Inhalt

Impressum

Widmung

Karte

Surprise, Surprise

Kangaroo I – sie hüpfen rückwärts

Wassermenschen und Feuerkünstler

Die gestohlene Haarlocke

Lost World

The True Blue

Der Traum von der Freiheit

Sydney – die Wasserstadt

Küsten, Strände, Meereswelten

Planet WA

Melbourne – auf Gold gebaute Schönheit

Stay in control. Ein Besuch im Casino

Kangaroo II – Purzelbaum ins Beutelglück

Dreaming & Songlines

Zirkularatmung

Porn, Pot & Politics

Sonnenschutz und Schattenseiten

Wüste und Outback

Der große Durst

Der Berg, der das Licht trinkt

Alice Springs – der ruhigste Ort der Welt

Relikte der Urzeit

Nervig, giftig & gefährlich

Sportlich: Cricket, Surfen, Bumerang

Gourmet & Wildfood

Aborigines-Sprachen und Aussie-Slang

Blicke in die innere Welt

Australische Literatur und Poesie – von Salzbäumen und Schaumkronen

Zwischen den Welten

Kangaroo III – Golfen mit Kängurus

Weitere Infos

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

ISBN 978-3-492-96769-3

August 2017

© Piper Verlag GmbH, München 2014

Redaktion: Matthias Teiting, Duisburg

Karte: cartomedia, Karlsruhe

Coverkonzeption: Büro Hamburg

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de

Covermotiv: Kängurus im Abendrot (vorne, 123RF)

Litho: Lorenz & Zeller, Inning a. A.

Datenkonvertierung: le tex publishing services GmbH, Leipzig

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Für Rainer Remus,
der Australien überlebt hat

Surprise, Surprise

Ich ging über den goldgelben Sand der Weinglasbucht und trank gekühlten Tee am Strand der Pfefferminzbäume. Australien ist ein Land, in dem es Orte gibt, die aus einer kulinarischen Werbebroschüre stammen könnten. Oder die so klingen, als wären sie aus einem Fantasy-Roman auf die Landkarte gerutscht: die Schlucht der Regenbogenschlange, der Berg der Wolkenwälder, das Tal der flüsternden Bäume. Die Aborigines, die Ureinwohner Australiens, dachten sich diese phantasievollen Wortschöpfungen einst aus. Doch auch die späteren Entdecker und weißen Siedler ersannen Namen voller Poesie: das Kap der Trübsal, die Inseln der Hoffnung, der See der Enttäuschung, der Berg der Überraschungen.

Wie wahr. Australien ist tatsächlich ein Land der Überraschungen und der unerwarteten Wunder. Und höchst seltsamer Tiere. Auf gelben Verkehrsschildern werden wir vor Tasmanischen Teufeln (Raubbeutlern) gewarnt, vor Quokkas (Kurzschwanzkängurus) und Wombats (Plumpbeutlern).

Und außerdem wartet es mit den erstaunlichsten Rekorden auf. Wer hätte gedacht, dass es in Australien Bäume gibt, die Gold schürfen können, dass man hier Luftraum kaufen kann, dass Australien über das größte Trinkwasserreservoir der Welt verfügt oder dass es auf dem Fünften Kontinent über 160 erloschene Vulkane gibt, manche von ihnen sogar tropisch grün überwuchert? Traumhaft schöne Maare, mit Wasser gefüllte Vulkankraterseen. Europe supersized nannte ein australischer Freund, der in beiden Welten zu Hause ist, die Gegend um Denmark im Süden Westaustraliens. Riesenbäume, Riesenfarne, Riesenwälder.

Natürlich gibt es auch all die Dinge, die man unweigerlich mit Australien verbindet: die steinernen Wunder im Outback, die rote Halbwüste, die smaragdgrünen Tropenwälder, die schneeweißen Strände. In Monkey Mia zum Beispiel, wo man sich mit Delfinen direkt an einem wunderschönen Strand verabreden kann. Immer aber gibt es auch Überraschungen, Sachen, mit denen man nicht rechnet. So gelangt man mitten in den Wüsten, Steppen und Halbwüsten an erfrischende Bademöglichkeiten. Das Ellery Creek Big Hole zum Beispiel. Ein kühler See im West MacDonnell National Park. Oder der kleine Schwimmfelspool im Maguk Gorge, der sich zwischen einem Steinlabyrinth oberhalb eines Wasserfalls versteckt. Und wer hätte gedacht, dass es neben dem weltweit bekannten Great Barrier Reef im Osten noch ein traumhaftes Korallenriff im Westen gibt. Das Ningaloo Reef, das längste Saumriff der Welt, an manchen Stellen nur hundert Meter vom Strand entfernt!

Neben all den Rekorden, den Wundern und Wohlfühldingen wird aber auch über Buschfeuer, Glutöfen, Quälgeister, Giftstachel und Reißzähne zu reden sein. Was wäre Australien ohne seine Gefahren und Herausforderungen? Oder ohne die Aborigines, das älteste Kulturvolk der Welt? Auch deren Leid und Elend sowie ihr kultureller Reichtum werden nicht unerwähnt bleiben.

Im Jahr 2017 erlebt Australien bereits über ein Vierteljahrhundert in Folge wirtschaftliches Wachstum. Das ist Weltrekord. Doch obwohl Australien ökonomisch in den letzten Jahrzehnten den Turbo eingeschaltet hat, wirkt das Land auf verblüffende Weise nicht hektisch. Einige Sydneysider spüren den Druck der internationalen Märkte und schlucken morgens ihren Espresso oder Flat White etwas schneller hinunter. Einige Frauen joggen jetzt in flotterem Tempo mit Kinderwagen über die Strandpromenade am Manly Beach. Doch das uralte rote Land strahlt weiter Ruhe und Gelassenheit aus.

Vieles, was man hier zu sehen, zu riechen, zu schmecken, zu hören bekommt, gibt es sonst nirgendwo anders auf der Welt. Vieles ist einmalig, weil sich dieses Land so lange abseits aller anderen Landmassen bewegt hat. Über Millionen von Jahren konnte der Fünfte Kontinent sein eigenes Spiel des Lebens betreiben und wartet nun mit unglaublichen Resultaten auf. Schaut her, was ich euch Schönes gezaubert habe!

Kangaroo I – sie hüpfen rückwärts

Das Känguru ist das weltweit berühmteste aller Beuteltiere. Es ziert die Münzen und Geldscheine Australiens, ist auf der größten Goldmünze der Welt abgebildet (zusammen mit Königin Elizabeth II.), dient als Logo der Quantas-Flugzeuge, ist natürlich Symbol der sprungkräftigen australischen Basketballteams und darüber hinaus das weltweit einzige Wappentier, das man verspeisen kann! Kein Wunder, dass man diese Tiere als Erstes auf der Rechnung hat, wenn man nach Australien reist.

Aber auch anderswo auf der Welt war man sehr frühzeitig von Kängurus fasziniert. Zur Geburtsstunde des Kinos zum Beispiel. Als Max und Emil Skladanowsky im Berliner Wintergarten 1895 ihre allerersten Filme präsentierten, zeigten sie auch einen kurzen Stummfilm, in dem ein gewisser Mr Delaware gegen ein boxendes Känguru antrat. Wie ein richtiger Boxkampf sah das zwar nicht aus, eher wie ein wüstes Raufen, aber derartige Schaukämpfe gehörten gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchaus zum Berliner Varieté- und Zirkusprogramm. Auch auf australischen Jahrmärkten traten damals boxende Kängurus gegen harte Männer aus dem Outback an.

Als die Segeljacht Australia II im Jahr 1983 das Motiv eines boxenden Kängurus samt grüner Fahne hisste und zum ersten Mal nach über 100 Jahren den Titel der berühmtesten Segelregatta der Welt nach Australien holte, wurde The Boxing Kangaroo auf dem Fünften Kontinent endgültig Kult. Die Flagge mit dem goldfarbenen Känguru und den roten Boxhandschuhen auf grünem Grund galt von da an als Glücksbringer und sorgte während der Olympischen Spiele in Sydney sogar für Unruhe, weil das Olympische Komitee das boxende Känguru als nationales Symbol nicht anerkennen wollte.

Männliche roos – so die australische Kurzform – haben das Boxen im Blut. Bevor sie sich mit Konkurrenten und Gleichaltrigen messen, versuchen sie sich an ihren Müttern oder aber an ihrer Variante des Punchingballs, jenen Sträuchern, die im Outback stehen und nicht selten mit ihren biegsamen Ästen überraschend »zurückschlagen«. Heranwachsende männliche Kängurus wählen sich täglich im Busch pflanzliche oder tierische Sparringspartner.

Die riesigen Muskelstränge der Kängurus funktionieren wie Sprungfedern. Die Achillessehnen werden dabei gestreckt und gespannt wie die Sehne bei einem Bogen. Ein großer Teil der Aufprallenergie wird beim Sprung gespeichert und für den nächsten Riesensatz genutzt. Das Hüpfen ist eine geniale und pfiffige Fortbewegungsart für Wüstenbewohner. Energiemäßig ist es bei Weitem effizienter als der Galopp eines Pferdes. Die kräftigen Beine erlauben dem Roten Riesenkänguru Sprünge von bis zu zehn Meter Weite und drei Meter Höhe. Der heiße Boden Australiens wird dabei selten berührt; erstaunlich schnell, mit bis zu siebzig Kilometern pro Stunde, überbrückt dieses Beuteltier die weiten Ebenen des Landes. Ein immenser Vorteil, um an weit entfernte Wasserstellen zu kommen (und Wasser benötigt ein ausgewachsenes Känguru spätestens nach zehn Tagen).

Wenn es zum Kampf kommt, katapultiert sich ein Männchen akrobatisch in die Luft, stützt sich hinten mit dem kräftigen Schwanz ab und tritt dabei mit beiden Hinterbeinen so kräftig nach vorn, dass dies auch für einen menschlichen Gegner lebensgefährlich werden kann. Kickboxen vom Feinsten. Oft macht das gegnerische Känguru dann etwas, das es offiziell gar nicht dürfte: rückwärtshüpfen!

Kängurus, das lehrt man die Kinder in australischen Schulen und wiederholt es seit Jahrzehnten brav in vielen Reiseführern und Büchern über Australien, könnten nur nach vorn hüpfen, niemals zurück. Ebenso wie für den australischen Staat gebe es für das charismatische Beuteltier nur eine Richtung, in die man sich bewegt: nach vorn! Schließlich sollen die Tiere doch die sogenannte forward progression repräsentieren. Ob der australische Staat und seine Ökonomie sich fortbewegen, sei dahingestellt.

Jedenfalls ist diese Behauptung, zumindest was die Kängurus betrifft, völlig falsch. Denn wenn sich die riesigen männlichen Tiere aufrichten und wie eine Primaballerina in die volle Fußstreckung zu einer Art Spitzentanz begeben, dazu ihren Schwanz anheben und den gegnerischen Tritten elegant mit einem federnden Sprung nach hinten ausweichen, machen sie eben genau das, was man ihnen eigentlich am liebsten per australischem Dekret verbieten würde. Wappentiere hüpfen nicht zurück. Niemals. Nun ja, tun sie eben doch!

Wassermenschen und Feuerkünstler

Vorab: Der Begriff »Aborigine« lässt sich für dieses Buch nicht vermeiden und war lange Zeit Gegenstand einer sehr kontroversen Debatte. Viele Nachfahren der Ureinwohner Australiens haben sich mittlerweile mit dieser Bezeichnung arrangiert, jedoch nicht immer angefreundet und verwenden unter sich eher den Begriff »Aboriginal Australian« oder aber die jeweiligen Stammesbezeichnungen.

Es gibt englische Historiker, die behaupten, der Seefahrer James Cook habe Australien nur deshalb erreichen können, weil er seiner Mannschaft ganze Fässer voll Sauerkraut verabreichte. Dass es deutsches Sauerkraut war, kann man aus einem Streit erkennen, den Cook mit seinen Matrosen hatte. Denn die wollten das deutsche Kraut anfangs ums Verrecken nicht essen. Das Standardessen auf der Endeavour bestand aus stark gepökeltem Schwein und einer Art bissfestem Keks. Erst als Cook selbst sich täglich eine gute Ladung Sauerkraut auf den Teller packte, konnte er auch seine mürrische Crew überzeugen. Der gefährliche Skorbut blieb aus, und James Cook verlor dank intensiver Vitamin-C-Gaben in Form von Sauerkraut und Limettensaft auf seinen langen Reisen nur wenige Männer. (Wahrscheinlich ebenjene, die sich seiner Sauerkrautkur standhaft verweigert hatten.)

Als der Brite 1770 die australische Ostküste entlangsegelte, um sie zu kartieren, war er weder der Kapitän des Schiffes (!) noch der Entdecker dieses neuen Landes (!!). Am 26. Januar, dem australischen Nationalfeiertag, feiert man nicht die Entdeckung Australiens, sondern die Ankunft der ersten Flotte, ihrer Strafgefangenen und Besatzung. Ein häufig tradierter Fehler. Cook wurde lange Zeit in den Schulen des Landes zu Captain Cook, dem Entdecker Australiens. Die Aborigines in den Missionsschulen reagierten auf die dort ausschließlich unterrichtete Geschichte der weißen Besiedlung mit einer spöttischen Interpretation des historischen Kürzels B. C. Für sie begann die neue Zeitrechnung nicht before Christ, sondern before Cook.

Bereits 164 Jahre vor Lieutenant James Cook hatte der holländische Handelsreisende Willem Janszoon australischen Boden betreten. Er hielt die Landspitze der heutigen Cape-York-Halbinsel, auf die man am 26. Februar 1606 stieß, jedoch für einen Teil Neuguineas. Als den »Kolumbus von Australien«, also den eigentlichen Entdecker, könnte man den Niederländer Dirck Hartog bezeichnen, der 1616 am heutigen Cape Inscription an der Westküste landete.

Tatsächlich jedoch kamen die Europäer Jahrtausende zu spät, um sich als Entdecker feiern lassen zu können. Die erste Besiedlung verliert sich im Nebel der Zeit, reicht aber mindestens 53 000 Jahre zurück. Die Ureinwohner Australiens lebten bereits seit der Altsteinzeit auf diesem fernen Kontinent. Als sich 1770 Europäer und Aborigines zum ersten Mal begegneten, kam es zum größten cultural clash, den die Welt je erlebt hatte. Auf der einen Seite die indigenen Völker Australiens, die bis heute älteste kontinuierliche Kultur der Menschheit. Leben mit Steinwerkzeugen wie im Paläolithikum. Kein Metall, kein Rad, keine Feuerwaffen. Und auf der anderen Seite die neuen Siedler. Reisende der Industrialisierung. Botschafter der Dampfwagen, des Thermometers und der optischen Telegrafie. Die neuen Herren, die auf die Aborigines herabblickten, als wären diese seltsame Fossilien, brachten viele Dinge in die neue Welt, die man dort zuvor nicht vermisst hatte: Musketen, Pferde, Missionare, Rum, Tabak, Syphilis und Pocken.

Willkommen in der Urzeit

Als bei uns in Europa noch Neandertaler lebten, hatten die ersten Menschen der Gattung Homo sapiens Australien längst erreicht. Während der ersten Besiedlung war dieser südliche Kontinent etwa um ein Sechstel größer als heute. Durch die Eiszeit auf der Nordhalbkugel wurde genügend Wasser gebunden, um den Meeresspiegel weltweit um 180 Meter zu senken. Australien war damals noch mit Neuguinea und Tasmanien verbunden.

Die Vorfahren der Aborigines haben Australien allerdings nicht über eine Landbrücke erreicht. Sie machten sich von den Inseln des indonesischen Archipels mit langen Seekanus auf den Weg in eine ihnen völlig unbekannte Welt. Eine urzeitliche Welt, wie der Mensch sie noch nie zuvor gesehen hatte.

In ihren ältesten Sagen sprechen die Aborigines aus dem Arnhemland im Norden Australiens noch heute voller Ehrfurcht von Beutellöwen, riesigen Drachen und baumhohen Kängurus. Keine reinen Erfindungen, wie die Forscher in den letzten Jahren herausgefunden haben.

Drachen, Beutellöwen und Riesenkängurus

Der Kontinent, den die Vorfahren der Aborigines in der Urzeit erreichten, sah völlig anders aus als das heutige Australien. Wasser war das Element der frühen Zeit. Es gab endlose Sümpfe und Feuchtgebiete. Riesige Dschungel überwucherten das Land. Im Norden befand sich ein gewaltiger Süßwassersee, in dem Krokodile lebten, die doppelt so groß waren wie ihre heutigen Nachfahren. Australien war damals eine Welt der Riesen, der Megafauna. Das größte Beuteltier, das es je gab, das Diprotodon, erreichte die Größe eines Nilpferds. Gingen die ersten australischen Menschen auf die Jagd, so mussten sie mit Riesenechsen und dem Procoptodon goliah rechnen, einem drei Meter großen Känguru. Durch Skelettfunde weiß man, dass dieses giant short-faced kangaroo stolze 230 Kilo auf die Waage gebracht haben muss. Wer sich ein Bild von diesen uns völlig unbekannten, teils sehr bizarren Tieren machen möchte, kann sie im Australian Museum in Sydney in Originalgröße bestaunen.

Als vor 9000 Jahren die Eiszeit zu Ende ging, stiegen die Meeresspiegel rapide an, und Australien verlor ein Sechstel seiner Landmasse durch Überschwemmungen. Die Aborigines zogen ins Landesinnere, in eine ihnen fremde, unwirtliche, sehr trockene Welt. Dürre und Hitze bestimmten nun ihr Leben, und um dort überleben zu können, machten sie ausgerechnet das Feuer zu ihrem wichtigsten Werkzeug. Aus Wassermenschen wurden Feuerkünstler, die mit mächtigen Fackeln auf die Jagd gingen.

Mit geübtem Auge erkannten die Ureinwohner den Wechsel der Ernte- und Sammelzeiten allein an den veränderten Farben der Vegetation. Die Sonne war ihre Uhr, und die unterschiedlichen Farben der Bäume wurden zu ihrem Kalender. War das Gras vertrocknet, wurde es Zeit, es abzufackeln, Schneisen ins Buschland zu brennen und die Kängurus in die Speere der Jäger zu treiben. Man zog weiter, wenn an einer Stelle alles Essbare aufgesammelt worden war. Die Aborigines legten selten Vorräte an. Die Vergangenheit und die Zukunft gab es nicht. Die Ureinwohner lebten im zeitlosen Glück.

Aale und andere Fische

Lange Zeit wurden die Aborigines als primitive Steinzeitmenschen eingeschätzt, die keine Keramik und keine Häuser kannten und als Nomaden weder Rad, Ackerbau noch Landwirtschaft entwickelt hätten. Nun gut, sie hatten ganz nebenbei ein gyroskopisches Wunderwerk erfunden, einen Bumerang, der zurückkehrt! Aber ansonsten hielt man sie lediglich für eine Kultur der Jäger, Sammler und Steinäxte. Eine Kultur, die seltsamerweise trotz großer Eisenerzvorkommen die Metallverarbeitung nicht kannte und der das Rad völlig fremd zu sein schien. Doch in den letzten Jahren haben die Archäologen und Paläoanthropologen Australiens Erstaunliches entdeckt, weshalb man sich von vielen alten Vorstellungen verabschieden musste.

Denn die ersten Aborigines kannten bereits den Landbau und die Fischerei. Sie waren Seefahrer und Regenwaldmediziner. Sie besaßen über 400 hochkomplexe Sprachen, bauten Häuser und trieben Handel mit Völkern im heutigen Indien, China und Arabien. Weil sie sich anfangs eher dem Wasser als der Wüste verbunden fühlten, wurden die frühen Küsten-Aborigines wahre Meister der Fischzucht. Vor 6500 Jahren baute der Stamm der Gunditjmara an der südlichen Küste, am Lake Condah, die ersten steinernen Fischfallen. Raffiniert konstruierte hydraulische Systeme spülten im Frühjahr das Wasser und die Aale in die Kanäle. Die Frauen des Stammes übernahmen das Flechten der langen Aalkörbe.

Die Eingeweide der Welt

Doch sie interessierten sich nicht nur für das, was im Wasser schwamm, sondern auch für die »Eingeweide der Welt«, wie es einige Aborigines mir gegenüber nannten. Was sie so tief im Bauch der Erde suchten, war weder Silber noch Gold. Es war Ocker, ein Mineralgemisch aus Tonerde und Eisenoxiden. Eine für die ersten Australier überaus wertvolle Substanz, die auf langen Handelswegen über Tausende von Kilometern von den Minen Westaustraliens und denen im nördlichen Queensland durch die Wüsten ins rote Zentrum, ins Arnhemland und an die Küsten gebracht wurde.

Ein mit rotem Ocker künstlerisch gestaltetes Grab am Lake Mungo zeigt, wie wichtig den frühen Menschen die Pigmente des Ockers für ihre aufwendigen Beerdigungsrituale waren. Und zwar bereits vor 40 000 Jahren, wie der Mungo Man beweist. Dieses Skelett eines leichtknochigen, grazilen Menschen mit flachem Gesichtsschädel und vorgewölbter Stirn gilt als der älteste Fund eines anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) in Australien überhaupt.

Die Pigmente des Ockers wurden auch für die Körperbemalung benutzt, für Stammesrituale, Initiationen und als Schutzschicht gegen Insekten und nervige Fliegen. Der Lehm auf dem Körper half den Ureinwohnern bei der Jagd, weil die Kängurus so keine Witterung aufnehmen konnten.

Einer alten Erzählung nach entstand der rote Ocker im Dreaming. In dem, was wir heute »Traumzeit« nennen, kämpften die Schöpfer mit einem riesigen Känguru – das die allerersten Australier ja tatsächlich noch kennengelernt hatten. Das in die Erde versickernde Blut des Tieres verwandelte sich in roten Ocker. Die austretenden Säfte der Leber wurden zu gelbem und die der Galle zu grünem Ocker.

Die Aborigines waren folglich auch die ersten Minenarbeiter Australiens, wenn nicht gar der Welt. Ihre Arbeit in der Mine von Wilgie Mia mussten sie erst nach 40 000 Jahren um 1930 vorübergehend beenden, weil weiße Minenarbeiter sie enteigneten und Anspruch auf die Bodenschätze erhoben.

Bis in die jüngste Zeit rätselte die Wissenschaft ferner, wie es den Aborigines gelingen konnte, ohne Klingen feine anatomische Schnitte zu machen. Doch die ersten Australier brauchten keine Metallklingen, weil sie Obsidian besaßen, ein vulkanisches, wesentlich schärferes Gesteinsglas. Der Obsidian war auch einer der Gründe, warum die Aborigines bereits 15 000 Jahre vor den Europäern geschliffene Äxte kannten. Die Bruchkanten dieses vulkanischen Glases sind so scharf, dass heute noch viele Chirurgen Obsidianklingen modernen Metallinstrumenten bei Operationen vorziehen.

Die gestohlene Haarlocke

»… die Erde ist der Schorf der Missetäter, ihr tiefer Schmerz sind die Risse der Roten Erde. Wusstest du, dass es auf Rottnest Island ein Wellnesshotel gibt, das 270 Dollar die Nacht kostet?«

»Nein, so viel bezahle ich nicht für ein Hotelbett, Rob.«

»Dieses Hotel war ganz früher mal ein Gefängnis, in dem meine Vorfahren wie die Tiere gehalten wurden. Heute gibt es keinen einzigen Hinweis darauf auf dem Gelände. Kein Gedenkstein. Keine Plakette.«

»Rob, weißt du, dass es Männer gab, die in Fußketten in die Verbannung hierher geschickt und lebenslang ins Arbeitslager gesteckt wurden, nur weil sie in England ein gelocktes Haar oder ein Brot gestohlen haben?« Rob senkt den Kopf.

»Das ist traurig. Das wusste ich nicht. Aber wir wissen sowieso viel zu wenig übereinander. Ob der Hass jemals aufhören wird? Der Schmerz ist zu groß. Vielleicht sogar auf beiden Seiten. Wie heilt die Zeit die Wunden, wenn es die Zeit nicht gibt?«

Lebenslänglich für einen geöffneten Brief

Vor Jahren war jeder Australier beleidigt, wenn er daran erinnert wurde, dass seine Vorfahren Verbrecher waren und sein Land anfangs nicht mehr und nicht weniger als das größte Gefängnis seiner Majestät von England. Und die Australier – das muss man heute sagen – waren völlig zu Recht beleidigt. Denn die Gefangenen, die in lichtlosen, faulig riechenden Schiffsdecks in Gitterkäfigen oder mit Fußfesseln in die neue Kolonie verfrachtet wurden, waren meist einfache Leute, deren Vergehen allein darin bestand, vor Hunger ein Stück Brot oder eine Rübe auf dem Wochenmarkt oder auch bloß ein Paar Seidenstrümpfe gestohlen zu haben.

Wer also mit Australiern auf das Thema der ersten Besiedlung zu sprechen kommt, sollte das Wort criminal – Verbrecher – auf jeden Fall vermeiden. Für den Zeitraum der frühen Deportation und der ersten Jahre des Landes bietet sich der Begriff penal colony – Sträflingskolonie – an. Falls das Gespräch auf die Vorfahren der weißen Australier kommt, sollte der Begriff convict für Sträfling beziehungsweise Verurteilter verwendet werden – oder man spricht besser gleich weitaus höflicher von den first arrivals. Denn zu den ersten Menschen, die in der Botany Bay landeten, gehörten neben den Sträflingen schließlich auch Seeleute, Soldaten, Wissenschaftler sowie deren Frauen und Kinder. Australische Freunde haben mir zwar erzählt, dass die sogenannten einfachen Seeleute den Sträflingen in ihrer Raubeinigkeit und Trinksucht in nichts nachstanden, doch macht es Sinn, diese Feinheiten den Australiern zu überlassen. Denn angesichts des oft überharten Schicksals ihrer Ahnen ist Respekt angebracht.

Der gleiche Respekt allerdings, den ich auch für die Vorfahren der Aborigines einfordere, die vielfach ins Gefängnis gesteckt wurden und Schreckliches erdulden mussten. Ein sehr heikles Thema, das man auf fröhlichen Grillpartys besser lassen sollte, wenn man die Stimmung nicht allzu schnell ruinieren möchte.

Mittlerweile sind viele Australier stolz darauf, einen ersten Siedler, ja eventuell sogar ein Besatzungsmitglied der First Fleet, der ersten Flotte, in der Ahnenreihe zu haben. Sei es einen con, wie man die Strafgefangenen im australischen Slang salopp nennt, oder einen der 212 Seesoldaten, die für die Sträflingsdeportation abkommandiert waren.

Mittlerweile hat einer von fünf Australiern einen solchen Verbannten in der Familiengeschichte. Ahnenforscher wie Kevin McGuiness, der selbst vier Sträflinge vorweisen kann, spricht von einer inzwischen sehr einträglichen Suche nach den Vorfahren der Australier. Die aufwendigsten Ermittlungen würden von sogenannten Ancestry-heritage-Agenten durchgeführt. Für viele gelte: Je mehr convicts, desto besser! Ein Sträfling im Familienstammbaum, so der Historiker, bringe heute sogar gesellschaftliche Anerkennung mit sich.

Ein Paar Seidenstrümpfe

Während das sommerliche Sydney draußen unter neuen Hitzerekorden stöhnt, stehe ich in einem angenehm temperierten ehemaligen Sträflingszimmer, dem heutigen Raum Nr. 16 der Hyde Park Barracks, und schaue nachdenklich auf eine gläserne Tafel, auf der fein säuberlich die Namen und die Vergehen der ehemaligen Insassen aufgelistet sind.

Da gibt es einen Emanuel Attwood, 23 Jahre alt, ein Farmersjunge, der 1827 für sieben Jahre nach Sydney deportiert wurde, weil er etwas Mehl gestohlen hatte. In einem anderen Fall wurde ein 25-Jähriger namens Thomas Chaddick unter Deck eingepfercht und lebenslang ins Arbeitslager verbannt, nur weil er in England zwölf Salatgurken zerstört haben soll.

Völlig absurde Urteile, aus heutiger Sicht. Ein Achtzehnjähriger namens James Grace wurde für den Diebstahl eines Stoffbands und eines Paars Seidenstrümpfe nach Australien deportiert. Sieben Jahre Lager. Elisabeth Hayward war fast noch ein Teenager, als sie einen Kittel, eine Haube und einen Umhang stahl. Elisabeth wurde beschuldigt, diese Dinge von ihrem Dienstherrn entwendet zu haben, um sie in einem Pfandladen zu verpfänden. Strafe: lebenslängliche Verbannung.

England im Zeitalter der einsetzenden Industrialisierung. Tausende zogen vom Land in die Städte, wo sie nur Armut, hohe Preise, absurde hygienische Verhältnisse und unsichere Beschäftigungen fanden. In London erreichte die Bevölkerung bereits 1810 die Millionengrenze. Die Themse war eine einzige Kloake, die Hinterhöfe der Stadt waren stinkende Slums. Die industrielle Revolution fraß ihre Kinder. Tausende wurden zu Freiwild, zu Wanderarbeitern, zu Tagedieben oder Prostituierten. Die Gefängnisse waren bis zum Bersten gefüllt. Nur Gefangene mit Geld hatten eine Chance, sich freizukaufen; die korrupten Advokaten der Städte stritten sich um die lukrativsten Fälle. Wer gezwungen war, ein Stück Brot oder etwas Mehl zu stehlen, auf den wartete das Verlies oder die Verbannung auf die andere Seite der Welt.

Bereits 1776 war Britannien durch den Verlust der amerikanischen Kolonien gezwungen, eine neue Heimat für unerwünschte Sträflinge zu finden. Die menschliche Fracht wurde nach Gibraltar, Malaysia und auf die Andamanischen Inseln gebracht. Bis dann auf Ratschlag von James Matra, jenem Seemann, der gemeinsam mit James Cook 1770 in die Botany Bay gesegelt war, New South Wales als neue Sträflingskolonie ausgewählt wurde. 166 000 Gefangene kamen bis 1848 ins Land, wo sie und ihre Wärter – so ein Tagebucheintrag – vor allem Spinnen, Ratten, Schlangen und Moskitos vorfanden.

Frauenmangel in Sydney

Auf einem riesigen Panoramabild in den Hyde Park Barracks ist das damalige Sydney von 1822 zu sehen. Gemalt von einem Major namens James Taylor. Nach dreißig Jahren intensiver Baumaßnahmen hatte die Gefängnisstadt bereits so einiges zu bieten. Aber obwohl die großen Häuser rund um das heutige Hafenviertel The Rocks schon zu sehen sind, hat der Künstler ganz bewusst auf die Bordelle, die Spielhöllen und die Pubs, in denen damals Hahnenkämpfe stattfanden, verzichtet.

Was man hier zu sehen bekommt und was auch der britischen Krone präsentiert wurde, ist ein romantisch verklärtes Bild einer disziplinierten Stadt. Doch Sydney war anders. Sydney war rau, verrucht und voller Gewalt.

Die allerersten Häftlinge hatten, wie es auf einer Schautafel so schön heißt, noch freie Auswahl, wo sie schlafen wollten. Häuser gab es anfangs ja noch keine. Und Fluchtgefahr bestand auch nicht, denn wohin sollte man schon fliehen?

Aber einigen gelang die Flucht. Die wohl spektakulärste von allen war die von Mary Bryant, die sich sogar zurück bis nach London durchschlagen konnte, wo sie nach eigener Aussage lieber sofort am Galgen aufgeknüpft werden wollte, als noch einmal nach Sydney zurückzukehren. Da sie auf ihrer Flucht um die halbe Welt sowohl Stürme, Hunger, Fieber, Krankheiten und Kopfgeldjäger überlebt hatte, wurde sie in London frenetisch gefeiert. Der London Chronicle schrieb am 10. Juli 1792, es sei wohl die gefährlichste und wundervollste Anstrengung gewesen, die jemals ein Mensch auf sich genommen hat, um die Freiheit zu erlangen. Mary Bryant hatte auf ihrer Flucht sowohl ihren Mann verloren, der erschossen wurde, als auch ihre beiden einzigen Kinder, deren Leichen sie in der Verfilmung dieses dramatischen Stoffes eigenhändig von Bord eines Schiffes ins Meer wirft (The Incredible Journey of Mary Bryant, Australien, 2005).

Ich gehe noch einmal in jenen Raum Nr. 16, in dem die Namen und die Vergehen der Sträflinge aufgelistet werden. Besonders nachdenklich stimmt mich die Straftat eines 64-jährigen Mannes namens James Carter. Ein Schreiner und Schiffsbauer, der 1827 in die Strafkolonie verfrachtet wurde, nur weil er, wie es heißt, gelocktes Haar gestohlen hatte. Frauenhaar wahrscheinlich, das damals durchaus einen kommerziellen Wert besaß und zu Perücken verarbeitet wurde. Kein geringes Vergehen in der damaligen Zeit, auch wenn es uns heute martialisch erscheint, jemanden dafür sieben Jahre in die Verbannung zu schicken. Ich denke darüber nach, ob jener James Carter vielleicht einfach nur eine einzige Locke einer angebeteten Schönheit stahl. Wahrscheinlich aber wurde der arme Kerl in Ketten und Fußfesseln einfach nur deshalb in die Hölle geschickt, weil man zur damaligen Zeit in der neuen Sträflingskolonie New South Wales gute Schiffsbauer und Zimmerleute brauchte. Lebenslängliche Verbannung – wegen einer einzigen Haarlocke.

Draußen im Hof der Hyde Park Barracks gibt es noch eine Installation namens Irish Famine Memorial, die gern übersehen wird, weil die meisten Besucher nach dem Rundgang erst einmal tief durchatmen müssen. Sie ist zweitausend weiblichen irischen Teenagern gewidmet, die nach der großen Hungersnot in Irland (1845–1852) aufgrund des Frauenmangels einfach nach Sydney verfrachtet wurden. Viel zu lange hat man in Australien das teils schreckliche Schicksal der Frauen und jungen Mädchen verdrängt, die als Waisen einfach verschleppt wurden. Nun sind wenigstens diese zweitausend Mädchennamen in Glas verewigt. Wenn heute Australier ihre Vorfahren suchen und sich eine irische Urururgroßmutter darunter findet, dann war sie mit großer Wahrscheinlichkeit eines dieser jungen irischen Waisenmädchen.

Lost World

»Sieht man mehr, wenn man sich viel bewegt oder wenn man stehen bleibt und wartet?«

Jochen Schmidt

Bei einer Reise in die fernen Weiten des Outback, dorthin, wo das australische Land an seinen zeitlosesten Stellen bezeichnenderweise Never Never heißt, verschwindet früher oder später das, was wir Bewohner dicht besiedelter westlicher Welten die Tyrannei der Zeit nennen. Es scheint, als würde die uralte Landschaft mit ihren sich vor Hitze krümmenden Bäumen, den grotesken Steinen, den Emblemen einer magischen Welt, gleichsam die Zeit erodieren. In der Weite Australiens löst sich aber nicht nur der Zeitbegriff vollständig auf. Auch unsere gewohnte Sicht auf Räume und Weiten verliert hier irgendwann ihre Gültigkeit.

Deutschland würde 21-mal in die Fläche Australiens passen, Österreich 92-mal, die Schweiz sogar 186-mal und Indien immerhin noch zweimal – das zum Staatsgebiet gehörende Australische Antarktisterritorium ist in diese Rechnung noch gar nicht einbezogen. Terra Australis – eigentlich ein unermessliches Land.

Australien ist ein so großes Land, dass selbst Briefträger den Pilotenschein brauchen, und fliegende Ärzte, die Flying Doctors, für einen Blinddarmdurchbruch auch mal die Royal Australian Air Force anfordern. Es ist das Land mit dem längsten Bauwerk der Welt, einem Zaun von über 5400 Kilometer Länge, dem längsten Golfkurs der Welt, dem Nullarbor Links, der ganze 1365 Kilometer lang ist, und der weltweit größten Rinderfarm. Die Anna Creek Cattle Station in South Australia ist sogar noch ein gutes Stückchen größer als Hessen.

Kein Wunder, dass angesichts solcher Dimensionen sogar die Einwohner des Landes manchmal den Überblick verlieren. So waren es ausländische Besucher, die in einem versteckten Winkel der riesigen Robin Hood Farm, nahe Percyville im Bundesstaat Queensland, im Jahr 1998 ein bis dahin völlig unbekanntes Paradies entdeckten. Berge, Schluchten und klare Seen mit Süßwasserkrokodilen. Die Besitzer der Farm hatten von einem derartigen Naturparadies auf ihrer Ranch noch nichts gehört und waren total überrascht. Nun ja, schließlich ist ihre cattle station so groß wie die Stadt Berlin. Verständlich, dass den fleißigen australischen Farmern, die sich hauptsächlich um ihre Rinder kümmern, da mal etwas aus dem Blick gerät.

Verborgene Schätze

Immer wieder geht in Australien etwas verloren. Schwer zu begreifen ist es allerdings, wenn den Australiern zeitweise eine ganze Region abhandenkommt. Erst 1983 entdeckte ein Dokumentarfilmteam beim Überflug über die östliche Kimberley-Region im Norden Westaustraliens die Bungle Bungle Range. Heute gehören die weltweit einmaligen, an rot gestreifte Bienenkörbe erinnernden Sandsteinformationen zu einem der schönsten Reiseziele in Australien. Vier Jahre nach der Entdeckung erklärte man das nur mit dem Allradfahrzeug zu erreichende Gebiet zum Nationalpark. Und 2003 wurde der Purnululu National Park sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben. Vor zwanzig Jahren kamen gerade einmal zweitausend Menschen pro Jahr, heute besuchen annähernd 50 000 Menschen jährlich dieses Naturwunder. Es ist die ganz außergewöhnliche Karriere einer vergessenen Landschaft.

Allerdings war die Bungle Bungle Range den Aborigines der Region bereits seit Jahrtausenden bekannt. Als man einige Clan- und Stammesführer nach den farbenprächtigen, teils an Pyramiden erinnernden Strukturen befragte, sagten sie nur, man habe sie zuvor halt nie ausdrücklich danach gefragt.

Geheime Kunst im Land des Donners

Künstler lieben die Weite der australischen Ebenen. Als flachster Kontinent der Welt ist Australien für eine sehr aufwendige Kunstform, die sogenannte Land Art, regelrecht prädestiniert. Zwischen dem Oodnadatta Track und dem Eyre-Salzsee in Südaustralien findet man das herausragende Beispiel dieser Kunstrichtung, den sogenannten Marree Man