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Walter Simon

GABALs großer Methodenkoffer

Führung und Zusammenarbeit

Walter Simon

GABALs großer Methodenkoffer
Führung und Zusammenarbeit

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Lektorat, Satz: Rommert Medienbüro, Gummersbach. www.rommert.de Umschlaggestaltung: +Malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich Umschlagfoto: Photonica, Hamburg
Grafiken: Justus Kaiser/Rommert Medienbüro, Gummersbach

Inhalt

Zu diesem Buch

Die fünf Bände des GABAL-Methodenkoffers

Inhalt und Aufbau dieses Bandes

Literatur

A Hinführung

1. Führungslehre im Wandel der Zeit

1.1 Human-Relations-Schule

1.2 Max Webers Führungstypologie

1.3 Mütter und Väter der Führungslehre

1.4 Kritik und der Versuch der Integration der Schulen

1.5 Idealtypische (theoretische) und realtypische (empirische) Führungsmodelle

1.6 Theorie der Führungsdilemmata

1.7 Eigenschaftentheorie

1.8 Situationstheorie

1.9 Das 7-S-Modell und seine Fortschreibung durch Peters und Waterman

1.10 Theorie der strukturellen Führung

Literatur

2. Führungswandel durch Wertewandel

2.1 Wertewandel – Was hat sich verändert?

2.2 Von Pflicht- und Akzeptanzwerten zu Selbstentfaltungswerten

2.3 Werteverlust seit den 1980er-Jahren?

2.4 Werte und Arbeit

2.5 Wertewandel bedeutet Führungswandel

2.6 Fazit

Literatur

B Interaktionelle Führung

1. Ziele vereinbaren

1.1 Merkmale eines Zieles

1.2 Die Vorgehensweise bei der Zielvereinbarung

Literatur

2. Mitarbeiter informieren und mit ihnen kommunizieren

2.1 Anatomie der Kommunikation

2.2 Führung ist Kommunikation

Literatur

3. Mitarbeiter motivieren

3.1 Begriffsklärung

3.2 Die Klassifikation von Motiven

3.3 Die theoretischen Grundmodelle

3.4 Fazit

Literatur

4. Motivation quer gedacht: Die Position von Reinhard K. Sprenger

4.1 Ausgangslage und Grundannahmen

4.2 Instrumente zur (De-)Motivierung

4.3 Führungsaufgaben im Motivierungsprozess

4.4 Fazit

Literatur

5. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung delegieren

Literatur

6. Mitarbeiter kontrollieren

6.1 Ablauf der Kontrolle

6.2 Kontrollformen

6.3 Kontrollmethoden

6.4 Kontrollspanne

Literatur

7. Mitarbeiter entwickeln

7.1 Aufgaben der Personalentwicklung

7.2 Systematik der Personalentwicklung

7.3 Möglichkeiten des Personalentwicklungs-Controllings

7.4 Fazit

Literatur

8. Mitarbeiter gerecht beurteilen

8.1 Zweck und Ziel der Mitarbeiterbeurteilung

8.2 Das Beurteilungsverfahren

8.3 Das Beurteilungsgespräch

8.4 Mögliche und typische Beurteilungsfehler

8.5 Schritte zur objektiven Beurteilung

Literatur

9. Konflikte erkennen und lösen

9.1 Was ist ein Konflikt?

9.2 Die Grundursachen für Konflikte im Arbeitsalltag

9.3 Konfliktarten

9.4 Konfliktverlauf

9.5 Konfliktlösung

Literatur

10. Neue Mitarbeiter einführen

10.1 Die Vorbereitung

10.2 Die Einführung

Literatur

11. Mitarbeiter gekonnt kritisieren

11.1 Sinn und Zweck von Kritik

11.2 Verhaltensweisen zur Gesprächsförderung

11.3 Der richtige Ablauf des Kritikgespräches

Literatur

C Strukturelle Führung

1. Visionen kreieren

1.1 Begriffsklärung

1.2 Sinn und Zweck einer Unternehmensvision

1.3 Anforderungen an eine Unternehmensvision

1.4 Der Nutzen von Visionen

1.5 Empirische Befunde

1.6 Fazit: Aus Visionen müssen Ziele werden

Literatur

2. Leitbilder formulieren

2.1 Begriffsklärung

2.2 Das Verhältnis des Leitbildes zur Unternehmenskultur

2.3 Inhalt von Leitbildern

2.4 Funktion von Leitbildern

2.5 Inhaltliche Anforderungen an Leitbilder

2.6 Organisatorische Grundvoraussetzungen bei der Einführung von Leitbildern

Literatur

3. Unternehmenskultur gestalten

3.1 Begriffsklärung

3.2 Kernelemente der Unternehmenskultur

3.3 Funktion und Nutzen der Unternehmenskultur

3.4 Typen von Unternehmenskultur

3.5 Praktische „Kulturpolitik“ im Unternehmen

Literatur

4. Führungsgrundsätze entwickeln

4.1 Form und Inhalte von Führungsgrundsätzen

4.2 Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Führungsgrundsätzen

4.3 Einführung von Führungsgrundsätzen

4.4 Realisierung von Führungsgrundsätzen

Literatur

D Zusammenarbeit, Kooperation

1. Teamwork praktizieren

1.1 Begriffsklärung

1.2 Voraussetzungen für Teamwork

1.3 Praxis der Teamarbeit

Literatur

2. Gruppenarbeit nutzen

2.1 Begriffsklärungen

2.2 Formen der Gruppenarbeit

2.3 Praxis der Gruppenarbeit

2.4 Organisation der Gruppenarbeit

2.5 Zukunft der Gruppenarbeit und Schlussfolgerungen

Literatur

3. Diversity nutzen

3.1 Vom Nutzen der Vielfalt

3.2 Die Formen des Diversity Managements

3.3 Training als Voraussetzung für Vielfalt

3.4 Managing Diversity als Führungsaufgabe

Literatur

E Führungsmodelle und -konzepte

1. Harzburger Modell

1.1 Leitsätze und Führungsaufgaben im Harzburger Modell

1.2 Stellenbeschreibung und Führungsanweisungen

Literatur

2. Das Grid-Modell

2.1 Die Ohio- und Michigan-Studie und die daraus abgeleiteten Dimensionen

2.2 Die fünf Führungsstile des Grid-Modells

2.3 Die Modifizierungen des Grundmodells

2.4 Schlussbetrachtung

Literatur

3. Situatives Führen mit dem Kontingenzmodell

3.1 Der Führungsstil

3.2 Die Führungssituation

3.3 Praktische Umsetzbarkeit des Modells

3.4 Würdigung

Literatur

4. Situatives Führen mit dem 3-D-Modell

4.1 Die neue Dimension: Effektivität

4.2 Situation und deren Einflüsse

4.3 Stile

4.4 Fazit und Würdigung

Literatur

5. Situatives Führen mit dem Reifegradmodell

Literatur

6. Management-by-Techniken

6.1 Personenbezogene Management-by-Techniken

6.2 Sachbezogene Management-by-Techniken

Literatur

7. Vier Schlüsselstrategien-Modell

7.1 Die allgemeine Führungssituation

7.2 Strategie Nr. 1: Mit Visionen Aufmerksamkeit erzielen

7.3 Strategie Nr. 2: Sinn vermitteln durch Kommunikation

7.4 Strategie Nr. 3: Eine Position einnehmen und damit Vertrauen erwerben

7.5 Strategie Nr. 4: Die Entfaltung der Persönlichkeit

7.6 Die Führung übernehmen: Führen und Ermächtigen

7.7 Fazit

Literatur

8. Wunderer-Konzept

8.1 Strukturelle Führung

8.2 Interaktionelle Führung

8.3 Der Führungsprozess im Rahmen der acht Leitprinzipien der Mitarbeiterführung

Literatur

9. Empowerment

9.1 Umsetzungsstrategie

9.2 Ein Umsetzungsbeispiel: Oticon

9.3 Fazit

Literatur

10. Leadership

10.1 Begriffsklärung

10.2 Der Unterschied zwischen Managen und Führen

10.3 Die Praxis des Leaderships – Anforderungen an den Leader

10.4 Fazit

Literatur

Zu diesem Buch

Führung ist ein allgegenwärtiges Phänomen. Sie begegnet uns als Archetyp in der Gestalt Gottes, des Vaters oder – im Berufsleben verkörpert – durch den Chef. Hierbei handelt es sich zumeist um männliche Vorbilder, die als Beleg dafür dienen, dass Führung eben eine männliche Domäne ist.

Führer, Geführte, Verführte

Man trifft auf „Führer“ im Fußballverein in Person des Spielmachers oder in der Partei repräsentiert durch Funktionäre. Auch der Oberpimpf bei den Pfadfindern nimmt eine Führungsrolle wahr. Wir selbst sind Führer und zugleich Geführte oder gar Verführte.

Viele Fragen

Über das Thema Mitarbeiterführung ist viel gesagt und geschrieben worden. Man blickt in einen Dschungel an Literatur und erkennt vor lauter Wald kaum noch Bäume. Ein Begriffsdickicht erschwert die Übersicht und Zuordnung. Was sind Führungsmodelle? Was unterscheidet diese von Führungsstilen? Welches sind die elementaren Aufgaben eines Vorgesetzten? In welchem Verhältnis stehen Führung und Management zueinander? Werde ich richtig geführt? Verzweifelt fragt sich die neue Führungskraft: „Welches ist das richtige Werkzeug für welches Problem?“ Fragen wie diese bewegen Führer und Geführte gleichermaßen.

Mögliche Sichtweisen

Es gibt viele Antworten, je nach Standort und Standpunkt, Erkenntnisinteresse oder wissenschaftlicher Profession. Mögliche Betrachtungsweisen des Phänomens Führung sind:

image Führung zur Gestaltung des Gruppenprozesses

image Führung unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeit des Führers

image Führung zu dem Zweck, bei anderen Einverständnis zu erreichen

image Führung zwecks Ausübung von Einfluss

image Führung als Handlung oder Verhalten

image Führung als eine Form der Überredung

image Führung unter dem Gesichtspunkt der Machtbeziehung

image Führung zum Zwecke der Interaktion

image Führung zwecks Zielerreichung

Psychologen antworten anders auf die Frage nach dem Zweck von Führung als Betriebswirte oder Techniker. Der eine antwortet auf der Basis seiner Erfahrungen, ein Zweiter aus dem Bauch heraus und ein Dritter zitiert Lehrbuchweisheiten.

Unübersichtliches Gelände

Der Fragende ist aber meist nicht schlauer als vorher. Professor Oswald Neuberger bringt die Situation auf den Punkt: „Will man sich auf dem Gebiet der Führung orientieren, so trifft man auf unübersichtliches Gelände: Es gibt beeindruckende Prachtstraßen, die aber ins Nichts führen, kleine Schleichwege zu faszinierenden Aussichtspunkten, Nebellöcher und sumpfige Stellen. Auf der Landkarte der Führung befinden sich auch eine ganze Reihe Potemkinscher Dörfer, uneinnehmbare Festungen oder wild wuchernde Slums.“ (Neuberger 1995, S. 2)

Kein Patentrezept

Für Probleme der Mitarbeiterführung gibt es keine stromlinienförmigen Musterlösungen. Zu unterschiedlich sind die Situationen und Zusammenhänge. Hier gilt statt eines Entweder-oder ein Sowohl-als-auch. Statt nur eines Rezepts werden verschiedene benötigt, je nach Personen und Sachlage.

Wie ein Apothekerschrank

Das ist der Grund, warum der vorliegende Band keiner Schule oder Richtung folgt, sondern sich als Apothekerschrank für verschiedene Wehwehchen des Führungsalltags versteht. Den neuen „Führungskoffer“ können Sie in diesem Sinne als eine Art „Erste-Hilfe-Kästchen“ nutzen. Er ist weder ein theorielastiges Fachbuch noch ein stichwortartiges Lexikon. Inhalt, Themenmenge, Zeitbedarf und individuelle Lernkapazität wurden in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht, die Hauptpunkte eines Themas so sehr verdichtet, dass Sie als Leser auf der Basis des ökonomischen Prinzips mit wenig Aufwand den größtmöglichen Nutzen erzielen.

Die fünf Bände des GABAL-Methodenkoffers

Vorgenanntes gilt für alle fünf Bände der Buchreihe „GABALs großer Methodenkoffer“, von denen zusammen mit diesem Buch nun bereits vier Bände erschienen sind.

Band 1

Band 1 (Methodenkoffer Kommunikation) hat auf der folgen den Gliederung basierend alle relevanten Kommunikations themen zum Inhalt:

A. Umfassende Kommunikationsmodelle

B. Teilaspekte der Kommunikation

C. Besondere Kommunikationsformen und -zwecke

Der Themenbogen spannt sich von den umfassenden Kommunikationsmodellen (z. B. Neuro-Linguistisches Programmieren) über Teilaspekte der Kommunikation (z. B. Fragetechnik) bis hin zu besonderen Kommunikationsformen (z. B. Rhetorik).

Band 2

Im zweiten Band (Methodenkoffer Arbeitsorganisation) werden die wichtigsten persönlichen Arbeitstechniken behandelt:

A. Persönliche Arbeitsmethodik

B. Lern- und Gedächtnistechniken

C. Denktechniken

D. Kreativitätstechniken

E. Stressbewältigungsmethoden

Zeit- und Zielmanagement, Informationsbewältigung, Super-Learning, Logisches und Laterales Denken, Autogenes Training und Meditation sind einige der Themen, die hier behandelt werden.

Band 3

Der dritte Band (Methodenkoffer Management) ist ein reiches Füllhorn an Managementtechniken. In vier Hauptabschnitten werden insgesamt 40 Werkzeuge vorgestellt:

A. Funktionales Management

B. Funktionsintegrierende Managementkonzepte

C. Qualitätsoptimierende Managementtechniken

D. Strategische Managementthemen

Der Bogen spannt sich von Themen wie Szenariotechnik, Nutzwertanalyse, Entscheidungsbaumtechnik, Kennzahlen, Kepner-Tregoe-Methode und Wertanalyse bis hin zu strategischen Themen wie Change-Management und Lernende Organisation.

Band 4

Den vierten Band halten Sie in der Hand. Er wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

Band 5

Im fünften Band dieses Kompendiums (Methodenkoffer Persönlichkeit) geht es um die Persönlichkeit beziehungsweise um Wege und Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung. Erfolg im Studium, Beruf und Alltag hängen zu einem großen Teil von der Persönlichkeit des jeweiligen Menschen ab, von seinem Denken und Fühlen, seinen Werten und Normen, seinem Wollen und Tun. In diesem Band werden darum Konzepte und Methoden vorgestellt, mit denen Sie störendes Verhalten erkennen oder falsche Strategien korrigieren können.

Inhalt und Aufbau dieses Bandes

Hauptabschnitte von Band 4

Der hier vorliegende Band 4 ist in folgende Hauptabschnitte gegliedert:

A. Hinführung

B. Interaktionelle Führung

C. Strukturelle Führung

D. Zusammenarbeit, Kooperation

E. Führungsmodelle und -konzepte

Interaktionelle Führung

Die Untergliederung des ersten Hauptabschnitts „Interaktionelle Führung“ (B) orientiert sich an den elementaren Führungsaufgaben: Ziele vereinbaren, Aufgaben delegieren, Mitarbeiter informieren usw. Hier erfahren Sie, was Ihre elementaren Aufgaben als Führungskraft sind beziehungsweise die Ihres Vorgesetzten.

Strukturelle Führung

Im zweiten Teil „Strukturelle Führung“ (C) werden Ihnen Elemente der strukturellen Führung vorgestellt, so beispielsweise Leitbilder, Führungsgrundsätze und die Gestaltung der Unternehmenskultur. Hier wird Ihnen gesagt, wie Sie indirekt, etwa über die Gestaltung der Organisation, eine Abteilung oder ein Unternehmen führen.

Teamarbeit

Ein weiterer Abschnitt (D) behandelt die wichtigsten Fragen der Zusammenarbeit im Team.

Modelle und Konzepte

Im letzten Abschnitt (E) lernen Sie wichtige führungstheoretische Modelle und Konzepte kennen. Hier wird die ganze Bandbreite an Sichtweisen und Erklärungsversuchen zum Phänomen der Mitarbeiterführung deutlich.

Alle fünf Bände sind von Struktur und Inhalt aufeinander abgestimmt. Die meisten Kapitel nehmen Bezug auf andere oder geben Querverweise. So, wie Hammer, Nagel und Zange zusammengehören, so stehen auch die Inhalte der fünf Bände in Beziehung zueinander.

Vertiefende Informationen

Sollten Sie weitere und vertiefende Informationen zu Führungskonzepten und -tools wünschen, so verweise ich auf mein Buch „Managementkonzepte von A bis Z“, das ebenfalls im GABAL Verlag erschienen ist. Es kann den vorliegenden Band sinnvoll ergänzen.

Literatur

Neuberger, Oswald: Führen und geführt werden. Stuttgart: Enke 1995.

Simon, Walter: Managementkonzepte von A bis Z. Offenbach: GABAL Verlag 2002.

TEIL A

Hinführung

 

1. Führungslehre im Wandel der Zeit

Weg vom alten Paradigma

Führung im heutigen Sinne entstand als Reaktion auf das Management, wie es vor allem im Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert praktiziert wurde. Man kann auch sagen, dass das wissenschaftlich fundierte Human-Resources-Management als Reaktion auf das Scientific-Management des Frederick W. Taylor entstand. Taylor sah im Mitarbeiter ein zweckrational denkendes Wesen, dem es vor allem um die Maximierung seiner wirtschaftlichen Vorteile gehe, der der Maschine angepasst werden müsse. Dieses Denken prägte viele Managergenerationen und war über Jahrzehnte hinweg das herrschende Paradigma.

1.1 Human-Relations-Schule

Die Hawthorne-Experimente

Mitte der 1920er-Jahre versuchten viele US-Firmen den Taylorismus zu perfektionieren. Eine der Untersuchungen aus dieser Zeit wurde weltberühmt und zum Ausgangspunkt eines neuen managementtheoretischen Ansatzes. Gemeint sind die Hawthorne-Experimente, die ab 1924 stattfanden. Wegen der unerwarteten Ergebnisse, die im Widerspruch zum tayloristischen Glaubensbekenntnis dieser Zeit standen, beauftragte man den Nationalökonom und Psychologen Elton Mayo von der Harvard-Universität, umfassende Studien über den Einfluss physischer Bedingungen auf den Arbeitsprozess anzustellen.

Ein neuer Faktor

Am Ende seiner Untersuchungen stand die Entdeckung des bis dahin unbekannten „Faktors der menschlichen Beziehungen“. Damit sind die psychischen und sozialen Begleitphänomene der industriellen Arbeit gemeint.

Die Ergebnisse dieser Studien stellten die Gültigkeit der Aussagen des Scientific-Managements in Frage. Im Gegensatz zur tayloristischen Konzeption des „homo oeconomicus“, der nach individueller Nutzenmaximierung strebt, kamen Mayo und seine Mitarbeiter zu folgenden Schlussfolgerungen:

  1. Das Produktionsergebnis wird durch soziale Normen und nicht durch physiologische Leistungsgrenzen bestimmt.
  2. Nichtfinanzielle Anreize motivieren stärker als finanzielle.
  3. Industriearbeit ist nicht nur formelle, sondern auch informelle Gruppenarbeit.

Nicht nur das Individuum sehen

Dementsprechend handeln die Arbeiter nicht nur als Individuen, sondern meist im Kontext der Gruppenbeziehungen. Das soziale Leben der Beschäftigten bezieht seine Bedeutung aus der Berufssphäre. Insofern stellt Arbeit nichts Fremdes im Leben der Menschen dar. Sozialer Status, Verbrauchsgewohnheiten, gesellschaftliche Beziehungen u. a. m. stehen mit der beruflichen Tätigkeit und dem Betrieb in engster Beziehung.

Verhalten hängt von den Normen der Gruppe ab

Jene Experimente führten zu der Erkenntnis, dass die tatsächliche Produktionsmenge industrieller Arbeit nur im losen Zusammenhang mit der möglichen physischen Tagesleistung der Arbeiter steht. Diese ist in erster Linie eine Funktion sozialer Normen, die sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen herausbildeten. Dadurch wurde deutlich, dass Arbeit eine Gruppentätigkeit, das heißt ein sozialer Prozess, ist und das Verhalten des Arbeiters wesentlich von den Normen jener Gruppe abhängt, der er angehört.

Faktoren für die Arbeitsleistung

Der materielle Lohn und die physischen Arbeitsbedingungen sind deshalb nicht die einzigen entscheidenden Faktoren für die Arbeitsleistung. Der Wunsch nach Anerkennung, Sicherheit und echter Zugehörigkeit, nach Prestige und Status sind für den Mitarbeiter ebenso wichtig. Allein die Tatsache, im Blickpunkt der Wissenschaftler zu stehen, hatte dazu geführt, dass im Arbeitsteam ein elitäres Gruppenbewusstsein entstand, aus dem Motivation und Identifikation resultierten. Diese Folgewirkungen gingen als so genannter Hawthorne-Effekt in die industriesoziologische Diskussion ein.

Im Gegensatz zu Taylor, der sich für die Leistung des einzelnen Arbeiters interessierte, betont die Human-Relations-Schule, dass es die Organisation nicht nur mit Individuen, sondern zugleich mit Arbeitsgruppen zu tun hat, die sich nicht unbedingt mit den formellen Arbeitseinheiten decken. Die Mitglieder solcher Gruppen gehen Wechselbeziehungen ein, die nicht dem Fluss der Arbeit folgen, sondern kreuz und quer durch den ganzen Betrieb verlaufen.

image  Ergänzende und vertiefende Informationen zur Gruppenarbeit finden Sie im Kapitel D 2 dieses Buches.

Einfluss informeller Gruppen

Diese informellen Gruppen sind für die Human-Relations-Schule von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur – wie schon erwähnt – den Arbeitsrhythmus ihrer Mitglieder bestimmen, sondern auch das Sicherheitsgefühl, die sozialen Verhaltensformen sowie die Bewertung der eigenen Arbeit und des Betriebes.

Kein Störfaktor

Während die tayloristische Organisationstheorie solche informellen Gruppen als Störfaktor betrachtet, sieht sie die Human-Relations-Schule als wichtig und notwendig für das betriebliche Funktionieren: „Informelle Beziehungen sind nicht zufällig und nebensächlich für den Ablauf des Betriebes, im Gegenteil: Keine Organisation vermag wirksam zu funktionieren, wenn sie nicht ein parallel laufendes, spontanes Netz zwischenmenschlicher Beziehungen enthält.“ (Roethlisberger und Dickson, in: Oetterli 1971, S. 552)

Für Zufriedenheit sorgen

Eines der Hauptziele der Human-Relations-Schule bestand nun darin, für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu sorgen. Sie empfahl, die informellen Gruppenbeziehungen zu beachten. Statt starrer Organisationsstrukturen und formaler Abläufe, fordert die Human-Relations-Schule, die informellen Aspekte des Organisationsgeschehens zu erkennen.

Informelle Führer

Ein weiteres, wichtiges Resultat der Human-Relations-Experimente modifizierte auch jene Annahmen des Scientific-Managements, wonach allein Vorarbeiter, Meister oder Abteilungsleiter die Mitarbeiter führen. Bei verschiedenen Untersuchungen wurden so genannte „informelle Führer“ festgestellt, die dadurch, dass sie die Gruppennormen am besten erfüllten, aus der Gruppe herausragten und diese beeinflussten.

Platz in der sozialen Pyramide

Solche informellen Führer bilden sich heraus als Folge von informellen Wechselbeziehungen, aus denen soziale Wert- und Einschätzungen hervorgehen. Während der Arbeiter einerseits einen bestimmten räumlichen Platz einnimmt, bekommt er andererseits aufgrund solcher sozialen Bewertungsprozesse seinen sozialen Platz innerhalb der sozialen Statuspyramide zugewiesen, der nicht unbedingt mit dem Status des formell zugewiesenen Platzes übereinstimmen muss.

Drei Empfehlungen

Als Folge der Experimente ergingen diese Empfehlungen an das Management:

  1. Die Mitarbeiter und insbesondere jene, die mit Führungsaufgaben betraut sind, sollen lernen, auf andere zu hören und Fragen zu stellen, die einen Überblick über gegebene Situationen ermöglichen, die eigenen Gefühle und die der anderen erkennen sowie die soziale Realität des Betriebes beobachten.
  2. Untere Ränge sollten an den Entscheidungen der oberen beteiligt werden, besonders in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen. Delegierung wird in diesem Zusammenhang auch als Mittel zur Freisetzung des schöpferischen Potenzials der Beschäftigten auf allen Ebenen des Betriebes empfohlen.
  3. Auch das Führungsverhalten muss einer gründlichen Revision unterzogen werden. An die Stelle des bis dahin vorherrschenden autoritären Führungsstils sollte das Konzept „demokratischer Führung“ treten. Man war der Meinung, dass die möglichen Führungsstile anhand der Begriffe „demokratisch“, „autoritär“ und „laisser-faire“ operationalisierbar seien. Nach entsprechenden Untersuchungen – unter anderem mit Kindergruppen – gelang man zu der Erkenntnis, dass die „personenbezogene Führung“ bessere Auswirkungen auf die Produktivität hat als die „produktionsbezogene“.

Plötzliches Ende

Der Schwarze Freitag 1929 und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise bereiteten den Experimenten ein plötzliches Ende. Dann kam der Zweite Weltkrieg. Noch bevor die breite Diskussion über die Erkenntnisse aus den Chicagoer Fabrikhallen begann, griffen die amerikanischen Manager wieder zu den ihnen vertrauten Mitteln der Kommandowirtschaft mit Befehl, Gratifikation, Sanktion und Kontrolle im Zentrum des Führungsverhaltens.

1.2 Max Webers Führungstypologie

Verschiedene Führungsstile

Ein Managementmodell deutscher Provenienz entstand in der Heidelberger Denkschmiede des Soziologen Max Weber (1864– 1920). Sein Bürokratiemodell wurde zum Organisationsgerüst aller deutschsprachigen Amtsstuben und Industriekontore vom Baltikum bis hin zum Balkan. Er war der Erste, der verschiedene Führungsstile zu erkennen meinte, begrifflich differenzierte und wie folgt beschrieb (vgl. Weber 1956):

Patriarchalischer Führungsstil

Wie ein Familienvater

Der Patriarch führt seine Mitarbeiter fast wie ein Familienvater, ohne sie an der Führung zu beteiligen. Er sieht seinen „Herrschaftsanspruch“ im bloßen Generations-, Reife-, Wissens- und Erfahrungsunterschied begründet. In der Rolle der Vaterfigur befriedigt er gleichzeitig den „Treue- und Versorgungsanspruch“ seiner „Belegschaftskinder“.

Der Koordinationsaufwand der patriarchalischen Führung ist aufgrund der einfachen Überschaubarkeit gering, doch die Effizienz in dem Sinne beschränkt, dass sie das geistige Potenzial der Mitarbeiter nur wenig beziehungsweise gar nicht fördert. Der Patriarch betrachtet seine Worte als Gesetz und duldet keinen Widerspruch.

Charismatischer Führungsstil

Der einzigartige Alleinherrscher

Der Charismatiker begründet seinen Führungsanspruch mit seinem Charisma. Er ist einzigartig und hat weder Vorgänger noch Nachfolger noch Stellvertreter neben sich. Allein die Begeisterung der Mitarbeiter sorgt dafür, dass er ihnen vieles abverlangen kann. Wie auch der Patriarch ist der Charismatiker ein „Soloherrscher“, wobei sein Herrschaftsanspruch weniger auf Gehorsam, als viel mehr auf seiner hohen Anerkennung bei den Mitarbeitern fußt.

Autokratischer Führungsstil

Führung mittels eines Apparates

Auch der autokratische Führer ist wie der Patriarch oder der Charismatiker mit viel Macht ausgestattet, bedient sich jedoch eines Führungsapparates und herrscht nicht unmittelbar. Der autokratische Führungsstil fand seine Entstehung in Kirchen, absolutistischen Staaten und Großunternehmen, da die Bedienung eines Führungsapparates den Aufbau solch großer sozialer Gebilde erst möglich machte. Dabei ist zu bemerken, dass autokratische Führung durch einen besonderen Typ von „Geführten“ erst ermöglicht wird, und zwar solchen, die sich zu unbedingtem und präzisem Gehorsam verpflichten.

Bürokratischer Führungsstil

Alles ist klar geregelt

Bürokratische Führung ist gekennzeichnet durch fachliche Kompetenz von „bürokratischen Instanzen“, von einem „Reglement mit Gewaltenteilung, mit präzisen Beschreibungen der Stellenbefugnisse und der Verwaltungsabläufe“ (Weber). An die Stelle der obersten alleinigen Führungspersönlichkeit tritt ein hierarchischer Apparat, in dem sämtliche Ränge von ganz unten bis ganz oben integriert werden. In der bürokratischen Führung existiert ein „System der ständigen Kontrolle und Gegenkontrolle“, welches „Sicherheit vor Willkür“ bietet und den „Anspruch des Fachwissens“ sichert.

Im Gegensatz zur autokratischen mit ihrem Disziplinierungsmechanismus wird bei der bürokratischen Führung vielmehr dem Führenden Disziplin abverlangt. Die bürokratische Führungsweise löste um die Jahrhundertwende die von Willkür geprägte „konstitutionelle Monarchie“ ab und hat im Laufe der Entwicklung heute eine eher negative Bedeutung erlangt.

1.3 Mütter und Väter der Führungslehre

Eine lange Liste

Lang ist die Liste derer, welche die Führungslehre seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert prägten. Auf ihr stehen vor allem Amerikaner, die zumeist aus dem akademischen Milieu stammen. Hier sollen nur jene vorgestellt werden, die auf Theorie und Praxis bedeutsam einwirkten und auch heute noch gewürdigt werden.

Mary Parker Follet

Kritik am klassischen Ansatz

Schon vor Mayo hatte die Konfliktforscherin Mary Parker Follet (1886–1939) die Schule des „klassischen Managements“, der neben Frederick Taylor auch Max Weber und Henry Fayol angehören, wegen ihres bürokratischen, mechanistischen und antipsychologischen Ansatzes kritisiert. Insbesondere wandte sie sich gegen eine Verabsolutierung der Autoritätsrolle. Follet stellte die Idee der „gemeinsamen Macht“ an die Stelle der „dominierenden Macht“. Erst durch die Integration der Tätigkeiten aller Mitglieder erreicht eine Organisation ihre maximale Effektivität. Sie forderte, dass die Menschen „miteinander“ arbeiten und sich nicht „einer unter dem anderen“ befindet. Die Frage lautet nicht „Vor wem bin ich verantwortlich?“, sondern „Wofür bin ich verantwortlich?“.

Konflikte sind normal

Als Konfliktforscherin erkannte sie frühzeitig die konstruktive Rolle des Konflikts als einen „normalen Prozess“ der Zusammenarbeit. Statt Dominanz und Kompromiss suchte sie die konstruktive Integration von Gegensätzen.

Mary Parker Follet hat leider keine systematisierte Darlegung ihrer Ansichten hinterlassen, sondern ist mit zahlreichen Vorträgen und Artikeln an die Öffentlichkeit getreten.

McGregors XY-Theorie

Die Sicht des Managers bestimmt den Erfolg

Die von Mayo und seinen Anhängern begründete Sozialpsychologie des Unternehmens wurde am konsequentesten von Douglas McGregor (1906–1964) weiterentwickelt. Er war der Meinung, dass die Entwicklung von Unternehmen durch den Einfluss einer ganzen Reihe von falschen Vorstellungen über die Verhaltensmotive der Mitarbeiter gebremst werde. Seine Erkenntnisse brachte er auf diesen Nenner: Die allgemeine Sichtweise, die ein Manager von Menschen beziehungsweise Mitarbeitern hat, bestimmt dessen Verhalten und damit den Unternehmenserfolg. Sieht der Manager den Mitarbeiter positiv, folgt daraus ein anderes, eher motivierendes Führungsverhalten als bei einer negativen Sichtweise, aus der in der Regel Kontrolle und Sanktionen resultieren. McGregor definiert die verschiedenen Sichtweisen idealtypisch als X- und Y-Theorie. Pessimistische Sichtweisen von Menschen, wie sie für Adam Smith, N. Machiavelli, F. Taylor oder S. Freud typisch sind, subsumierte er unter X, optimistische Sichtweisen, für die J. Locke, E. Mayo und A. Maslow stehen, unter Y.

Die wichtigsten Annahmen der Theorien X und Y nach D. McGregor:

Theorie X und Theorie Y im Überblick

Theorie XTheorie Y
Der Mensch hat eine angeborene Abscheu vor der Arbeit und versucht, sie soweit wie möglich zu vermeiden.Der Mensch hat keine angeborene Abneigung gegen Arbeit, im Gegenteil: Arbeit kann eine wichtige Quelle der Zufriedenheit sein.
Deshalb müssen die meisten Menschen kontrolliert, geführt und mit Strafandrohung gezwungen werden, einen produktiven Beitrag zur Erreichung der Organisationsziele zu leisten.Wenn der Mensch sich mit den Zielen der Organisation identifiziert, sind externe Kontrollen unnötig; er wird Selbstkontrolle und eigene Initiative entwickeln.
Der Mensch möchte gern geführt werden, Verantwortung vermeiden, hat wenig Ehrgeiz und wünscht vor allem Sicherheit.Die wichtigsten Arbeitsanreize sind die Befriedigung von Ich-Bedürfnissen und das Streben nach Selbstverwirklichung.
Der Mensch sucht bei entsprechender Anleitung eigene Verantwortung. Einfallsreichtum und Kreativität sind weit verbreitete Eigenschaften in der arbeitenden Bevölkerung; sie werden jedoch in industriellen Organisationen kaum aktiviert.

Theorie X

„Ihrem Wesen nach legt Theorie X“, schrieb McGregor (1970, S. 150), „größten Nachdruck auf Taktiken und Kontrolle – auf Verfahren und Techniken, um den Mitarbeitern zu sagen, was sie zu tun haben. Mit ihrer Hilfe kann man auch ermitteln, ob sie die ihnen aufgetragenen Arbeiten auch erledigen, und dementsprechend Belohnung aussprechen oder Strafen verhängen (…)

Theorie Y

Nach Theorie Y hingegen muss man seine Aufmerksamkeit erst einmal dem Charakter der gegenseitigen Beziehungen widmen. Zu schaffen ist eine Umgebung, aus der ein stärkeres Gefühl der Verpflichtung gegenüber den unternehmerischen Zielen erwächst und den Mitarbeitern Gelegenheit gibt, ein Maximum an Initiative, Erfindungsgabe und Selbständigkeit zu entfalten, um die Ziele zu erreichen.“

Materielle Belohnung reicht nicht mehr

Laut Theorie Y, die nach McGregors Meinung die gegenwärtige Lage widerspiegelt (er meint die USA nach dem Zweiten Weltkrieg), haben die Beschäftigten im Wesentlichen ihre materiellen Bedürfnisse befriedigt. Folglich eignet sich die materielle Belohnung nicht mehr als Stimulus, um den Mitarbeiter anzuspornen. „Wenn er seinen Magen gesättigt hat“, schreibt McGregors Schüler Ways (1966, S. 146), „dann beginnt er von der Befriedigung höher stehender Bedürfnisse zu träumen. Er strebt danach, seine Persönlichkeit stärker herauszustellen und sein Ich zu befriedigen, das wesentlich schwieriger zu sättigen ist als der Magen“.

Chester Barnards Leadership-Theorie

Drei Führungsaufgaben

Auch Chester Barnard (1886–1961), der als Direktor der New Jersey Bell Telephone (später AT&T) tätig war, gehörte zu den Begründern der Sozialpsychologie des Betriebes. Er erkannte und beschrieb als einer der ersten Führungstheoretiker die entscheidende Rolle der Führungskraft für den Unternehmenserfolg und wurde so zum Mitbegründer des späteren Leadership-Konzepts. Von ihm stammt auch die erste umfassende Darstellung der mitarbeiterbezogenen Führungsaufgaben: „Die Grundaufgaben sind erstens die Schaffung eines Kommunikationssystems; zweitens die Förderung von anhaltendem Einsatz und Leistung und zum Dritten die Formulierung und Festlegung von Zielen.“ In diesem Zusammenhang erkannte er die Bedeutung von Zielen, Werten und ganzheitlicher Unternehmensführung (Barnard 1968, S. 217).

image  Ergänzende und vertiefende Informationen zum Thema Leadership finden Sie im Kapitel E 10 dieses Buches.

Auflösung der Gegensätze

Barnard vertrat stets eine kritisch-distanzierte Position gegenüber den dogmatischen Ausprägungen des Taylorismus der Human-Relations-Theorie. Er sah in der Betonung produktionstechnischer und leistungsorientierter Aspekte einerseits und menschbezogener Aspekte andererseits keine Gegensätze. Sie erfassen jeweils nur einen Aspekt des komplexen Organisationsphänomens, welches seiner Meinung nach unter Einbeziehung der Umwelt als offenes soziales System betrachtet werden muss. Er definierte als Erster der Theoretikerzunft das Unternehmen als „soziales System“ und untersuchte die innere Struktur dieses Systems sowie dessen Wechselwirkung mit der Umwelt. Damit wurde er zum Wegbereiter der Schule der sozialen Systeme.

Herzbergs Motivationstheorie

Spaltung in zwei Richtungen

Barnards Synthese von Mitarbeiterorientierung und Leistungsausrichtung könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, warum sich die verhaltensorientierte Managementwissenschaft in der Zeit nach 1950 in zwei Richtungen aufspaltete. Die eine erweiterte ihr Betrachtungsfeld und mündete in einen systemtheoretischen Ansatz. Die andere suchte nach neuen Erkenntnissen über die Mitarbeitermotivation. An ihrer Spitze stand Frederick Herzberg (1923–2002).

Motivationsfaktor Arbeitsinhalt

Seine empirischen Studien widerlegten Taylor, der im Lohn das einzige Mittel sah, die Leistung des „homo oeconomicus“ zu steigern. Für Herzberg bildet die Arbeit selbst, insbesondere der Arbeitsinhalt, den entscheidenden Motivationsfaktor.

Er fand heraus, dass bestimmte Faktoren nicht einachsig zu Wohlbefinden oder Unwohlsein führen, zum Beispiel gute Arbeitsbedingungen zur Motivation oder uninteressante Arbeit zur Demotivation. In diesem Zusammenhang ermittelte er zwei unterschiedliche Einflussfaktoren (Motivatoren und Hygienefaktoren), die sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit bewirken (s. Abbildung im Kapitel B 3).

Humanisierung der Arbeit

Herzbergs Motivations-Hygiene-Theorie bot in den 1970er-Jahren die theoretische Grundlage für die unter der Losung „Humanisierung der Arbeit“ durchgeführten Veränderungen in der Arbeitsorganisation.

image  Ergänzende und vertiefende Informationen zu Herzbergs Motivationstheorie finden Sie im Kapitel B 3 dieses Buches.

1.4 Kritik und der Versuch der Integration der Schulen

Vorwurf: Wichtige Aspekte werden ausgeblendet

Über die Schule der menschlichen Beziehungen ist unendlich viel geschrieben worden, am meisten über die Hawthorne-Experimente. Viel Kritik wurde von linken und rechten Theoretikern geäußert, von Managementwissenschaftlern und später von den Begründern selbst. So wird der Schule vorgeworfen, dass die menschlichen Beziehungen im Unternehmen als interpersonelle, im günstigsten Fall als Gruppen-, nicht aber als sozialökonomische Beziehungen betrachtet würden. Folglich meinen ihre Vertreter, dass man die sozialen Probleme in den Grenzen eines jeden einzelnen Betriebes lösen kann, ohne Bezug zur sozialökonomischen Struktur der Gesellschaft. Man wirft der Human-Relations-Schule vor, dass sie nur mit direkten Variablen operiert und das äußere Milieu ignoriert.

Die deutlichste Kritik findet sich in den Arbeiten von Rensis Likert, Douglas McGregor und R. McMurray. Sie kommen zu der Schlussfolgerung, dass man die Bedeutung des moralischen Faktors zur Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht überschätzen darf. Likert schreibt (1955, S. 12):

Moralischer Faktor und Produktivität

„Auf der Grundlage einer Untersuchung, die ich im Jahre 1937 durchgeführt habe, nahm ich an, dass der moralische Faktor und die Arbeitsproduktivität sich unbestreitbar in einer direkten Abhängigkeit voneinander befinden (…) Umfangreiche Forschungsarbeiten, die seit dieser Zeit durchgeführt wurden, zeigten, dass diese Vorstellung sich als zu vereinfacht erwiesen hat.“

Ein großer Irrtum

Nicht minder klar, ja fast resigniert äußert sich der XY-Modellbegründer McGregor (1954, S. 21): „Ich dachte, dass ich vermeiden kann, „Boss“ zu sein (…) Ich dachte, es könnte sein, dass ich so handeln kann, dass alle mich lieben werden, dass gute „human relations“ alle Unstimmigkeiten und Meinungsverschiedenheiten beseitigen. Ich konnte keinem größeren Irrtum anheim fallen. Es bedurfte zweier Jahre, bis ich endlich einzusehen begann, dass ein Leiter die Realisierung der Macht nicht vermeiden kann (…)“

1.5 Idealtypische (theoretische) und realtypische (empirische) Führungsmodelle

Vereinigung der Theorien

Von 1950 an unternahmen amerikanische Wissenschaftler den Versuch, die von Fayol, Weber und Taylor geschaffene „klassische Theorie von Management und Organisation“ mit der „Schule der menschlichen Beziehungen“ zu vereinigen. Warren Bennis vom Massachusetts Institute of Technology bezeichnete diese Gruppe als „Revisionisten“.

Zwei Gruppen

Die neuen führungstheoretischen Modelle waren zunächst noch rein theoretischer Natur, wurden aber im Verlauf der 1960er-Jahre empirisch fundiert. Im Rahmen der wissenschaftlichen Systematisierung entstanden mehrere begriffliche Zuordnungen beziehungsweise Klassifikationsgruppen. So unterschied eine von vielen Einteilungen etwa zwischen

image idealtypischen Ansätzen und

image realistischen Ansätzen.

Theoretische Ansätze

Erstere sind theoretischer Natur, so zum Beispiel die weiter vorn beschriebene Typologisierung von Führungsstilen durch Weber oder die Kontinuum-Theorie von Robert Tannenbaum und Warren Schmidt (s. u.). Hier wird das Führungsverhalten nach dem Ausmaß der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter angeordnet. Die Verhaltensspanne reicht vom extrem autoritären bis hin zum Laisser-faire-Führungsverhalten.

Realtypische Ansätze

Zu den realtypischen Ansätzen gehören die im Kapitel E dieses Buches beschriebenen Führungskonzepte, so etwa das Grid-Modell. Es handelt sich hierbei um den Versuch, empirisch abgesicherte Effizienzaussagen über Führungsstile zu treffen.

Die folgenden vier Studien erlangten große Bekanntheit.

Iowa-Studie

Experimente zum Erziehungsstil

Den ersten Versuch, empirisch fundierte Aussagen über Führungsstile zu machen, unternahm der aus Deutschland in die USA emigrierte Begründer der modernen Sozialpsychologie Kurt Lewin (1890–1947) mit Schülern. Seine Erziehungsstil-Experimente begründeten seinen wissenschaftlichen Ruhm. Er wollte die Auswirkungen unterschiedlichen Führungsverhaltens auf das Leistungsverhalten von aggressiven Kindern studieren.

Die zugrunde gelegten Führungsstile waren „autoritär “, „demokratisch“ und „laisser faire“.

StilCharakteristikaWirkung
Autokratisch
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– Entscheidungsgewalt allein beim Leiter
– subjektive Lob- und Kritikäußerung
– unpersönliche Rolle des Führers
– mehr Feindseligkeit, Aggressionen, Rivalität
– Unzufriedenheit, größere Nachgiebigkeit gegenüber dem Leiter
– dafür Spannungsreduktion an einem „Prügelknaben“
Demokratisch
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– Entscheidungen durch die Gruppe
– Nennen verschiedener Lösungen
– freie Partnerwahl
– objektive Lob- und Kritikäußerung
– Führer als Gruppenmitglied, jedoch keine aktive TeilnahmeM
– mehr Äußerungen mit „Wir-Charakter
– mehr Kreativität
– Gruppengefühl und Freundlichkeit
Laisser-faire
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– Führer hält sich völlig fern vom Gruppengeschehenähnliche Ergebnisse wie bei der autokratischen Atmosphäre

Lewin kam zu dem Schluss, dass das unterschiedliche Verhalten in demokratischen, autokratischen und anarchischen Situationen kein Ergebnis der Persönlichkeit oder des Führungsverhaltens, sondern eine Wirkung der Atmosphäre insgesamt (Gesamtsituation!) ist.

Michigan-Studie

Mitarbeiter- gegen Leistungsorientierung

Im Jahre 1947 stellten Forscher der Universität von Michigan die Frage nach dem richtigen Führungsverhalten. Sie gingen jedoch zunächst davon aus, dass Mitarbeiterorientierung (employee orientation) und Leistungsorientierung (production orientation) zwei Extrempunkte einer Dimension sind.

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Das Stilkontinuum

Hierfür wurde der Begriff Michigan-Stilkontinuum geprägt. Die Managementforscher gingen von der Annahme aus, dass, wenn man das eine Ziel verfolgt, man das andere aus den Augen verliert. Dies verwarfen sie jedoch später und kamen zum gleichen Ergebnis wie die nachstehend beschriebene Ohio-Studie. Ein Mehr an Mitarbeiterorientierung muss also nicht durch ein Weniger an Aufgabenorientierung erkauft werden und umgekehrt genauso. Jedoch waren sie der Meinung, dass langfristig die Mitarbeiterorientierung zu höherer Leistung führt, während die Leistungsorientierung nur bei kurzzeitiger Erhöhung der Produktivität erfolgreich ist.

Kritik

Schon früh meldeten sich Kritiker zu Wort und bemängelten unter anderem, dass keine situativen Einflüsse berücksichtigt wurden und das Führungsgeschehen so komplex ist, dass es außer den zwei Kriterien noch weitere wichtige Bedingungen für den Führungserfolg geben müsste.

Tannenbaum/Schmidt-Modell

Sehr bekanntes Modell

Eines der bekanntesten Modelle, Führungsstile auf einem eindimensionalen Kontinuum zu beschreiben, ist das Führungsstil-Kontinuum nach Robert Tannenbaum und Warren Schmidt (1958), die nach dem Subjekt der Willensbildung/Entscheidung grundsätzlich zwischen autoritärem und kooperativem Führungsstil unterscheiden, jedoch auf einem Kontinuum graduell insgesamt sechs Stile (autoritär, patriarchalisch, beratend, konsultativ, partizipativ, delegativ) differenzieren.

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Die sechs Stile

Die sechs Stile bedeuten:

  1. Autoritär: Der Vorgesetzte entscheidet und ordnet an.
  2. Patriarchalisch: Der Vorgesetzte entscheidet; er ist aber bestrebt, die Untergebenen von seinen Entscheidungen zu überzeugen, bevor er sie anordnet.
  3. Beratend: Der Vorgesetzte entscheidet; er gestattet jedoch Fragen zu seiner Entscheidung, um durch deren Beantwortung die Akzeptanz zu erreichen.
  4. Konsultativ: Der Vorgesetzte informiert seine Untergebenen über seine beabsichtigten Entscheidungen; die Untergebenen haben die Möglichkeit, ihre Ansichten und Einschätzungen zu äußern, bevor der Vorgesetzte die endgültige Entscheidung trifft.
  5. Partizipativ: Die Gruppe entwickelt Vorschläge; aus der Zahl der gemeinsam gefundenen und akzeptierten möglichen Problemlösungen entscheidet sich der Vorgesetzte für die von ihm favorisierte Lösung.
  6. Delegativ: Die Gruppe entscheidet, nachdem der Vorgesetzte zuvor das Problem aufgezeigt und die Grenzen des Entscheidungsspielraums festgelegt hat. Der Vorgesetzte fungiert als Koordinator nach innen und außen.

Unterschiedliche Spielräume

Der Entscheidungsspielraum des Vorgesetzten nimmt in der Dimension nach rechts immer mehr ab. Der einzelne Mitarbeiter beziehungsweise die Gruppe erhalten mehr und mehr Entscheidungsspielraum. Der Prozess der Lösungsfindung ändert sich von eigener Entscheidungsfindung und Durchsetzung durch die Führungskraft hin zu Entscheidungen der Gruppe und rein koordinativem Verhalten des Vorgesetzten.

Ohio-State-Studie

Militärische Führung im Fokus

Die 1947 begonnene Studie der Ohio-State-University sollte klären, wie sich Führungsverhalten auf das Individuum und die gesamte Gruppe auswirkt. Erstes Untersuchungsfeld war der militärische Führungsbereich, für den man den so genannten LBCQ (Leader Behavior Description Questionnaire) mit 150 Fragen entwickelte, aus dem später der Supervisory Behavior Description-Fragebogen entstand.

Neun Faktoren