„Lauter kleine Lügen“ von Kate Kemp

Spannungsfans aufgepasst!
Lauter kleine Lügen ist ein starker Roman voller Geheimnisse, Misstrauen und Vorurteilen. Was Kate Kemp mit diesem großartigen Buch für ein Debüt hingelegt hat, kann sich wirklich sehen lassen. Lest hier mehr…
Lauter kleine Lügen – Worum es geht
Es geschieht ein Mord und wir Lesenden wissen von vornherein, wer der Mörder ist – doch nicht, warum!
Es ist der Sommer 1979 in Australien und während seine Ehefrau Naomi das Blut vom Boden wischt, scheint Richard die Ruhe in Person zu sein. Er hat schließlich nur das getan, was nötig war. Dass das vielleicht nicht jeder so sieht, ist ihm dabei herzlich egal. Solange seine Frau und sein Sohn die Klappe halten, wird auch niemand darauf kommen, dass er etwas mit dem Verschwinden des jungen Mannes zutun hat. Nicht er, der angesehenste Mann in Warrah Place.
„»Alles wird gut.«
Aber es war nicht gut. Nichts würde je wieder gut werden. Nicht jetzt, nachdem Antonio Marietti tot war.“
Während die Männer der Siedlung sich aufplustern und teilweise direkt mit Beschuldigungen um sich schmeißen, wissen die Frauen in Warrah Place mehr als alle ahnen. Nicht nur eine von ihnen hat ein Geheimnis und nicht nur eine von ihnen weiß etwas über Antonio Mariettis Tod. Während zunächst vor allem die 12-Jährige Tammy die Ermittlungen aufnimmt, passiert auch hinter den verschlossenen Türen der anderen Häuser so einiges.
„Es musste nett sein, wenn andere einem zuhörten, sodass man nicht so schrecklich schnell reden musste, bevor jemand einen unterbrach, dachte Tammy. Richard sprach immer ruhig, mit vielen Pausen, in denen die Leute innehielten, sich vorbeugten und abwarteten, was er als Nächstes sagte.“
Die Charaktere in Lauter kleine Lügen
Kate Kemp gelingt es hervorragend, in die verschiedenen Figuren einzutauchen und ihre doch teils sehr unterschiedlichen Ansichten, Gedanken und Beobachtungen authentisch zu schildern.
Dass wir, vor allem am Anfang, viele Kapitel aus Tammys Sicht - und damit einer jungen und teils naiven, dafür aber auch unvoreingenommenen und ehrlichen Protagonistin - lesen durften, hat uns besonders gut gefallen.
„Menschen verhielten sich in Gruppen anders. Tammy hatte in der Schule genug mitgemacht, um das zu wissen. Man hätte allerdings meinen – und hoffen – mögen, Erwachsene wären darüber hinweg.“
Je mehr Perspektivwechsel wir im Laufe der Lektüre erhalten, desto detailreicher und komplexer wird auch die Geschichte.
Dadurch, dass eine einzelne Straße und ihre Bewohnenden im Fokus stehen, schafft Kate Kemp in Lauter kleine Lügen eine Art Mikrokosmos, der stellenweise beinahe an ein Locked Room Szenario erinnert, ohne dass jemals wirklich jemand irgendwo eingesperrt werden müsste. Genial!
„Was würde passieren, wenn sie alles erzählte und sich Gehör verschaffte? Manchmal fragte sie sich das. Was wohl hervorbrechen und welchen Schaden es anrichten würde. Oft verbrachte sie die Nacht damit, Worte zu formulieren, die sie nie aussprechen würde.“
Lauter kleine Lügen – Unser Fazit
Neben dem psychologischen Fokus und der detaillierten Charakterausgestaltung bietet die Autorin in Lauter kleine Lügen auch jede Menge Gesellschaftskritik. Geschlechterrollen, die Institution Kirche, Queerfeindlichkeit und Rassismus sind hier nur einige der Themen, die einerseits natürlich perfekt in die Zeit, in der der Roman spielt, passen, uns andererseits aber auch gerade in der heutigen Zeit viel reflektieren lassen.
„Das Problem war, dass man erst merkte, wo die Grenze lag, wenn man es zu weit trieb.“
Lauter kleine Lügen gleicht einer komplexen Charakterstudie, die von einem Kriminalfall und gesellschaftlichen Themen begleitet wird. Die starken und ganz unterschiedlichen Frauenfiguren haben uns besonders begeistert.
Der Roman punktet mit unterschwelliger Spannung, abwechslungsreichen Protagonistinnen und der einen oder anderen Überraschung.
Ein großartiges Debüt!
„Ich glaube, unsere Eltern haben so viel damit zu tun, von uns enttäuscht zu sein, dass sie nicht mal auf die Idee kommen, sie könnten uns enttäuschen“
Über Kate Kemp
Lauter kleine Lügen ist Kate Kemps erster Roman – und der kann sich wirklich sehen lassen!
Die australische Autorin ist ausgebildete Psychotherapeutin und konnte mit ihrem Schreiben schon einige Auszeichnungen erlangen, darunter den Stylist Prize for Feminine Fiction und den Yeovil Literary Prize.
Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann und den Kindern in Großbritannien.