Nach dieser Lektüre werdet ihr Bienenschwärme mit ganz anderen Augen betrachten.
Die Honeys ist ein Jugendbuch voller Mystery und Horror mit einer der faszinierendsten Hauptfiguren, die wir in den letzten Jahren entdecken durften.
Am Tod von Mars' Schwester ist so ziemlich alles merkwürdig, was es nur sein kann.
Warum ist sie mitten im Sommer aus dem Feriencamp zurückgekommen? Wieso war sie schon das gesamte vorherige Jahr so komisch drauf? Achja und am wichtigsten: Warum zur Hölle hat sie versucht, ihren Zwilling Mars in dieser Nacht umzubringen?
Nachdem ein Arzt nach Carolines Tod einen Gehirntumor festgestellt hat, wird ihr seltsames Benehmen damit begründet und die Eltern verschleiern die Umstände ihres Todes.
Die Verletzungen, die Mars davongetragen hat, werden als Unfall abgetan.
Doch spätestens als Mars ein paar Mädchen aus dem Sommercamp bei der Beerdigung kennenlernt und ihr merkwürdiges Verhalten beobachtet, ist ihm klar, dass sehr viel mehr hinter dem Tod seiner Schwester stecken muss.
„Sie hat sich jedes Jahr auf Aspen gefreut, doch im letzten Jahr hatte sich etwas verändert. Sie wurde nervös und es wurde nur schlimmer, je näher der Sommer rückte. Caroline hatte das Gefühl, dass er etwas Schlimmes mit sich bringen würde. Sie sah Zeichen, die kein anderer von uns wahrnehmen konnte.“
Obwohl Mars das Sommercamp vor einigen Jahren nicht im Guten verlassen hat, steht für ihn fest, dass er nur dort den Umständen von Carolines Tod auf den Grund gehen kann. Er überredet seine Eltern, ihn für den Rest des Sommers an Carolines Stelle ins Camp ziehen zu lassen.
Für Mars bedeutet das jedoch jede Menge innere Kraft und vor allem auch äußere Anpassung. Schließlich ist seine Genderfluidität genau das, was in diesem klassisch binären Camp schon damals für jede Menge Ärger gesorgt hat.
So werden nun also Haare abrasiert, das Make-Up weggepackt, die Klamotten gegen eine steife Uniform getauscht und die Bärenhütte der Jungen bezogen. Beim Kampf der Geschlechter - Entschuldigung, das heißt ja inzwischen Duell der Dörfer - und bei den Freizeitaktivitäten wird natürlich darauf geachtet, mit wem Mars sich rumtreibt und wie er sich verhält.
Doch Mars wäre nicht Mars, wenn er sich nicht genügend von sich selbst bewahren würde, um für sich einzustehen.
Auch der Kontakt zu den Honeys, wie die Mädchen aus Hütte H genannt werden, intensiviert sich schnell. Genau das braucht es, um Carolines Tod auf den Grund zu gehen.
„Aspen ist eins der ältesten und exklusivsten Camps des Landes. Das Camp selbst gilt als nationales Kulturdenkmal, so wertvoll für die Geschichte unseres Landes, dass es gesetzlich geschützt ist und von einem Konsortium verwaltet werden muss, was immer das ist. Und hier sitzen wir nun inmitten all dieser wilden Erhabenheit, dieses imposanten Erbes, essen Nudelsalat und täuschen Bescheidenheit vor.“
Mars ist ein fabelhafter Hauptcharakter. Egal wie sehr er sich anpassen muss, er bleibt sich stets selbst treu und steht für das ein, was wichtig und richtig ist - ganz egal, welch negative Konsequenzen das manchmal für ihn hat. Sein bissiger Humor und seine Prinzipientreue haben uns beim Lesen von Die Honeys immer wieder begeistern können.
Eine zarte Liebesgeschichte rundet die Geschichte hervorragend ab, ohne je zu präsent zu werden.
„Aber dann, über vierzehn, tut sich die Kluft zwischen den Geschlechtergemeinschaften auf. Jungs werden Jäger, Mädchen Amazonen. Und die dazwischen?
Auf der Karte liegen meilenweite unheimliche, undurchdringliche Wälder dazwischen.
»Wie passend«, murmele ich.“
Es ist spannend zu beobachten, auf welche Widerstände Mars wie erwartet im Camp stößt, aber auch zu sehen, dass entgegen seiner Annahme, dass hier alles nur aus der verteufelten Binärität besteht, ihm auch durchaus offen entgegengetreten wird.
Vor allem die Honeys bieten Mars einen Ort, an dem er er selbst sein, seiner Schwester gedenken und sich zugehörig und aufgehoben fühlen kann.
Doch gerade in dieser Geborgenheit liegt vielleicht auch die wahre Gefahr.
„Wenn jemand stirbt, wird die Vergangenheitsform zum Feind, obwohl die Vergangenheitsform alles ist, was einem bleibt, und es fühlt sich so an, als wüsste sie das ebenfalls.“
Dieser Mystery-Thriller ist wahrlich einzigartig im Young oder auch New Adult Genre und begeistert uns neben seiner Komplexität vor allem mit den gut ausgestalteten Horrorelementen und dem großartigen Protagonisten.
„Über allem thront auf einem geschwungenen Spruchband Aspens Slogan. Ich lese ihn laut vor.
»Wir kamen als Einzelne und gingen als viele. Wir kamen mit nichts und gingen mit allem.«“
Die Honeys entführt uns Seite für Seite immer mehr in die Komplexität und die Hintergründe von Carolines Tod, den Mädchen in Hütte H und des Sommercamps.
Wie die Menschen mit den Bienen und dem Honig in Einklang zu bringen sind, wie es möglich sein kann, dass sich nicht nur Mars' Erinnerungen, sondern scheinbar auch die aller anderen Campteilnehmenden beeinflussen lassen und warum immer wieder Personen verschwinden, müsst ihr nun selbst rausfinden!
„Diese Wälder fühlen sich vollkommen entlegen an. Dieses Nirgendwo fühlt sich endlos an und das ist gleichzeitig beängstigend und befreiend.“
Über Ryan La Sala
In den USA hat Ryan La Sala sich längst einen Namen gemacht, umso begeisterter sind wir, dass der mit Die Honeys nun hoffentlich auch den deutschsprachigen Markt im Sturm erobern wird.
An dieser Stelle müssen wir einfach einen Satz von seiner Homepage zitieren, denn besser können wir es ohnehin nicht in Worte fassen:
„He studied Anthropology and Neuroscience at Northeastern University in Boston, but then he grew out of his sciency phase, got serious, and started writing books about drag queen sorceresses and costume contests.“
(Er hat Anthropologie und Neurowissenschaften an der Northeastern University in Boston studiert, aber dann ist er aus seiner wissenschaftlichen Phase herausgewachsen, wurde ernsthaft und begann, Bücher über Dragqueen-Zauberinnen und Kostümwettbewerbe zu schreiben.)
„Die erzählte Geschichte verdrängt das gelebte Leben.“