Über die Vorfälle des Tages uns unterhaltend, saßen wir, eine größere Zahl guter Freunde und Genossen, beisammen, als einer nachstehende Zeitungsnotiz zu lesen begann:
„In einem Dorfe fand die Hochzeit der Tochter des Popen statt, wobei es sehr hoch herging und, wie üblich, recht viel getrunken wurde, so daß sich alle, ländlich, sittlich, nach dortiger Bauernart sehr gut unterhielten.
Unter den Gästen befand sich auch der Diakon, der sich als Freund und Liebhaber choreographischer Künste zeigte, weshalb er es unternahm, den Festtag mit „festlichen Reimen“ zu feiern und schließlich, um auch seinen Teil zur Unterhaltung der Gäste beizutragen, anfing, den „Trepak“[2] zu treten, wodurch alle Anwesenden in das höchste Entzücken gerieten.
Nur der Vikariatsvorstand (Kircheninspektor), welcher als Gast anwesend war, fand das Vorgehen des Diakons als mit der geistlichen Würde unvereinbar, höchst unzeitgemäß, und erstattete diensteifrig eine Anzeige an den Erzbischof.
Erzbischof Ignatius schrieb, nachdem er die Klage des Vikarius gelesen, unter dieselbe folgende Resolution:
Diakon N. den Trepak trat.
Trepak hat aber nicht geklagt.
Warum der Inspektor klagt?
Sei er zu rufen und deswegen gefragt.
Die Sache endete damit, daß der Inspektor im Winter, etwa anderthalb hundert Werst zu fahren und nicht wenig Geld zu verausgaben hatte, um mit der Bemerkung nach Hause geschickt zu werden, „es wäre jedenfalls angezeigter gewesen, den Diakonus an Ort und Stelle sofort auf das unpassende und unanständige seiner Handlungsweise aufmerksam zu machen, statt Klage zu führen, wegen eines und dabei noch ausnahmsweise vorgekommenen Falles.“
Nach Beendigung der Vorlesung waren alle darüber einig, daß die Resolution des Erzbischofes nicht nur originell, sondern auch zeitgemäß war, doch einer unter uns, welcher besonders viel in Verbindung mit Geistlichen stand, und dem das Leben derselben, sowie viele auf dasselbe bezughabenden Anekdoten bekannt waren, meinte:
Wahr ist wahr, der Inspektor hatte keinen Grund gehabt zu klagen und Angeberei zu treiben wegen eines ausnahmsweise vorgekommenen Falles; aber ein Fall ist nicht gleich dem anderen, und das, was ich eben hörte, erinnert mich an einen anderen Fall, in welchem der Vikarius seinem Erzbischof eine viel schwierigere Aufgabe zu lösen gab, die jedoch der letztere zur Zufriedenheit aller Beteiligten, den Vikarius ausgenommen, löste.
Wir baten unseren Freund uns diesen Vorfall zu erzählen, wozu er sich bereit erklärte; er begann:
Die Geschichte, welche ich euerem Wunsche entsprechend erzählen werde, ereignete sich in den ersten Jahren der Regierung des Kaisers Nikolaus Pawlovič und endete knapp vor dem Tode desselben, also gerade zu einer Zeit, wo wir die größten Mißerfolge in der Krim zu überstehen hatten.
Die zu jener Zeit herrschenden politischen und militärischen Vorfälle hatten alles andere zurückgedrängt und so ging mancher Fall unbeachtet verloren, welcher unter anderen Verhältnissen allgemeines Interesse erregt hätte, aber einer von diesen bewahrt sich doch im Gedächtnisse einiger weniger Personen, vor deren Augen derselbe vor sich ging oder die an demselben direkt oder indirekt beteiligt waren.
Mancher dieser Vorfälle gehört bereits der Sage an.
Der Fall jedoch, den ich Euch erzählen werde, ist noch nicht aus dem Gedächtnisse einzelner Personen verschwunden, denn die meisten in dieser wahren Geschichte handelnden Personen leben noch heutigen Tages, und ihr werdet es deshalb für ganz richtig und angezeigt halten, wenn ich den Orten und Personen, außer der Hauptperson, erdachte Namen gebe.
Im allgemeinen will ich nur soviel sagen, daß diese Geschichte in Süd-Rußland, unter Klein-Russen, vor sich ging und der „ungetaufte Pope“ Sava, ein seelenherzensguter, allgemein beliebter, ja von seiner Gemeinde geradezu vergötterter Mann, noch heute frisch und heiter, wenn auch bereits hochbetagt, lebt und seinen Pfarrbezirk nicht nur zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, sondern auch seiner Pfarrkinder verwaltet.
[2] Trepak, eine Art Fußblatteltanz.
Also: — in einem der Dörfer im südlichen Rußland, welchem wir, meinetwegen, den Namen Paripsami beilegen wollen, lebte der reiche Kasak Zacharovič, mit dem Rufnamen Dukač.
Er war zur Zeit, als meine Erzählung beginnt, bereits nicht mehr jung, aber sehr reich, kinderlos, rauh und hartherzig.
Wucherer, im eigentlichen Sinne des Wortes, war er nicht, auch kein Schinder, wie man sie unter Altrussen oft findet, denn derartiges kam zu jener Zeit in Südrussland nicht vor, aber er war, was man so nennt, ein zänkischer, hochmütiger, grober, rücksichtsloser Mensch, den alle fürchteten, sich, sowie sie ihn sahen, bekreuzten, und ihm, wenn es tunlich war, aus dem Wege gingen, denn kamen sie demselben ungelegen, dann gab es böse Worte, ja nicht selten sogar Prügel.
Sein eigentlicher Name war den wenigsten im Dorfe bekannt, was ja überhaupt in Dörfern gar nicht so selten vorkommt, aber alle nannten ihn Dukač, wodurch alle seine unangenehmen Eigenschaften zum Ausdruck gelangten.
Dieser mehr oder weniger beleidigende Spitzname konnte auf eine Verweichlichung seines Charakters wenig Einfluß ausüben; im Gegenteil, er wurde dadurch noch mehr aufgeregt und ärgerlich und nicht selten in einen solchen Zustand von Aufregung gebracht, daß der sonst von der Natur aus ganz gescheite Mann, der sich auch sonst zu beherrschen verstand, alle Überlegung verlor und sich auf die Menschen wie ein wütender Wolf warf.
Kinder brauchten ihn wohl nur von weitem zu erblicken, als sie unter dem Rufe: „Der Dukač kommt, der Dukač kommt!“ auseinander liefen, wie die Sperlinge bei einem Schusse: gelang es dem Dukač aber eines der Kinder unverhofft zu erjagen, dann schlug er dasselbe mit seinem langen Stocke, ohne welchen kein richtiger Kasak sein Haus verläßt, recht derb und empfindlich; hatte er aber den Stock nicht gerade zur Hand, dann brach er einen Ast vom ersten besten Baume, der ihm zu vorerwähntem Zwecke diente.
Den Dukač fürchteten alle, nicht allein Kinder, sondern auch die Erwachsenen, weshalb ihm jedermann auswich und trachtete dem Dukač nicht begegnen zu müssen.
Das war ein Mensch, den niemand liebte, dem niemand gutes wünschte, weder ins Gesicht noch hinter seinem Rücken, denn alle waren darüber einig und davon überzeugt, der Himmel zögere nur den streitsüchtigen Kasaken zu strafen bis zur gelegenen Zeit, sie selbst aber wären alle bereit diese Strafe mit dem größten Vergnügen zu besorgen, aber gerade den Leuten wie zum Trotze, verfolgte geradezu das Glück den Dukač.
Es glückte alles, was er unternahm — es lief ihm so zu sagen alles in die Hände; die schon überhaupt zahlreichen Heerden seiner Schafe vermehrten sich wie die Heerden Labans unter Jakob, so daß die in der Nähe liegende Steppe bereits zu klein für sie sich erwies.
Die langgehörnten schweren Zugochsen Dukač’s vermehrten sich, wuchsen und zogen hundert neue, mit Getreide, Wolle und anderen Produkten und Waren beladene Wagen nach Moskau, Nešin, Odessa oder geradezu noch weiter in die Krim; die Bienenstöcke im Lindenwald, vor Wind und Wetter geschützt, zählten nach hunderten.
Mit einem Wort: der Reichtum des Dukač war nach den Begriffen und der Ansicht der dortigen Kasaken ein — — — unermeßlicher.
Aus welchem Grunde gab ihm das alles Gott?
Die Leute konnten sich dieses nicht erklären, sie wunderten sich, schüttelten mit den Köpfen und trösteten sich damit, daß all’ dieser Reichtum, all’ dieses Glück, dieser Überfluß dem Dukač nicht zum Vorteile gereiche, daß Gott den Dukač nur in Versuchung führe, damit dieser noch stolzer werde als er es bereits ist, um ihn dann ungeahnt, plötzlich von seiner Höhe herabzustürzen mit einem solchen Krach, daß derselbe weit und breit hörbar sein werde.
Ungeduldig bereits geworden, erwarteten diese guten Leute das schreckliche Gericht; aber die Jahre folgten eines nach dem anderen, ohne daß die Strafe Gottes zur Äußerung gekommen wäre.
Der Kasak wurde von Jahr zu Jahr reicher und reicher, hochmütiger, anmaßender, ja bösartiger, und es gab keine Anzeichen noch Hoffnung, daß seinem Übermut, seiner Rohheit ein Damm gesetzt werden würde.
Das beunruhigte nicht nur die nächsten Nachbaren Dukač’s, sondern auch die Gemeinde und die ganze Umgebung, und regte dieselbe auf, um so mehr, als man nicht sagen konnte, daß die Sünden des Vaters sich an den Kindern desselben rächen würden, denn Dukač war — — kinderlos.
Aber unerwartet zog sich die Dukačin von den Leuten zurück — sie zeigte sich wenig, wurde schüchtern und zurückhaltend — hörte auf sogar vor’s Haus zu gehen oder Besuche zu machen; — in nicht gar zu langer Zeit verbreitete sich das Gerücht und wurde weitergetragen, die Dukačin befände sich in jenem Zustande, den man bei den Frauen den interessanten zu nennen pflege.
Die guten Leute und Nachbaren erschraken geradezu über diese fast unglaublich scheinende Neuigkeit; die Zungen lösten sich jedoch bald, die durch fruchtlose Erwartung bereits ermüdete öffentliche Meinung fing an sich auf ein großes Ereignis vorzubereiten.
„Was wird das für ein Kind werden? — was wird das für ein Teufelskind sein? ... Es wäre besser, es ginge im Mutterleibe zu Grunde, ehe es das Licht der Welt erblickt!“
Solche und ähnliche Wünsche hegte die Gemeinde und Umgebung. Alle erwarteten mit Ungeduld die Zeit der Geburt, bis auch diese eintrat. In einer bitterböskalten Dezembernacht gebar unter dem Dache des großen Bauerhauses unter großen Schmerzen die Dukačin ein kleines Kindlein!
Das neugeborene Weltenkind war ein Knabe, keine tierähnliche Mißgeburt, wie es die guten Leute erwarteten und wünschten, sondern ein ganz reinliches Kindlein mit weißer weicher Haut, schwarzen Haaren und schönen, großen, blauen Augen.
Als die Hebamme Kerasivna diese Neuigkeit den vor dem Hause angesammelten Leuten mitteilte und eidlich bestätigte, der Neugeborene besäße weder Hörner am Kopfe noch einen Pferdefuß oder gar ein Schwänzchen, da fehlte es nicht viel und sie wäre durchgeprügelt worden; angespuckt hat man sie doch.
Und trotz alledem blieb der Knabe was er war, ein schönes Kind, und dabei außergewöhnlich ruhig: er atmete ganz leise, so daß es kaum bemerkbar war, als schämte er sich zu schreien.
Als Gott dieses Knäblein dem Dukač schenkte, stand derselbe bereits nahe den Fünfzigen.
Bejahrten Leuten, namentlich solchen, welche über einen gewissen Wohlstand oder Reichtum verfügen, bereitet die Geburt eines Nachfolgers eine ganz besondere Freude.
Selbst Dukač freute sich sehr der Geburt seines Sohnes, aber seine Freude äußerte sich, wie es ja bei seinem rauhen Charakter nicht anders sein konnte, in eigener Art.
Vor allen anderen ließ er den bei ihm lebenden vermögenslosen Verwandten Agap zu sich rufen und teilte ihm mit, daß er von nun an sich keine Hoffnung machen dürfe, ihn — den Dukač — beerben zu können, um so mehr, als ihm Gott einen wirklichen Erben geschenkt habe; dann befahl er ihm so rasch wie möglich seinen Sonntagsstaat anzuziehen, die neue Mütze aufzusetzen und so, wie es Tag wird, den hier zu Besuch weilenden jungen Gerichtsbeamten und die Frau des Popen aufzusuchen und sie als Taufpaten für das neugeborene Kind einzuladen.
Agap war nicht mehr jung, nahezu an vierzig, furchtsam, er sah mehr einem Huhn mit beschädigtem Kopfe ähnlich, was davon herrührte, daß ihm ein großer Flecken Haare am Kopfe fehlte, wodurch eine lächerliche Kahlheit entstand; ein Zeichen von Dukačs starker Hand.
Agap verlor die Eltern noch im Kindesalter und wurde von Dukač angenommen; zu der Zeit war Agap ein aufgeweckter lebhafter, fast übermütig ausgelassener Knabe, der seinem Onkel nur Nutzen brachte, denn er konnte lesen und schreiben, was Dukač nicht konnte.
In den ersten Jahren pflegte Dukač den Agap mit Fuhren nach Odessa zu schicken.
Als Agap einmal von einer solchen Odessaer Reise zurückkehrte, die Abrechnung pflegte und in der Rechnung den Ankauf einer neuen Mütze auswies, da wurde Dukač darüber, daß Agap, ohne seine Einwilligung eingeholt zu haben, eine Ausgabe machte, so wild, daß er den Agap über Kopf und Nacken so heftig schlug, daß dieser sehr lange nicht nur Schmerzen litt, sondern auch seit dieser Zeit den Kopf nach einer Seite geneigt trug; die Mütze nahm Dukač dem Agap ab, hängte sie auf einen Nagel in der Stube auf, bis sie die Motten zerfraßen.
Der schiefhalsig gewordene Agap ging ein ganzes Jahr lang ohne Mütze herum; alle Leute lachten ihn deswegen aus.
Während des Verlaufes dieses Jahres weinte Agap sehr oft und sehr lange; er hatte Zeit genug darüber nachzudenken, wie er sich in der Folge in einem solchen Falle zu benehmen hätte.
Durch die rohe Behandlung seines Onkels ist Agap selbst stumpf geworden; die Leute rieten ihm seinen Verwandten zu betrügen, aber dieser Betrug müsse so politisch sein, daß er, Agap, eine Mütze hätte, ohne daß Dukač dahinter kommen könnte, in welcher Art und Weise er, Agap, sich das Geld zum Ankauf verschafft habe, dieses sei jedoch nur dann möglich, wenn er, Agap, das für die Mütze verausgabte Geld in kleinen Beträgen auf die anderen Ausgaben verteile.
Sodann müsse er, Agap, behufs Sicherung, für alle Fälle, sich Hals und Nacken recht dick mit Tuch umwickeln, sobald er mit seinem Onkel Dukač die Abrechnung pflegen wird, denn wenn ihn dann Dukač schlagen sollte, so wird er, Agap, wenigstens keine Schmerzen empfinden.
Agap hat sich diese und ähnliche Ratschläge recht wohl gemerkt und als ihn Onkel Dukač das nächste Jahr wiederum nach Nižnij[3] schickte, da kam Agap, der ohne Mütze vom Hause wegging, mit neuer Mütze zurück, die jedoch in der Rechnung nicht angeschrieben stand.
Dukač bemerkte gar nicht, daß Agap eine Mütze besitze, ja er belobte sogar seinen Neffen Agap und bemerkte, daß er diesesmal keine Ursache habe, ihn durchzuprügeln; die Angelegenheit wäre ganz friedlich verlaufen, wenn dem Agap der Teufel nicht geraten hätte dem Onkel zu zeigen, wie er „politisch“ sein und der Redlichkeit ein Schnippchen schlagen könne.
Vorerst jedoch betastete er vorsichtig Hals und Nacken, ob auch die Handtücher, die er vorsichtshalber umgewickelt hatte, fest säßen, und erst dann meinte Agap:
„Ah! Onkel! ... gut ... gut ... für nichts zu schlagen nötig! ... Redlichkeit gibt es doch auf der Welt.“
„Was für Redlichkeit?“
„Was für Redlichkeit? ... Schaut her, Onkel,“ und er tippte mit dem Finger auf das Papier, auf welchem die Rechnung geschrieben war, „gibt es hier eine Mütze?“
„Nein, ist nicht,“ gab Dukač zur Antwort.
„Und ist die Mütze drin,“ belobte sich Agap selbst und setze diese schief aufs Ohr.
Dukač sah auf und sagte:
„Wirklich eine schöne Mütze — geb’ sie doch ’mal her, ich will sie anprobieren.“
Er setzte die Mütze auf und ging zu dem Spiegelscherben, welcher in einen Holzspan eingeklemmt war, schüttelte seinen grauen Kopf und meinte:
„Gewiß, eine sehr schöne Mütze, die ich selbst tragen werde.“
„Sie steht Euch sehr gut zu Gesichte, Onkel.“
„Ja, wo hast Du, Lump, die Mütze gestohlen?“
„Was Euch nicht einfällt, Onkel, ich stehle nie,“ gab Agap zur Antwort, „Gott soll mich bewahren, ich, und stehlen!“
„Also, woher hast Du die Mütze?“
Agap meinte, gestohlen habe er sie nicht, aber durch Politik sei er in den Besitz derselben gekommen.
Dem Dukač erschien dies alles so außerordentlich lächerlich und unglaublich, daß er tatsächlich zu lachen anfing und meinte:
„Ist es Dir nicht schwer vorgekommen Politik zu treiben?“
„Weshalb?“
„Also red’, wie hast Du das angestellt?“
„Politisch.“
Dukač drohte dem Agap mit dem Finger; doch dieser blieb bei seiner Behauptung die Mütze politisch erworben zu haben.
„Welcher Teufel hat Dir eingeredet, politisch zu sein?“ frug Dukač weiter, „wie kann es möglich sein, daß ein so dummer Junge, wie Du es bist, in Nižnij Politik treiben kann?“
Doch Agap blieb fest bei seiner Behauptung stehen.
Dukač befahl schließlich dem Agap sich zu setzen und ihm haarklein zu erzählen, in welcher Art und Weise er Politik getrieben habe. Dukač selbst goß sich einen kleinen Topf Pflaumenbranntwein ein, brannte seine Pfeife an und richtete sich gemächlich zu längerem Zuhören ein.
Doch die Erzählung war kurz.
Agap las nochmals die sämtlichen Posten der Rechnung vor, und meinte dann:
„Gibt es hier eine Mütze?“
„Nein, nicht,“ gab Dukač zur Antwort.
„Und sie ist doch drin!“
Und nun beichtete er, wo und in welchen Posten und wie viel bei jedem zugerechnet worden ist, und dieses alles erzählte er mit einer solchen Offenheit und Freude, als er sicher war, daß ein Überfall seines Onkels ihm keine großen Schmerzen bereiten könne, denn sein Hals und Nacken waren ja mit vielen Lagen von Handtüchern dicht umwickelt; aber es ereignete sich etwas anderes, ganz unerwartetes, unerwünschtes, worauf Agap ganz unvorbereitet war.
Anstatt seinen Verwandten zu prügeln, meinte Dukač:
„Sieh’! sieh’! wirklich, Du bist sehr politisch vorgegangen und hast die Ausgabe für die Mütze so gut verheimlicht, daß es mir nicht wehe tuet, ich aber werde Dich eine andere Politik lehren,“ und aufspringend riß er dem Agap nicht nur eine Handvoll Haare vom Kopfe, sondern auch gleichzeitig das Stück Haut mit, so daß an dieser Stelle seit dieser Zeit auch keine Haare mehr gewachsen sind.
In dieser Weise endete das politische Spiel des Neffen mit dem Onkel, und als dieser Vorfall im Dorfe bekannt wurde, da wuchs das Ansehen des Dukač noch mehr, als man zu der Überzeugung kam, daß man dem Dukač weder durch List noch Gradheit beikommen oder ihn betrügen könne.
[3] Nižnij Novgorod.
Dukač blieb stets allen seinen Nachbaren fremd, er besuchte Niemanden und Niemand hatte den Wunsch mit ihm bekannt zu werden oder nähere Freundschaft zu schließen.
Dieses Verhältnis ließ Dukač kalt und völlig gleichgültig, es berührte ihn viel zu wenig, um sich darüber zu grämen.
Man muß sogar annehmen, daß ihm diese Absonderung sehr angenehm war, wenigstens hatte er, bei passender Gelegenheit, sich dahin geäußert, daß er, so lange er lebe, vor Niemandem sich gebeugt oder um etwas gebeten hätte und er hoffe, daß dies auch weiters der Fall sein werde.
Und weshalb sollte er Jemandes Wohlwollen suchen und wünschen?
Ochsen und anderen Gutes besaß er im Überflusse, und wenn ihn Gott dadurch strafen sollte, daß alle seine Ochsen verseuchen oder sein Haus abbrennen würde — so besaß er noch Land, Feld, Wiesen und Steppe — mehr als ihm nötig, die stets, wie es sich für einen tüchtigen Landwirt gebührt, in Ordnung gehalten und bearbeitet wurden, so daß sie, wenn nicht dieses, so doch die nächsten Jahre einen guten Ertrag geben würden, er war deshalb gegen alle Verluste gesichert.
Aber nicht genug daran, denn selbst dann, wenn sein Haus abbrennen, sein Vieh fallen, seine Felder nichts tragen sollten, so gab es im Walde eine Eiche, die dem Dukač nur allein bekannt war, unter deren Wurzeln, in der Erde vergraben ein nicht zu kleines Töpfchen sich befand, daß bis oben voll mit schönen gelben, großen runden Goldfüchsen gefüllt war, hinreichend genug, lange ein völlig sorgenloses Leben führen zu können.
Was waren ihm deshalb alle anderen Leute?
Um daß er deren Kinder aus der Taufe hebe?
Er selbst war kinderlos — oder sollte er seiner Frau zu Liebe Bekanntschaften und Freundschaften schließen, deshalb, weil sie ihm, nach Frauen Art, täglich die Frage stellte:
„Warum meiden uns die Leute? — warum ziehen sie sich von uns zurück und weichen uns aus? Warum tuen sie uns alles mißgönnen? — Glaubst Du nicht, daß es notwendig wäre, etwas zu tun, damit uns die Leute ein klein wenig entgegen und näher kommen?“
Doch ein richtiger Kasak nimmt auf derartige Äußerungen und Wünsche einer Frau gar keine Rücksicht und schenkt ihnen keine Beachtung.
Und so verlief ein Jahr nach dem anderen; Dukač lebte sorgenlos, ohne jede Unannehmlichkeit, ohne jedes Unglück oder einen jener unangenehmen Vorfälle, welche selbst die reichsten, unabhängigsten und stolzesten Menschen nicht selten zwingen, unwillkürlich die Hilfe oder Gefälligkeiten anderer Menschen in Anspruch nehmen zu müssen, sie sogar zu bitten, sich vor ihnen zu beugen, ja sogar zu demütigen.
Jetzt trat ein derartiger Zeitpunkt ein, denn Leute waren dem Dukač nötig, welche sein Kind aus der Taufe heben sollten.
Jedem anderen Menschen hätte ein derartiger Fall keine Schwierigkeiten bereitet. Dukač war aber stolz und es war ihm unbequem und unangenehm, selbst zu gehen und jemanden um die Gefälligkeit zu bitten, Pate bei seinem Sohne sein zu wollen.
Die Personen, welche Dukač nötig waren, zählten nicht zu den ersten besten im Dorfe, im Gegenteil es war dies die junge, putzsüchtige Frau des Dorfgeistlichen, welche sich Hüte stets aus Poltava verschrieb, und ein junger Gerichtsbeamte aus der Stadt, welcher gerade beim Diakon zu Gaste war.
Das waren unbestritten die ersten Personen, die Intelligenz im Dorfe, aber was zu befürchten war: daß diese Personen ablehnen, was dann?
Erst jetzt leuchtete dem Dukač ein, daß er übel daran getan habe, sich nicht nur mit dem Volke, sondern auch mit der Intelligenz zu verfeinden, und daß es noch nicht lange her ist, wo er mit Vater Jakob und dem Diakon auf dem Damm nicht gerade ein freundschaftliches Gespräch in gewählten Worten führte, als ihm diese, und er ihnen, nicht ausweichen wollten.
Und weder der Pop noch der Diakon vergaßen die Rücksichtslosigkeit und Grobheit des Dukač, namentlich jetzt, zu einer Zeit, wo sie dem stolzen Kasaken sehr nötig waren.
Dukač blieb nichts andres übrig, als in den saueren Apfel zu beißen.
Aber er stellte dies schlau an; um einer persönlichen Absage zu entgehen, ließ er die Frau des Popen und den Gerichtsbeamten durch seinen Verwandten einladen.
Und damit diese Einladung einen Erfolg hätte, versorgte er den Agap mit Geschenken, wie es im Dorfe bei solchen Gelegenheiten üblich zu sein pflegt.
Aus der alten Erbkiste holte er für die junge Frau des Popen einen breiten Kamm aus Elfenbein; für den Beamten ein Trinkglas mit eingeschliffenem Hahn und einer deutschen Inschrift.
Aber dieses alles hatte keinen Erfolg gehabt.
Sowohl die Frau des Popen als der Beamte lehnten die Ehre Paten zu stehen bei Dukačs Kind ab, und nahmen die Geschenke nicht an, ja sie lachten sogar Agap aus, indem sie meinten, warum sich Dukač gar so viel Mühe nehme sie gerade zu Paten haben zu wollen, jedenfalls deshalb, weil sich wohl niemand anderer gefunden habe das Kind eines Betrügers und Wucherers aus der Taufe heben zu wollen.
Und als Agap sich erkühnte die Frage zu stellen, ob es wohl angeht, daß ein Kind eine Woche lang ungetauft bleiben könnte, da prophezeite Vater Jakob, daß das Kind nicht bloß eine Woche, sondern sein Leben lang ungetauft bleiben wird.
Als der alte Dukač diesen Bericht zur Kenntnis nahm, da ballte er seine Rechte zu einer Faust, hielt sie dem Agap unter die Nase und beauftragte ihn dem Popen ein gleiches für seine Prophezeihung zu zeigen; und um den Agap rasch aus der Stube zu entfernen, packte er ihn beim Kragen und warf ihn einfach zur Tür hinaus.
Dieses Hinauswerfen betrachtete Agap als einen ziemlich guten Ausgang seiner schwierigen Mission, und um seinem Onkel nicht unter die Augen oder einfacher gesagt, unter die Hände zu geraten, ging er ins Wirtshaus, wo er alles ausführlich erzählte, was vorgefallen ist, so daß im Verlaufe einer halben Stunde alle Bewohner des Dorfes wußten und sich auch darüber freuten, Vater Jakob hätte aus den Büchern herausgelesen, der Sohn des Dukač bleibe sein Leben lang — ungetauft.
Und wenn nun Dukač seinen Stolz überwunden hätte, und wenn er demütigst bittend von einem Nachbaren zum anderen gegangen wäre, alle würden ihm abgesagt haben.
Davon war Dukač vollständig überzeugt, es war ihm klar, daß er sich im Zustande des Wolfes befinde, welcher es mit allen verdarb, so daß er sich vor niemanden sehen lassen dürfte, und er auf keine Hilfe rechnen konnte, wo sie ihm am nötigsten gewesen wäre.
Doch er beschloß auch ohne Vater Jakob und ohne seine Nachbaren fertig zu werden.
Zum Ärger des ganzen Dorfes und möglicherweise zum allergrößten der Dorfgeistlichkeit beschloß Dukač das Kind in der Nachbargemeinde Peregudi, welche acht Werst von Paripsami entfernt lag, taufen zu lassen, und um die Sache bald zu beenden, sollte die Taufe sofort vor sich gehen, denn morgen schon sollte allen bekannt sein, der alte Dukač lasse als echter Kasak nicht über sich lachen, verstehe keinen Spaß und werde auch ohne Hilfe der Dorfbewohner fertig.
Taufpaten hatte er bereits gefunden und zwar den Agap und die Hebamme Kerasivna, Personen, auf die niemand auch in Gedanken verfiel.
Über diese Wahl konnten sich manche wundern oder auch nicht, wie man es eben nahm, denn Dukač lud „arme Leute als Paten“, begegnende, zufällige, wie sie Gott schickt — und der Aberglaube behauptet.
Agap war tatsächlich der erste, den der alte Kasak nach der Geburt seines Sohnes sprach, und Kerasivna die erste, die das Kind ansah, als es zur Welt kam, denn sie versah die Dienste einer Hebamme.
Es schien zwar etwas gewagt, die Kerasivna als Patin zu besitzen, sie besaß nicht den besten Ruf, denn sie galt für eine bekannte, ausgesprochene — Hexe — und daß sie ja eine echte wahre Hexe sei, davon waren nicht nur die Bewohner des Dorfes, sondern auch deren eigener Mann fest überzeugt, denn er widersprach dem Gerüchte nicht, noch verteidigte er seine Frau gegenüber solchen Anklagen.
Der Mann der Kerasivna, der Kasak Kerasenko, war ein energischer, sogar kühner Mann, der keine Furcht kannte, aber im höchsten Grade eifersüchtig war, und doch verschwand Energie, Kühnheit, Eifersucht unter dem Einflusse, welchen Kerasivna auf ihren Mann ausübte — er selbst wurde der ruhigste, stillste — Dummkopf, seiner Frau völlig untertan und nach ihrem Willen und Wunsche lebend, — wogegen sie sich der größten Freiheiten erfreute.
Kerasivna handelte mit Branntwein, Leinwand, mit verschiedenen Nahrungsmitteln, ja verkaufte sogar Heilmittel und Kräuter, aber das größte Einkommen zog sie aus ihrer Eigenschaft als Hebamme.
Wie ich schon sagte, im ganzen Dorfe und den Nachbargemeinden war Groß und Klein davon überzeugt, daß die Kerasivna eine Hexe sei, denn das wurde deutlich sichtbar aus einem eigentümlichen, ein wenig skandalösen Falle.
Solange Kerasivna noch nicht verheiratet war, da kannte sie jedermann als ein eigenwilliges, starrköpfiges Mädchen; sie wohnte in der Stadt und in ihrem Besitze befand sich ein Glas, in welchem ein kleines Teufelchen mit roten Hörnern und Zunge eingeschmolzen war.
Dieses Teufelchen erhielt die Kerasivna von einem adeligen Herrn aus Pokota, Rohačover Bezirkes, welcher solche in einer benachbarten Glashütte herstellte, zum Geschenke.
Kerasivna benützte das Glas zum Trinken und befand sich dabei sehr wohl.
Aber nicht genug daran, sie besaß den außergewöhnlich großen Mut den Kerasenko zu heiraten.
Das zu tun, vermochte nur ein Frauenzimmer, das selbst den Teufel nicht fürchtet, da es ja allgemein bekannt war, daß Kerasenko nicht nur durch seine Eifersucht, sondern auch durch seine Rohheit bereits zwei Frauen ins Grab brachte.
Als Kerasenko zum drittenmale heiraten wollte, da konnte er keine Frau finden, bis sich ihm diese verteufelte Kerasivna sogar selbst antrug, und ihn schließlich heiratete, jedoch nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er ihr stets alles glauben müsse, was sie ihm sage.
Darauf ging Kerasenko ein, aber in Gedanken meinte er, die Christa wäre ein viel zu dummes Frauenzimmer, wenn sie meint, daß er ihr alles glauben solle!
„Warte nur, bis du nur meine Frau werdest, ich werde dir auch den Mann zeigen, nach dessen Pfeife du tanzen solltest!
Keinen Schritt lasse ich dich allein machen.“
Jede andere als Christa hätte schon im voraus gewußt, was nach der Hochzeit folgen werde, doch dieses flinke und auch sonst ganz gescheite Frauenzimmer verdummte gerade zu: sie äußerte gar keine Furcht vor diesem rohesten und eifersüchtigsten der Männer, sie heiratete ihn, aber sie wandelte in kurzer Zeit ihren Mann so, daß er aufhörte roh und eifersüchtig zu sein und die Christa nach ihrem Willen und Wollen leben ließ.
Daß eine solche Charakterumwandlung nur mittels Hexerei vor sich gehen konnte, daß dabei sogar der leibhaftige Teufel selbst mithelfen mußte, davon war jedermann überzeugt, namentlich sah die Pidnebesnaja, eine Nachbarin der Kerasivna, den Teufel in menschlicher Gestalt selbst, wahr und wahrhaftig.
Und dies war nicht lange nach der Hochzeit des Kerasenko mit der tapferen Christy.
Seit dieser Zeit sind zehn Jahre verflossen, aber Kerasenko sind noch alle Einzelheiten des Vorfalles bis ins Kleinste bekannt und unvergessen, so genau, als wenn diese Teufelei sich erst gestern zugetragen hätte.
Es war im Winter, vor Weihnachten, an einem Feiertage, an welchem selbst der eifersüchtigste aller Kasaken zu Hause nicht sitzen geblieben wäre.
Kerasenko pflegte sonst nicht auszugehen, erlaubte auch nicht, daß seine junge Frau weibliche oder männliche Besuche empfange oder sonstige Bekanntschaften schließe, aus welchem Anlasse bereits ein heftiger Streit unter den Jungvermählten entstand, im Verlaufe dessen Christy ihrem Manne zurief:
„Nachdem Du Dein gegebenes Wort im Frieden und Guten nicht halten willst, werde ich es Dir schon im Bösen heimzahlen.“
„Und was wohl könntest Du mir übles antun?“ meinte lachend Kerasenko.
„Dich tot machen und in Stücke hauen.“
„Und wenn ich Dich stets bewachen werde?“
„Dann werde ich Dich krank machen.“
„Ei! ei! Du willst mich krank machen? — Du kannst wohl hexen?“
„Das wirst Du schon erfahren, ob ich hexen kann oder nicht: — ich sage Dir einfach — ja, ich bin eine Hexe.“
„Schön!“
„Ich werde es Dir schon beweisen; den ganzen Tag kannst Du um mich sein, mich bewachen, nicht einen Augenblick allein lassen, ich werde Dich doch klein bekommen.“
Ja, sie bestimmte sogar die Zeit, zu welcher dieses alles geschehen solle.
„Keine drei Tage werden vorübergehen und alles, was ich Dir gesagt, wird sich ereignen.“
Der Kasak sitzt einen Tag zu Hause ohne sich zu rühren, auch den zweiten, der dritte Tag geht zu Ende; es wird Abends, und der Kasak ist der festen Ansicht und Meinung, daß die Frist nun abgelaufen ist; — es ist — denkt er — doch gar zu langweilig zu Hause zu sitzen ... die Schenke der Pidnebesnaja steht gerade vor meiner Nase und meine Augen können von dort aus ganz genau sehen, ob jemand in meine Hütte geht ... Ich setze mich dort zum Fenster und kann in aller Ruhe zwei, auch drei Viertel Wodky trinken ... und hören, was die anderen erzählen und was es neues in der Stadt gibt ... ja sogar tanzen kann ich ... lustig sein ...