JAN
WERNER

HOLLAND 1

ZEELAND UND DIE SÜDLICHEN PROVINZEN

TÖRNFÜHRER

Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben und Daten wurden von dem Autor nach bestem Wissen erstellt und von ihm sowie vom Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Gleichwohl können wir keinerlei Gewähr oder Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen übernehmen. Die hier zur Verfügung gestellten Pläne dienen lediglich zur Orientierung und nicht zur Navigation; sie ersetzen also keine See- bzw. Sportbootkarten oder andere offizielle nautische Unterlagen, deren Mitführung in aktueller Fassung wir dringend empfehlen.

Wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch viel Freude bereitet. Falls Sie Anregungen haben sollten, was wir in Zukunft noch besser machen können, schreiben Sie uns bitte an reiselektorat@delius-klasing.de. Korrekturen veröffentlichen wir im Interesse aller Leser unter www.delius-klasing.de auf der jeweiligen Produktseite.

5., vollständig überarbeitete Auflage

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Inhalt

I. Land und Leute

Die zwölf Provinzen

Der Kampf mit dem Meer

Auf der Bühne der Weltgeschichte

Religion und Toleranz

Die Frachtfahrer Europas

Das Goldene Jahrhundert

Der Abstieg

Holländer und Deutsche

II. Nautisches Holland-Lexikon

Die Sprache unserer holländischen Nachbarn

III. Auf den großen Flüssen

Törnvorschlag 1: Waal und Merwede

Von der Grenze nach Dordrecht und zum Biesbos

Törnvorschlag 2: Neder Rijn und Lek

Vom Pannerdenskanaal über Neder Rijn, Lek und Merwedekanaal nach Gorinchem

Törnvorschlag 3: Die Gelderse IJssel

Vom IJsselkop zum Ketelmeer

Törnvorschlag 4: Die Limburgse Maas

Von Maastricht zu den Mooker Plassen

Törnvorschlag 5: Die Maas

Von Grave bis Drimmelen

IV. Auf den Gewässern von Zeeland

Törnvorschlag 6: Hollands Diep und Haringvliet

Von Drimmelen nach Hellevoetsluis

Törnvorschlag 7: Grevelingen

Von den Volkerak-Schleusen nach Herkingen

Törnvorschlag 8: Oosterschelde und Veerse Meer

Von Bruinisse nach Tholen

Törnvorschlag 9: Auf der Westerschelde

Von Vlissingen nach Antwerpen und zurück in die Oosterschelde

V. Im grünen Herzen

Törnvorschlag 10: Die Vecht

Von Muiden nach Utrecht

Törnvorschlag 11: Hollandse IJssel und Nieuwe Maas

Von Utrecht nach Rotterdam

Törnvorschlag 12: Durch Zuid-Holland

Von Rotterdam nach Amsterdam

Törnvorschlag 13: Amsterdam

Mitten durch die Stadt

Register

I. Land und Leute

Holzschuhe, Tulpen und Windmühlen, dieser Dreiklang kommt einem wohl als Erstes in den Sinn, wenn man an Holland denkt: eigentlich unzeitgemäße Gedanken bei einem Land, das eine ebenso leistungsfähige wie hoch spezialisierte Industrienation ist. Doch das ist das Merkwürdige, vielleicht auch Einmalige bei dem kleinen Königreich: Holland, auf der einen Seite das Land der sechsspurigen Autobahnen von Utrecht, der gigantischen Chemiewerke an der Westerschelde, des Welthafens Rotterdam, der Hochöfen von IJmuiden und der Elektronikindustrie von Eindhoven, ist auf der anderen Seite das Land der weiten Seen und großen Flüsse, der stillen Kanäle, dunklen Torfmoore und der weltabgeschiedenen Dörfer, aber auch der prächtigen Hafenstädte aus dem Goldenen Jahrhundert.

Die zwölf Provinzen

Von Holland zu sprechen, wenn man die Niederlande meint, ist eigentlich nicht richtig, obwohl es so üblich ist. Holland heißen in Wirklichkeit nur zwei Provinzen, nämlich Zuid-Holland und Noord-Holland. Die anderen sind Friesland, Groningen, Geldern, Drenthe, Overijssel, Utrecht, Limburg, Noord-Brabant, Zeeland und schließlich Flevoland, die jüngste Provinz: zwei Polder, die bei der Trockenlegung der Zuiderzee gewonnen wurden. Alle zusammen bilden sie das Königreich der Niederlande, das Koninkrijk der Nederlanden, mit Den Haag als Regierungssitz, aber Amsterdam als Hauptstadt.

Mit dem Auto hat man es schnell durchquert: Von Nord nach Süd misst es 300 km, von West nach Ost gar nur 200, und mit 41 160 Quadratkilometern ist es etwa so groß wie die Schweiz. Ein knappes Fünftel der Niederlande besteht allerdings aus Wasser, wovon man das meiste mit dem Boot befahren kann, und dann wird aus dem kleinen Land plötzlich ein ziemlich großes, nämlich ein vielfältiges, faszinierend abwechslungsreiches Revier. Große Seen, Meere genannt, prägen das Bild dieser Landschaft ebenso wie die nicht minder großen, aber flachen Teiche, die Plassen, und dazu das typisch holländische Netz der Kanäle und Wasserstraßen. Ein Drittel des gesamten Staatsgebietes liegt tiefer als der Meeresspiegel: Die Niederlande waren und sind ein von der See bedrohtes Land, das seine Menschen in zähem Ringen mit den Naturgewalten erst bewohnbar gemacht haben.

Der Kampf mit dem Meer

»Der Ozean dringt mit zwei Gezeiten am Tag und in der Nacht in gewaltiger Breite und mit unermesslichen Wellen ins Land ein, sodass man bei diesem ewigen Kampf der Natur bezweifelt, ob denn der Boden zur Erde oder zum Meer gehört. Dort lebt ein unglückliches Volk auf Hügeln, besser gesagt, auf Erhebungen, die es mit eigener Kraft aufgeworfen hat.« Mit diesen Worten schilderte vor 2000 Jahren der römische Geschichtsschreiber Plinius das Land zwischen den Flüssen und dem Meer.

Der erste Versuch jener »unglücklichen Menschen«, die in dem sumpfigen, nebligen Wasserland lebten, sich zu schützen, waren die Terpen, künstlich aufgeworfene Hügel, auf denen man Haus und Stall baute. Viele holländische Städte haben sich später aus solchen Terp-Siedlungen entwickelt, Leeuwarden und Dokkum zum Beispiel. Der nächste Schritt bestand darin, diese Hügel miteinander zu verbinden. So entstanden die Deiche und schlossen sich zu einem Ring; dann war im Innern ein Polder entstanden, ein Waard, wie es in Holland heißt.

Wie aber sollte man das nasse, vom emporquellenden Wasser bedrohte Land trocken bekommen? Mit den für Holland so typischen Windmühlen schaffte man auch das. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es davon Tausende, mit denen das Land buchstäblich trocken gemahlen wurde. So entstanden, vor allem im 17. Jahrhundert, die riesigen Polder Noord-Hollands, die in der ganzen Welt als Hollands Glorie bewundert wurden.

Die wirklich gigantischen Projekte aber waren erst mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit zu realisieren, auch wenn es schon lange davor solche Pläne gab: das Zuiderzee-Projekt (s. Band 2) und den Delta-Plan (vgl. S. 96).

Das »Niedere Land«, wie es zur Zeit der Römer ausgesehen haben mag. Im großen und ganzen hatte es damals die gleiche Form wie heute. Nur der Rhein nahm einen ganz anderen Verlauf. Von seiner nördlichsten Mündung, die damals schon versandet war, ist Het IJ, das Gewässer, an dem der Amsterdamer Hafen liegt, übriggeblieben. An seinen mittleren Verlauf erinnert der Oude Rijn, ein heute recht schmales und auch unbedeutendes Gewässer, das sich nahe Katwijk vor den Dünen totläuft.

Die farbigen Flächen zeigen die Gebiete, die immer wieder von Überschwemmungen bedroht waren.

Zieht man indes die Bilanz dieses jahrhundertelangen Ringens mit dem Meer, dann ist das Ergebnis ebenso überraschend wie ernüchternd: In den Jahrhunderten unermüdlichen Deichbaus und Trockenlegens sind zwar 520000 Hektar Land gewonnen worden, aber auch 560000 Hektar verloren gegangen. Und doch stimmt der Spruch: Gott schuf die Erde, der Holländer schuf sich sein Land.

Wahrscheinlich versteht man den Charakter des Holländers am besten aus diesem ewigen Kampf mit dem Meer. Er erfordert Geduld, Gelassenheit, vor allem aber Zähigkeit und Ausdauer, denn Rückschläge waren zuweilen häufiger als Erfolge. Man geht hier bedächtig ans Werk, ist unerschrocken, zuversichtlich, aber auch vorsichtig, denn die See verzeiht einem keinen Fehler. Diese Wesensart hat früh schon das Leben und die Politik des Landes geprägt. Sie kommt treffend zum Ausdruck im Wahlspruch Willems von Oranien, des »Vaters des Vaterlandes«: »Weitermachen, selbst wenn die Lage aussichtslos erscheint! Durchhalten, auch wenn kein Erfolg in Aussicht!«

Auf der Bühne der Weltgeschichte

Obwohl von außen gesehen »der« Holländer als ein recht ausgeprägter, unverwechselbarer Menschenschlag erscheinen mag, handelt es sich bei der niederländischen Bevölkerung in Wahrheit um ein ziemliches Gemisch. In das ursprünglich von Kelten bewohnte Land drangen lange vor der christlichen Zeitrechnung germanische Stämme ein, die sich vor allem in Zeeland niederließen. Dann (55 v. Chr.) kamen die Römer und nahmen einen Teil des Landes in Besitz: die Provinz Batavia, die von Süden her etwa bis zum Neder Rijn reichte. Im Osten des Landes siedelten in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten Sachsen, im Süden Franken und im Norden und Westen Friesen. Im 8. Jahrhundert unterwarfen die Karolinger dann die Sachsen und Friesen: Teile der heutigen Niederlande gehörten deshalb vom 6. bis 9. Jahrhundert zum Fränkischen Reich. Einige Jahrhunderte lang waren die Niederlande dann auch Teil des »Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation«. Viel mehr verband die einzelnen Provinzen denn auch nicht miteinander, sei es nun das Herzogtum Geldern, das Bistum Utrecht oder andere. Man ging seinen Geschäften nach und kümmerte sich ansonsten wenig um den Kaiserlichen Statthalter, der im fernen Brüssel residierte.

Lange Zeit lebte es sich also wahrlich nicht schlecht unter dem deutschen Reichsdach. Das sollte sich aber ändern, als immer mehr Niederländer sich dem neuen Glauben Luthers zuwandten und damit den Zorn ihres Landesherrn herausforderten. Nach der Abdankung Karls V. waren 1556 die Provinzen an seinen Sohn Philipp II. von Spanien gefallen. Seine Allerkatholischste Majestät unterdrückte den neuen Glauben mit unbarmherziger Härte und provozierte damit einen Kampf, in dem die vermeintlich so schwachen niederländischen Provinzen, das Land der Heringsfischer und Torfstecher, eines Tages siegen und das spanische Weltreich zum Einsturz bringen sollten.

Doch noch war es nicht so weit. Zwar begann es in den Niederlanden zu brodeln, sodass sich eine Abordnung von 400 niederländischen Adeligen mit dem Ersuchen um mehr Glaubensfreiheit zum Statthalter nach Brüssel begab. Hochmütig wurden sie abgewiesen. Ein spanischer Grande prägte das Wort von niederländischem »Gueux« – Lumpengesindel – und gab damit ahnungslos den Glaubenskämpfern ihren Namen. Sie verballhornten das Schimpfwort zu Geusen, und bald machten die Wassergeusen den stolzen Spaniern das Leben recht sauer, in einem Krieg, in dem es nicht mehr allein um den rechten Glauben, sondern bald auch um handfeste Geschäftsinteressen ging. Die Holländer pflegten nämlich gute Handelsbeziehungen mit Portugal, das mit Spanien überquer und verfeindet war, und deshalb sollte nicht nur die neue Religion verboten werden, sondern auch noch dieser Handel.

Der Kampf begann. Die Wassergeusen tauchten mit ihren kleinen, flach gehenden Schiffen aus dem Nebel auf, schlugen blitzschnell zu und verschwanden wieder, ehe der Gegner sich besann. Folgten ihnen aber spanische Truppen, dann durchstach man notfalls auch die Deiche, sodass die wärmegewohnten Spanier plötzlich bis zum Bauch – oder noch tiefer – im eiskalten Wasser standen und vergeblich nach einem Feind Ausschau hielten, der längst verschwunden war.

Langsam neigte sich die Waage zugunsten der Aufständischen; statt allein Angriffe aus dem Hinterhalt zu führen, wagte man jetzt die offene Konfrontation: 1572 belagerten und stürmten die Wassergeusen die starke Festung Brielle in der Maasmündung, ein unglaublicher Erfolg, der den Aufständischen viel Zulauf brachte. Philipp schickte nun den harten Herzog Alba mit einem starken Heer in den protestantischen Norden. Nach langer Belagerung und erbittertem Kampf fiel Haarlem, aber Leiden hielt stand. Albas Feldzug war kein rechter Erfolg beschieden, und letztlich erreichte er mit seiner Härte das Gegenteil von dem, was er bezweckte – statt das Land zu befrieden, loderte jetzt überall offen der Aufstand. Der Herzog resignierte und kehrte als geschlagener Mann nach Spanien zurück.

Philipp sah sich gezwungen, den Holländern ein Stück entgegenzukommen: 1579 wurde den Niederlanden im Friedenspakt von Gent die Religionsfreiheit zugestanden, doch darum allein ging es längst nicht mehr, jetzt wollte das Land die volle Unabhängigkeit und Freiheit. Im gleichen Jahr schlossen sich deshalb die sieben nördlichen Provinzen zur Utrechter Union zusammen und wählten Willem, den Prinzen von Nassau-Oranien, zum Statthalter. Nun war der Aufstand organisiert, vor allem: Die Holländer hatten endlich eine einheitliche, starke Führung. Der Freiheitskampf des kleinen Landes sollte siegreich enden, aber es sollte lange dauern. Erst 80 Jahre später, im Westfälischen Frieden von 1648, als die Unabhängigkeit der Republik der Generaalstaaten besiegelt wurde, war das Land hinter den Deichen frei.

Religion und Toleranz

In der Zeit des großen Freiheitskampfes, in den Jahren religiösen und geistigen Umbruchs, wurde das Land zu einem Hort des Humanismus und der Aufklärung. Protestanten aus Salzburg, Hugenotten aus Frankreich und Juden aus Portugal, alle vertrieben wegen ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung, fanden hier eine neue Heimat. Die Niederländer, weltoffen und vor allem tolerant, nahmen sie alle auf, nicht zum eigenen Schaden, denn die Flüchtlinge brachten Kenntnisse und Fertigkeiten mit, die dem Lande bald zum Vorteil gerieten. Es seien hier nur drei der Männer erwähnt, die den Ruhm Hollands, Hollands Glorie, erstrahlen ließen: der jüdische Philosoph Spinoza, der französische Naturwissenschaftler Descartes und der englische Philosoph, Politiker und Pädagoge John Locke.

Die heute noch ausgeprägte Toleranz des Holländers, die allerdings keineswegs die Aufgabe der eigenen Weltanschauung bedeutet, hat ihren Ursprung in jener Zeit. Sie gehört zu seinen hervorstechenden Eigenschaften, genauso wie sein unbändiger Freiheitswille und seine Aufmüpfigkeit gegen jede Art von Obrigkeit.

Heute sind 21 Prozent der Bevölkerung Protestanten, 29 Prozent sind katholisch und der Rest ist überwiegend konfessionslos. Die frühere Unterscheidung: hier protestantischer Norden, dort katholischer Süden, hat sich verwischt. Geblieben aber ist die strenge Trennung der Konfession, die bis ins kleinste Dorf hineinreicht, wo die Konfessionen eigene Schulen, eigene Kindergärten usw. haben und wo selbst Jugendgruppen und Gesangvereine nach Religionen getrennt sind. Die Holländer gebrauchen für diesen Zustand das Wort »Versäulung«; damit ist die Einbindung des Einzelnen in eine weltanschauliche oder religiöse Gruppe gemeint. Diese »Säulen« tragen den Staat mindestens genauso sehr wie die politischen Parteien; sie geben dem Ganzen Stabilität und dem Einzelnen Geborgenheit. Da der Mensch jedoch schon immer den eigenen Glauben mit einer gewissen Selbstgerechtigkeit vertreten hat, könnte ein Staatswesen von dieser räumlichen Beengtheit, dessen Bevölkerung auch noch besonders aufeinander angewiesen ist, nie und nimmer funktionieren, wenn man nicht gegenüber den Andersdenkenden eine weitgehende Toleranz an den Tag legen würde. So mancher scheinbare Widerspruch in der Mentalität und im Handeln unserer holländischen Nachbarn wird verständlich, wenn man sich die Mühe macht, etwas mehr über ihre Geschichte und religiöse Vergangenheit zu erfahren.

Die Frachtfahrer Europas

Am Ende des 16. Jahrhunderts, während das Land im Kampf um seine Freiheit große Opfer brachte, wurde nahezu unbemerkt auch der Grundstein für den Aufstieg Hollands zur ersten Seenation der Welt gelegt.

In Hoorn, einer Hafenstadt an der Zuiderzee, war 1595 ein Schiff vom Stapel gelaufen, das schon bald den Welthandel revolutionieren sollte: die Vleute, auch Fluit oder Fluytship genannt. Es war ein etwas merkwürdig aussehendes Schiff, ziemlich schmal, mit geringem Tiefgang und einem extrem hoch gezogenen Achterschiff; wichtiger als diese Äußerlichkeiten aber war die völlig neue Takelage, die es dem Schiff erlaubte, höher an den Wind zu gehen, als es die traditionellen Koggen vermochten, wobei man außerdem noch weniger Mannschaften benötigte. Mit diesen Vleuten, die die Holländer ihr werkzeepaard, ihr »Arbeitspferd zur See«, nannten, wurden die Niederlande binnen Kurzem zur beherrschenden Seenation der Erde, denn mit der schnellen und einfachen Vleute konnten sie so niedrige Frachttarife anbieten, dass kein anderer in der Lage war, dagegenzuhalten.

Vleute aus dem 17. Jahrhundert.

Zur Blütezeit der niederländischen Schifffahrt liefen unter der rot-weiß-blauen Flagge der Generaalstaaten 16 000 Schiffe; das waren viermal soviel wie England, Schottland und Frankreich zusammen hatten. Und hinter dieser so gewaltigen Seemacht stand ein kleines Volk von kaum vier Millionen Menschen.

Im gleichen Jahr, in dem die erste Vleute vom Stapel lief, 1595, brach in Amsterdam ein kleines, aus nur vier Schiffen bestehendes Geschwader auf, um einen Handelsweg zu den Gewürzinseln, dem heutigen Indonesien, zu suchen. Drei Jahre später waren drei wieder daheim, so voll mit Spezereien beladen, dass die Expedition einen Gewinn von 400 Prozent einbrachte. Dieser Erfolg löste nun einen wahren Wettlauf zu den fernen Inseln aus. Schon im Jahr darauf machten sich 80 Schiffe auf den Weg, und von Jahr zu Jahr nahm ihre Zahl zu. Doch dies alles verlief so ungeregelt, so typisch holländisch-individualistisch, dass der Staat sich gezwungen sah, einzugreifen und den Orienthandel in die Hand zu nehmen und zu organisieren.

1602 wurde deshalb die Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) gegründet, eine Art Aktiengesellschaft, mit Kammern in den wichtigsten Handelsstädten. Die VOC wurde bald zur mächtigsten und reichsten Handelsgesellschaft der Erde. Sie kontrollierte völlig den Handel mit Hinterindien: Die bis dahin dominierenden Portugiesen wurden mit brutaler Gewalt vertrieben. 1614 folgte die Noordse of Groenlandse Compagnie, die sich dem Walfang verschrieb, und 1621 entstand die Westindische Compagnie, die Stützpunkte in Afrika und Brasilien unterhielt und vor den Westindischen Inseln auf Kaperfahrt gegen die spanischen Silberflotten ging. Langsam war so, verglichen mit dem Mutterland, ein riesiges Kolonialreich entstanden, waren doch auch in Nordamerika mit Nieuw Amsterdam (New York) und im südlichen Afrika mit der Kapprovinz noch weitere Besitzungen hinzugekommen.

Um diese Kolonien, vor allem aber um den Handel zu sichern, musste nun eine starke Kriegsflotte aufgebaut werden, die in den fünf Admiralitäten von Zeeland, der Maas, Amsterdam, dem Noorderkvartier und Friesland organisiert war. Doch diese überaus machtvolle Flotte war nicht geschaffen worden, Eroberungen zu machen; ihre Aufgabe bestand allein darin, den Handel zu schützen und die Kauffahrteischiffe sicher nach Hause zu geleiten; denn trotz ihrer aggressiven Handelspolitik betrieb die Republik der Generaalstaaten immer eine pazifistische, defensive Außenpolitik.

So wichtig das Überseegeschäft der großen Compagnien auch war, der Wohlstand kam auf zwei anderen, weniger riskanten Handelswegen: auf der Oostvaart und auf der Straatvaart.

Im Ostseehandel, der Oostvaart, hatten sich die Holländer überall dort etabliert, wo zuvor die Hanse das Feld beherrscht hatte. Jedes Jahr fuhren 600 Schiffe dreimal in die Ostsee, und weitere 400 nahmen Kurs auf Russland. Man holte Pelze aus dem Zarenreich, Heringe aus Schonen, Getreide aus Ostdeutschland und, was das Wichtigste war: Holz aus Norwegen, das man vor allem für den Schiffbau brauchte, das aber auch in den aufblühenden Städten unentbehrlich war; in Amsterdam beispielsweise stehen die stolzen Patrizierhäuser bis zum heutigen Tag auf eichenen Pfählen aus Norwegen. Diese Oostvaart war für den Außenhandel des Landes so wichtig, dass sie von den Amsterdamer Kaufleuten als die Mutter der Commerciën bezeichnet wurde. Die Straatvaart ging durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer, wo die geschäftstüchtigen Holländer fast den ganzen Seehandel an sich gerissen hatten, wohin sie allerdings auch immer wieder ihre Flotten schicken mussten, um ihre Interessen zu wahren. Ihr wohl größter Admiral, Michel de Ruyter, fiel in einer dieser Seeschlachten, 1676 vor Sizilien.

Das Goldene Jahrhundert

Obwohl der Krieg mit Spanien weiter schwelte und sowohl mit den Engländern als auch den Franzosen sich am Horizont schon zwei neue, schier übermächtige Gegner erhoben, entwickelte sich Holland zu Anfang des 17. Jahrhunderts zur ersten See- und Handelsnation der Erde. Dieses Jahrhundert des Barock war das Goldene Zeitalter der Niederlande, es war ihr Gouden Eeuw. Damals entstand die Fülle wunderbarer Bauwerke, die bis auf den heutigen Tag die Städte des Landes prägen. Das Land schwelgte im Wohlstand. Künste und Wissenschaften konnten gedeihen. Die noch relativ jungen Universitäten des Landes, vor allem die von Leiden, genossen Weltruhm; Gelehrte wie Hugo de Groot (Grotius), auf den das moderne Völker- und Seerecht zurückzuführen ist, oder Christian Huygens, ein naturwissenschaftliches Allroundgenie, trugen den Ruhm des Landes in alle Welt. Einen absoluten und wohl nie und nirgendwo mehr erreichten Höhepunkt stellte die niederländische Malerei dar; um nur die größten Namen zu nennen: Frans Hals, Vermeer van Delft, Jan van Goyen, Jan van Ruisdael, P. P. Rubens, A. van Dyck und über allen Rembrandt. Es war das genialische Jahrhundert der Niederlande.

Ladeliste zweier VOC-Schiffe: Solche Fahrten zwischen Batavia und Amsterdam dauerten gut ein halbes Jahr. Anfangs brachten sie bis zu 400 Prozent Gewinn. Diese exorbitanten Gewinne waren bei zunehmender Konkurrenz nicht mehr möglich. Doch auch später warf die VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie) immernoch Jahr für Jahr 19 Prozent Profit ab. Ihr Zeichen findet man auch heute noch an alten holländischen Häusern.

Der Abstieg

Die Niederländer hatten aber auch großes Glück: Ihr Erzfeind Spanien lag nicht nur mit den Niederlanden, sondern auch mit England im Krieg, konnte also nicht seine ganze Kraft gegen die rebellischen Provinzen richten.

Aber lange konnte das nicht gut gehen. Als die Engländer endlich die Spanier niedergerungen hatten, mussten sie feststellen, dass davon in erster Linie ein anderer profitiert hatte, die Niederlande nämlich, die in der Zwischenzeit fast den ganzen Seehandel an sich gezogen hatten; selbst der englische Handel wurde zu 90 Prozent mit holländischen Schiffen abgewickelt. Um das zu ändern, erließ Oliver Cromwell 1651 die Navigationsakte: ein Gesetz, nach dem britische Waren nur noch auf britischen Schiffen und andere nur noch auf Schiffen ihres Ursprungslandes transportiert werden durften. Diese Politik musste die Niederlande bis ins Mark treffen; es ging um ihre Existenz, und so blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als sich ihrer Haut zu wehren. So kam es zwischen 1652 und 1676 zu drei Kriegen mit England, die alle Seekriege waren und die zu den grausamsten und erbittertsten gehörten, die die Geschichte kennt.

Der britische Admiral Monck sagte ungeniert, um was es ging: »Bedarf es vieler Gründe zum Krieg? Die Holländer haben einen zu großen Anteil am Handel, und wir sind entschlossen, ihnen den wegzunehmen.«

Die holländischen Geschwader waren überall gefürchtet wegen der Wucht, mit der sie angriffen, aber leider ging dieser Vorteil durch die Disziplinlosigkeit, mit der dies geschah, wieder verloren, sodass sich die Engländer, die kühl und beherrscht in der Linie blieben, gut halten konnten. Das Schlachtenglück wechselte ständig: Keine Seite konnte einen entscheidenden Sieg erringen. Da half es wenig, dass die Niederlande eine Reihe hervorragender Admirale hervorgebracht hatten, voran Maarten Tromp und Michel de Ruyter, über den der französische König bewundernd nach der Vier-Tage-Schlacht (1666) sagte: »Der Sieur de Ruyter hat mit Herz und Kopf Taten vollbracht, die Menschenkraft übersteigen.«

Doch was half’s? Die Niederlande waren im Vergleich mit England einfach zu klein, zumal sich auch noch Frankreich in den Kampf gegen sie eingereiht hatte. Am Ende hatten sich die Kräfte erschöpft. 1674 musste es im Frieden von Westminster klein beigeben. Alle Tapferkeit auf See hatte nichts genutzt: Jetzt waren es die Engländer, die auf Platz eins der Seemächte vorrückten.

In den folgenden Jahrhunderten lebten die Holländer dennoch nicht schlecht, nicht zuletzt dank ihrer Kolonien. Doch große Bedeutung hatte das Land nicht mehr, es war eher ein Glück im Winkel. Napoleon verleibte später die Niederlande Frankreich ein; doch dies blieb eine Episode. 1830 spalteten sich die südlichen Provinzen ab und bildeten fünf Jahre später das unabhängige Königreich Belgien. 1890 machte es ihnen das Großherzogtum Luxemburg nach. Im gleichen, politisch eher bedeutungslosen Jahrhundert allerdings vollbrachte das kleine Holland auch einige große Leistungen, und zwar auf seinem ureigensten Gebiet, dem Wasserbau: Der Noordhollands Kanaal wurde angelegt, später der Noordzeekanaal, und mit dem Haarlemmer-Meer-Polder wurde ein riesiges Gebiet trockengelegt.

Über Jahrhunderte blieb der Grundriss der holländischen Häuser gleich, nur die Gestaltung der Fassaden, vor allem der Giebel, änderte sich. Die Häuser waren immer schmal und in die Tiefe gezogen, denn Bauland war knapp und teuer. Auf dem Land waren die Häuser eingeschossig; in den kleineren Städten hatten sie meistens zwei Stockwerke, in den großen Städten auch mehr. Immer waren es schmale, eng aneinanderstehende Häuser. So gleichförmig der Grundriss blieb, so sehr hat sich in der Gestaltung der Giebel die holländische Lust am Ornament und am Zierrat ausgetobt. So schuf fast jede Generation ihre eigene, unverwechselbare Fassadenarchitektur.

Holländer und Deutsche

Im Ersten Weltkrieg blieben die Holländer strikt neutral, und bedenkt man, dass sie dem abgedankten deutschen Kaiser Exil gewährten, so waren sie dem Deutschen Reich wohl eher freundlich verbunden, wie überhaupt die Beziehungen zwischen Holländern und Deutschen über lange Zeit die naher Verwandter waren; kein Wunder, wo es doch in der holländischen Nationalhymne heißt: »Wilhelmus von Nassauen bin ich von deutschem Blut …«

Schlimm traf es das längst friedlich gewordene kleine Land im Zweiten Weltkrieg, als am 10. Mai 1940 deutsche Truppen ohne Kriegserklärung in den Niederlanden einfielen. Luftangriffe und Bodenkämpfe richteten in den Kriegsjahren schwere Schäden an.

Die Zeit von 1940 bis 1945 ist in den Niederlanden nicht vergessen, besonders bei der älteren Generation nicht. Doch langsam ändert sich das. Gemeinsame Handelsinteressen sind da ein guter Wegbereiter. Dennoch: Zurückhaltung und Höflichkeit sind, mehr noch als anderswo, angebracht bei einem Besuch in Holland. Sonderlich beliebt sind die »Moffen«, wie die Holländer uns Deutsche nennen, nicht gerade. Man wird freundlich und höflich behandelt, spürt aber gelegentlich doch eine gewisse Reserviertheit. Zwar verstehen einen fast alle Holländer, und viele sprechen auch ein etwas putzig klingendes Deutsch. Dennoch sollte man erst höflich fragen: »Sprechen Sie Deutsch? Können Sie mich verstehen?«, anstatt wie selbstverständlich vorauszusetzen, dass der andere das kann und – vor allem – auch will. Natürlich sollte man sich nicht ständig dafür entschuldigen, dass man Deutscher ist, das sicher nicht, zumal der Holländer ein ruhiges Selbstbewusstsein durchaus zu schätzen weiß, nur: Ein bisschen mehr Zurückhaltung als zu Hause darf’s schon sein, wenn man durch das Land der Holzschuhe, Tulpen und Windmühlen schippert.

Dann wird man mit dem Holländer, dem wir ja auf seinem ureigensten Element, dem Wasser, begegnen, recht gut zurechtkommen.

Zwar fahren heute nur noch die wenigsten zur See, aber eine Nation der Seefahrer sind die Niederlande geblieben, wenn es auch heutzutage nicht mehr auf stolzen Kauffahrteischiffen zu den Gewürzinseln geht, sondern mit dem bootje über die heimatlichen Kanäle und Seen.

II. Nautisches Holland-Lexikon

Gewässer, die von Segelbooten mit stehendem Mast zu befahren sind:

Rot: bis 8,50 m Masthöhe

Gelb: bis 12,00 m

Grün: bis 24,00 m

Almanak

Genauer: Wateralmanak. Ein zweibändiges, absolut unentbehrliches Nachschlagewerk in zwei Teilen.

Deel 1 enthält Schifffahrtsvorschriften (Vaarreglementen) wie das Binnenvaartpolitiereglement (BPR) oder das Rijnvaartpolitiereglement (RPR), außerdem Hinweise für das Fahren auf Kanälen und Meeren, dazu Gewässerbeschreibungen, Signale, Betonnung und Befeuerung, Flaggenführung usw. Kurz: Deel 1 ist der allgemeine Teil, der nach Bedarf erscheint.

Deel 2 enthält detaillierte Angaben zu den einzelnen Orten, die in Verbindung mit dem Wasser stehen, wie Häfen, Liegeplätze, Versorgungsmöglichkeiten, dazu Werften und Reparaturbetriebe samt Kränen und Slipanlagen, und vor allem: die Öffnungs- und Bedienungszeiten der Brücken und Schleusen.

Was der Almanak nicht bringt: Wertungen. Ob nun ein Hafen besonders idyllisch ist oder nicht, ob es laut oder ruhig dort zugeht, das verschweigt er. Er will nicht mehr sein, als er ist: ein kompetentes, nüchternes und sehr genaues Nachschlagewerk. Und was das betrifft, ist er exzellent.

Teil 2 erscheint jedes Jahr im Frühjahr neu; man braucht die jeweils neueste Ausgabe.

Beachte: »IJ« ist im Holländischen ein eigener Buchstabe des Alphabets; man findet ihn zwischen »Y« und »Z«.

Den Teil 2 kann man im Allgemeinen mühelos verstehen, auch wenn man des Holländischen nicht mächtig ist. Für Teil 1 empfiehlt sich die Zuhilfenahme eines kleinen Wörterbuchs. Bei Charterbooten ist der Almanak immer an Bord.

ANWB

Der Koninklijke Nederlandse Toeristenbond ANWB (ehemals Allgemeen Nederlandse Wielrijder Bond/Radfahrerverband), der Königlich-Niederländische Touristenverband, gibt unter anderem den Almanak heraus und die ANWB-Waterkaarten (siehe »Karten«); auch sonst vielfach hilfreich.

Auskünfte

allgemeiner Art, aber auch speziell für den Wassersport findet man in fast jeder größeren Stadt oder Gemeinde bei der »Vereniging voor Vreemdelingenverkeer«, zu erkennen am blau-weißen VVV-Logo. Oder im Internet unter www.holland.com oder www.dmyv.de.

Ausrüstung

Die richtige und notwendige Ausrüstung hängt in erster Linie vom Revier ab, das man befahren will. Wer auf der Westerschelde segelt, braucht ein anderes Boot und eine andere Ausrüstung als derjenige, der mit einem Kajütkreuzer die geschützten friesischen Kanäle befährt.

Pflicht ist: Signalhorn, Navigationslichter, Notsignale (rote Flagge, rotes Licht). Zum Ankern: schwarzer Ball, nachts weißes Rundumlicht. Zum Segeln: Wenn der Motor mitläuft schwarzer Kegel, Spitze nach unten.

Auf den Seeschifffahrtsstraßen und in einigen Seehäfen, z. B. Rotterdam, Delfzijl und Amsterdam, ist bei geringer Sicht das Führen eines Radarreflektors vorgeschrieben. Auf der Westerschelde und in den Anlaufgebieten der niederländischen Nordseehäfen ist der Radarreflektor auch bei guter Sicht Pflicht. Auf der Westerschelde müssen Sportfahrzeuge (ausgenommen kleine, offene Boote) eine aktuelle Seekarte mitführen.

Was man darüber hinaus braucht, ist sehr individuell: Es hat deshalb keinen Sinn, hier alle möglichen Ausrüstungsgegenstände aufzuzählen, die man mitführen sollte – mit einer Ausnahme, da bei uns nicht üblich: Wer an Kanal- oder Seeufern festmachen will, braucht häufig Heringe, also Haken, wie man sie beim Zelten benutzt. Man schlägt sie in den Boden und belegt daran die Leinen.

Berufsschifffahrt

Man sollte immer darauf achten, dass man für die Berufsschifffahrt gut sichtbar ist. Deshalb unbedingt vermeiden, im toten Winkel eines großen Schiffes zu fahren. Immer dafür sorgen, dass man auch selbst rundum gute Sicht hat. Immer Ausschau halten, besonders nach achtern, denn Berufsschiffe kommen meist sehr schnell auf. Deutliche, unmissverständliche Manöver fahren, und zwar konsequent.

Betonnung

Im Prinzip ist die Betonnung in den Niederlanden so wie bei uns. Die hier abgebildeten Tonnen sind die wichtigsten. Sie sollten einem völlig vertraut sein.

Wichtige Tonnen sind beschriftet: beispielsweise die Tonnen der Ansteuerung des Amsterdamer Hafens vom IJsselmeer her mit »P« (wobei dieses »P« für »Pampus« steht, wie dieser Gewässerteil hier heißt) und einer fortlaufenden Nummerierung: die grünen Tonnen mit ungeraden Nummern, also P1, P3, P5 usw., die roten mit geraden, also P2, P4 …

Bei den Flüssen unterscheidet man, wie in der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung (BinSchStrO), zwischen rechter Seite/linker Seite des Fahrwassers, der Fahrrinne, bezogen auf die Richtung »Talfahrt«. Grüne Tonnen stehen an der linken, rote an der rechten Seite (vergleiche »Kribben«).

In der Form den Fahrwassertonnen gleich sind Nebenfahrwassertonnen, etwa Recreatietonnen (siehe »Recreatie«). Allerdings sind sie statt einheitlich rot oder grün jeweils rotweiß bzw. grün-weiß gestreift. Sie markieren ein Fahrwasser außerhalb des Hauptfahrwassers, das meist von geringerer Tiefe ist.

Häufig trifft man auf gelbe Tonnen, die als Toppzeichen zumeist ein gelbes liegendes Kreuz tragen. Sie kennzeichnen hauptsächlich verbotene Gebiete, Bagger-, Müllablade- und Ankerplätze, Fischereigebiete, aber auch spezielle Gebiete für schnelle Motorboote, Wasserski, Surfen, Regatten usw. Die Bedeutung dieser Tonnen kann man aus den Karten entnehmen.

Sollte man eine Tonne sehen, die hier nicht aufgeführt ist, so kann man im Almanak in Teil 1 ihre Bedeutung nachschlagen (Beilage 8: »Markering van het vaarwater«).

Rechte Seite: rot und stumpf, mit oder ohne Toppzeichen, in Wattfahrwassern manchmal noch Pricken (Besen nach oben):

Linke Seite: grün und spitz, mit oder ohne Toppzeichen, in Wattfahrwassern manchmal noch Pricken (Besen nach unten):

Kreuzungen gleichberechtigter Fahrwasser: rot-grün waagerecht gestreift mit rot-grünem Balltoppzeichen:

Bei Kreuzungen nicht-gleichberechtigter Fahrwasser:

Hauptfahrwasser links:
Rot über Grün.
Rotes Toppzeichen:
Zylinder über Ball
.

Hauptfahrwasser rechts:
Grün über Rot.
Grünes Toppzeichen:
Kegel über Ball
.

Mitte Fahrwasserzeichen: rot-weiß senkrecht gestreifte Kugeltonne oder Bake:

Sonderbetonnung: wenn Toppzeichen, dann liegendes Kreuz:

Allgemeine Gefahrenstelle: Tonne zeigt an, wo sich das Hindernis befindet:

Beispiel: Schwarz-gelbe Tonne des Nordquadranten bedeutet: Hindernis liegt südlich der Tonne, die deshalb nördlich passiert werden muss.

Auf größere Entfernungen sind die Farben manchmal schwer zu unterscheiden, dann orientiere man sich an den auffälligen Toppzeichen.

Leuchttonnen sehen in den niederländischen Seekarten ganz anders aus als bei uns: Sie tragen als Toppzeichen eine »Sonne«, die entsprechend dem Leuchtfeuer gefärbt ist.

Binnenvaartpolitiereglement (BPR)

Diese Verordnung gilt mit Ausnahme der Westerschelde (Scheepvaartreglement Westerschelde) und dem Boven Rijn, dem Waal, dem Neder Rijn und Lek (Rijnvaartpolitiereglement) und dem Pannerdenskanaal auf allen niederländischen Gewässern.

Die alte Generalregel, dass Fahrzeuge ab 20 m Länge generell Vorfahrt haben vor Kleinfahrzeugen, ist inzwischen gestrichen.

Jetzt gilt die Steuerbordseiten-Regel: Wenn ein Schiff, unabhängig von seiner Größe, beim Begegnen, Überholen oder Kreuzen die Steuerbordseite hält, hat es Vorfahrt vor dem anderen Fahrzeug. Erst wenn diese Regelung nicht zum Tragen kommt, gilt: »Kleinfahrzeuge weichen Großfahrzeugen.« Als Kleinfahrzeuge gelten solche, die weniger als 20 m lang sind.

Zu beachten ist auch:

• Passagierschiffe, die kleiner als 20 m sind, gelten dennoch als Großfahrzeuge; sie zeigen dies mit einem gelben Zeichen in Form eines Karo (z. B. die Schiffe der Braunen Flotte).

• Schlepper unter 20 m Länge sind nur dann Großfahrzeuge, wenn sie schleppen.

• Das Schwimmen in der Nähe von Brücken, Schleusen, Hafenzufahrten, in Fahrrinnen, im Bereich von Fähren und bei Liegeplätzen ist verboten.

Während man den in holländischer Sprache abgefassten Almanak 2 gut versteht, sieht es bei Almanak 1, da es sich um Gesetzestexte handelt, bei denen es auf Feinheiten ankommt, ganz anders aus. Es ist daher zu empfehlen, vom BPR eine deutsche Fassung an Bord zu haben: Man kann eine solche über www.seekartenverkauf.de beziehen. Die BPR in elektronischer Form, wenn man auf diese jederzeit zugreifen kann, wird ebenfalls anerkannt.

Blaue Tafel

Früher auch Blaue Flagge genannt, ist ein Verkehrszeichen, gekoppelt mit einem weißen hellen Funkellicht (Blauwe borden), damit einander entgegenkommende Schiffe sicher aneinander vorbeifahren können.

Grundsätzlich muss jedes Schiff auf der rechten Seite des Fahrwassers bzw. der Fahrrinne bleiben (auf der rechten Seite rechts). Auf den manchmal recht schnell fließenden Flüssen nutzt die Berufsschifffahrt den Strom bei Talfahrt, bei Bergfahrt versucht sie ihn zu meiden. Dies ist möglich, da der Strom in der Außenbiegung einer Schleife stets schneller fließt als an der Innenseite. Verlässt ein Schiff (B, s. S. 21) nun die rechte Seite, um das günstigere Wasser an der linken Seite zu erreichen, so zeigt es die blaue Tafel mit weißem hellem Funkellicht, und zwar stets an der rechten Seite des Steuerhauses. Dieses Signal bedeutet: »Vorsicht, ich komme auf deine Seite – weiche nach Backbord aus!« Der andere (A) weicht dann entsprechend aus. Notfalls besteht die Möglichkeit, zwischen »Kribben« (siehe dort) auszuweichen. Achtung: Während es früher im Belieben des Großschiffes lag, die blaue Flagge zu zeigen, müssen jetzt Großfahrzeuge bei der Bergfahrt die hellblaue Tafel auch für Sportboote zeigen, und auch das Sportboot muss entsprechend reagieren.

Bootsführerschein

Es gibt es auch in Holland einen Sportbootführerschein (klein vaarbewijs), und zwar für Boote mit einer Länge von 15 m und mehr (ausgenommen Rhein, Waal und Lek) und für Motorboote, die weniger als 15 m lang sind und schneller als 20 km/h fahren können.

Wer also ein kleineres (langsameres) Boot fährt, braucht nach wie vor keinen Schein.

Auf den Binnenschifffahrtsstraßen sind anerkannt der Sportbootführerschein Binnen (wenn nach dem 1.1.1989 ausgestellt) und das Sportschifferzeugnis E: Dies reicht aber nicht für Westerschelde, Oosterschelde, IJsselmeer, Waddenzee, Ems und Dollart. Der Sportbootführerschein See (soweit ausgestellt nach dem 1.1.1974) wird für alle Gewässer anerkannt. Das Sportpatent für den Rhein wird anerkannt für Fahrten auf Rhein, Waal, Pannerdenskanaal und Lek.

Nur die hier genannten Führerscheine sind anerkannt.

Brücken

Man unterscheidet feste und bewegliche Brücken (FB und BB). Steht in der Karte neben einer Brücke »BB«, so bedeutet das, dass sie beweglich ist. Die Öffnungszeiten kann man unter dem betreffenden Ortsnamen dem Almanak, Teil 2, entnehmen.

Ist in der Karte neben einer Brücke der Buchstabe »H« zusammen mit einer Zahl abgedruckt, so handelt es sich um eine feste Brücke, wobei die Zahl die Durchfahrtshöhe in Dezimetern angibt: »H 125« beispielsweise bedeutet: feste Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 12,50 m.

Signale

Viermal Rot: Brücke außer Betrieb. Durchfahrt verboten.

Zusätzlich weißes Licht: Brücke außer Betrieb, doch Durch fahrt gestattet. Achtung Gegenverkehr.

Rot/Rot: Brücke in Betrieb, Durchfahrt verboten.

Zusätzliches weißes Licht: Brücke in Betrieb, Durchfahrt bei geschlossenem Zustand erlaubt. Achtung Gegenverkehr.

Rot über Grün: Durchfahrt verboten, Brücke wird bald geöffnet.

Wie vorher, doch grünes Blinklicht: Durchfahrt verboten, es sei denn, man ist so nahe an der Brücke, dass Stoppen nicht mehr möglich ist.

Grün/Grün: Durchfahrt frei.

Viermal Grün: Durchfahrt frei, Brücke unbewacht. Achtung Gegenverkehr.

Brücken an Gezeitengewässern

In der Karte ist die Durchfahrtshöhe in NAP (siehe dort) angegeben. Doch damit kann man zunächst nichts anfangen, man muss erst umrechnen. Ein Beispiel:

Bei der festen Brücke über die Beneden Merwede bei Sliedrecht steht »H 121«. Die wahre Durchfahrtshöhe errechnet sich, indem man diese NAP-Angabe in Bezug zu Hoch- bzw. Niedrigwasser setzt. In der Karte ist neben dieser Brücke in einem blau umrandeten Kasten vermerkt »GHW = NAP + 9, GLW = NAP + 3« (GHW = mittleres Hochwasser, GLW = mittleres Niedrigwasser, Zahlen in dm).

Nun rechnet man folgendermaßen: Die NAP-Durchfahrtshöhe beträgt laut Karte 121. Bei GHW aber steht das Wasser 0,90 m über NAP.

Folglich zieht man von der NAP-Höhe diese 0,90 m ab, sodass bei Hochwasser eine wahre Durchfahrtshöhe von 112 gleich 11,20 m gegeben ist. Entsprechend verfährt man bei Niedrigwasser.

Um zu wissen, wann an dem betreffenden Ort Hoch- bzw. Niedrigwasser ist, braucht man die »Getijtafels« (siehe dort).

Wenn an den Brücken jedoch sogenannte umgekehrte Peilskalen angebracht sind, dann entfällt diese Rechnerei. Die von Weitem sichtbaren Skalen beginnen an der Brückenunterkante mit Null und messen dann Meter um Meter bis hinunter zur Wasseroberfläche. Man sieht also auf einen Blick, bei welcher Meterzahl das Wasser gerade steht. Diese Meterzahl gibt uns die wahre Brückendurchfahrtshöhe an.

Chartern

Es gibt wohl kein anderes europäisches Land, das ein derart großes und vielfältiges Angebot an Charterbooten hat. Die Zeitschrift »Yacht« bringt im Anzeigenteil ein großes Charterangebot.

Da im Sommer häufig alles ausgebucht ist, empfiehlt es sich, frühzeitig im Jahr zu chartern. Man sollte unbedingt auf eine ausreichende Versicherung des Bootes achten (Haftung und Kasko). Zuweilen wird für Schäden eine Selbstbeteiligung vereinbart, die man zunächst als Kaution hinterlegen muss. Wichtig ist auch, nur solche Reviere zu befahren, für die das Boot verchartert wird. Ob und welcher Bootsführerschein erforderlich ist, siehe dort.

Wer das erste Mal Boot fährt, lasse sich in die Handhabung ausführlich einweisen. Der Vercharterer wird schon im eigenen Interesse mit dem Neuling zum Einüben eine kleine Probefahrt machen. Im Übrigen sollte man darauf achten, dass sich alles in einwandfreiem Zustand befindet.

Delta-Plan

Gigantisches Projekt zur Sicherung des niederländischen Südwestens vor Sturmfluten (s. S. 96).

Dieselkraftstoff

Den roten Diesel gibt es für Sportboote seit 2013 nicht mehr. Man muss – wie Autos – den weißen (»blanken«) Diesel bunkern. Damit entfällt auch das Abpumpen bzw. Verzollen, wenn man Holland wieder verlässt.

Essen und Trinken

Man beleidigt den Holländer wohl nicht, wenn man behauptet, er sei ein lebensfroher, den irdischen Genüssen sehr zugetaner Mensch. Man isst gut, gern und vor allem viel in den Niederlanden und, soweit es sich um die »typisch« holländische Küche handelt, auch deftig. Ein kleines »Spezialitätenlexikon« befindet sich am Ende dieses Kapitels. Mittags isst man im Allgemeinen eher spärlich, zumal das sehr kräftige Ontbijt (Frühstück) lange anhält; dafür wird dann abends alles nachgeholt.

Was immer man auch bestellt, man wird sehr große Portionen bekommen. Die alte holländische Küche ist nämlich ursprünglich für Leute gemacht, die hart arbeiten und auch mal eine Mahlzeit ausfallen lassen müssen, für Bauern und seefahrendes Volk eben.

Zwischenmahlzeiten bekommt man in den Broodjeswinkels oder auch aus den Automaten, wo man kleine Gerichte ziehen kann, die meist von der indonesischen Küche beeinflusst sind.

Die vielen chinesisch-indonesischen Restaurants sind typisch für die Niederlande. Man kann wohl sagen, dass es heutzutage in fast jedem Ort ein solches Restaurant gibt. Man isst dort stets recht preiswert und gut. »Zum Chinesen gehen« ist ein willkommener Vorschlag, wenn die Crew erschöpft von einem langen Törn endlich im Hafen festgemacht und keiner mehr Lust hat, den Smutje zu spielen. In den großen Städten, voran Amsterdam, gibt es wohl kein Land der Welt, das nicht mit einem Spezialitätenrestaurant vertreten wäre.

Typisch für Holland sind auch seine Cafés – weniger Cafés in unserem Sinne, eher »Kneipen«, in denen man Kaffee trinkt, manchmal auch Billard oder Schach spielen kann.

Schilder an Gaststätten mit der Aufschrift Volledige Vergunning bedeuten, dass Getränke glas- oder flaschenweise ausgegeben werden, Tap-Vergunning heißt: alle Getränke nur glasweise.

Zu den deftigen Speisen trinkt der Holländer gern Bier, das für seine Qualität bekannt ist. Es gibt es licht (hell) und donker (dunkel). Typisch auch der Genever, unverzichtbar bei schwerem Essen, entweder als oude (alter) oder jonge (junger) Genever.

Ein manchmal unwahrscheinlich reichhaltiges Angebot an Getränken findet man in den Slijterij genannten Spirituosenhandlungen.

Flaggenführung

Die Nationale führt man am Heck, und zwar von 0800 (Sonntag 0900) bis Sonnenuntergang, spätestens bis 2100. Dann holt man sie ein. Die Gastlandflagge, also die rotweiß-blaue Nationale der Niederlande, wird unter der Steuerbordsaling gefahren, bei Motorbooten am Flaggenmast, ebenfalls an Steuerbordseite.

Flüsse

Ein besonderes, nicht immer leichtes Revier. Als »Grote Rivieren« bezeichnet man die Mündungsflüsse des Rheins, dazu die Maas und die Gelderse IJssel (vergleiche auch »Blaue Tafel«, »Brücken«, »Kribben« und »Strom«).

Führerschein

Erst wenn man ein Boot fährt, das 15 m oder länger ist beziehungsweise schneller als 20 km/h fahren kann, benötigt man einen Schein, den »klein vaarbewijs«.

Funk