Schonungslos, detailreich und fesselnd – Bestsellerautor Jeffrey Deaver macht seinem Namen in Schule des Schweigens alle Ehre und überzeugt uns auch Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung mit seinen Charakteren und Twists.
Eine Information vorab
Die englische Originalausgabe von Schule des Schweigens erschien erstmals 1995 als A Maiden’s Grave bei Viking, New York. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich entspricht der Roman somit nicht unserer aktuellen Zeit, er ist ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht worden und enthält stellenweise diffamierende Sprache.
„Ein verlassenes Schlachthaus, ein Ort des Todes. Ein Ort, der hart und scharfkantig und gefährlich war.“
Schule des Schweigens – Worum es geht
Lou Handy und zwei weitere Häftlinge haben es nicht nur geschafft, einen Wärter zu ermorden und aus einem Bundesgefängnis in Südkansas auszubrechen, sie haben auf dem Weg auch noch ein Ehepaar ermordet und einen Schulbus voller Geiseln genommen.
Mit zwei Lehrerinnen und acht Schülerinnen einer Gehörlosenschule in der Gegend haben sie sich anschließend in einem verlassenen Schlachthaus verbarrikadiert und feilschen nun um ihre Freiheit.
Die Mädchen sind zwischen sieben und siebzehn Jahre alt, bis auf eine Lehrerin sind alle Geiseln taubstumm und nur wenige von ihnen können ein wenig von den Lippen ablesen. So wird eine ohnehin schon brenzlige Situation für alle Beteiligten zu einer noch größeren Herausforderung – und für uns Lesende zu einem packenden Thriller.
„Gespräche mit Geiselnehmern dienten nicht der Feststellung, wo im Handbuch für psychische Störungen sie einzuordnen waren, sondern sollten sie dazu bewegen, mit erhobenen Händen rauszukommen. Dazu brauchte man gesunden Menschenverstand, Konzentration, Intelligenz, Geduld (nun, darum bemühte Arthur Potter sich ehrlich), ein gesundes Selbstbewusstsein, Redegewandtheit, die selten war, und die noch seltenere Gabe, gut zuhören zu können.“
Die Charaktere – Ein kleiner Überblick
Jeffrey Deaver konfrontiert uns in Schule des Schweigens mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Charakteren. Es gelingt ihm enorm gut, uns stets den Überblick behalten zu lassen und jeder einzelnen Person die nötige Tiefe zu geben, damit sie für uns greifbar wird.
Arthur Potter hat Verhandlungsspezialist des FBI schon jede Menge Erfahrung in ähnlichen Situationen sammeln können. Wie er das Team zusammenstellt und auch wie der mit der Masse an Einsatzkräften, deren Befindlichkeiten und auch dem politischen sowie emotionalen Druck umgeht, ist grandios geschildert. Auch wenn zeitweise gar nicht wirklich viel passiert, spürt man die Spannung auf jeder einzelnen Seite und versucht sich gemeinsam mit Arthur in die Täter einzufühlen.
Dass genau das auch Gefahren bergen und die Verantwortung erdrückend sein kann, bekommen wir Lesenden fast wie am eigenen Leib zu spüren.
„Das ist der ideale Name für den Mann dort draußen, dachte Melanie, die genug Französisch konnte, um zu wissen, dass dieser Name »Degen« bedeutete. Ihr de l’Épée war tapfer.“
Melanie ist eine der beiden entführten Lehrerinnen, 25 Jahre alt und selbst taub wie ihre Schützlinge. Ihre Sicht auf die Situation im Schlachthaus war für uns mit die spannendste Perspektive in Schule des Schweigens. Ihre Charakterentwicklung im Verlauf der Geschichte ist eindrucksvoll und nachvollziehbar geschildert und hat uns bis zum Ende begeistert.
Die Geiselnehmer – von Melanie als Brutus, Marder und Bär bezeichnet – könnten unterschiedlicher kaum sein. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie kennen kein Erbarmen!
Während Brutus der geborene Anführer zu sein scheint, der einen Plan für alles hat, ist seine rechte Hand Marder sehr schwer einzuschätzen. Doch vielleicht am schlimmsten ist noch ihr Mann fürs Grobe, Bär, der die Mädchen mit Blicken ansieht, die man sich nicht vorstellen möchte.
Wenn ihr die Szenen aus dem Schlachthaus lest, müsst ihr wirklich ein starkes Nervenkostüm haben, denn diese Täter sind skrupellos und nicht zu bremsen.
„Es gibt Leute, die reden, und Leute, die schießen. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, und daran ändert sich nie etwas.“
Schule des Schweigens – unser Fazit
Jeffrey Deaver schildert diese Geiselnahme und die damit verbundenen Verhandlungen detailreich und hochinteressant.
Schonungslos und ungeschönt gibt er Einblicke in beide Seiten der Verhandlungen – und darüber hinaus.
Die unsichtbare Verbindung, die zwischen der Geisel Melanie und dem Ermittler Arthur zu entstehen scheint, gibt den zwei Perspektiven, die wir hier im ständigen Wechsel erleben, das gewisse Etwas – und dieser Kreis soll sich am Ende des Buches dann auch schließen.
Jeffrey Deaver beweist hier wieder aufs Neue, dass er sein Handwerk versteht und nicht nur gut zu unterhalten, sondern auch zu überraschen weiß.
Wenn ihr Schule des Schweigens lest, solltet ihr euch unbedingt auf eine Vielzahl von Charakteren einlassen und ungeschönte Bilder sowie die abwertende Sprache aushalten können.
Dieser umfangreiche Thriller wird bei vielen Fans des Genres für spannende Lesestunden sorgen können!
„Verhandler sind neutral. (Und es zerriss ihm fast das Herz, dass er den Abscheu, den er hätte empfinden müssen, nicht wirklich empfand. Dass ein kleiner Teil seines Ichs Handys Argumentation für vernünftig hielt.)“
Über Jeffrey Deaver
Jeffrey Deaver gilt seit Jahrzehnten als einer der besten Autoren des psychologischen Thrillers.
Der US-Amerikaner feiert große Erfolge auf der ganzen Welt, seine Werke werden in 25 Sprachen übersetzt und in 150 Ländern veröffentlicht. Auch die Film- und Serienadaptionen seiner Bücher sind Garanten für Hochspannung und gute Unterhaltung.
Zwei seiner bekanntesten Reihenhelden sind Lincoln Rhyme und Colter Shaw.
Weitere Bücher von Jeffrey Deaver zur Auswahl
Colter Shaw:
Lincoln Rhyme und Amelia Sachs: