Deutsch/Englisch
Aus dem Amerikanischen von Nikolas Bertheau
Die amerikanische Originalausgabe „How to Develop a Personal Mission Statement“ erschien 2013 bei FranklinCovey Company.
Copyright © 2013 FranklinCovey Company
All rights reserved. No part of this work may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying and recording, or by any information storage or retrieval system.
FranklinCovey and the FC logo and trademarks are trademarks of FranklinCovey Co. and their use is by permission.
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar
ISBN 978-3-95623-210-7
Lektorat, Satz und Layout: Dr. Sandra Krebs, GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Covergestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de
Copyright © der Originalausgabe 2013 by FranklinCovey Co.
Copyright © 2015 by GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten, Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
www.gabal-verlag.de
www.franklincovey.de
www.franklincovey.ch
www.franklincovey.at
Ein persönliches Leitbild basiert auf dem zweiten der 7 Wege zur Effektivität, »schon am Anfang das Ende im Sinn haben«. Die einfachste Möglichkeit, im Leben schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben, besteht darin, ein Leitbild zu entwickeln, in dem wir festhalten, was wir unter charakterlichen Gesichtspunkten darstellen, was wir leisten und was wir zum Leben beitragen wollen. Ein Leitbild basiert auf selbst gewählten Werten und Prinzipien.
Victor Hugo soll gesagt haben: »Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist«. Ein Leitbild ist eine solche Idee. Nennen Sie es Credo, Philosophie oder persönliche Verfassung – auf die Bezeichnung kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass Vision und Werte stärker, bedeutsamer und einflussreicher sind als das Gepäck der Vergangenheit oder der Lärm der Gegenwart. Die Macht des persönlichen Leitbilds beruht auf unserer Vision und unserem Bekenntnis zu dieser Vision und zu unseren prinzipienbasierten Werten. An dieser Vision und an diesen Werten werden wir unsere Entscheidungen ausrichten; sie bestimmen unsere Weltsicht und geben unserer Zukunft eine Richtung.
Die bei Weitem wichtigste und am weitesten reichende Führungstätigkeit, die Sie jemals unternehmen werden, ist die Entwicklung eines persönlichen Leitbilds – sowie die anschließende Übertragung dieser Vision auf Ihre Familie.
Dieses Buch bietet eine einfache, kurze Anleitung, wie Sie Ihr persönliches Leitbild entwickeln.
Denken Sie an eine Flugreise. Schon bevor das Flugzeug abhebt, hat der Pilot ein klares Ziel, das hoffentlich mit dem Ihrigen übereinstimmt, und eine genaue Route im Kopf. Das Flugzeug hebt zur festgelegten Stunde ab und nimmt Kurs in Richtung auf das vorherbestimmte Ziel. In Wahrheit jedoch ist die Maschine mindestens 90 Prozent der Zeit nicht auf Kurs. Wetterbedingungen, Turbulenzen und andere Faktoren bringen sie ständig von der Route ab. Doch der Pilot erhält ununterbrochen Feedback, aufgrund dessen er Korrekturen vornimmt und die Maschine zurück auf Kurs und in den exakten Flugplan bringt. Und häufig landen Flugzeuge tatsächlich pünktlich.
Ist das nicht erstaunlich? Überlegen Sie einmal. Pünktlicher Start, pünktliche Landung. Aber 90 Prozent der Zeit nicht auf Kurs. Wenn Sie an dieses Bild von einem Flugzeug, einem Bestimmungsort und einem Flugplan denken, verstehen Sie auch den Sinn eines persönlichen Leitbilds. Es ist das Bild von dem Ort, an dem Sie schließlich ankommen wollen – Ihrem Bestimmungsort – und den Werten, nach denen Sie Ihr Leben führen wollen. Selbst wenn Ihre Familie oder Sie die meiste Zeit über nicht auf Kurs sind, verlieren Sie dennoch nicht Ihr Gespür für Ihre Hoffnung und Vision, und am Ende werden Sie Ihren Bestimmungsort erreichen. Sie werden mit Sicherheit ankommen, meistens sogar rechtzeitig. Das ist das ganze Geheimnis: immer wieder zurück auf Kurs gehen.
Diese Idee – dieses Prinzip –, schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben, beruht auf der Vorstellung, dass alle Dinge zwei Mal geschaffen werden: einmal im Kopf, als Gedanke, als gedankliche Schöpfung, und dann in der Realität, als leibhaftige Schöpfung.
Die gedankliche Schöpfung, der Flugplan, erzeugt die Hoffnung auf den Flug. Norman Cousins lehrte: »Die Fähigkeit zur Hoffnung ist der wichtigste Faktor im Leben überhaupt. Die Hoffnung vermittelt den Menschen einen Richtungssinn und verleiht ihnen die Kraft, zu handeln.« Ich möchte Ihnen gern zu Beginn dieses Prozesses vermitteln, dass die Entwicklung eines Leitbilds etwas ist, das Hoffnung und Mut macht sowie Freude und Glück beschert. Es ist eine Arbeit, die Spaß macht. Und es ist eine Arbeit, die mit Führungsqualitäten zu tun hat.
Aber über eine Sache sollten wir uns Gedanken machen. Es gibt auch das Gegenteil von einem Leitbild. Das Gegenteil davon, schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben: nämlich ein Anfang ohne ein Bild vom Ende. Ohne gedankliche Schöpfung. Ohne antizipierte Zukunft. Mit anderen Worten: ein Leben, das mit uns macht, was es will. Ein Leben, bei dem wir uns vom Strom der gesellschaftlichen Werte und Trends mitreißen lassen, ohne Kompass, ohne Karte, ohne Vision und ohne Richtung. Das ist in etwa so, wie wenn ein anderer unser Leitbild geschrieben hätte und wir gedankenlos einem Skript folgen würden, das man uns in die Hand drückt. In diesem Fall leben wir nicht; vielmehr werden wir gelebt.
Deshalb haben effektive Unternehmen und Sportteams stets einen Spielplan, eine Vision von Ihrem Bestimmungsort. Denken Sie sich den menschlichen Körper als ein wunderschönes Modell dieser Vorstellung. Die chromosomale DNA in jeder Körperzelle beinhaltet ein Leitbild von dem, was die Zelle und was der Körper insgesamt darstellt, wie beide funktionieren, wie sich alles zueinander verhält und was daraus einmal werden soll.
Es handelt sich hierbei um das Grundprinzip alles Natürlichen schlechthin – um das Prinzip, schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben. Alles basiert auf dem Prinzip, dass sämtliche Dinge zwei Mal geschaffen werden. Nehmen Sie also die erste, die gedankliche Schöpfung, bewusst in Angriff oder jemand oder etwas anderes wird es für Sie tun.
In diesem Fall leben wir nicht; vielmehr werden wir gelebt.
Einer der inspirierendsten Menschen, die ich kenne, ist Viktor Frankl, der österreichische Psychiater, der von den Nazis im Zweiten Weltkrieg ins Konzentrationslager deportiert wurde. Frankl war Wissenschaftler. Er war ungeheuer wissbegierig und kannte sich in wissenschaftlicher Methodik aus, und er interessierte sich für die Frage, was einige der Gefangenen befähigte, trotz der grausamen Behandlung in den Todeslagern zu überleben.
Er schaute sich die Überlebenden an und versuchte zu verstehen, was gerade diese Menschen befähigte, als einzige unter Hunderten und Tausenden zu überleben. War es Ihre physische Konstitution? Sie war, wie er feststellte, nicht ausschlaggebend. Waren es bestimmte Überlebenstaktiken? Nicht ausschlaggebend. War es Intelligenz? Nicht ausschlaggebend. Frankl prüfte jede denkbare Hypothese, bis er zu dem Schluss kam, dass nichts von alledem ausschlaggebend war.
Der entscheidende Faktor war ein ganz simpler: Die, die überlebten, hatten eine Vorstellung von der Zukunft, eine Sinnvorstellung, eine Idee, wozu das alles gut war. Und deshalb schrieb Frankl sein berühmtes Buch ... trotzdem Ja zum Leben sagen. Die Überlebenden waren Menschen, die die Vorstellung hatten, dass es für sie noch etwas zu tun gab. Und dieses Etwas war seiner Beschreibung nach etwas, das es nicht zu erfinden, sondern vielmehr zu entdecken galt.
Was will das Leben von mir? Wofür bin ich in dieser Situation zuständig? Wie könnte mein zukünftiger Beitrag aussehen? Das sind Fragen der Art, wie diese Menschen sie sich stellten und beantworteten, und in gewisser Weise erwuchsen ihnen daraus die Kraft und der Mut, sich diesen Aufgaben zu stellen. Und zu überleben.
Ich werde niemals die Sprache vergessen, die Frankl verwendete: »Unsere Wunden werden heilen.« Diese Idee von einer Zukunft löste in den Herzen und Körpern der Gefangenen die Heilungsmechanismen aus und stärkte das Immunsystem. Die Vorstellung, bei der Gestaltung einer besseren Zukunft mitzuwirken, vermittelte ihnen ein tiefes Gefühl der Hoffnung. Frankl zitierte Nietzsche: »Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie«
Frankl war der Ansicht, dass der Mensch von Natur aus drei Teile hat: Körper, Geist und Seele. Aber seine tiefste Überzeugung lautet, dass die meisten – obgleich nicht alle – Krankheiten in der Seele wurzeln. Im Gefühl der Bedeutungslosigkeit, der Leere, der Sinnlosigkeit, wenn da kein Lebensauftrag, keine Vision und keine Zukunft ist. Und dass diese Leere sich sodann auf den Geist und den Körper überträgt.
Deshalb sage ich hier, dass ein Leitbild unseren Fokus auf die Zukunft lenkt, Hoffnung schafft und dem Leben einen tiefen Sinn verleiht. Es ist wie bei dem Flugzeug, über das wir sprachen. Wir haben einen Bestimmungsort. Wir haben einen wichtigen, bedeutsamen Ort, zu dem es uns zieht. Und obwohl wir wissen, dass wir vermutlich 90 Prozent der Zeit nicht auf Kurs sein werden, haben wir Hoffnung. Wir kehren einfach immer wieder zum Kurs zurück.
Immer wieder.
Und wieder.
Und wieder.