Abbildungs- und Drucknachweis

Cartoons von Thomas Plaßmann auf den Seiten 40, 64, 181

Cartoons von Harm Bengen auf den Seiten 124, 135, 242

Cartoons von Dieter Hanitzsch auf den Seiten 32 (erstveröffentlicht Sonntags-Stammtisch Bayerisches Fernsehen), 84 (erstveröffentlicht Schleswig-Holstein am Sonntag), 163 (erstveröffentlicht Süddeutsche Zeitung), 201 (erstveröffentlicht Sonntags-Stammtisch Bayerisches Fernsehen)

Foto von Frank Kopperschläger Seite 234

Abbildungen und Fotos auf den Seiten 20, 25, 101, 121, 130, 132, 176, 223, 228, 240 und 249 von HG. Butzko

Der Abdruck der Texte auf Seite 155 ff. und 237 f. erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags.

Ebook Edition

HG. Butzko

Verarschen kann ich mich alleine

Widerworte und Einsprüche zur Lage der Nation

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-585-2

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2015

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

HG. Butzko, geboren 1965, aufgewachsen in Gelsenkirchen, Abitur, 20 Monate Zuvieldienst, anschließend Schauspieler und Regisseur an diversen deutschen Stadttheatern.

Seit 1997 Kabarettist, seitdem acht Programme, TV-bekannt aus allen Satiresendungen des deutschen Fernsehens, diverse Auszeichnungen (u. a. deutscher Kleinkunstpreis), ein Buch veröffentlicht: Geld oder Leben (2011).

Zunächst möchte ich an dieser Stelle ein herzliches Grußwort an die Mitglieder der Widerstandsbewegung »Ironie-Résistance« richten: Ihr werdet ganz sicher alle Ebenen dieses Buches problemlos verstehen.

So, und dann jetzt noch einmal für alle zum Mitschreiben: Sebastian Edathy war Vorsitzender im Untersuchungsausschuss zum NSU-Skandal und hat da wohl ziemlich unbequeme und unbestechliche Aufklärungsarbeit geleistet. Was man dem damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nicht nachsagen kann. Im Gegenteil, Letztgenannter hat nicht nur beim NSU-, sondern auch beim NSA-Skandal weder Aufklärungsarbeit noch sonst irgendwas geleistet, außer sich etwas, nämlich eine superpeinliche Superformulierung vom Superrecht auf Supersicherheit. Da ließ sich der Friedrich hinter dem NS kein A für ein U vormachen.

Und dann befand sich dieser Friedrich also im Oktober 2013 als Mitglied der CSU in Verhandlungen mit der SPD zur Bildung einer großen Koalition und erfuhr dabei, dass die SPD den Edathy wohl auf dem Zettel für einen Posten als Staatssekretär oder vielleicht sogar Minister hat. Und in dem Moment fiel dem Friedrich ein, dass er in seiner Funktion als Innenminister Kenntnis davon hat, dass ja gegen den Edathy ermittelt wird. Und dann hat der Friedrich sich gedacht, wenn diese neue Regierung irgendetwas nicht gebrauchen kann, dann, dass schon nach zwei Monaten der erste Minister zurücktreten muss. Dachte sich der Minister Friedrich und sorgte dafür, dass er nach zwei Monaten zurücktreten musste.

Denn der Friedrich hatte das dem Sigmar Gabriel erzählt, obwohl er das gar nicht erzählen durfte, denn das war ein Dienstgeheimnis, und Dienstgeheimnisse darf man nicht verraten. Dabei ging es dem Friedrich auch wirklich nicht darum, dem Edathy eins auszuwischen und dessen Karriere zu versauen, so als Retourkutsche dafür, dass der Edathy den Friedrich beim NSU-Skandal eventuell hat schlecht dastehen lassen. Nein, nein, es ging dem Friedrich einzig und allein wirklich nur darum, Schaden von der großen Koalition abzuwenden, ganz ehrlich, und deswegen hatte der Friedrich das ja auch wirklich nur dem Sigmar Gabriel erzählt und auch nur im Vertrauen und auch niemandem sonst, also auch nicht dem Seehofer, nein, nein, nein, und der Merkel schon mal gleich gar nicht, auf gar keinen Fall, sondern ausschließlich nur dem Gabriel und auch wirklich nur im Vertrauen. Und NUR dem Gabriel, tja, und dann … ist es trotzdem durchgesickert. Zu circa 75 Mitwissern einschließlich Sebastian Edathy.

Wie konnte das nur passieren? Nun, der Gabriel ist ja Vorsitzender der SPD. Und vielleicht hätte der Friedrich sich nur an eines erinnern sollen: Seit es die SPD gibt, gibt es auch den Spruch: »Wer hat es verraten? Sozialdemokraten.«

Und dann wurd’s richtig kniffelig. Warum? Nun, eigentlich hätte gegen den Edathy gar nicht ermittelt werden dürfen, denn das, was man dem Edathy nachweisen konnte, nämlich das Bestellen von Bildern von fremden nackten Kindern war zu dem Zeitpunkt in Deutschland gar nicht verboten. Wer weiß, welche sexuellen Präferenzen die verantwortlichen Politiker besaßen, die diese Gesetzeslücke zugelassen haben. Aber auf alle Fälle können wir festhalten, dass der Edathy damals nachweislich nicht gegen geltendes Recht verstoßen hatte.

Und dann wurd’s richtig übergriffig, denn dann kamen die Ermittler daher und sagten: »Wer sich solche Fotos besorgt, besorgt sich meistens auch schlimmere Fotos.« Und mit diesem Argument haben die Behörden bei Edathy Durchsuchungen von Privat- und Büroräumen nebst Beschlagnahmungen von Computern und sonstigem Material angeordnet. Das ist ungefähr so, als würde jeder, der sich abends eine Kiste Bier kauft, morgens mit der Erstürmung seiner Wohnung rechnen müssen, weil die Polizei der Meinung ist: »Wer sich Alkohol besorgt, besorgt sich meistens auch illegale Drogen.«

Und wer ist eigentlich verantwortlich für eine solche Denke unter Deutschlands Polizisten? Richtig. Das Bundesinnenministerium.

Tatsache ist, dass der Edathy zunächst mal ein Fall für die Therapeutencouch ist, und sollte er auch einer für die Ermittlungsbehörden sein, dann aber schon mal auf alle Fälle nicht für die Öffentlichkeit und da schon mal gleich gar nicht für die BILD-Zeitung und andere Schmeißfliegen der Regenbogenpresse. Denn bei seriöser Betrachtung wird ein Problem sichtbar, das in den Schlagzeilen auf dem Boulevard damals bis heute nicht mal im Ansatz diskutiert wird: Pädophilie ist nämlich keine Neigung, die man sich aussucht, weil man da Bock drauf hat, sondern Pädophilie ist eine psychische Störung.

Das heißt, man kann nichts dafür, wenn man pädophil ist, und – noch schlimmer – man kann auch nichts dagegen machen. Man kann Pädophilie nicht »heilen«. Mann kann nur als Pädophiler lernen, mit seiner Störung umzugehen, ohne irgendjemandem Schaden zuzufügen. Und wer weiß – vielleicht hat der Edathy ja genau das versucht, als er sich diese Bilder bestellt hat. Und zwar im besten Glauben daran, legal zu handeln, weil der Gesetzgeber genau diese Bilder ja zu dem Zeitpunkt nicht verboten hatte. Das mag man finden, wie man will, und ich persönlich finde, dass es höchste Zeit war, diese Gesetzeslücke dringend zu schließen, denn wer sich Bilder von fremden nackten Kindern bestellt, verletzt die Rechte dieser Kinder.

Wie es allerdings um die Rechte von Sebastian Edathy bestellt ist, kann uns am besten der Philosoph Til Schweiger erklären, der in bester »Schwanz-ab-Tradition« sich darüber beschwerte, dass Edathy gegen eine Zahlung von 5 000 Euro den Prozess beenden konnte. Ein Deal, der zwar nicht nur Edathys gutes Recht war, sondern auch in unserem Rechtsstaat jedes Jahr circa 200 000-mal ausgehandelt wird, so dass der Til wohl besser ein Schweiger geblieben wär. Wie auch Thomas Oppermann und BKA-Chef Jörg Ziercke froh gewesen sein durften, dass über die ganze Angelegenheit der Mantel des Schweigens gehüllt wurde.

Nur die SPD überlegte darauf, ob sie den Edathy nicht lieber aus der Partei werfen soll. Den Michael Hartmann hingegen nicht. Obwohl er im Edathy-Untersuchungsausschuss widersprüchliches Zeug geredet hat. Naja, aber der Hartmann wurde ja zuvor beim Konsumieren von Crystal Meth erwischt. Der hat ’ne Entschuldigung. Mit welcher Entschuldigung Thilo Sarrazin bislang in der SPD bleiben durfte, ist auch noch nicht abschließend geklärt. SPD = Sehr Peinliche Deppen.

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Wir alle kennen den Satz: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Bis die Psychiaterin Hanna Ziegert, die seit dreißig Jahren als Gutachterin arbeitet, uns wissen ließ, dass es in Deutschland eine überschaubare Clique an Experten gibt, die von den Staatsanwaltschaften immer wieder eingesetzt werden und aufgrund ihrer bisherigen Arbeit so gut einschätzbar sind, dass man im Grunde schon vorher ahnen kann, was bei einer Expertise von ihnen herauskommt.

Anders gesagt: Die Gutachter würden nach dem gewünschten Ergebnis beauftragt und lieferten dieses in der Regel dann auch.

»In der Szene ist das jedem bekannt«, sagte Hanna Ziegert, »aber die Öffentlichkeit weiß das nicht.«

»Das ist verfassungswidrig«, sagt Mollaths Anwalt Gerhard Strate.

»Ist aber Praxis«, sagt Hanna Ziegert.

Inzwischen ist man also nur noch auf hoher See in Gottes Hand.

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Ein Drittel der Jurastudenten in Deutschland kann sich eine Wiedereinführung der Todesstrafe vorstellen. Find ich klasse. Unter der Bedingung, dass man die Todesstrafe dann um einen Tatbestand erweitert. Nämlich um »Todesstrafe auf Justizirrtum bei Todesstrafe«.

Paragraph 1: Sollte eine verhängte Todesstrafe sich im Nachhinein als Justizirrtum herausstellen, werden Staatsanwalt und Richter mit dem Tode bestraft.

Paragraph 2: Eine Verjährung ist ausgeschlossen. Eine Begnadigung auch.

Paragraph 3: Und nun viel Vergnügen bei der Urteilsverkündung.

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Neuer Service der Bahn: Terroristen wissen jetzt, wohin sie sollen

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Als bei einem Terroranschlag in Oslo 77 Menschen umgebracht wurden, waren sich Terrorexperten sicher: »Dahinter stecken Islamisten!« Und der zweitwichtigste Satz lautete: »Keine Deutschen unter den Opfern!«

Anschließend wurden umgehend in Sondersendungen von ARD bis N24 reflexartig die Parallelen zu den Bombenanschlägen in Madrid oder London bemüht, auch wenn diese Bomben damals in S- und U-Bahnen platziert waren und nicht in einem Kleinbus vor einem Regierungsgebäude. Das gab es zwar ebenfalls schon mal, und zwar von einem gewissen Timothy McVeigh in Oklahoma. Aber was ein richtiger Experte ist, der kann daraus mühelos eine Verbindung zu Al Kaida ziehen, und sei es nur an den Haaren herbei.

Richtig islamistisch wurde es aber, als man dann noch erfuhr, dass der Attentäter von Oslo einen Weg von circa 40 Kilometern auf sich nahm, um auf einer entlegenen Insel die Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugendcamps zu massakrieren. Dass der Täter dabei also weniger wahllos irgendwelche Ungläubige ins Visier genommen hatte, sondern gezielt sozialdemokratische Jugendliche, muss einen Terrorfachmann doch geradezu darin bestärken, dass hier sofort das klassische Muster religiöser Fanatiker wie derer vom 11. September zu erkennen war.

Als sich dann allerdings herausstellte, dass es sich bei dem Täter sehr wohl um einen Fanatiker, aber eher von der Sorte »blond, blauäugig und Vorzeige-Europäer« handelte, brauchte das unsere Experten nicht daran zu hindern, sich weiterhin als Experten zu bezeichnen. Denn im Wort »Experte« steckt ja die Silbe »Ex« drin, und deswegen heißt Experte ja auch übersetzt: »ehemaliger Fachmann«.

Und darum hörte man also umgehend von unseren Immer-noch-Experten in Sondersendungen von ARD bis N24 als nächstes die muntere Formulierung, dass es sich bei dem Attentäter von Oslo nicht um einen Terroristen handelte, sondern um einen Amokläufer. Und das ist doch sehr beruhigend. Denn ein ganz wichtiger Unterschied besteht darin, dass ein Amokläufer ein verwirrter Mensch ist, dessen religiöser Background kein Thema darstellt, wohingegen man einen Terroristen vor allem daran erkennt, dass er den Koran liest.

Ausgewiesen fortgeschrittene Terrorexperten zeichnen sich als nächstes übrigens noch dadurch aus, dass sie nicht nur beim kleinsten »Bum«-Geräusch fälschlicherweise sofort an Islamisten denken, sondern dann auch noch in Sondersendungen von ARD bis N24 darüber diskutieren, warum sie eigentlich beim kleinsten »Bum«-Geräusch fälschlicherweise sofort an Islamisten denken. Das sind Metaebenen, zu denen der normalsterbliche Verstand keinen Zugang mehr hat. Vielmehr handelt es sich hierbei um weit entlegene Gehirnbereiche dieser ausgewiesen fortgeschrittenen Terrorexperten, weswegen man diese Terrorexperten ja auch »ausgewiesen fortgeschritten« nennt.

Denn als These bekommt man dann tatsächlich von diesen Immer-noch-Experten in Sondersendungen von ARD bis N24 zu hören, dass die allermeisten Anschläge nun mal von Islamisten durchgeführt würden und die Gefahr, Opfer von blonden und blauäugigen Gewalttätern zu werden, eher vernachlässigbar sei. Hierfür die Tatsache zu übersehen, dass zum Beispiel im Jahr 2012 von circa 250 Terroranschlägen, die in Europa verübt wurden, lediglich drei einen islamistischen Hintergrund hatten oder dass im Jahr 2013 laut Europol von 219 Anschlägen in Europa insgesamt nur sechs überhaupt religiös motiviert waren, adelt dabei echtes Expertentum ebenso wie das Ausblenden von circa 750 Toten, die laut BKA vermutlich allein in Deutschland seit dem Fall der Mauer Opfer von blonden und blauäugigen Gewalttätern wurden. Aber das sind ja nur circa dreißig Tote pro Jahr. Und nicht 77 an einem Tag. Deswegen auch keine Kränze, kein Blumenmeer und keine Kommentare von und zu Henryk M. Broder.

Nimmt man jetzt aber noch zur Kenntnis, dass es nicht nur Experten für Islamismus, sondern auch für Wirtschafts- und Finanzthemen gibt, erhält man ungefähr einen Eindruck, warum die Opfer von Investmentbankern und Hedgefondsmanagern nicht mal im entferntesten mit dem Begriff »Terror« in Zusammenhang gebracht werden.

Was allerdings wiederum daran liegen könnte, dass die Täter nicht mit Bomben und Feuerwaffen um sich schießen, sondern mit Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen und deren Opfer eher im entferntesten, zum Beispiel dem entferntesten Südeuropa, anzutreffen sind. Aber wie heißt es dazu in den Sondersendungen von ARD bis N24: »Keine Deutschen unter den Opfern.«

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Die Bahn weitet ihren Service für Terroristen auf Hauptbahnhöfe aus

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Immer, wenn’s irgendwo kracht in der Welt, guck ich am liebsten n-tv. Und zwar am allerliebsten, wenn’s so aktuell kracht, dass die bei n-tv Bilder live von CNN übernehmen. Da gibt’s ja unten am Rand bei n-tv immer dieses Laufband mit den neusten Aktienkursen. Und wenn die jetzt live von CNN übernehmen, gibt’s an derselben Stelle transparent noch ein zweites Laufband von CNN. Da kann man dann schon mal nichts mehr erkennen.

Vor allem, wenn auch noch oben am Rand ein rotes Band mit den allerneusten Nachrichten dazukommt. Ja, wo soll man da noch hingucken? Vor allem wenn dann auch noch zusätzlich der Bildschirm geteilt wird. Links ein Korrespondent aus Jordanien. Und rechts so was grünes, unklares, unscharfes, milchiges Etwas mit hellgrünen Punkten drin. Drunter steht dann immer: live aus Kuwait. Oder live aus dem Jemen. Könnte aber auch live die Darmspiegelung eines Salmonellenpatienten auf Papua-Neuguinea sein. Und wenn man dann aufs ZDF-Heute-Journal umschaltet, bekommt man einen Hirnschock wegen Reizunterflutung.

Spaß machen mir auch immer die Live-Interviews mit diesen Nahost-Korrespondenten. Dann steht da zum Beispiel so ein Exemplar auf einem Dach in Jordanien, und der Moderator im Studio Köln fragt: »Peter-Willi Mertens, heute früh soll es in Bagdad eine Explosion gegeben haben. Wissen Sie darüber Genaueres?« Und jetzt liegt Bagdad ja circa 700 000 Millionen Kilometer von Jordanien entfernt. Und da soll also eine Rakete eingeschlagen haben. Und deswegen fragt der Moderator im Studio Köln den Journalisten auf dem Dach in Jordanien: »Peter-Willi Mertens, Wissen Sie darüber Genaueres?« Und dann antwortet Peter-Willi Mertens aber nicht, wie es angemessen wäre mit: »Hä? Woher soll ich das wissen? Noch alles ganz dicht bei Ihnen? Schon mal auf ’ne Landkarte geguckt?«

Nein. Peter-Willi Mertens fängt an zu berichten: »Nach Stand der Dinge … So, wie sich uns die Lage darstellt … usw. … usw.« Und was weiß er? Nix! War aber minutenlang auf Sendung. Und wurde dafür bezahlt. Ich sag mal so: Wenn man mit so was Geld verdienen kann, können sie beim nächsten Mal, wenn’s irgendwo kracht, auch gerne mich mal anrufen.

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Seit dem 22. September 2013 ist die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten. Und? Geht auch, oder? Gut, außer natürlich für Deutschlands Kabarettisten. Etliche Zielscheiben für Spott und Häme waren plötzlich weggebrochen. Und dabei hatte ich ja extra die FDP gewählt. Warum? Weil ich keine neuen Texte schreiben wollte. Da war mein Ärger am Wahlabend schon groß.

Bis mir dann aufgefallen ist, dass das nicht wirklich ein Problem darstellt. Einfach das Archiv von 2005 bis 2009 geöffnet, Stichwort: »große Koalition«, und – zack – war man als Satiriker wieder ganz vorne im Rennen. Zugegeben, ein paar Namen musste man austauschen. Aber solange Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier dabei sind, kann man getrost davon ausgehen, dass die SPD weiterhin dieselbe CDU-freundliche Politik macht wie die letzten 15 Jahre. Die Frage ist nur, ob auf der Regierungsbank oder in der Opposition.

Nehmen wir als Beispiel den Vorschlag der Linkspartei, in der Übergangszeit im Herbst 2013 die eigentliche Stimmenmehrheit von Rot-Rot-Grün im Bundestag zu nutzen, um den gemeinsam angestrebten Mindestlohn auf den Weg zu bringen. Wie hatte die SPD reagiert? Geschnaubt hat sie: »Unseriöser Vorschlag. Taktisches Parteimanöver. Das ist doch das Letzte.« Und so hat die SPD das Angebot der Linken kurzerhand abgeschmettert. Denn wenn sie sich wirklich darauf eingelassen hätte, hätte Mutti ja böse werden können. Und das ist wirklich das Letzte, was die SPD will. Was es im wahrsten Sinn des Wortes dann tatsächlich auch ist: das Letzte.

Darauf erfreuten wir uns also noch einige Wochen an ritualisiertem Geziere und Gezicke, Geschacher und Geschiebe, stets in »sachlichen Gesprächen« und »konstruktiver Atmosphäre«, bis weißer Rauch aufstieg und beide großen Volksparteien sich als Gewinner der Verhandlungen präsentierten. Wie auch schon bei der GroKo 2005. Wir öffnen unser Archiv und erinnern uns:

Die CDU wollte vorher eine Mehrwertsteuererhöhung um 2 Prozentpunkte, die SPD gar keine, geeinigt hat man sich dann auf den Kompromiss von 3 Prozentpunkten. Statt sich also in der Mitte zu treffen, hat man die Hälfte noch mal draufgepackt. Da sage noch mal einer, die SPD könne nicht mit Geld umgehen.

2013 wollte dann die SPD vorher einen Mindestlohn von 8 Euro 50, die CDU wollte gar keinen. Nach der Formel vom letzten Mal – Hälfte drauf, statt in der Mitte treffen – hätte ein Mindestlohn von 12 Euro 75 dabei rauskommen müssen. Kam es aber nicht.

Tja, liebe SPD, wenn man andere übern Tisch ziehen will und sich dabei aus dem Fenster lehnt, sollte man sich vorher fragen, wo da außerhalb des Fensters muss dann eigentlich der Tisch dann stehen?

Und was wir vor allem nicht vergessen dürfen: Bis die große Koalition geschmiedet war, hatten wir übergangsweise für ein paar Wochen, streng betrachtet, eigentlich keine wirklich beschlussfähige Regierung. Was einen Zustand bedeutete, der so schlecht auch wieder nicht war. Nur dass sich das noch nicht weitläufig rumgesprochen hat. Denn was wäre bei uns wohl los, wenn die Leute merken, dass auch das geht? Dass das Leben einfach problemlos weiterläuft? Da stellt sich einem schon die Frage, ob wir diese Phase nicht einfach etwas ausdehnen sollten? Einfach eine komplette Legislaturperiode nur mit Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen verbringen. Und die Bürger vier Jahre lang einfach mal in Ruhe lassen. Was wäre das für ein traumhafter Zustand. Gut, außer natürlich für die Kabarettisten. Vielleicht hätte ich doch lieber nicht die FDP wählen sollen? Verflixt!

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Die schwarz-gelbe Bundesregierung gab 2012 einen Armutsbericht heraus, der nicht der Meinung der Bundesregierung entsprach. Jedenfalls nicht der Meinung von Philipp Rösler. Mit anderen Worten: Wäre Galileo Galilei Wirtschaftsminister gewesen, die Erde wäre heute noch eine Scheibe.

Zugegeben, in diesem Armutsbericht wurden aber auch ein paar sehr unangenehme Zustände angesprochen, zum Beispiel dass sinkende Reallöhne das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung verletzen. Dieser Satz wurde auf Geheiß der FDP geändert. Der lautete danach: Sinkende Reallöhne sind »ein Ausdruck struktureller Verbesserungen am Arbeitsmarkt«. Und was habe ich es dann bedauert, als die FDP am Wahlabend 2013 die sinkenden Prozentzahlen der schwarz-gelben Koalition als »Ausdruck struktureller Verbesserungen im Deutschen Bundestag« bezeichnen durfte.

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Philipp Rösler wurde nach seiner Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister Managing Director für das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Genf. Da kann man mal sehen, wozu ein Medizinstudium doch alles nützlich ist.

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Haben heute die Handwerker im Haus. Und zur Mittagspause möcht ich denen belegte Brötchen besorgen. Irgendwie ist der Begriff »vegan« dabei aber eher … ichsachma … unangebracht.

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Schon gehört? Die Deutschen sind zu dick. Hat man festgestellt. Also nicht im Kopf, da ist’s oft zu dünn. Aber im Bauch, da sind die Deutschen zu dick. Vor allem wenn’s im Kopf zu dünn ist, dann sind sie im Bauch zu dick. Hat man festgestellt. Also bei den Deutschen. Je dümmer im Kopf, desto dicker am Bauch. Hat man festgestellt. Also Dick und Doof, das sind die Deutschen. Hat man festgestellt.

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Seit Hegel ist es niemandem mehr so exorbitant wie dem ehemaligen Nationaltorhüter Jens Lehmann gelungen, die Wirkmächtigkeit von Sprache vorzuführen, als er Thomas Hitzlspergers Outing als Homosexueller mit der Bemerkung kommentierte, dass er einen schwulen Mitspieler komisch gefunden hätte, denn »man duscht jeden Tag zusammen und hat Phasen, in denen es nicht so läuft«. Dass er mit den »Phasen, in denen es nicht so läuft«, das »zusammen duschen« gemeint haben dürfte, ist nicht nur unstrittig, sondern auch Lehmanns Outing als jemand, der nicht ganz sauber ist. Wie sagte schon Georg Büchners Woyzeck: »Jeder Mensch ist ein Abgrund.« Erst seit Jens Lehmann wissen wir, was damit gemeint ist.

Aber wenn man sich mal vor Augen führt, was der Fußball uns immer so an Entertainment bietet, kommt man nicht umhin festzustellen, dass einigen Vertretern der kickenden Zunft die Unterhaltung mit dem Ball besser gelingt als die mit dem Mund. Wir alle kennen den Satz: »Si tacuisses, philosophus mansisses.« Auf Deutsch: »Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.« Worauf manche Zeitgenossen aus der Fußballbranche allerdings erwidern würden: »Woher soll ich wissen, ob ich ein Philosoph bin, wenn ich nicht höre, was ich rede?«

Der nächste Platz gebührt darum Ex-Schalke-Trainer Jens Keller mit seinem direkt der sokratischen Schule entlehnten Aphorismus: »Da mach ich mir vom Kopf her keine Gedanken.« Hier finden sich sowohl der Dualismus in seiner paradoxen Komplexität wieder als auch der Verweis aufs Nihilistische. »Mach dir vom Kopf her keine Gedanken« dürfte darum auch der Titel von Peter Sloterdijks nächstem Buch sein.

Es folgt DFB-Sportrichter Hans Lorenz, der Stefan Kießling zu dessen Phantomtor gegen Hoffenheim befragen wollte und den bei der Nationalmannschaft außen vor gelassenen Leverkusener mit den Worten begrüßte: »Na, jetzt haben Sie ja endlich auch mal eine Einladung vom DFB bekommen.« Wir wissen bis heute nicht, mit welchen fernöstlichen Tai-Chi-Gong-Aum-Methoden Stefan Kießling sich blitzschnell in den meditativen Alphazustand versetzt hat. Fest steht nur, dass Hans Lorenz anschließend weder zum Kieferchirurgen musste noch mit dunkler Sonnenbrille herumlief, um seine geschwollenen Augen zu verbergen.

Nicht vergessen dürfen wir natürlich unseren Teilzeitbuddhisten und Konfuzius-Fan Franz Beckenbauer mit seinem Aperçu: »Ich hab noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen.« Und wenn wir ehrlich sind, spricht er doch damit nur stellvertretend für uns alle das aus, was wir jederzeit bestätigen müssen, nämlich noch nie einen einzigen Sklaven in Katar gesehen zu haben. Gut, das könnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass die allermeisten von uns noch nie in Katar gewesen sind. Aber ist es nicht genau das, was uns die kaiserliche Lichtgestalt damit sagen will? Man muss da sein, um im Dasein da zu sein. Und wenn man nicht da ist, obwohl man da ist, dann sieht man eben auch keinen Sklaven in Katar. Vom Konfuzianer zum Konfusionisten in nur einem Satz. Das ist der Beweis: Das Bewusstsein bestimmt das Sein. Marx kann einpacken.

Keine Sklaven sah auch Helmut Sandrock, Generalsekretär des DFB. Kannte Friedrich Nietzsche noch »Menschliches, Allzumenschliches«, so hat Sandrock diese Definition präzisiert und um einen Aspekt erweitert, als er nach der Ankunft des DFB-Trosses im WM-Gastgeberland Brasilien bemerkte: »Wir sind freundlich begrüßt worden von Menschen, Frauen und Kindern.«

Und schon folgt Horst Heldt, der Richard David Precht aus Gelsenkirchen. Nachdem Eric Choupo-Moting den Elfmeter gegen Eintracht Frankfurt mit souveräner Lässigkeit in die Mitte schlenzte, verkündete der Schalker Manager: »Da ist einfach seine afrikanische Mentalität durchgekommen, und die verleiht Eric einen speziellen Touch. Man kann sagen, er ist positiv verrückt.« Damit hat Horst Heldt nachgewiesen, dass er den Ethnologie-Master an der Gloria-von-Thurn-und-Taxis-Schnacksel-Universität bestanden hat. Eine Milliarde Menschen auf einer Fläche von über 30 Millionen Quadratkilometern einer gemeinsamen Mentalität zuordnen zu können, das ist das dialektische Differenzierungsvermögen, von dem Adorno gesprochen hatte. Das – oder vielleicht ist Heldt auch einfach nur negativ verrückt.

Kommen wir zum unvermeidlichen Uli Hoeneß und damit zum Gewinner der flachen Pfeife am Bande. Hoeneß hat eine Woche vor seiner Einlieferung in die Besserungsanstalt Landsberg am Lech eine Rede gehalten und darin den Satz gesagt: »Plötzlich war ich ein Arschloch, ein Schwein, ein Mann, der den Leuten Geld vorenthält.« Hier artikuliert sich also endlich mal jene Katharsis, nach der Aristoteles sich immer sehnte. Da sage noch mal einer, Gefängnisstrafen würden keine Selbsterkenntnis auslösen.

Den Ehrenpreis, quasi außer Konkurrenz, erhält Bundespräsident Joachim Gauck. Direkt nach dem 1:0-WM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien salbaderte der Militärpfarrer aus dem Schloss Bellevue ins ARD-Mikrophon: »Ich habe so gezittert und gebebt und hab gedacht: Wo ist die Mannschaft, die Brasilien zu Hause 7:1 niedergemacht hat?« Mit diesem Statement offenbart sich nicht nur der Fußballfachmann, der weiß, dass sensationelle Kantersiege das Normalste der Welt sind, hier packt auch ein Diplomat ein pazifistisches Vokabular aus, das Kants kategorischen Imperativ in den Schatten stellt. Und zwar in jenen Schatten, den C. G. Jung bei Gauck umgehend attestieren würde.

Aber den besten Satz hat mit weitem Abstand Peer Mertesacker während der WM in Brasilien geliefert, als er mit seinem feingeistigen Bonmot »Wat woll’n se denn eigentlich?« endlich die Weltformel entdeckte. So spricht der wahre Philosoph. Der Rest ist Schweigen.

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Welche zwielichtige Organisation mit drei Buchstaben hat schon mal deutsche Bürger in dreckige Flugzeuge gepfercht, irgendwo in den Süden verfrachtet, in menschenunwürdige Unterkünfte eingekerkert, verköstigt mit ekeligem Restefraß und ungenießbarem Trinkwasser, wochenlang von ununterbrochener Musikbeschallung gequält und gedemütigt durch ein gnadenloses Folter-Personal?

a) TUI? oder b) CIA?

Richtige Antwort: beide.

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Das deutsche Innenministerium überlegt, ob man entführte Passagierflugzeuge im deutschen Luftraum eventuell abschießen sollte. Ein brillanter Plan. Denn wenn ein Terrorist vorhat, ein Flugzeug zu entführen, um es irgendwo reinzustürzen, und er weiß aber, dass er dort nie ankommt, weil er vorher abgeschossen wird, dann lässt er es gleich bleiben. Das ist genial!

Noch genialer ist: Wenn ein Terrorist vorhat, ein Flugzeug am Himmel in die Luft zu sprengen und hat aber gar keine Bombe. Dann braucht er nur noch eine Maschine zu entführen und behaupten, er will sie irgendwo reinstürzen, den Rest erledigt das Innenministerium.

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So, und wenn wir jetzt mal hier grad unter uns sind, wodurch ist eigentlich das Chaos am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg überhaupt entstanden?

Normalerweise läuft das so: Die Politik hat eine Idee für ein Projekt, und wenn das alle Gremien und Genehmigungsverfahren durchlaufen hat, dann werden alle Baufirmen in Deutschland beauftragt, ein Exposé zu erstellen, mit Kostenvoranschlag und allem Zipp und Zapp und Pipapo. Und die Firma, die das günstigste Angebot erstellt, bekommt den Zuschlag. Normalerweise. Wobei der Zuschlag gerne auch mal durch Zustecken, Zuwenden, Zulegen, Zudrücken, also beide Augen, Abschläge, Draufschläge, Anwanzungen, Einschleimungen et cetera et cetera pipapo begünstigt werden kann. Wie auch immer. Am Ende bekommt jedenfalls eine Firma den Auftrag. Mit Betonung auf eine! Das ist ein ganz wichtiges Detail. Nicht zwei. Nicht drei. Nicht keine. Sondern eine.

In Berlin aber hat man leere Kassen, Motto der Stadt: »Arm, aber sexy«. Wobei »arm« stimmt. Jedenfalls wollten die Berliner Politiker ganz clever sein und sparen und haben deswegen von Dutzenden Exposés für jedes einzelne Bauelement das jeweils günstigste Angebot genommen. Das heißt: Die Böden baute eine Firma, die Wände eine andere, die Decken eine dritte, die Gepäcklaufbänder eine vierte, die Rolltreppen baut Firma X, die Deckenbeleuchtung Firma Y, für die Statik ist Firma Sowieso zuständig, für den Bodenbelag Firma Schießmichtot usw. usw. pipapo. Das gipfelte unter anderem in der Klimaanlage, deren Zuluftsystem die eine Firma baute und das Abluftsystem eine andere. Dass alle diese Elemente am Ende zusammenpassen und ineinandergefügt werden müssen, dass das Ganze am Ende Sinn machen muss, war den Politikern einfach nicht in den Sinn gekommen. Logisch. Wären sie in der Lage, dass ihnen was in den Sinn kommt, wären sie ja keine Politiker.

Und dann stand der Flughafen fünf Minuten vor der Eröffnung, und dann ist ein Element gekippt, der Brandschutz. Hätte eine einzige Firma den ganzen Flughafen komplett gebaut, hätte man das Problem wahrscheinlich isoliert nachbessern können. So aber waren 35 000 weitere Bauelemente in ungewisser Verbindung locker miteinander verbunden, dass man es bis heute in Berlin bereut, das Spektakel nicht als »Domino Day« an RTL verkauft zu haben.

Nimmt man dann noch das Debakel um Stuttgart 21 hinzu, das Fiasko mit der Elbphilharmonie, den Skandal um die Kölner U-Bahn und das Desaster um den Neubau des BND, dann muss man sich über eines dabei im Klaren sein: Wir reden hier über Vorgänge in einem Land, das anderen Ländern in Europa erklären will, wie man funktionierende Strukturen aufbaut.

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Gestern beim Arzt gewesen, hat mir gesagt, ich solle meine Ernährung umstellen. Hab ich gelacht und ihn gefragt, wie das gehen soll, wenn doch in allen Lebensmitteln dasselbe drin ist. Antioxidationsmittel, Dextrose, Glukose, Laktose, Gelatine, Glutamate, Geschmacksverstärker, Emulgatoren, künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe. E-Nummern 007 bis 4711. Ich denk jedes Mal: »Ich will doch nur etwas zum Essen.« Stattdessen bekomm ich den Chemiebaukasten für den kleinen Selbstmordattentäter. Motto: »Sprengkraft, die von innen kommt«.

Nehmen wir mal zum Beispiel: Tütensuppen. Der Gipfel der menschlichen Evolution. Pulver, das in Berührung mit heißem Wasser zu Gemüse wird. Aus einem Krümel wird eine Karotte. Nur, was passiert, wenn das dann mit meiner Magensäure in Verbindung kommt? Das steht auf keiner Packung drauf: Sodbrennen, Bluthochdruck, zu hohe Cholesterinwerte, allergische Reaktionen, Diabetes. Auf gut Deutsch: Ich muss zum Arzt. Was macht der? Verschreibt mir Medikamente. Mit anderen Worten: Ich bekomme Chemikalien, um Krankheiten zu kurieren, die ich ohne Chemikalien gar nicht hätte. Und die Finanzierung eines solchen Schwachsinns wird dann Gesundheitsreform genannt? Im Gesundheitsministerium müssen wohl schon etliche Tütensuppen konsumiert worden sein.

Und für den Zahnersatz soll ich auch selbst zuzahlen. Wer verpflichtet im Gegenzug die Lebensmittelindustrie, damit aufzuhören, in ihren Produkten überall Zucker unterzumischen. Als wenn ich das nicht selber könnte. Zucker, die am weitesten verbreitete Droge der Welt. Dagegen ist Alkohol eine blaue Mauritius, Heroin das Bernsteinzimmer. Zucker. Verantwortlich für ein Dutzend Zivilisationskrankheiten und alles, was den Kauapparat kaputtmacht. Das soll ich selber zahlen?

Ich hab einen anderen Vorschlag: Wie wäre es, wenn unser Finanzministerium bei den Doktoren Oetker, Nestlé, Danone und Konsorten eine Zuckerbeimischungssteuer erheben würde? Für jedes Gramm 10 Cent. Dann wären viele Probleme mit einem Schlag gelöst. Und mal ehrlich, unser Gesundheitsministerium kommt auf so viele blöde Ideen, da würde eine ausnahmsweise gute mal richtig auffallen.

Darauf hat mein Arzt mir erzählt: »70 Prozent aller Ärzte in Deutschland würden dieselben Medikamente, die sie ihren Patienten verordnen, bei sich selber sowieso auf gar keinen Fall anwenden.«

Darauf sagte ich: »Das ist ja so, als würden 70 Prozent aller Piloten kein Flugzeug besteigen, wenn sie wüssten, dass sie selbst am Steuer sitzen.«

Hat er gelacht.

Darauf wieder mein Arzt: »Stell dir vor, du kommst mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus, dann kommt der Oberarzt und zapft dir erst mal einen Liter Blut ab. Dann fragst du: ›Und das ist gut für den Blinddarm?‹ Dann sagt der: ›Nein, aber dann bist du wenigstens genauso blass wie meine Ahnung, dir helfen zu können.‹«

Haben wir beide gelacht.

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Im Deutschunterricht lasen wir zumeist Goethe, Schiller, Kleist.

Wir lasen nicht Tucholsky, Kästner, Brecht, die fand der Lehrer schlecht.

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Manche Leute sagen, homöopathische Mittel seien esoterischer Unfug und können nicht helfen. Dabei muss man sich doch nur genau an die Einnahmevorschriften halten. Der Gründervater der Homöopathie, Samuel Hahnemanns, hat in seinem Grundlagenwerk Organon der Heilkunst präzise Angaben gemacht. Die lauten wie folgt (und zwar buchstabengenau und nicht von mir erfunden!):

Folgende Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll:

Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräuterthee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus, Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, zum Beispiel Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Uebermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben u.s.w.

Also, Ihr Ketzer und Ungläubigen, wenn Ihr das nicht befolgt, dann müsst Ihr Euch auch nicht wundern, wenn es mit der Homöopathie bei Euch nicht klappt.

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Unglaublich, aber wahr, da wollen uns doch gewisse Leute allen Ernstes richtig Bock aufs Kinderkriegen machen. Dahinter steckt natürlich nichts anderes als die etwas unerotische Aufforderung zur vermehrten Produktion von Rentenbeitragszahlern. Und in der Tat ist sie grade notwendiger denn je. Denn das Riester-Modell, schau mal einer an, entpuppt sich als Nullsummenspiel!

Und so was macht mir richtig Spaß: Erst plündern gewisse Leute zur Finanzierung der deutschen Einheit die staatliche Rentenkasse, weswegen der Bürger also für seine Altersvorsorge private Rücklagen bilden muss. Wehe aber, besagter Bürger wird arbeitslos, dann soll er diese Rücklagen erst mal alle aufbrauchen. So, als würde der ADAC empfehlen: »Vor der Reise volltanken und bei einer Panne einfach allen Sprit ablassen.« Und ist besagter Bürger dann womöglich deswegen bei Eintritt ins Rentenalter Hartz-4-Empfänger, dann wird ihm die Riester-Rente nicht dazu gezahlt, sondern damit verrechnet. Na, da haben sich wohl ein paar gewisse Leute verrechnet.

Und zwar genau dieselben gewissen Leute, die bei der Reform des Unterhaltsrechts den Kindern von geschiedenen Eltern mehr Geld zukommen lassen wollten als dem geschiedenen Expartner. Nun haben diese gewissen Leute aber bei der neuen Regelung übersehen, dass der Hauptverdiener den Unterhalt für diese Kinder nicht von der Steuer absetzen kann. Mit dem Resultat, dass dadurch dessen Nettoeinkommen sinkt und folglich auch die daraus berechneten Unterhaltszahlungen an ebendiese Kinder. Na, da machen uns doch gewisse Leute schon wieder so richtig Bock aufs Kinderkriegen.

Damit aber nicht genug! Das sind nämlich auch dieselben gewissen Leute, die mit dem Begriff »Embryonenschutzgesetz« die Untersuchung von befruchteten Eizellen zur Vermeidung von Missbildungen am dritten Tag der Zellteilung aus ethischen Gründen verbieten, aber im Falle von Missbildungen eine spätere Abtreibung erlauben. Acht Zellen sind für diese gewissen Leute schützenswerter als zum Beispiel ein Fötus im fünften Monat. Das liegt wahrscheinlich daran, dass acht Zellen genau der Menge entsprechen, die diese gewissen Leute im Gehirn besitzen. Circa 1,4 Millionen Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos, und die bekommen da doch so richtig noch viel mehr Bock aufs Kinderkriegen.

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In der Frankfurter Fußgängerzone einen Bettler gesehen. Sein Hut vor ihm auf dem Boden blieb leer. Vielleicht, weil er aus Osteuropa kam. Woher man wusste, dass er aus Osteuropa kam? An der Sprache, in der er sich mit jemandem an seinem Smartphone unterhielt.

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Manche Menschen erleben in ihrer Kindheit so schlimme Sachen, die können nur in der Politik kompensiert werden. Warum nennt man Abgeordnete Abgeordnete? Das sind die, mit denen aufm Schulhof damals keiner spielen wollte. Denn abgeordnet, das ist die Steigerung von abgelehnt! Abgewiesen! Abgeheftet! Abgeordnet!

Wer sagte zum Beispiel 2013 auf dem deutschen Arbeitgebertag vor den versammelten deutschen Konzernbossen Folgendes: »Die entscheidenden Steuersenkungen, und zwar in einem Volumen von 60 Milliarden Euro, hat es unter unserer Regierung gegeben. Vorher habt ihr Arbeitgeber eure Kapitalzinsen nach dem Einkommensteuergesetz bezahlt und danach nur noch für die Hälfte. Das war unsere Steuerpolitik, und ich finde, bis heute ist das nicht so ganz schlecht.«

Na, wer hat’s gesagt?

War das a) Angela Merkel oder b) Rainer Brüderle, c) Horst Seehofer oder d) Dagobert Duck?

Alle falsch. Es war der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier. Während die SPD sich in Koalitionsverhandlungen mit der CDU befindet, spricht der Steinmeier zu den deutschen Arbeitgebern und hinterlässt eine Schleimspur am Rednerpult, als wären da fünf Millionen Nacktschnecken langgekrochen. Willy Brandt sagte mal: »Was nützt es, als Sozialdemokrat an die Regierung zu kommen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.«

Jetzt frag ich mich: Woher kannte der Brandt den Steinmeier? Und er muss ihn gekannt haben, der Brandt, denn er sagte auch mal: »Wer nur vier oder fünf Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig, wer aber vier oder fünf Flaschen im Kabinett hat, hat relativ viel.« Er muss ihn gekannt haben.

Denn es ging ja sogar noch weiter mit dem Steinmeier auf dem Arbeitgebertag. Nächstes Zitat: »Deswegen erinnere ich natürlich nicht nur an die Steuerpolitik, für die wir Verantwortung getragen haben, sondern ich sage mal dabei, dass auch die Halbierung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung – auch das waren Entscheidungen, die wir damals getroffen haben.«

Und ich sage mal dabei, dass so was alles Ursachen in der Kindheit haben muss. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich seh es direkt vor mir. Die Mutter vom Steinmeier steht im Supermarkt in der Schlange zur Kasse, und der kleine Frank-Walter an ihrer Hand sieht all die Süßigkeiten und macht das, was Kinder da so machen: rumnerven, dass er einen Lolli will.

Die Mutter sagt zu ihm, dass es gleich noch Abendessen gibt und er deswegen jetzt nichts Süßes mehr bekommt.

Was macht darauf der kleine Frank-Walter? Noch mehr rumnerven. Kriegt vor Wut einen roten Kopf und sagt, dass er ein Bonbon will.

Wieder erklärt ihm die Mutter, dass er jetzt nichts bekommt, weil es gleich noch Abendessen gibt.

Was macht Frank-Walter? Noch mehr rumnerven, kriegt so eine rote Birne und schreit rum, dass er dann eben Schokolade will.

Die Mutter wird ungehalten und kündigt ihrem Sohn an, dass er nachher vom Vater zu Hause was zu hören kriegen wird.

Frank-Walter wirft sich darauf der Länge nach hin, trommelt mit Händen und Füßen auf den Boden, die Adern schwellen an, puterroter Ballon, und brüllt, dass er Gummibärchen will.

Die Mutter hat die Faxen dicke und kündigt ihm an, dass er ohne Abendessen ins Bett muss.

Und da steht der kleine Frank-Walter auf, guckt ganz lieb zu ihr hoch, also von links unten, der ursprüngliche Blickwinkel eines Sozialdemokraten, guckt der kleine Frank-Walter hoch zu seiner Mutter, setzt den Dackelblick auf und sagt ganz sanft: »Kann ich vielleicht bitte etwas Lakritz bekommen?«

Und bei der Lakritze gibt die Mutter nach, kauft ihrem Jungen eine Stange Lakritze, dunkel wie die Nacht, Frank-Walter nimmt die Lakritze, guckt sie sich genau an, beißt hinein und kapiert: Wenn die Quelle des guten Lebens für mich sprudeln soll, muss ich was Schwarzes in den Mund nehmen und darf dabei nicht rot werden.

Nein, rot werden und rumbrüllen, das tut der Steinmeier nur, wenn er wie auf dem Berliner Alexanderplatz von Gegendemonstranten mit seiner Ukraine-Politik konfrontiert wird. Der Frank-Walter hat sich nämlich nach dem Sturz Janukowytschs in Kiew mit Leuten an einen Regierungstisch gesetzt, die man getrost als Antisemiten und Rassisten bezeichnen kann. Aber naja, als Mitglied der SPD befindet sich der Steinmeier ja in einer Partei, die nicht mal in ihren eigenen Reihen Rassisten rausschmeißt. Hätte ja auch sein können, einer dieser Gesprächspartner zieht sich die Gummimaske vom Gesicht und Genosse Thilo Sarrazin kommt zum Vorschein.

Zwischenfrage

Wer hat Folgendes gesagt: »Die kulturelle Fremdheit muslimischer Migranten könnte relativiert werden, wenn diese Migranten ein besonderes qualifikatorisches oder intellektuelles Potential verhießen. Das ist aber nicht erkennbar. Anzeichen gibt es eher für das Gegenteil, und es ist keineswegs ausgemacht, dass dies ausschließlich an der durchweg bildungsfernen Herkunft liegt. So spielen bei Migranten aus dem Nahen Osten auch genetische Belastungen – bedingt durch die dort übliche Heirat zwischen Verwandten – eine erhebliche Rolle und sorgen für einen überdurchschnittlich hohen Anteil an verschiedenen Erbkrankheiten.«

Na, wer hat das gesagt? Ein berühmtes Mitglied von a) NPD oder b) NSU, c) Ku-Klux-Klan oder d) SPD

Noch Fragen?

Das muss man sich echt mal vorstellen: Wir haben ein Problem mit Fremdenfeindlichkeit im Land, und einer der Hauptanstifter zu dieser Fremdenfeindlichkeit, der größte Brandstifter seit dem Biedermann, ist immer noch Mitglied in derselben Regierungspartei wie Frank-Walter Steinmeier.