„Die Assistentin“ von Caroline Wahl

September 7, 2025|byPocketbook
„Die Assistentin“ von Caroline Wahl

Wir sind begeistert!

Bestsellerautorin Caroline Wahl hat eine ganz eigene Erzählstimme und punktet in ihrem neuen Roman Die Assistentin mit Direktheit, Schonungslosigkeit und einer fesselnden Distanz, die uns die Handlung nur umso näher gebracht hat. 

 

Die Assistentin – Worum es in Caros neuem Roman geht

Charlotte trifft eine Fehlentscheidung. Auf das Drängen ihrer Eltern hin, tritt sich die Stelle als Assistentin eines Münchener Verlegers an, der schon vom ersten Gespräch an einen merkwürdigen Eindruck bei ihr hinterlassen hat. Den Traum einer Musikerinnen-Karriere muss sie ja noch nicht ganz an den Nagel hängen, sie kann ja in der Freizeit weiter an ihrer Musik arbeiten.

Doch bald schon hat Charlotte nicht mehr wirklich viel Freizeit und wirklich ganz andere Sorgen.

„Charlotte kann sich an vieles nicht mehr erinnern aus der Zeit in München, vor allem die Erinnerung an die Gefühle von damals ist ihr zum großen Teil abhandengekommen.“

Zuckerbrot und Peitsche ist das Motto des machthungrigen Verlegers, der Charlottes Grenzen mehr als ein Mal überschreitet. Doch irgendwie ist sie auch stolz darauf, wie gut sie ihre Arbeit macht und wie lange sie es im Verhältnis zu etlichen vorherigen Assistentinnen schon geschafft hat. Das kann man doch nicht einfach aufgeben!

Während die Eltern die Sache kleinreden und Charlotte zum Durchhalten ermutigen, bleiben Beziehungen und mentale Gesundheit auf der Strecke. Doch wenn man es im Berufsleben zu etwas bringen will, muss man eben dabeibleiben, sich eine harte Schale zulegen… oder?

„Wichtige und mächtige Männer haben bestimmt alle ihre Neurosen, dachte Charlotte. Sonst würden sie bestimmt durchdrehen, die armen Männer.“

 

Das Besondere an Die Assistentin

Die Assistentin spielt damit, dass man eigentlich schon ganz genau weiß, wie es ausgeht – dass man eigentlich von nichts wirklich überrascht wird – aber dass auch genau diese Unausweichlichkeit den besonderen Charme ausmacht.

Braucht man einen Spannungsbogen oder überraschende Wendungen, um eine gute Geschichte zu erzählen? Nein. Die Assistentin lebt davon, dass wir alle genau wissen, was kommt, es leider viel zu gut verstehen können und dennoch das Happy End kaum erwarten können.

Caroline Wahl erzählt schonungslos und rau, bleibt aber dennoch ihrer flüssigen und oft leicht rotzigen Art treu.

„Aber Novellen verkaufen sich nicht gut und sind ja auch irgendwie scheiße. Wenn, dann ein Roman.

Also: Charlotte bleibt, die Erzählung wird weitergehen, und sie wird so (ähnlich) weitergehen wie bisher, so viel kann jetzt schon verraten werden.“

Caroline Wahl begeistert in Die Assistentin nicht nur mit ihrer Erzählweise, sie ist direkter, ehrlicher und schonungsloser als je zuvor. Sie behandelt allgegenwärtige Themen wie den Berufseinstieg, scheinbar unerreichbare Träume, die Abnabelung von den Eltern und eben auch Machtmissbrauch und seine Konsequenzen. Die psychologischen Auswirkungen, die wir an Protagonistin Charlotte beobachten konnten, waren so greifbar, so echt, dass es und mehr als einmal erschüttert hat. Und zwar genau, weil es uns so alltäglich vorkam, weil wir uns selbst leider viel zu oft in genau dieser Situation gesehen haben und wissen, dass wir vielleicht auch nicht besser auf uns aufgepasst hätten als Charlotte.

 „Überhaupt konnte man Charlottes Meinung nach grundsätzlich viele Dinge, die in ihrem Leben nicht optimal liefen, auf ihren Vaterkomplex zurückführen, und vielleicht konnte man noch grundsätzlicher viele Dinge, die auf der Welt nicht optimal liefen, auf viele unterschiedliche Vaterkomplexe zurückführen, dachte Charlotte auch, aber egal.“

 

Die Assistentin – für uns noch besser als sein Vorgänger

Die größte Herausforderung bei dieser Rezension: Dass nicht genug Platz für all die großartigen Zitate ist, die ich beim Lesen angemarkert habe.

Die zweitgrößte: Es mal wieder in Worte fassen zu müssen, warum ich dieses Buch so schwer und dennoch so unfassbar gut fand. Lasst euch auf jeden Fall gesagt sein, dass es mich persönlich nochmal viel mehr abholen konnte als Windstärke 17.

„Möglicherweise ist genau das auch der Kern von Charlottes gar nicht so einzigartiger Geschichte: die Befreiung aus dem Elternhaus und das Finden des Weges in ein selbstbestimmtes Leben.“

Die Assistentin ist etwas für alle, die sich in den oben genannten Themen wiederfinden – für alle, die gleichermaßen gut unterhalten und irgendwie auch erschüttert werden wollen – für alle, die etwas Echtes suchen, das sie vielleicht manchmal auch das Lesen unterbrechen, dann aber ebenso begeistert wieder nach der Lektüre greifen lässt.

Schon jetzt gehen die Meinungen zum neuen Roman stark auseinander. Während die einen ihn als mögliche autofiktionale Erzählung feiern und trotz der distanzierten Erzählweise fühlen, unterstellen die anderen den Wunsch nach Aufmerksamkeit und zu wenig Nahbarkeit.

Mein Fazit: Für mich ist Die Assistentin ein großartiges Buch, das jeden einzelnen Satz, jedes einzelne Wort, wert ist. Und wenn damit die Literaturszene in Aufregung versetzt wird – so be it!

„«Im Prinzip geht es hier ja nicht um diese beiden Figuren. Es geht ums Ganze. Um die Verhältnisse.»“

 

Über Caroline Wahl

Die gebürtige Mainzerin Caroline Wahl studierte Germanistik und Deutsche Literatur und arbeitete anschließend in mehreren Verlagen.

Ihr Debütroman 22 Bahnen wurde für diverse Preise nominiert und ausgezeichnet, außerdem ist er Lieblingsbuch der Unabhängigen 2023. Auch ihr zweiter Roman Windstärke 17 stand monatelang an der Spitze der Bestsellerlisten.

Ihr findet Caro auch auf Instagram unter @carowahl.

Lest hier auch das Interview mit Caroline Wahl zu Die Assistentin.

 

Bücher von Caroline Wahl

   

product_type_E-book
Die Assistentin
Price
19,99 €