Bachmann, Ingeborg Sämtliche Gedichte

PIPER

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Textgrundlage: Werke, Band 1, herausgegeben von Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster, Piper Verlag, München 1982, 3., verbesserte Auflage 1983.

Der Abdruck von »Ein Monolog des Fürsten Myschkin zu der Ballettpantomime ›der Idiot‹«, Musik von Hans Werner Henze, und von »Aira I« und »Aria II (freies Geleit)« aus Hans Werner Henzes »Nachtstücken und Arien« erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags B. Schott`s Söhne © Schott Musik International, Mainz.

ISBN 978-3-492-97280-2

November 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 1978

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Isolde Moser / Dr. Heinz Bachmann (Foto) sowieAusschnitte aus eigenhändigen Manuskripten von IngeborgBachmann mit Genehmigung der Erben und der Österreichischen Nationalbibliothek

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

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1‎ ‎Jugendgedichte

»Ich.«

[…]

2

Sklaverei ertrag ich nicht

Ich bin immer ich

Will mich irgend etwas beugen

Lieber breche ich.

Kommt des Schicksals Härte

oder Menschenmacht

Hier, so bin ich und so bleib ich

Und so bleib ich bis zur letzten Kraft.

Darum bin ich stets nur eines

Ich bin immer ich

Steige ich, so steig ich hoch

Falle ich, so fall ich ganz.

Bewegung des Herzens

Auswahl

Nach grauen Tagen

Eine einzige Stunde frei sein!

Frei, fern!

Wie Nachtlieder in den Sphären.

Und hoch fliegen über den Tagen

möchte ich

und das Vergessen suchen – – –

über das dunkle Wasser gehen

nach weißen Rosen,

meiner Seele Flügel geben

und, oh Gott, nichts wissen mehr

von der Bitterkeit langer Nächte,

in denen die Augen groß werden

vor namenloser Not.

Tränen liegen auf meinen Wangen

aus den Nächten des Irrsinns,

des Wahnes schöner Hoffnung,

dem Wunsch, Ketten zu brechen

und Licht zu trinken – – –

Eine einzige Stunde Licht schauen!

Eine einzige Stunde frei sein!

Aufblickend

Daß ich nach schalem Genusse,

Erniedrigt, bitter und lichtlos

Mich fasse und in mich greife,

Macht mich noch wert.

Ich bin ein Strom

Mit Wellen, die Ufer suchen,

Schattende Büsche im Sand,

Wärmende Strahlen von Sonne,

Wenn auch für einmal nur.

Mein Weg aber ist ohne Erbarmen.

Sein Fall drückt mich zum Meer.

Großes, herrliches Meer!

Ich weiß keinen Wunsch auf diesen,

Als strömend mich zu verschütten

In die unendlichste See.

Wie kann ein Begehren,

Süßere Ufer zu grüßen,

Gefangen mich halten,

Wenn ich vom letzten Sinne

Immer noch weiß!

Ich frage

Ich frage mich alle Stunden tausendmal,

Woher mir dieses Lastbewußtsein kam,

Dies dumpfe immer tiefer Schmerzen.

Ich habe alle Freude längst verloren,

Mich zu empfinden in den Mattigkeiten,

Ich bin gequält in meinem Weiterschreiten

Und bitter, daß ich mich nicht wehren kann.

Ich schüttel mich in himmelwärt’ger Schau,

Versuch mich in Genuß und Raserei.

Ich bin mit Gott und seiner Welt zerfallen

Und habe selbst im Knieen nie gefühlt,

Daß es den Demutfrieden gibt,

Den alle andern sich so leicht erdienen.

Ich muß doch Gottes sein, in allem Widerspruch.

Ihn so zu glauben, wie ich glauben muß,

Muß er notwendig mich aus seinem Strahle geben.

Wie bist du müde, Welt, die mich geboren,

Einzig bereit, mir Ketten aufzudrücken

Und, wo ich lodern kann und mich entzücken,

Mir deine Schatten fester einzugraben.

Im Sommer

Zwischen Schlaf und Träumen

In üppigen Wiesen

Wandert mein Blick auf

In die unendlichen Höhen.

Welch ein schäumendes Leben!

Wolke auf Wolke entschwebt

Wie die glühenden Stunden,

Die werden versinken

Mitten ins dunkle Weh

Des moorigen Teiches.

Nichts regt sich in mir,

Durch die sengende Hitze

Bin ich in Ruhe geworfen.

Tag folgt auf Tag.

Meine Augen sehen sie immer,

Die goldene Sonne.

Einmal wird sie bleiben,

Dort wo ein Schatten aufwölkt.

Bitterlich ist das Versäumen.

Schranken

Zündest du Lichter an

und große Feuer

mit weiten Scheinen

ohne Ende.

Wirfst du in schleiernden Rauch

züngelnde Fackeln,

streust du aus Augen und Herz,

was du besitzt.

Immer nur ist es Versuch,

tastender Weg,

immer dein Bild nur,

das du vom Lichte trägst.

Einem Winter entgegen …

I

Ich wollte nie so versinken

und ich will nicht glauben,

daß die heiligen Stunden,

die selbst im Trubel ich fand,

mich verließen wie launische Winde.

 

Ich werde wandern und suchen.

Und wenn ich einmal sie finde,

werde ich nie mehr lassen,

daß die leidigen Tage

mich fransen wie seidiges Tuch.

 

Ich hatte Einsamkeit und weine,

daß ich so leicht sie ließ,

dem sie kam zu geben.

Sicher kam sie zu geben,

während mich Schlaf umfing!

II

Schmerzend ist jede Nacht,

Wenn du den sterbenden Tag,

Gefesselt, ihn ganz zu erfüllen,

Still hast bedacht.

 

Klaffend ein tiefer Grund

Zwischen gewolltem Sein

Und seines schalen Erfüllens

Engendem Rund.

 

Wenn du im Traume auch

Oft schon umschlungen hast

Himmel und herrliche Höhen,

Bleibt es beim Traum.

2 Gedichte 1948–1953

[Abends frag ich meine Mutter]

Abends frag ich meine Mutter

heimlich nach dem Glockenläuten,

wie ich mir die Tage deuten

und die Nacht bereiten soll.

Tief im Grund verlang ich immer

alles restlos zu erzählen,

in Akkorden auszuwählen,

was an Klängen mich umspielt.

Leise lauschen wir zusammen:

meine Mutter träumt mich wieder,

und sie trifft, wie alte Lieder,

meines Wesens Dur und Moll.

[Wir gehen, die Herzen im Staub]

Wir gehen, die Herzen im Staub,

und lange schon hart am Versagen.

Man hört uns nur nicht, ist zu taub,

um das Stöhnen im Staub zu beklagen.

Wir singen, den Ton in der Brust.

Dort ist er noch niemals entsprungen.

Nur manchmal hat einer gewußt:

wir sind nicht zum Bleiben gezwungen.

Wir halten. Beenden den Trott.

Sonst ist auch das Ende verdorben.

Und richten die Augen auf Gott:

wir haben den Abschied erworben!

[Es könnte viel bedeuten]

Es könnte viel bedeuten: wir vergehen,

wir kommen ungefragt und müssen weichen.

Doch daß wir sprechen und uns nicht verstehen

und keinen Augenblick des andern Hand erreichen,

zerschlägt so viel: wir werden nicht bestehen.

Schon den Versuch bedrohen fremde Zeichen,

und das Verlangen, tief uns anzusehen,

durchtrennt ein Kreuz, uns einsam auszustreichen.

Entfremdung

In den Bäumen kann ich keine Bäume mehr sehen.

Die Äste haben nicht die Blätter, die sie in den Wind halten.

Die Früchte sind süß, aber ohne Liebe.

Sie sättigen nicht einmal.

Was soll nur werden?

Vor meinen Augen flieht der Wald,

vor meinem Ohr schließen die Vögel den Mund,

für mich wird keine Wiese zum Bett.

Ich bin satt vor der Zeit

und hungre nach ihr.

Was soll nur werden?

Auf den Bergen werden nachts die Feuer brennen.

Soll ich mich aufmachen, mich allem wieder nähern?

Ich kann in keinem Weg mehr einen Weg sehen.

Betrunkner Abend

Betrunkner Abend, voll vom blauen Licht,

taumelt ans Fenster und begehrt zu singen.

Die Scheiben drängen furchtsam sich und dicht,

in denen seine Schatten sich verfingen.

Er schwankt verdunkelnd um das Häusermeer,

trifft auf ein Kind, es schreiend zu verjagen,

und atmet keuchend hinter allem her,

Beängstigendes flüsternd auszusagen.

Im feuchten Hof am dunklen Mauerrand

tummelt mit Ratten er sich in den Ecken.

Ein Weib, in grau verschlissenem Gewand,

weicht vor ihm weg, sich tiefer zu verstecken.

Am Brunnen rinnt ein dünner Faden noch,

ein Tropfen läuft, den andern zu erhaschen;

dort trinkt er jäh aus rostverschleimtem Loch

und hilft, die schwarzen Gossen mitzuwaschen.

Betrunkner Abend, voll vom blauen Licht,

taumelt ins Fenster und beginnt zu singen.

Die Scheiben brechen. Blutend im Gesicht

dringt er herein, mit meinem Graun zu ringen.

Hinter der Wand

Ich hänge als Schnee von den Zweigen

in den Frühling des Tals,

als kalte Quelle treibe ich im Wind,

feucht fall ich in die Blüten

als ein Tropfen,

um den sie faulen

wie um einen Sumpf.

Ich bin das Immerzu-ans-Sterben-Denken.

Ich fliege, denn ich kann nicht ruhig gehen,

durch aller Himmel sichere Gebäude

und stürze Pfeiler um und höhle Mauern.

Ich warne, denn ich kann des Nachts nicht schlafen,

die andern mit des Meeres fernem Rauschen.

Ich steige in den Mund der Wasserfälle,

und von den Bergen lös ich polterndes Geröll.

Ich bin der großen Weltangst Kind,

die in den Frieden und die Freude hängt

wie Glockenschläge in des Tages Schreiten

und wie die Sense in den reifen Acker.

Ich bin das Immerzu-ans-Sterben-Denken.

[Beim Hufschlag der Nacht]

Beim Hufschlag der Nacht, des schwarzen Hengstes vorm Tor,

zittert mein Herz noch wie einst und reicht mir den Sattel im Flug,

rot wie das Halfter, das Diomedes mir lieh.

Gewaltig sprengt der Wind mir auf dunkler Straße voran

und teilt das schwarze Gelock der schlafenden Bäume,

daß die vom Mondlicht nassen Früchte

erschrocken auf Schulter und Schwert springen,

und ich schleudre

die Peitsche auf einen erloschenen Stern.

Nur einmal verhalt ich den Schritt, deine treulosen Lippen zu

küssen, schon fängt sich dein Haar in den Zügeln,

und dein Schuh schleift im Staub.

Und ich hör deinen Atem noch

und das Wort, mit dem du mich schlugst.

Dem Abend gesagt

Meine Zweifel, bitter und ungestillt,

versickern in den Abendtiefen.

Müdigkeit singt an meinem Ohr.

Ich lausche …

Das war doch gestern schon!

Das kommt und geht doch wieder!

Die Schlafwege kenn ich bis ins süßeste Gefild.

Ich will dort nimmer gehen.

Noch weiß ich nicht, wo mir der dunkle See

die Qual vollendet.

Ein Spiegel soll dort liegen,

klar und dicht,

und will uns,

funkelnd vor Schmerz,

die Gründe zeigen.

Vision

Jetzt schon zum dritten Mal der Donnerschlag!

Und aus dem Meer taucht langsam Schiff auf Schiff.

Versunkne Schiffe mit verkohltem Mast,

versunkne Schiffe mit zerschossner Brust,

mit halbzerfetztem Leib.

Und schwimmen stumm,

unhörbar durch die Nacht.

Und keine Welle schließt sich hinter ihnen.

Sie haben keinen Weg, sie werden keinen finden,

kein Wind wird wagen, fest in sie zu greifen,

kein Hafen wird sich öffnen.

Der Leuchtturm kann sich schlafend stellen!

Wenn diese Schiffe bis ans Ufer kommen …

Nein, nicht ans Ufer!

Wir werden sterben wie die Fischzüge,

die rund um sie auf breiten Wogen wiegen

zu abertausend Leichen!

Menschenlos

Verwunschnes Wolkenschloß, in dem wir treiben …

Wer weiß, ob wir nicht schon durch viele Himmel

so ziehen mit verglasten Augen?

Wir, in die Zeit verbannt

und aus dem Raum gestoßen,

wir, Flieger durch die Nacht und Bodenlose.

Wer weiß, ob wir nicht schon um Gott geflogen,

und, weil wir pfeilschnell schäumten ohne ihn zu sehen

und unsre Samen weiterschleuderten,

um in noch dunkleren Geschlechtern fortzuleben,

jetzt schuldhaft treiben?

Wer weiß, ob wir nicht lange, lang schon sterben?

Der Wolkenball mit uns strebt immer höher.

Die dünne Luft lähmt heute schon die Hände,

und wenn die Stimme bricht und unser Atem steht …?

Bleibt die Verwunschenheit für letzte Augenblicke?

Wie soll ich mich nennen?

Einmal war ich ein Baum und gebunden,

dann entschlüpft ich als Vogel und war frei,

in einen Graben gefesselt gefunden,

entließ mich berstend ein schmutziges Ei.

Wie halt ich mich? Ich habe vergessen,

woher ich komme und wohin ich geh,

ich bin von vielen Leibern besessen,

ein harter Dorn und ein flüchtendes Reh.

Freund bin ich heute den Ahornzweigen,

morgen vergehe ich mich an dem Stamm …

Wann begann die Schuld ihren Reigen,

mit dem ich von Samen zu Samen schwamm?

Aber in mir singt noch ein Beginnen

– oder ein Enden – und wehrt meiner Flucht,

ich will dem Pfeil dieser Schuld entrinnen,

der mich in Sandkorn und Wildente sucht.

Vielleicht kann ich mich einmal erkennen,

eine Taube einen rollenden Stein …

Ein Wort nur fehlt! Wie soll ich mich nennen,

ohne in anderer Sprache zu sein.

[Die Häfen waren geöffnet]

Die Häfen waren geöffnet. Wir schifften uns ein,

die Segel voraus, den Traum über Bord,

Stahl an den Knien und Lachen um unsere Haare,

denn unsere Ruder trafen ins Meer, schneller als Gott.

Unsere Ruder schlugen die Schaufeln Gottes und teilten die Flut;

vorne war Tag, und hinten blieben die Nächte,

oben war unser Stern, und unten versanken die andern,

draußen verstummte der Sturm, und drinnen wuchs unsre Faust.

Erst als ein Regen entbrannte, lauschten wir wieder;

Speere stürzten herab und Engel traten hervor,

hefteten schwärzere Augen in unsere schwarzen.

Vernichtet standen wir da. Unser Wappen flog auf:

Ein Kreuz im Blut und ein größeres Schiff überm Herzen.

[Die Welt ist weit]

Die Welt ist weit und die Wege von Land zu Land,

und der Orte sind viele, ich habe alle gekannt,

ich habe von allen Türmen Städte gesehen,

die Menschen, die kommen werden und die schon gehen.

Weit waren die Felder von Sonne und Schnee,

zwischen Schienen und Straßen, zwischen Berg und See.

Und der Mund der Welt war weit und voll Stimmen an meinem Ohr

und schrieb, noch des Nachts, die Gesänge der Vielfalt vor.

Den Wein aus fünf Bechern trank ich in einem Zuge aus,

mein nasses Haar trocknen vier Winde in ihrem wechselnden Haus.

Die Fahrt ist zu Ende,

doch ich bin mit nichts zu Ende gekommen,

jeder Ort hat ein Stück von meinem Lieben genommen,

jedes Licht hat mir ein Aug verbrannt,

in jedem Schatten zerriß mein Gewand.

Die Fahrt ist zu Ende.

Noch bin ich mit jeder Ferne verkettet,

doch kein Vogel hat mich über die Grenzen gerettet,

kein Wasser, das in die Mündung zieht,

treibt mein Gesicht, das nach unten sieht,

treibt meinen Schlaf, der nicht wandern will …

Ich weiß die Welt näher und still.

Hinter der Welt wird ein Baum stehen

mit Blättern aus Wolken

und einer Krone aus Blau.

In seine Rinde aus rotem Sonnenband

schneidet der Wind unser Herz

und kühlt es mit Tau.

Hinter der Welt wird ein Baum stehen,

eine Frucht in den Wipfeln,

mit einer Schale aus Gold.

Laß uns hinübersehen,

wenn sie im Herbst der Zeit

in Gottes Hände rollt!

[Noch fürcht ich]

Noch fürcht ich, dich mit dem Garn meines Atems zu binden,

dich zu gewanden mit den blauen Fahnen des Traums,

an den Nebeltoren meines finsteren Schlosses

Fackeln zu brennen, daß du mich fändest …

Noch fürcht ich, dich aus schimmernden Tagen zu lösen,

aus dem goldnen Gefälle des Sonnenflusses der Zeit,

wenn über dem schrecklichen Antlitz des Monds

silbrig mein Herz schäumt.

Blick auf und sieh mich nicht an!

Es sinken die Fahnen, verflammt sind die Fackeln,

und der Mond beschreibt seine Bahn.

Es ist Zeit, daß du kommst und mich hältst, heiliger Wahn!

Beweis zu nichts

Weißt du, Mutter, wenn die Breiten und Längen

den Ort nicht nennen, daß deine Kinder

aus dem dunklen Winkel der Welt dir winken?

Du bleibst stehn, wo sich die Wege verschlingen,

und vorrätig ist dein Herz vor jedem andern.

Wir reichen nicht lange, werfen mit Werken um uns

und blicken zurück. Doch der Rauch überm Herd

läßt uns das Feuer nicht sehn.

Frag: kommt keines wieder? Vom Lot abwärts geführt,

nicht in Richtung des Himmels, fördern wir

Dinge zutage, in denen Vernichtung wohnt und Kraft,

uns zu zerstreuen. Dies alles ist ein Beweis

zu nichts und von niemand verlangt. Entfachst du

das Feuer von neuem, erscheinen wir unkenntlich,

geschwärzte Gesichter, deinem weißen Gesicht.

Wein! Aber winke uns nicht.

3 Die gestundete Zeit

I

Ausfahrt

Vom Lande steigt Rauch auf.

Die kleine Fischerhütte behalt im Aug,

denn die Sonne wird sinken,

ehe du zehn Meilen zurückgelegt hast.

Das dunkle Wasser, tausendäugig,

schlägt die Wimper von weißer Gischt auf,

um dich anzusehen, groß und lang,

dreißig Tage lang.

Auch wenn das Schiff hart stampft

und einen unsicheren Schritt tut,

steh ruhig auf Deck.

An den Tischen essen sie jetzt

den geräucherten Fisch;

dann werden die Männer hinknien

und die Netze flicken,

aber nachts wird geschlafen,

eine Stunde oder zwei Stunden,

und ihre Hände werden weich sein,

frei von Salz und Öl,

weich wie das Brot des Traumes,

von dem sie brechen.

Die erste Welle der Nacht schlägt ans Ufer,

die zweite erreicht schon dich.

Aber wenn du scharf hinüberschaust,

kannst du den Baum noch sehen,

der trotzig den Arm hebt

– einen hat ihm der Wind schon abgeschlagen

– und du denkst: wie lange noch,