Gianna Bacio
Hand drauf!
Gianna Bacio
Hand drauf!
Ein Plädoyer
für die weibliche Masturbation
Bildnachweis:
Alle Illustrationen im Buch: Heike Kmiotek – fine design – Erkrath
Originalausgabe
1. Auflage 2018
Verlag Komplett-Media GmbH
2018, München/Grünwald
www.komplett-media.de
ISBN E-Book: 978-3-8312-6982-2
Lektorat: Dr. Diane Zilliges, Murnau
Korrektorat: Judith Bingel M.A., München
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
Satz: Daniel Förster, Belgern
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrecht zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung
2 Kleine Geschichte der Masturbation
Mit Onan fing alles an
Dann kam die Kirche
Und so sieht’s heute aus
Die sechs häufigsten Fragen und Antworten
3 Warum wir »es« unbedingt tun sollten
Mehr Orgasmen
Besserer Sex
Und noch viel mehr…
4 Da »untenrum«
Begrifflichkeiten
Wir sind sooo unterschiedlich und doch so gleich
Vulva, Vagina und Co
Ein neues Körpergefühl
5 Der Orgasmus, ein Must-have?
Ein Orgasmus ist ein Orgasmus
Die Orgasmuskurve
Warum es manchmal nicht klappt
Masturbieren hilft
6 Im Dreiklang mit sich sein
Die besten Rahmenbedingungen schaffen
Das A und O: Beckenbodentraining
Atme durch die Muschi!
Deine Fantasie ist grenzenlos
Die Top Ten der weiblichen Sexfantasien
7 Die Techniken: 100 Prozent handmade
Der »Hand drauf!«-Guide
Willkommene Begleiter
Das Kapitel für Partner
Nachwort
Kontakt
Dank
Quellen
Anmerkungen
Für Ulfinchen
Vorwort
Liebe Frau Nienaber,
Sie waren mit Abstand meine Lieblingslehrerin. Bei Ihnen machte das Lernen Spaß und Sie verstanden es wie keine andere, mit Kindern umzugehen. Sie bescheinigten mir eines Tages, es muss in der dritten Klasse gewesen sein, dass ich mal eine große Geschichtenschreiberin werde. Nun, heute ist es so weit. Ich bin tatsächlich eine Geschichtenschreiberin und mit 178 Zentimetern bin ich auch groß, für eine Frau. Doch mit Sicherheit haben Sie sich damals etwas anderes vorgestellt als das, was heute daraus geworden ist. Dafür kann ich mich nicht entschuldigen, weil es original das ist, was ich tun möchte. Vielleicht kann ich Sie aber davon überzeugen, dass es zum einen notwendig und zum anderen mein Weg ist, Menschen aufzuklären. Sie waren stets mein Vorbild und deshalb können Sie dieses Buch natürlich als Inspiration, aber auch als eine Art Hommage sehen.
Jetzt halten Sie also mein Werk in den Händen. Es ist ein Buch über die weibliche Masturbation. Ja, Sie haben richtig gelesen. Masturbation, oder auch Selbstliebe, Hingabe, Entspannung pur. Falls Ihre Augenbrauen gerade nach oben wandern und Ihr Mund offen steht, kann ich Sie beruhigen: Das ist völlig normal. Schließlich ist die Masturbation nach wie vor ein Tabuthema, über das kaum offen gesprochen wird. Mehr noch: Sie gilt häufig als mickriger Ersatz für Sex mit einem Partner. Ich weiß natürlich nicht, wie Sie zu diesem Thema stehen und ob Sie in Wirklichkeit sehr offen darüber kommunizieren. Allerdings erinnere ich mich an unseren Sexualkundeunterricht nur allzu gut. Wir haben dort über allerlei nützliche Dinge gesprochen, wie die Menstruation, Verhütung und Schwangerschaft. Dass auch Masturbation ein Thema war, kann ich jedoch nicht behaupten. Im Nachhinein einerseits schade, weil ich als praktizierendes Mädchen einige Fragen gehabt hätte. Andererseits gut, weil ich ansonsten vielleicht niemals so intensiv zu diesem Thema geforscht hätte.
Insofern ist alles richtig gelaufen. Ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und das Ergebnis halten Sie in den Händen. Apropos Hände: Es ist meine Intention, Frauen ein Gefühl von Normalität und Freude beim Einsatz ihrer Hände zu vermitteln. Keine Frage: Sex mit sich selbst ist etwas sehr Intimes und das ist auch gut so. Gleichzeitig ist es eben auch etwas ganz besonders Schönes, doch sagt und lebt das leider kaum jemand. Hier komme ich ins Spiel. Ich möchte dieser Jemand sein, der sagt: »Ja, wir dürfen mehr über unseren eigenen Körper wissen, intensivere Erfahrungen machen und uns feiern.« Verstehen Sie, warum es mir ein so großes Anliegen ist, über die Masturbation zu schreiben?
Hier noch eine kleine bildhafte Geschichte, weil Sie die doch so gern mochten: Am Anfang unserer Entwicklung sind wir wie eine alte, historische Stadt, mit vielen kleinen Straßen und Geheimgängen. Wenn wir älter werden, bilden sich immer größere Straßen heraus, einfach weil sie am meisten befahren werden. Die kleinen, niedlichen Gässchen hingegen gelangen immer mehr in Vergessenheit und verkümmern allmählich. Ähnlich verhält es sich mit unseren Masturbationserfahrungen. Oft haben wir auch hier eher dürftige Dinge gelernt, sodass nur wenige Wege geebnet wurden. Die gute Nachricht jedoch ist: Wir können auch wieder zu dieser wunderschönen alten Stadt werden. Vorausgesetzt wir wollen es und trauen uns zu, auch andere, ungewohnte Wege einzuschlagen.
Ich hoffe, ich habe Sie nun neugierig gemacht und Sie wollen unbedingt wissen, wie das funktioniert. Gut so, dann lesen Sie einfach weiter, denn in diesem Buch steht alles drin, was Sie dazu wissen und lernen können. Ich habe Sie stets für Ihre Fähigkeit bewundert, immer das Gute im Menschen zu sehen. Danke, dass Sie damals schon die Geschichtenschreiberin in mir entdeckt haben. Vielleicht wäre dieses Buch sonst nie entstanden. Und wer weiß, vielleicht schreibe ich eines Tages ja auch noch ganz andere Geschichten. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen von Herzen
Ihre Schülerin
Gianna Bacio
1
Einleitung
»Masturbation ist Sex mit jemandem, den ich wirklich liebe.«
Woody Allen
Im Zuge der Titelfindung für dieses Buch bat ich meinen Partner, mir bei der Masturbation zuzusehen und mir hinterher seine Gedanken und Beobachtungen zu schildern. Ich versprach mir davon, den ultimativen Titel für ein Buch über Masturbation aufzudecken, der wie die Faust aufs Auge passt. So weit, so gut. Mein Partner freute sich über meinen Vorschlag und legte sich also mit glühenden Augen neben mich, während ich mich selbst befriedigte. Danach stellte er anerkennend fest: »Wahnsinn, das war ja total liebevoll. Du warst ganz in dir versunken, in deiner eigenen Welt. Es wirkte auf mich, als wenn du dich währenddessen selbst ge-, nein beliebt hättest.« Wir überlegten von da an, die Selbstbefriedigung nur noch »Selbstbe-LIEBigung« zu nennen und das gleich auch als Titel für dieses Buch zu verwenden. Ich mag die Idee nach wie vor, doch hat sie sich im Laufe der Zeit nicht durchsetzen wollen. Nicht für unseren alltäglichen Sprachgebrauch und ebenso wenig für das vorliegende Werk, wie ihr unschwer erkennen konntet.
Unser Selbstversuch hatte dennoch seine Berechtigung, denn er hat mir etwas Wichtiges gezeigt. Nämlich einmal mehr, dass es an der Zeit ist, gescheite Wörter für die Selbstbefriedigung zu finden und überhaupt darüber zu sprechen. Oder wie kommt es, dass wir bis heute eher klinisch-mechanische als lustvolle Begriffe dafür kennen? Im weiteren Verlauf dieses Buches werdet ihr auch noch die genauere Bedeutung der Begriffe »Masturbation« und »Onanie« erfahren. Seid ehrlich: »Ich gehe mal kurz masturbieren/onanieren/rubbeln« klingt ähnlich ungeil wie: »Ich befriedige mich mal eben selbst/besorge es mir/habe Solosex.« Wer hier geeignetere Bezeichnungen einzufügen vermag: Glückwunsch – und bitte umgehend bei mir melden. Letztendlich findet oder kreiert wohl jeder im Laufe seines Lebens seine eigenen Lieblingswörter, oder auch nicht. Im Grunde ist der Klang des Begriffes auch viel weniger wichtig als die Güte des Aktes an sich. Aber woher wissen wir, was sich wo und wie gut anfühlt?
Genau hier liegt der Hase im Pfeffer, denn es beginnt mit mangelnden Begrifflichkeiten und endet in einer allgemeinen Sprachlosigkeit. Nun ja, wir sprechen nicht wirklich darüber und unsere Gesellschaft unterstützt diese Art von Lernen wenig bis gar nicht. »Das konnten doch schon die Neandertaler«, würde mein Vater jetzt einwerfen. Wahrscheinlich stimmt das – und die hatten zudem den Vorteil, dass sie mit einem natürlicheren Bezug zu ihrem eigenen Körper aufwachsen durften. Den Begriff »Bodyshaming« kannte damals mit Sicherheit noch keiner. Im Idealfall haben die jungen Steinzeitmenschen ihre Eltern und den Rest ihrer Sippe als sexuelle Wesen gesehen, von ihnen gelernt und mit der Zeit sich selbst auch als solche identifiziert. Mit einer sexuellen Identität lässt sich auch die Masturbation als fester Bestandteil der Sexualität, ja des gesamten Lebens, erkennen. Dahinter steht ein echtes sexuelles Bedürfnis, das so normal wie verbreitet ist. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild. Wir sind nach wie vor gefangen in Altlasten, die sich durch ein verzerrtes Frauenbild sowie das Gefühl von Schuld und Scham äußern. Ein sehr unfruchtbarer Boden für Sinnlichkeit und Lust.
Masturbation ist deshalb immer noch ein Tabuthema und vor allem Frauen haben oft Blockaden, ihren Körper als das zu erkennen, was er ist: einzigartig und wunderschön. Ohne echte Vorbilder orientieren sie sich stattdessen an dem, was von den Medien und der Gesellschaft als schön und erstrebenswert definiert wird. So kommt es, dass der Bezug zum eigenen Körper und damit auch zum eigenen Geschlecht bei vielen gestört ist. Ein Thema, das daran dicht gekoppelt ist, ist der weibliche Orgasmus. Wenn wir nie gelernt haben, was Erregung und Lust für uns bedeutet, ist auch das Erreichen eines Orgasmus ein hehres Ziel. Manche Frauen erleben selten, manche nie einen Orgasmus und viele können ihn zwar durch die Masturbation, nicht aber durch Sex erreichen.
Die gute Nachricht ist: All dies ist erlernbar, wie das Radfahren. Es braucht nur Geduld und die Muße, etwas zu verändern. Nach unserer Historie könnte man schließen: Na, kein Wunder, dass wir so sind! Gleichzeitig sage ich aber auch: Hey, das muss nicht sein! Lasst uns die Altlasten endlich über Bord werfen und unser eigenes Bild von Schönheit und Sinnlichkeit definieren. Wir wurden in unserem Körper geboren, er begleitet uns in jeder Sekunde, ein ganzes Leben lang. Also ist es nur ein fairer Deal, wenn wir uns mit ihm vertraut machen, ihn wertschätzen und ihn feiern. Lasst ihn uns erkunden, stets neugierig sein und herausfinden, welches sexuelle Potenzial in uns steckt. Einverstanden?
WIR SIND WIE BÄUME
Als Freundin von Metaphern möchte ich euch ein Bild mitgeben: Wir als sexuelle Persönlichkeiten sind wie Bäume. Unsere Wurzeln symbolisieren unsere Erregungsfähigkeit. Daraus entwickelt sich nach einiger Zeit ein zartes Pflänzchen, aus dem ein kräftiger Stamm hervorgeht, der immer mehr Äste ausbildet und Blüten austreibt. Mit unserer sexuellen Persönlichkeit verhält es sich ähnlich. Unser Wachstum wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Im Laufe der Zeit lernen wir, worauf wir reagieren und was wir erregend finden. Zunächst an uns selbst, dann an einem Partner. Wir bekommen ein Gespür für das eigene Geschlecht, entwickeln Techniken, Stellungen und Fantasien. Wir lernen das Verführen und empfinden Liebe, Intimität und Freude. Im besten Fall entsteht dann mit der Zeit sexuelle Selbstsicherheit. Unser ganzes System bleibt, wie bei einem Baum, in ständiger Veränderung und entwickelt sich weiter.
Dieses Buch ist also für all diejenigen geschrieben, die einen mangelnden Bezug zu ihrem Körper oder ausbleibende Orgasmen beklagen. Freut euch auf Theorie und Praxis, die euch dabei helfen werden, diesen Bezug wiederherzustellen und die Freude an euch selbst zu zelebrieren. Es richtet sich aber auch an diejenigen, die keinerlei Probleme dieser Art kennen, sondern vielmehr einen Blick über den Tellerrand wagen möchten. Vielleicht sind sogar regelrechte Masturbationskünstlerinnen unter euch. Dann sage ich: Schön, dass auch ihr hier seid. Lasst euch inspirieren und anstecken, neue Dinge zu lernen und auszuprobieren. Nicht zuletzt ist dieses Buch auch für eure Partner geschrieben und allgemein für Männer, die Frauen besser verstehen wollen. Euch möchte ich am liebsten um den Hals fallen und mein Lob aussprechen. Ich verspreche euch Aha-Momente und wertvolle Erkenntnisse, sowohl während als auch nach der Lektüre.
Doch dieses Buch ist mehr als ein Fachbuch, es geht hier um mehr als die reine Vermittlung von Wissen oder Techniken. Es ist, wie der Name sagt, ein Plädoyer, also nach dem Duden eine »engagierte Befürwortung«. Ja, ich spreche mich hiermit in aller Form und Begeisterung für die Masturbation aus. Sie ist in meinen Augen mit der wichtigste Schritt in eine erfüllte Sexualität. Masturbation ist mehr als ein rein mechanischer Vorgang, der möglichst in einem Orgasmus gipfelt. Es ist ein Ausdruck von Lust, von Gefühlen und dem eigenen Selbstbild. Dahinter steckt der Begriff »Selbstliebe«, den wir immer häufiger vernehmen und der so viel bedeuten kann. Masturbation als Ausdruck von Selbstliebe, das mag pathetisch klingen, trifft aber den Kern ziemlich gut. Und: »Du kannst jemand anderen nicht lieben, bevor du dich nicht selbst liebst«, so heißt es nicht umsonst.
Seht dieses Plädoyer als eine Art Reise an, auf die ich euch mitnehmen möchte. Eine Reise mit verschiedenen Stationen, die uns Selbsterkenntnisse und -erfahrungen liefern. Sie wird gleichzeitig ein Lern- und Reifungsprozess sein, der, wie ihr sehen werdet, am Ende zu euch selbst führt. Ich freue mich darauf, euch zu begleiten, und kann euch schon mal eins versprechen: Die Zeit des Schweigens ist ab hier endgültig passé. Ich werde Tacheles reden und die Dinge beim Namen nennen. Hand drauf!