefühle. Seit ich für das Wall Street Journal und die New York Times über Geld schreibe, habe ich vor allem eines gelernt: Diese Emotionen zu erkennen und im Zaum zu halten ist der wichtigste Faktor, wenn Sie den richtigen Pensionsfonds oder die passende Hypothek auswählen wollen. Es sind schließlich unsere Gefühle, die uns zu einem Verhalten bzw. zu Entscheidungen verleiten, mit denen wir uns selbst schaden.

Ich wusste, dass ich Eltern gute Tipps geben konnte, wenn es um Dinge wie Taschengeld oder Regeln fürs Geldausgeben für Teenager ging. Aber jede Diskussion über Geld und den Umgang damit muss auch die emotionale Seite berücksichtigen: die Flut gemischter Gefühle, die nahezu alle Menschen erfasst, wenn es darum geht, wie viel Geld wir haben und wie viel die anderen ausgeben. Geld lässt niemanden kalt. Und was Fragen der Kindererziehung betrifft, reagieren Eltern selten gelassen und rational. Diese brisante Mischung macht es Eltern oft schwer, mit ihren Kindern offen und ehrlich über Geld zu sprechen.

Das Thema Geld ist immer ein heißes Eisen, auf welcher Ebene Sie sozioökonomisch auch stehen mögen. Wohlhabende Eltern, die mehr Geld haben, als sie zum Leben brauchen, müssen ihren Kindern fast täglich willkürliche Grenzen setzen. Da ist völlig klar, dass die Entscheidung darüber, welche Beträge sie für den Nachwuchs ausgeben, eher von emotionalen Faktoren beeinflusst wird als von wirtschaftlicher Notwendigkeit. Eltern aus der ­Mittel- oder Arbeiterschicht hingegen müssen ohnehin rechnen, um Monat für Monat gut über die Runden zu kommen. Trotzdem möchten sie, dass ihr Kind so wenig wie möglich entbehren muss. Doch wenn das Kind dann anfängt nachzubohren, wieso die eigene Familie nicht mehr Geld hat, bekommt diese Frage in den Ohren der Eltern schnell einen vorwurfsvollen Unterton. Und schon sind wir wieder bei der Frage der Emotionen.

Die neue Welt des Geldes

Als ich mir überlegte, was ich den Eltern, die mich eingeladen hatten, sagen sollte, fiel mir als Erstes die Tatsache auf, dass unsere Kinder heute vor völlig neuen Herausforderungen stehen, woran sich auch in Zukunft nichts ändern wird. Das beginnt mit den sozialen Medien, die gerade bei Schülern in der Mittel- und Oberstufe den Neid schüren können. Kinder, deren Persönlichkeit ja noch in der Entwicklung begriffen ist, versuchen, in der halb öffentlichen Sphäre des Internets das bestmögliche Bild von sich zu präsentieren. Das ist nur allzu oft ein Schaulaufen in coolen Klamotten an coolen Orten, zu denen nicht Hinz und Kunz Zugang haben. Natürlich geben sich die Eltern Mühe, dem gegenzusteuern, doch es ist schwierig, im mitreißenden Fluss der Sehnsüchte, die die sozialen Medien wecken, gegen den Strom zu schwimmen.

Außerdem wird eine universitäre Ausbildung immer teurer. Erhalten unsere Kinder keine Ausbildungsförderung, kommen schnell fünfzigtausend Euro zusammen, bis sie ein Studium abgeschlossen haben. Das ist selbst für Familien, die sich das leisten können, ein dicker Batzen Geld. Und selbst Kinder, die unter das Ausbildungsförderungsgesetz fallen, müssen die Kosten ihrer Ausbildung zurückerstatten. Die Hälfte der Ausbildungsförderung ist am Ende fällig, wenn nicht überdurchschnittlich gute Noten oder Ähnliches für einen Teilerlass sorgen. Auch das kostet gut und gern noch mal Tausende von Euro, wenn nicht noch ein Wechsel des Studienfachs hinzukommt, was auch nicht selten der Fall ist. Eltern, die nicht schon kurz nach der Geburt ihrer Kinder anfangen zu sparen, können ihren Sprösslingen da häufig nicht weiterhelfen.

Und es ist nur zu verständlich, dass Eltern ihre Kinder heute an eine Universität schicken wollen, auch wenn das viel Geld kostet. Schließlich will niemand seinem Kind diese Aufstiegschance verwehren. Die Entscheidung darüber, ob sich das lohnt, muss mitunter schon recht früh getroffen werden. In der vierten Klasse nämlich werden die Empfehlungen fürs Gymnasium ausgesprochen. Und Eltern müssen sich entscheiden, ob es sich lohnt, ihre Sprösslinge mit zahllosen teuren Nachhilfestunden so weit zu coachen, dass sie den Wechsel ans Gymnasium oder die Gesamtschule schaffen. Dafür gibt es letztlich nur einen passenden Ausdruck: Wahnsinn!

Nach ihrer Berufsausbildung sind die Kinder mit einer Welt konfrontiert, die sich massiv von der unterscheidet, der wir uns in jungen Jahren gegenübersahen.1 Angesichts leerer Rentenkassen sind die jungen Leute von heute nämlich weitgehend selbst verantwortlich für ihre Altersvorsorge. Da die gesetzliche Rente nur noch als Grundversorgung betrachtet wird, muss sich Ihr Kind entscheiden, wie es fürs Alter vorsorgen will. Da gibt es zahllose Fördermöglichkeiten, die es einschätzen muss. Und zahllose Risiken, die es kennen sollte. Diese Übertragung von Risiken und ökonomischer Last der Altersvorsorge von den Arbeitgeber- auf die Arbeitsnehmerschultern gibt es seit Jahren, und sie ist bald abgeschlossen. Für Ihre Kinder heißt das, dass sie nach Möglichkeit schon von ihrem ersten Lohn oder Gehalt Geld abzwacken und in Sparpläne investieren sollten, deren Risiko- und Renditeprofil sie verstehen müssen.

Muss Ihr Nachwuchs dann noch das BAföG zurückzahlen, dann fehlen ihm jeden Monat mehrere Hundert Euro in der Kasse. Dabei sind Einstiegsgehälter gewöhnlich nicht gerade üppig. Können Ihre Kinder also als Zwanzigjährige nichts auf die hohe Kante legen, dann ist eine angemessene Rente mit dreiundsechzig oder fünfundsechzig kaum zu erreichen.

Diese Umverteilung der Lasten heißt für Ihren Nachwuchs: Entweder er spart mit zwanzig, damit er später genügend Geld für eine private Rente hat, oder er arbeitet bis siebzig, vielleicht noch länger. Junge Erwachsene aber müssen wissen, wie sie mit zwanzig sparen und das Ersparte bis zur Rente auch behalten können. Und die Auswahl der richtigen Berufsausbildung, des richtigen Studienfaches sind Aufgaben, die einem jungen Menschen durchaus Angst machen können. Ebenso wie die Auswahl der richtigen Form der Altersvorsorge, der richtigen Krankenversicherung und so weiter. Denn es gibt unzählige Anbieter und noch mehr Angebote, die sie locken wollen. Und diese haben definitiv nicht das Beste unserer Kinder im Sinn. Sind unsere Kleinen aber erst einmal erwachsen, lassen sie sich nicht mehr über die Schulter gucken oder bitten uns nicht mehr um Hilfe.

Daher ist es am besten, wir lehren unsere Kinder beizeiten, was sich über Geld zu wissen lohnt. Denn das ist es, was buchstäblich zählt. Sie müssen lernen, die richtigen Zahlen zu finden und zu vergleichen. Dann sind sie für ihr Leben als Erwachsene gerüstet. Die Vorstellung, dass sie einem Wust an Information gegenüberstehen, ohne dafür ausreichend gerüstet zu sein, ist doch ziemlich beängstigend!

Was die Eltern angeht, die mich zu dem Vortrag einluden, so hatten sie eben diese Entwicklungen vor Augen. Sie sorgten sich um die Zukunft ihrer Kinder, hatten Angst, dass sie sozial absteigen könnten. Und nicht zu Unrecht. Vergleichen wir doch einmal, was gut situierte Mittelschichteltern zwischen 1978 und 1980 jährlich verdient haben, mit dem Einkommen ihrer Kinder zwischen 1997 und 2009: Gehörten die Eltern zu den 10 Prozent der Topverdiener, nahmen sie zwischen 1978 und 1980, umgerechnet in heutige Kaufkraft, 140 000 Dollar ein. Doch volle 20 Prozent der Kinder dieser Elterngeneration gehörten etwa in der Mitte ihrer beruflichen Karriere zu der Hälfte der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen und verdienten höchstens 52 000 Dollar.2

Natürlich reagieren Eltern nicht immer rational auf solche Rechnungen. Denn immerhin besagen diese Zahlen ja auch, dass vier dieser fünf Kinder zu der besserverdienenden Hälfte gehören. Eltern aber neigen dazu, das restliche Fünftel zu hoch zu bewerten. Natürlich wollen wir unsere Kinder davor bewahren, auf der sozioökonomischen Leiter abzusteigen. Die Tatsache, dass ein Fünftel abrutscht, jagt uns Angst ein, selbst wenn unsere Kinder sich freiwillig für den Beruf, der sie in die untere Hälfte führt, entscheiden. Außerdem stehen viele Eltern noch unter dem Schock der letzten Finanzkrise, bei der nur allzu deutlich wurde, dass einige Erwachsene überhaupt nichts kapieren: Da waren die Millionen Menschen, die sich mehr Geld borgten, als sie je würden zurückzahlen können. Und die Bankberater, die ihnen diese Hypotheken aufschwatzten. Und nicht zuletzt die Investmentbanker, die diese Hypotheken zu Papieren zusammenschnürten, von denen sie wussten, dass sie zu Ausfällen führen würden. Irgendetwas an ihrer Erziehung ist da ja wohl vollkommen falsch gelaufen. Nur was?

Schweigen rund ums Geld: offene institutionalisierte Diskriminierung durch Erwachsene

Die Eltern, die mich damals an ihre Schule holten, wussten nicht, wo das Problem lag, aber sie waren bereit, sich damit auseinanderzusetzen. Wenn man so darüber spricht, hört sich das alles ganz simpel an, aber das ist es nicht. Schon gar nicht angesichts des Meeres von Schweigen3, das sich gewöhnlich um das Thema Geld herum ausdehnt. Menschen, die sich täglich damit auseinandersetzen müssen, wie sie mit ihrem Gehalt bis zum Ende des Monats reichen, beziehen ihre Kinder meist ganz selbstverständlich ein, wenn es darum geht, wie die Familie mit dem verfügbaren Geld auskommt. Doch die meisten Eltern scheuen davor zurück, mit ihrem Nachwuchs über Geld zu reden, vor allem, wenn die Grundbedürfnisse der Familie mühelos gedeckt werden können und noch genug übrig bleibt für neue Sneakers, Jeans, Nachhilfestunden und iPods.

Dieses Schweigen hat verschiedene Gründe. Mit einem dieser Gründe möchte ich an dieser Stelle sofort und für immer aufräumen: mit der Angst, dass das Reden über Geld Kinder zu geldgierigen Zeitgenossen macht. Nan J. Morrison, die den Council for Economic Education leitet, hat diese falsche Vorstellung sehr schön zusammengefasst. Sie klagt immer wieder darüber, wie unausrottbar der elterliche Glaube sei, zu viel reden über Geld könne die Wertvorstellungen ihrer Kinder untergraben. Gerade so, als sei Geld etwas Schmutziges und nicht ein wesentlicher Teil unseres Alltags.

Die Angst, ein geldgieriges Kind zu erziehen, ist nicht nur unbegründet. Ältere Kinder durchschauen das Schweigen rund ums Geld und empfinden es häufig als erniedrigend. 2013 hörte ich einen jungen Mann namens Jacob Swindell-Sakoor auf einer Konferenz von Lehrern und Schülern in Seattle sprechen. Er selbst besuchte das zweite Jahr die Highschool und hielt seinen kurzen Vortrag vor sicher gut zweitausend Zuhörern. Darin kritisierte er unter anderem die abweisende Haltung, die Erwachsene gegenüber Kindern einnehmen, sobald es ums Geld geht. »Da Sie ja älter sind als wir, ist dies vollkommen unverantwortlich. Ja, ich würde es sogar offene institutionalisierte Diskriminierung durch Erwachsene nennen.« Aus dem Publikum ertönten daraufhin Zwischenrufe und Pfiffe. »Ich sage das, weil ich es Tag für Tag erlebe. Da heißt es dann immer: ›Du bist die Zukunft von diesem und jenem, Jacob. Du trägst die Fackel weiter.‹ Aber wie sollen wir die Zukunft werden, wenn Sie uns nichts über Geld beibringen, das unsere Zukunft ist?«

Schüler in der Mittel- und Oberstufe wie Jacob wollen Geld in den Fokus rücken, aber nicht, um es zum Fetisch zu machen. Wenn wir Geld aber behandeln wie ein schmutziges Familiengeheimnis, öffnen wir der Geldbesessenheit nur Tür und Tor.

Die Eltern, die mich eingeladen hatten, an der Schule ihrer Kinder zu sprechen, wollten tatsächlich offen über das sprechen, was zählt, obwohl sie sich ein wenig unwohl bei der ganzen Geschichte fühlten. Allerdings wusste ich auch, dass die Schüler dieser Schule einen sehr unterschiedlichen familiären Hintergrund hatten, was das Einkommen anging. Dementsprechend unterschiedlich würde auch die Einstellung zum Geld sein. Was aber war diesen Eltern durchweg gemeinsam? Eines wusste ich mit Sicherheit: Alle hatten Angst, ein verwöhntes Kind großzuziehen.

Verwöhnt oder nicht verwöhnt

Wenn Sie Eltern nach dem schlimmsten Vorwurf fragen, den man ihrem Kind ihrer Ansicht nach an den Kopf werfen könnte, dann kommt überraschend häufig die Antwort: verwöhnt. Natürlich fallen auch Begriffe wie bösartig, grausam, rassistisch oder gewalttätig, aber weitaus häufiger wird verwöhnt genannt. Anders als Begriffe wie bösartig oder dumm oder durchschnittlich (der stammt von meiner Mutter, Gott hab sie selig), verweist verwöhnt auf ein elterliches Verhalten, das sich in der Persönlichkeit des Kindes widerspiegelt. Verwöhnt von wem? Von Ihnen natürlich, liebster Papa! Ein kleines Kind schreit, beißt und wirft gelegentlich mit Sachen um sich, ob Sie nun gute Eltern sind oder nicht. Aber ein Kind entwickelt sich nicht von selbst zum verwöhnten Balg. Sie kommen allerliebst und unschuldig zur Welt. Nein, sie zu verwöhnen ist etwas, das Sie mit ihnen machen.

Wenn ein verwöhntes Kind also ein Erziehungsprodukt ist, das wir als Eltern möglichst zu vermeiden suchen, was ist dann das Gegenteil von verwöhnt? Viele von uns erkennen ein nicht verwöhntes Kind, wenn es uns über den Weg läuft. Ein oder zwei Beispiele haben fast alle Erwachsenen im Kopf. Ich wollte aber eine »richtige« Definition, möglichst eine wissenschaftliche. Ich stützte mich dabei auf die Schriften von James A. Fogarty, der jahrelang durch die USA reiste und Workshops für verwöhnte Kinder hielt, die bei anderen klinischen Psychologen in Behandlung waren.4

Verwöhnte Kinder haben vier Merkmale gemeinsam, die jedoch nicht immer alle zusammen gegeben sein müssen: Sie haben im Haushalt oder anderweitig wenige Pflichten. Es gibt nur wenige Regeln, die ihr Verhalten oder ihren Tagesablauf betreffen. Eltern und andere Bezugspersonen haben für sie Zeit im Überfluss und helfen ihnen ständig. Und verwöhnte Kinder besitzen gewöhnlich sehr viele Dinge. Ein Aufsatz in einer wissenschaftlichen Zeitschrift aus dem Jahr 1998 ging sogar so weit, diese nachsichtige Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern (die Daten dazu stammen von Erwachsenen, die als Kinder »verzogen« wurden) als Art der Vernachlässigung zu bezeichnen, da diese Form der Erziehung die normale Entwicklung des Kindes behindert.5

Es muss nicht viel kosten, ein Kind zu verwöhnen. Drei der vier genannten Faktoren meiner obigen Definition von »verwöhnt« sind mit keinerlei Kosten verbunden. Und sogar der letzte Punkt, das Übermaß an materiellem Besitz, ist für Kinder, deren Eltern nicht gerade wohlhabend sind, kein Problem, wenn sie nur genug Verwandte haben, die sie mit Geschenken überschütten. Eltern aus Mittel- und Arbeiterklassefamilien haben heute ohnehin mit denselben Sorgen über den wachsenden Materialismus und die Anspruchshaltung ihrer Kinder zu kämpfen, weil ja alle Kinder gleichermaßen der konsumverliebten Massenkultur ausgesetzt sind.

Hier konkret etwas zu tun und rund fünfzehn Jahre lang dagegenzuhalten bedeutet, dass wir uns schon sehr früh darüber Gedanken machen müssen, was es heißt, nicht verwöhnt zu sein. Schon sprachlich lässt sich zum Begriff »verwöhnt« kein klares Gegenteil angeben. Ein Synonym ist »verzogen«. Etwas, das nicht »verzogen« ist, ist »gerade«. Auch nicht gerade das, was einem in den Sinn kommt, wenn man sich eine wünschenswerte Tugend für die eigenen Kinder vorstellt.

Also versuchte ich, zusätzlich zu den oben angeführten vier Faktoren eine Liste von Werten, Tugenden und Charakterzügen zusammenzustellen, die das Gegenteil eines verwöhnten Kindes bezeichnen: eben jene anständigen jungen Leute mit Bodenhaftung, die wir als Eltern in die Welt hinauszuschicken hoffen. Als ich dann auf das Ergebnis meines Brainstormings blickte, wurde mir klar, dass jeder dieser Charakterzüge – wie Großzügigkeit, Wissbegier, Geduld oder Beharrlichkeit – letztlich beim Umgang mit Geld eine Rolle spielt. Und mehr noch: Meine ständig länger werdende Liste von Fragen über Geld, mit denen Kinder ihre Eltern sprachlos machen (wie: »Müssen wir umziehen, wenn du keinen neuen Job findest?« Oder: »Warum haben Onkel Joe und Tante Linda so ein großes Haus?«), ließ sich mit dem Verweis auf eine dieser Qualitäten beantworten.

Das Reden über Geld untergräbt also keineswegs traditionelle Wertvorstellungen. Es ist nicht ungehobelt oder undiplomatisch. Wir müssen uns ganz im Gegenteil von diesen Ideen lösen und mit unseren Kindern über Geld reden, wenn wir wirklich rechtschaffene und anständige Kinder großziehen wollen. Und genau darüber wollte ich mit den Eltern reden, die mich eingeladen hatten. Am Ende wurde dann dieses Buch daraus.

Reden über Geld ist reden über Werte

Die Verwöhn-Falle ist ein Generationenmanifest. Ich betrachte es als Versprechen an unsere Kinder, dass wir ihnen helfen werden, besser mit Geld umzugehen, als wir es getan haben, und ihnen die nötigen Instrumente an die Hand geben werden, um finanzielle Fallstricke zu vermeiden, über die auch heute noch viele Erwachsene stolpern. Dieses Buch ist gedacht als Rahmenwerk für die Erziehung von jungen Menschen, die sich mit Finanzen besser auskennen, als man es ihnen ihrem Alter entsprechend zutrauen würde. Natürlich regiert Geld die Welt, doch wir können den Wert des Geldes auch nutzen, um unseren Kindern andere Werte nahezubringen, wie Wissbegier, Geduld, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Großzügigkeit, Beharrlichkeit und eine vernünftige Selbsteinschätzung. Diese Werte sind nicht an eine bestimmte Kultur, Religion, Region oder Rasse gebunden. Ein paar Kinder haben vielleicht jetzt schon fürs Leben ausgesorgt, doch die meisten wissen nicht, wie viel Geld sie als Erwachsene einmal zur Verfügung haben werden. Ihr finanzieller Status ist also offen, aber ihr finanzieller Wertekanon sollte gesichert sein.

Die Liste der Werte, Tugenden und Charakterzüge, die ich aufgestellt habe, ist recht umfassend. Kinder sind damit in unterschiedlichen Lebensphasen konfrontiert, in ganz unterschiedlichen Altersstufen. Außerdem ist jedes Kind anders und reagiert auf Ihre Taktik und Strategien auf einzigartige Weise. Und doch brauchen wir Eltern einen Leitfaden, der uns sagt, wann wir bestimmte Themen anschneiden können. Also habe ich ein paar Sozialwissenschaftler kontaktiert – Menschen, die ihr Leben damit zugebracht haben zu untersuchen, wie Kinder Wissbegier, Geduld und Charakter entwickeln, wie sie mit Themen wie Taschengeld, Materialismus und Wohlstand umgehen. Ich werde Ihnen in jedem Kapitel die wichtigsten Studien zu diesen Themen vorstellen und Wege aufzeigen, wie Sie Ihrem Kind in Bezug auf »Geld« die gewünschten Werte vermitteln können.

Das Herzstück dieses Buches aber sind Lebensgeschichten von ganz alltäglichen Familien und ihren Kindern. Bei den Nachforschungen dazu habe ich Mormonenfamilien auf ihren Farmen in Utah besucht, Recycling-Kids auf Wertstoffhöfen in Kalifornien auf Schritt und Tritt begleitet, Eistee am Pool reicher Mitbürger in den Hamptons getrunken und in der Kaffeepause mit Einwanderern gesprochen, die mit ihren Kindern jeden Tag über Geld reden. Manchmal bin ich auch in der Küche bei Eltern gesessen, deren Kinder eine Privatschule besuchen und die enorme Probleme haben, das Thema »Geld« überhaupt nur zu erwähnen. Ich habe Feldforschung in Leihhäusern betrieben und in Ohio mit Studenten aus der Arbeiterklasse geredet. Ich saß in Neuengland in einem Workshop mit Lehrern, deren Jahresgehalt geringer ist als der Monatslohn der Eltern ihrer Schüler. In Michigan ist mir eine junge Dame begegnet, die man dort als »Bloomfield Hillbilly« kennt. Ihre Familie besitzt viel weniger als die Nachbarn in ihrem doch recht wohlhabenden Viertel, und so arbeitet sie hart, weil sie sich ein eigenes Pferd kaufen will.

Letztlich aber ist dieses Buch als Handreichung gedacht, wie Sie bestimmte Themen mit Ihren Kindern erfolgreich anpacken können: die Zahnfee, Taschengeld, Mitarbeit im Haushalt, Spenden, Schenken, Geburtstage, Ferien, Handys, ein eigenes Konto, Kleidung, Autos, Ferienjobs und Berufsausbildung. Dabei schneide ich vor allem jene Fragen rund ums Geld an, die Eltern beschäftigen von den ersten Monaten, in denen ihr Kind zu krabbeln beginnt, bis zu dem Tag, an dem es auf eigenen Füßen steht: Wann fange ich am besten womit an? Wo liegt die Grenze zwischen einem Wunsch und einem Bedürfnis? Wie viel ist zu viel? Und wie viel ist genug?

Trotzdem sollten wir eines nicht vergessen: Der rote Faden dabei sind unsere Kinder und ihre unstillbare Wissbegier. Denn ihre Fragen sind hellsichtig, und die aufrichtigste Antwort ist vielleicht dem Alter Ihres Kindes nicht immer angemessen. Daher geht es im Buch auch darum, wie Sie die Neugier Ihres Kindes befriedigen können, ohne zu lügen. Denn letztlich ist es die Wissbegier Ihres Kindes, die es fragen lässt, was Sie verdienen und warum manche Kinder mehr haben und manche weniger.

Und zu guter Letzt möchte ich Ihnen helfen, eines zu erkennen: Bei jedem Gespräch über Geld geht es nicht nur um äußere, sondern auch um innere Werte. Taschengeld ist auch eine Frage der Geduld. Beim Schenken geht es um Großzügigkeit, bei der Arbeit um Beharrlichkeit. Die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Kinder zu verhandeln und zu wissen, was Wunsch und Bedürfnis unterscheidet, hat viel zu tun mit Sparsamkeit und Vorsicht. Was diese Gespräche aber letztlich antreibt, ist der Wunsch des Kindes nach Durchblick – es will wissen, warum es mehr besitzt als die meisten Menschen auf der Welt, aber nur selten mehr als seine Schulkameraden. Und warum es kein Grund ist, sich zu schämen, wenn man weniger oder mehr hat, solange man dankbar für das ist, was man hat, es gern mit anderen teilt und es für jene Dinge ausgibt, die einen glücklich machen. Das alles gilt natürlich nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für uns.


1 Siehe dazu: Jacob Hacker, The Great Risk Shift: The New Economic Insecurity and the Decline of the American Dream, New York 2008.

2 Diese Daten wurden von Bhashkar Mazumder, Senior Economist bei der Federal Reserve Bank of Chicago, und Jonathan Davis, Doktorand an der University of Chicago, auf meine Anfrage hin 2013 zusammengestellt.

3 Siehe dazu: Adrian Furnham, The Economic Socialisation of Young People, London 2008.

4 James A. Fogarty, Overindulged Children: A Parents’ Guide to Mentoring, Egg Harbor 2003. Und: Overindulged Children and the Adults They Become: Narcissistic, Antisocial and Dependent Behaviors, Brentwood 2009.

5 David J. Bredehoft et al., »Perceptions Attributed by Adults to Parental Overindulgence During Childhood«, in: Journal of Family and Consumer Sciences Education, Bd. 16, Nr. 2, Herbst/Winter, 1998, S. 7.