Girlcrush bietet so viel mehr als nur die (sexuelle) Selbstfindung der bisexuellen Protagonistin Eartha. Der Roman ist eine auf die Spitze getriebene Gesellschaftskritik und regt – gerade vor dem Hintergrund der Autorin – zum Nachdenken an. Lest hier mehr!
Eartha lebt ihr Leben als Künstlerin in einer kleinen Wohnung gemeinsam mit ihrem Freund. Dass dieser sie nicht respektiert, ist ihr schon lange klar, doch als ein Seitensprung auffliegt, fasst sie endlich den Mut, ihn vor die Tür zu setzen.
Als ein Video, das ihr*e Freund*in Rose von Eartha aufnimmt, als sie betrunken sind, und welches Eartha anschließend selbst auf der beliebten Social-Media-Plattform Wonderland hochlädt, viral geht, ändert sich ihr Leben schlagartig. Eartha gesteht sich nicht nur ihre Bisexualität ein, sie erhält auch mehr Nachrichten und Anfragen als jemals zuvor.
Schon bald steht auch eine erfahrene Managerin vor der Tür und will Eartha dabei helfen, so richtig groß rauszukommen. Bezahlte Kooperationen und die Begeisterung zahlreicher Fans lassen unsere Protagonistin nicht lange überlegen: Der Deal wird eingetütet, die Offline-Künstlerinnen-Tätigkeit zu Gunsten der Onlinepräsenz erstmal auf Eis gelegt. Ihre neuen Aufgaben? Produkte promoten und sich öffentlich mit Männern anlegen.
Nichts leichter als das! Oder?
„Das Internet feiert es total, wenn man sich öffnet. Ich habe es inzwischen häufiger getan. Ich glaube, man kann süchtig danach werden, sein Innerstes nach außen zu kehren – wenn die Chance besteht, dafür belohnt zu werden.“
Die Themen Selbstbestimmung und Entdeckung der eigenen sexuellen Identität spielen in diesem Roman natürlich eine große Rolle. Doch das Ganze entwickelt sich rasch zu etwas noch viel Größerem: Aus einer einzelnen Privatperson wird auf einmal „Die Stimme einer Generation“ und eigene Entscheidungen können schon bald kaum noch getroffen werden.
In was für eine Spirale mensch schnell geraten und welche psychischen Auswirkungen ein solcher Lebenswandel haben können, treibt die Autorin hier auf die Spitze. Eartha entdeckt sowohl enorme Höhen als auch die Schattenseiten des Business. Jeder kleinste Fehler hat Auswirkungen, die sich kaum noch eindämmen lassen.
Die Rolle der Managerin E. V. ist von Anfang an ein wenig dubios. Wir Lesenden verstehen zwar Earthas Begeisterung, doch sind wir wie auch ihr*e Freund*in Rose natürlich direkt skeptisch. Selbstverständlich will E. V. ein Stück vom Kuchen abhaben und an Eartha verdienen, das ist in der Branche nun einmal so und daraus macht sie kein Geheimnis. Aber ist sie wirklich die fürsorgliche Mutterfigur, die sie vorgibt zu sein? Kann man in diesen Kreisen überhaupt so erfolgreich sein, wenn man Mitgefühl zeigt?
„Roses Meinung ist mir wichtig, aber E. V. ist seriös, sie hat einen schwarzen Haken und 500000 Follower*innen.“
Ohne zu spoilern, ist es schwierig, euch zu sagen, was uns an Girlcrush am besten gefallen hat. Aber so viel können wir verraten: Alles, was passiert, spitzt sich zum Ende hin immer weiter zu. Und das Ende selbst hat uns vollkommen überzeugt – wobei wir sicher sind, dass es polarisieren wird.
In Eartha als Protagonistin konnten wir uns oft sehr gut hineinversetzen, auch wenn ihre Naivität der Branche und ihren Aufgaben als Influencerin gegenüber uns gelegentlich zur Weißglut getrieben hat. Während es zu Beginn des Romans noch um sie als Mensch und ihre Begegnungen in der echten Welt geht, wandelt sich dies wie die Protagonistin selbst immer weiter in Richtung Online-Welt. Nicht nur für Eartha ist irgendwann nicht mehr ganz klar, was wahr ist und was nicht. Große Teile der Gesellschaft scheinen immer mehr ins Wonderland abzudriften und sich kaum noch für das Geschehen um sie herum zu interessieren.
Girlcrush ist ein Roman, der gleichermaßen aufweckt und nachdenklich stimmt. Dadurch, dass hier vieles auf die Spitze getrieben wird, wird erst recht zum Hinterfragen und Nachdenken angeregt. Könnte unsere Gesellschaft wirklich in ein paar Jahren so aussehen?
Wir sind auf jeden Fall begeistert und freuen uns, wenn ihr euch ein eigenes Bild von Florence Givens Romandebüt machen wollt.
„Ich versuche, das alles zu verarbeiten, und frage mich, ob ich ihr jetzt gestehen sollte, dass ich mich für das Video schäme. Dass ich mich mit meinem weitreichenden Einfluss nicht wohlfühle. Tausende Menschen hängen mir an den Lippen und ich weiß nicht, was ich ihnen erzählen soll; ich habe doch genauso viele Probleme wie sie.“
Über Florence Given
Nach ihrem Bestseller Frauen schulden dir gar nichts, überrascht Florence Given nun mit ihrem ersten Roman Girlcrush. Sie selbst ist mit ihrer großen Onlinepräsenz ein wahres Phänomen. Die Künstlerin überzeugt mit knalligen Illustrationen und feministischem Empowerment. Wie auch bei ihrer Protagonistin im Roman Girlcrush gehören bei Florence Given Sexualität, Gender und gesellschaftliche Ideale zu den vorherrschenden Themen.
Hier findet ihr Florence auf Instagram.