Weit- und
Schaumschläger
Amüsantes und Skurriles
aus dem Golfalltag
COPRESS
Impressum
Vollständige eBook-Ausgabe der im Copress Verlag erschienenen Printausgabe
(ISBN 978-3-7679-1074-4).
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet übe http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2011, 2012 Copress Verlag
in der Stiebner Verlag GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten.
Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
Genehmigung des Verlags.
Gesamtherstellung: Stiebner, München
ISBN 978-3-7679-1172-7
www.copress.de
Prolog
Kapitel 1
Überholen (im Fachjargon: „Durchspielen lassen“)
Vorgedrängelt
Mr. Superüberholer
Kapitel 2
Regelmissachtung und Strafschläge
Spielen von außerhalb des Abschlags
Ball im Wasserhindernis
Kapitel 3
Schummeln und kreative Regelauslegung
Bonuspunkte
Maulwurfshügel überall
Kapitel 4
Und wo bleibt der Spaß?
Strategie
Fremde Plätze
D-Day
Kapitel 5
Die Bedeutung des Handicaps
Weitschläger, Schaumschläger
Albatros X 100
Kapitel 6
Psychologie
Der 1. Abschlag / Tee No. 1
Unsere Pros
Heute hopp, morgen topp!
Triumphe moderat feiern
Die Hecke an Bahn 16
Kapitel 7
Kleiderordnung
Kapitel 8
Aller Anfang ist schwer
Anfängerkurs
Training
Auf dem Platz
Nach einiger Zeit
Was habt Ihr jetzt gelernt?
Ich habe vor 2½ Jahren angefangen Golf zu spielen. Seitdem hat sich mein Leben verändert. Mit der kleinen weißen Kugel lebt es sich irgendwie beschwingter. Ich bin der Natur näher, ich bin irgendwie lockerer drauf, denke positiver und habe sogar einige neue Freunde gewonnen.
Wie kann all das sein? Golf ist doch nur ein Spiel. Ein zeitintensives und Nerven zermürbendes obendrein. Es wird zudem nur betrieben von arroganten neureichen Fatzkes, denen das Herzeigen ihres modischen Outfits allemal wichtiger ist, als sportliche Aspekte jedweder Art. So jedenfalls die gängige Meinung, wenn man sich in Kreise der nicht Golf spielenden Freunde und Bekannten einmal umhört.
Mit diesen gängigen Vorurteilen aufzuräumen und die humoristischen und therapeutischen Aspekte dieser Sportart einmal genauer aufzuzeigen, ist Ziel und Inhalt dieses Buches. Bei der Darstellung der Erlebnisse und Spielsituationen beziehe ich mich durchweg auf selbst gemachte Erfahrungen. Es wurde nichts hinzugedichtet oder übertrieben. Lediglich der Blickwinkel auf die Dinge wurde zweckdienlich angepasst.
Naturgemäß betrachte ich viele Dinge noch aus der frischen Erinnerung eines Anfängers, doch die psychologischen Aspekte dieses wunderbaren Spiels verändern sich auch für den fortgeschrittenen Spieler kaum. Er geht nur anders damit um.
Ich befinde mich zurzeit im Übergang von der Anfängerwelt in die der Fortgeschrittenen. Dass dieser Übergang keine Einbahnstraße ist und dass sich beide Welten im laufenden Betrieb ständig vermischen, erfährt der Leser schon zu Beginn dieses Buches.
Nachdem der etwaige Anfänger unter den Lesern erfahren hat, dass auch der fortgeschrittene Golfer nur mit Wasser kocht, erfährt er weiter unten, wie er den Übergang von der einen Welt in die andere schadlos bewältigen kann.
Schönes Spiel!
(im Fachjargon: „Durchspielen lassen“)
Im Golfsport gibt es eine Vielzahl von Regeln und so genannten Etikettebestimmungen, die das Spiel nicht nur sportlich vergleichbar gestalten sollen, sondern vor allem ein chaotisches Durcheinander bis hin zur Gefährdung von Leib und Leben verhindern helfen. So versteht es sich beispielsweise von selbst, dass ein Ball erst dann geschlagen werden darf, wenn auszuschließen ist, dass ein Mitspieler oder ein unbeteiligter Dritter davon getroffen werden könnte.
Auf der anderen Seite steht das ständige Bemühen, anderen Mitspielern nicht über Gebühr im Wege zu stehen und somit ihren Spielfluss und ihre Spielfreude nicht einzuschränken (siehe hierzu auch Regel 6-7 Unangemessene Verzögerung; langsames Spiel). Hier kommt nun auch die „Etikette“ ins Spiel. Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung regelt die Etikette in erster Linie nicht das, was man tut, sondern vor allem das, was man nicht tut. Sich daneben Benehmen zum Beispiel.
Kommen wir nun zur praktischen Anwendung und zu einer realen Spielsituation. An sonnigen Wochenenden drängen sich auf deutschen Golfplätzen mitunter die Karawanen in sogenannten Flights (~ Spielgruppen im Umfang von 1–4 Personen) in sehr kurzen Abständen hintereinander über die deutschen Spielbahnen. Da kommt es schon einmal vor, dass der nachfolgende Flight warten muss, bis die Vorgänger ihre Bemühungen um ein erfolgreiches Versenken der weißen Kugel im dafür vorgesehenen Behältnis beendet haben.
Stellt der vordere Flight fest, dass er den hinteren Flight über Gebühr aufhält, so muss er diesem unaufgefordert Zeichen zum Durchspielen (Überholen) geben. Dies ist aber nur dann gegeben, wenn der Vorflight nicht seinerseits dicht einem weiteren Vorflight folgt. Ansonsten gilt es Ruhe zu bewahren und sich in den fließenden Verkehr einzuordnen!
Nun zur konkreten Spielsituation: Es begab sich auf einer äußerst beliebten Anlage im Norden unserer Republik. Eine Spielgruppe folgte dicht auf die andere. Ich befinde mich mit meinen beiden Spielpartnerinnen mitten im Verkehr.
Wir sind gerade bei Loch Nummer 6 und versuchen einzulochen. Da sehen wir aus den Augenwinkeln zwei verwegene Gestalten von Bahn 5 kommend konspirativ an uns vorbeihuschen, direkten Weg zu Abschlag Nummer 7 einschlagend. Wir spielen Bahn 6 zu Ende und machen uns dann ebenfalls auf den Weg zu Abschlag Nummer 7.
Dort eingetroffen begrüßen uns die forschen Kollegen mit einem fröhlichen: „Wir haben uns mal eben vorgedrängelt!“, verbunden mit einem etwas verblödetem Grinsen. Statt dem offenbar erwarteten: „Na das macht doch nichts, Sie sind ja nur zu zweit, spielen Sie ruhig vor“, bekamen sie aber zur Antwort: „Ja, das sehen wir.“
Nun kommt Kollege 1 etwas ins Stammeln: „Ja, wir dachten nur, die Bahn vor Ihnen wäre frei, den Viererflight hatten wir gar nicht gesehen.“ Kollege 2 hingegen ist der Meinung, unverschämt kommt durch: „Wir dachten, sie gehen nur spazieren, das sah alles so langsam aus.“
Nun befanden wir uns seinerzeit noch ganz am Anfang unserer „Golfkarriere“ und waren noch nicht mit der für solche Situationen erforderlichen Coolness ausgestattet. Die richtige Antwort wäre natürlich gewesen: „Ja, und nun sehen Sie, dass es nicht so ist. Würden Sie sich daher bitte wieder hinten anstellen.“
Stattdessen gaben wir halbwegs bei: „Tja, da haben Sie sich wohl geirrt. Aber wenn wir Sie jetzt nicht durchspielen lassen würden, fühlten wir uns ständig unter Druck gesetzt und würden womöglich unser eigenes Spiel vermasseln. Dann setzen lieber wir Sie unter Druck – spielen Sie eben vor.“
Und schon legten sie wieder forsch los – auf einem Par3, auf dessen Grün der Vorflight noch am Putten war! Dies führte unvermeidlich zu einer Beinahe-Kollision der heran fliegenden Bälle mit den puttenden Sportsfreunden und zu einer Komplett-Kollision der beiden Flights mit den augenscheinlich höchst unterschiedlichen Spielauffassungen. Den Inhalt der verbalen Auseinandersetzung konnten wir auf die Entfernung leider nicht im Detail verfolgen.
In der Konsequenz wurden die forschen Gesellen allerdings nicht noch ein weiteres Mal vorgelassen, sondern verzweigten lamentierend querfeldein in die Büsche und waren von da an nimmer mehr gesehen.
Schade. Der Fortschritt beim Etiketteverhalten hält nicht immer ganz Schritt mit dem Spielfortschritt. Im Gegenteil: Fortgeschrittene Spieler glauben häufig, sich aufgrund ihrer technischen Fähigkeiten mehr gegenüber den Anfängern herausnehmen zu können. Da haben sie etwas missverstanden!
Wie gesagt: Etikette ist vor allem das, was man nicht tut.
Ein weiteres einschlägiges Erlebnis zum Thema „Durchspielen lassen“ hatte ich im Rahmen eines Anfängerturniers (Vorgabeklassen 37-54) in unserem eigenen Heimatclub.
Die 3er Flights waren von der Spielleitung so zusammengestellt worden, dass sich in jedem Flight je mindestens ein Spieler mit Vorgabe 54 und mit Vorgabe < 45 befand. Damit sollte ein in etwa gleichmäßiges Spieltempo gewährleistet werden, bei dem Situationen wie die nun geschilderte möglichst nicht eintreten sollten.
Bis zu Bahn 4 lief alles glatt. Bahn 4 ist bei uns ein sogenanntes Dogleg, bei dem die Bahn nach etwa halber Länge abknickt, so dass für den gewöhnlichen Wald- und Wiesenspieler ein Richtungswechsel auf dem Weg zum Loch vorzunehmen ist (besonders gewiefte Kameraden versuchen hingegen, über die rechts befindliche Hecke und das dahinter gelegene Rough [hohes, schwer zu bespielendes Grass oder Unkraut] abzukürzen).
Wir mussten zunächst einen Moment warten, bis der Vorflight hinter der Hecke verschwunden war (nicht mehr sichtbar, aber immer noch da) und konnten uns sodann an unsere Abschläge wagen, die aufgrund unserer noch überschaubaren Fähigkeiten im Bestfall nicht weiter als in den Bereich der Hecke gelangen würden. Und siehe da – alle drei Abschläge landeten kurz vor oder neben eben dieser Hecke. Wir machten uns auf den Weg zu unseren Bällen.
Just in diesem Moment erschallen wilde Rufe von hinten (!), verbunden mit ebenso wilden Gesten. Wir schauen uns verdutzt an. Was mag der „Flightführer“ unserer soeben am Abschlag eingetroffenen Nachfolger von uns wollen. Schließlich hören wir es laut und deutlich: „Können wir mit Euch abschlagen?“
He? Mit uns abschlagen? Die maximale Flightgröße liegt nach wie vor bei 4. Was soll es da bringen, mit uns abzuschlagen? Endlich verstand ich: „Wollt Ihr durchspielen oder was?“
Wie gesagt, es läuft normalerweise anders herum: Wenn der vordere Flight feststellt, dass er den Anschluss verpasst und die Nachfolger schneller sind, fordert er diese zum Durchspielen auf. Nicht umgekehrt. Aber was soll’s. Wir kommen nicht weiter, die kommen nicht weiter. Nur, wenn wir das Durchspielen verweigern, setzen wir uns womöglich im weiteren Verlauf selbst unter Druck, weil wir immer die Drängler im Nacken verspüren. Also lautete die Antwort auch in diesem Fall: „Na, wenn Ihr meint – dann legt mal los!“
Der „Flightführer“ legt los und macht einen ganz passablen Abschlag. Mitspieler A versemmelt seinen Abschlag (viel zu kurz), Mitspielerin B versemmelt ihren Abschlag links ins Rough. Sie benötigt drei weitere Schläge um wieder aufs Fairway in den Bereich der Hecke zu gelangen. Unkraut und Erdreich werden dabei großzügig verteilt. Hörbarer Kommentar meiner Flightpartnerin: „Zügig Durchspielen geht anders!“
Nach einer gefühlten viertel Stunde können auch wir unser Spiel fortsetzen. Sofort laufen wir auf den Bälle suchenden Vorflight (ehemals Folgeflight) auf. Alle drei Partner dieses Flights werden Bahn 4 streichen müssen (sie verfehlen die für einen Punktgewinn erforderliche maximale Schlaganzahl).
Später traf ich Mitspielerin B auf dem Clubparkplatz. Sie erklärte Folgendes: „Wir wollten gar nicht überholen, aber D. wird immer so nervös, wenn er warten muss. Er hat Euch gleich angerufen, ohne uns vorher zu fragen!“