Über dieses Buch:
Schweden, vor langer Zeit: Seit vielen Generationen herrschen die Frauen in Freyas Familie über das Land des Nordens, tief verbunden mit der Göttin der Erde. Doch nun zieht ein Sturm auf – Horden von Plünderern drohen mit Krieg und Verwüstung. Verzweifelt schlägt Freya dem barbarischen König Odin einen Handel vor: Eine Hochzeit soll den Frieden zwischen den verfeindeten Völkern sichern. Als sie so Thor begegnet, dem ungestümen Sohn des Königs, verspürt Freya zwischen ihnen sofort ein tiefes Band. Endlich wagt sie wieder zu hoffen – bis der machtgierige Odin ihre Hand für sich selbst fordert. Wird Freya für ihr Volk das größte Opfer bringen müssen – ihr eigenes Herz? Und vielleicht ist dies nur der Anfang einer erbitterten Fehde zwischen dem Volk der Krieger und Freyas Erbinnen, den mächtigen Priesterköniginnen …
Ein gewaltiges Epos auf 1.500 spannungsgeladenen Seiten: Inmitten nordischer Mythen, gefährlicher Liebschaften und bitterem Verrat müssen drei außergewöhnliche Frauen ihre Bestimmung finden.
»Johanne Hildebrandt gelingt es, das Drama der nordischen Götter wie einen Krimi zu erzählen.« Aftonbladet, schwedische Boulevardzeitung
Über die Autorin:
Johanne Hildebrandt, geboren 1964 in Lycksele, ist eine schwedische Journalistin und Autorin. Sie arbeitete viele Jahre als Kolumnistin für die größte schwedische Tageszeitung »Aftonbladet «und wurde für ihre Arbeit als Korrespondentin in Krisengebieten mehrfach ausgezeichnet. Mit der Königstochter-Saga gelang Johanne Hildebrandt der Durchbruch als Romanautorin. Heute lehrt sie als Gastdozentin an der Universität Karlstad.
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Dieser Sammelband beinhaltet die komplette »Königstochter«-Saga mit »Die Liebe der Königstochter«, »Das Geheimnis der Königstochter« und »Das Vermächtnis der Königstochter«.
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Sammelband-Originalausgabe Mai 2020
Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Copyright © der enthaltenen Neuausgabe von »Die Liebe der Königstochter« 2018 dotbooks GmbH, München; Copyright © der deutschen Erstausgabe unter dem Titel »Die Priesterin« 2004 by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG, München; Copyright © der schwedischen Originalausgabe unter dem Titel »Freja – Sagan om Valhalla« 2003 by Johanne Hildebrandt
Copyright © der enthaltenen Neuausgabe von »Das Geheimnis der Königstochter« 2019 dotbooks GmbH, München; Copyright © der deutschen Erstausgabe unter dem Titel »Tochter des Donners« 2005 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH; Copyright © der schwedischen Originalausgabe unter dem Titel »Idun – Sagan om Valhalla« 2003 by Johanne Hildebrandt
Copyright © der enthaltenen Neuausgabe von »Das Vermächtnis der Königstochter« 2019 dotbooks GmbH, München; Copyright © der deutschen Erstausgabe unter dem Titel »Die Erbin der Priesterin« 2006 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH; Copyright © der schwedischen Originalausgabe unter dem Titel »Saga från Valhalla« 2004 by Johanne Hildebrandt
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildabbildung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Julia Zharkova, Artvektor, Bourbon-88, Akugasahagy, janniwet
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-96655-296-7
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Johanne Hildebrandt
Die Töchter des Donners
Die große Saga
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs
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Es war still, viel zu still. Keine bellenden Hunde, keine lachenden Kinder, keine Stimmen. Freya fröstelte und zog ihren Umhang fester über der Brust zusammen.
Der Wind jagte eine Staubwolke über den Hof. Das Tor des leeren Gartens schlug hin und her. Auf den Feldern lagen die Halme am Boden.
Keine Menschen, keine Tiere.
Die Angst wand sich in ihrem Magen wie eine kalte Schlange.
Was im Namen der Göttin war diesen Menschen widerfahren?
Das Langhaus war nicht gerade groß, knapp achtzehn Schritte lang. Es war auf die alte Weise gebaut und das Strohdach reichte fast bis auf den Boden.
Sie wusste, dass die Antwort dort liegen musste.
Neben der Tür lag eine zerbrochene Urne. Dunkelrote eingestaubte Beerengrütze breitete sich zu Freyas Füßen aus.
Eine frische Blutlache vermischte sich damit. Freya zitterte und trat einen Schritt zurück. Der Wind wurde jetzt stärker. Er riss an ihren Zöpfen und packte eine Haarsträhne, die immer wieder gegen ihre Wange schlug. Sie spürte es nicht.
Zwei lange Blutspuren zogen sich von der Lache bis zu der grob zurechtgehauenen Tür. Ein langer Speerschaft war gegen die Tür gerammt worden, so dass sie von innen nicht geöffnet werden konnte.
Jetzt wusste sie.
Sie streckte die Hand aus und entfernte den Speer behutsam.
Die Tür öffnete sich mit leisem Knarren. Freya betrat das Langhaus. Grauschwarzer Rauch quoll ihr in dicken Wolken entgegen. Er stach in ihrer Lunge, und sie krümmte sich hustend zusammen, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie wollte nichts sehen, wollte nicht mehr wissen, aber etwas zwang sie dennoch auszuharren.
Plötzlich hörte sie aus dem Inneren des Hauses ein Geräusch. Die Unterwelt schien sich geöffnet zu haben und das Zischen des wütenden Feuers machte Freya noch größere Angst. Sie schluchzte auf und starrte in die graue Dunkelheit. Ein magerer Mann lag ein paar Schritte weiter auf dem Bauch. Er war nur mit einem Leibschurz bekleidet. Sein wettergegerbter Rücken glich einer blutenden Wunde. Irgendwer hatte in wahnwitzigem Zorn auf ihn eingestochen, wieder und wieder. Durch die blutigen Fleischfetzen hindurch waren weiße Knochen zu sehen. Freya bohrte die Nägel in die Handfläche, der Schmerz vertrieb die drohende Ohnmacht und sie zwang sich, den Blick zu heben und noch mehr zu sehen.
Überall lagen Tote: Frauen, Kinder, Männer, Gesinde. Ein Riese schien sie erschlagen und danach auf den Lehmboden geschleudert zu haben.
Bei der Feuerstätte lag eine Frau mit gespaltenem Gesicht, ihre weiße Brust fiel aus dem zerfetzten Kleid. Neben ihr starrten drei kleine Kinder, alle fast gleich groß, Freya aus toten Augen an.
Ein kleines Mädchen hielt noch immer ein aus Stroh geflochtenes Pferd in der Hand. Sicher hatten sie in ihrer Angst bei der Mutter Schutz gesucht, als die Mörder über sie hergefallen waren. Vergeblich.
Der Rauch wand sich um die kleinen Körper, das Feuer loderte über den Schlafbänken auf. Bald würde das ganze Langhaus von den Flammen verschlungen werden.
Eine blonde Frau lag halb unter einer Schlafbank, offenbar hatte sie sich darunter verstecken wollen. In ihren Armen hielt sie einen Säugling. Ihre Haare fluteten wie Mondlicht über das tote Kind. Die Flammen hatten ihre Kleidung bereits erfasst, sie suchten ihr Gesicht, umzüngelten ihren Körper.
Plötzlich war das Feuer überall. Es schlug über den Toten zusammen, fraß sie, verzehrte sie.
Freyas Magen krampfte sich zusammen.
»Göttin, erbarme dich!«
Sie wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und starrte in die Flammen. Nie in ihrem Leben hatte sie etwas dermaßen Entsetzliches gesehen!
Gleich darauf wurde sie selbst vom Feuer erfasst. Die Flammen schlugen über ihrem Körper zusammen, umzüngelten ihn, sengten ihre goldenen Haare weg. Sie hob das Gesicht und schrie, nicht vor Schmerz, denn das Feuer konnte ihr nichts anhaben, sondern in Trauer und ohnmächtigem Zorn.
Und dann griff das Feuer von Freya auf Vanaheims Felder und schließlich auf die ganze Welt über. Die Flammen loderten bis zum Himmelsgewölbe auf und alles war nur noch Zerstörung.
Voller Panik fuhr Freya hoch und schlug mit den Händen um sich. Sie musste das Feuer löschen. Weg. Es musste weg!
»Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung.«
Die beruhigende Stimme holte sie ein wenig in die Wirklichkeit zurück. Wo war sie nur? Plötzlich leuchteten in der Dunkelheit Gullveigs silbrige Haare auf.
Freya starrte ihre Tante verständnislos an und kämpfte noch immer mit dem Entsetzen. Es war nur ein Traum gewesen. Sie war in Sicherheit.
Ihr Herz machte wilde Sprünge. Sie hob die Hände und rieb sie an ihren tränennassen Wangen, während sie verzweifelt versuchte, wieder zu sich zu kommen.
Sie war zu Hause.
Freya lag auf ihrer Schlafbank in der Halle der Priesterinnen. Eine Schulter war gegen die Lehmwand gepresst, aus der einige Strohhalme herausragten und in ihren Arm stachen. Unter dem Strohdach konnte sie die dunklen Spinnweben ahnen. Ihr Ranzen hing an einem Balken. Er pendelte langsam vor der geflochtenen Schilfwand hin und her, die ihr Lager von dem ihrer Nachbarin abtrennte. Ihr Hemd klebte an ihrem schweißnassen Leib.
Hier gab es nirgendwo Feuer.
Ein Schnarchen auf der anderen Seite des Ganges ließ sie den Kopf wenden. Njörunn lag auf dem Rücken und ihr Arm hing schlaff von der Bank herab.
Hatte sie nicht geschrien? Auf jeden Fall schien keine der anderen aufgewacht zu sein. Freya schüttelte gereizt den Kopf. Alles war so verwirrend.
Vorsichtig legte sie sich wieder hin und schaute in die Augen der alten Frau.
»Es tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe, Tante.«
Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht, die jämmerlich und dünn klang, wie die eines kleinen Mädchens. Gullveig gab keine Antwort, sondern streichelte nur ihre Haare. Freya packte die Hand der alten Frau und klammerte sich daran, als sei sie ein kleines Boot im Sturm und Vanaheims Hohepriesterin eine geborgene Bucht, in der sie Schutz suchen konnte.
»Hast du eine Warnung erhalten?«
Es war eine Feststellung, keine Frage.
Freya nickte, die Traumbilder tanzten vor ihren Augen, so lebendig, dass sie wieder zu zittern begann.
»Sie waren tot ... und verbrannten. Etwas ist passiert oder wird passieren. Wir müssen ihnen helfen!«
Gullveig legte die Hand auf die Stirn ihrer Pflegetochter und nickte stumm. Eine wohltuende Wärme breitete sich in Freyas Körper aus.
Angst und Albtraum wichen.
Als Freya wieder ruhig atmete, zog Gullveig ihre Hand zurück, woraufhin Freya sich wie ein kleines Kind zusammenrollte, den Kopf auf das Knie der alten Frau legte und den vertrauten Duft von Erde und Rauch in sich einsog.
»Erzähl jetzt«, sagte Gullveig leise.
Freya erklärte so gut sie konnte. Jedes Wort brannte in ihrer Kehle, als sei der gierige Rauch Wirklichkeit gewesen, kein Traum. Gullveig hörte schweigend zu. Als Freya fertig war, saß sie still da und schaute ins Dunkel.
»So etwas Schreckliches habe ich noch nie gesehen«, sagte Freya mit weher Stimme.
»Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Gullveig gelassen.
Die alte Frau war betroffener, als sie zugab. Es gab schon lange Anzeichen für das Unheil, das Vanaheim widerfahren würde. Das Gewebe der Nornen näherte sich der Vollendung. Freyas Zeit war gekommen. Gullveig strich eine von Freyas blonden Haarsträhnen beiseite und seufzte.
»Unerbittlich verrinnt die Zeit.«
Freya hob den Kopf und schaute ihr ins Gesicht.
»Wie meinst du das?«
»Du zähltest erst fünf oder sechs Sommer, als du zu mir gekommen bist. Du warst ein ernstes kleines Mädchen, und jetzt bist du erwachsen und eingeweiht«, sagte Gullveig.
»Das weiß ich noch. Ich hatte das Gefühl, endlich nach Hause zu kommen.«
Gullveig sah das kleine Mädchen vor sich, das Freya einst gewesen war, die Tochter der Königin Åse.
Das Mädchen hatte geweint und gejammert bei den Übungen, durch die sie später gelernt hatte, ihre Kraft zu kontrollieren. Gullveig war ihr gegenüber hart gewesen, hatte sich bei der Unterweisung nicht erweichen lassen, denn die Geister hatten sie zur Eile gemahnt. Für eine junge Priesterin gab es so viel zu lernen.
»Findest du, dass ich dich zu hart angefasst habe?«
Freya schüttelte den Kopf.
»Nein, ich wusste doch, dass das sein musste.«
Gullveig lächelte traurig, und die alte Unruhe erwachte zum Leben.
Freya war für ein großes Schicksal geboren, aber nicht einmal Gullveig konnte sehen, welche Zukunft auf die Pflegetochter wartete. Die Nornen hatten das Lebensgewebe der jungen Frau versteckt. Vielleicht, weil wie bei allen großen Seherinnen die Gefahr bestand, dass Finsternis und Wahnsinn drohten, ihre Sinne zu verschlingen, ehe sie ihre volle Kraft erreicht hatte. Und Freya würde noch lange brauchen, ehe sie ihre Fähigkeiten beherrschte. Vielleicht würde sie sterben und deshalb ihr Lebenswerk nicht vollenden können.
Gullveig seufzte. Wenn sie es doch nur wüsste. Freya stand am Anfang ihres Lebens, während Gullveig selbst sich nach dem Nachleben sehnte. Feuchtkalte Winter hatten ihren Körper zerfressen. Ihre Knie schmerzten und waren geschwollen. Sie konnte nicht einmal mehr richtig sehen, der Nebel vor ihren Augen ließ alles trübe und grau werden. Dennoch verlangte die Göttin, dass sie weitermachte. Vielleicht würde das Zeichen, ihren Umhang zu übergeben, erst erfolgen, wenn Freya ihren Platz einnehmen konnte. Sie hoffte von Herzen, dass das bald der Fall sein würde.
»Ruh dich jetzt aus«, sagte Gullveig und streichelte ein letztes Mal den Kopf ihrer Pflegetochter.
»Ja, Tante.« Freya ließ sich wieder auf ihr Lager sinken.
»Morgen deuten wir die Zeichen. Wir werden schon einen Rat finden«, flüsterte Gullveig und stöhnte auf, als der Schmerz ihre Hüfte packte. Mit schweren Schritten schleppte sie sich zu ihrem Lager.
Freya lag auf ihrer Bank und kämpfte gegen das Verlangen, hinterherzulaufen und zwischen Gullveigs Felle zu schlüpfen, wie sie das als Kind getan hatte. Aber jetzt war sie erwachsen und musste dankbar dafür sein, dass die Hohepriesterin sich die Zeit genommen hatte, zu ihr zu kommen. Gullveig hatte ihr schon lange nicht mehr so viel Zärtlichkeit erwiesen.
Das Stroh raschelte, wenn eine der Priesterinnen sich im Schlaf umdrehte. Freya lag still auf ihren Fellen und schaute zu den Schatten des Strohdachs hoch. Sie war hellwach und würde nicht wieder einschlafen. Jemand hustete in der Dunkelheit, ein trockener, reißender Husten, der die schlafende Lunge quälte.
Plötzlich merkte Freya, dass sie dringend musste. Sie stand auf. Der harte Boden war kalt unter ihren bloßen Füßen, als sie vorsichtig zwischen Stoffbündeln, Schemeln und anderen auf dem Boden liegenden Gegenständen ihren Weg suchte.
Die Doppeltür ächzte, als Freya auf den Hofplatz hinausschlüpfte. Schwere Nebelschwaden zogen langsam über das Feld. Freya murmelte einen respektvollen Gruß für diese Disen, die Nebengöttinnen, die über die Hallen wachten.
Das Langhaus auf der anderen Seite des Hofplatzes ragte als Schatten auf. Die Hütten dahinter waren fast nicht zu sehen.
Aber die uralte Eiche mitten auf dem Hofplatz streckte ihre knorrigen Äste in die verfliegende Nacht. Flüchtige Disen schmiegten ihre feuchten Finger an den groben Stamm des Weltenbaumes. Alles war still.
Freya lief zu dem Wäldchen hinter dem Totenhaus hinüber. Dort ging sie in die Hocke. Sie sog den vertrauten Geruch ein. »Alles ist wie immer«, sagte sie sich und schaute hinaus auf das endlose Meer, das sich unterhalb der Anhöhe ausbreitete. Das Licht der Dämmerung zeigte sich im Westen als vages Versprechen. Bald würde der Tag da sein, der erste nach der Frühlings-Opferfeier.
Plötzlich nahm Freya ihre Körpergerüche wahr, Schweiß und den herben Geruch, der der Vereinigung mit Vidar entstammte. Ihre Oberschenkel waren bis hinunter zu den Knien verklebt.
»Komm doch«, flüsterte der Bach Johka, der sich perlend zwischen Bäumen und Moos seinen Weg suchte. Freya streifte das Hemd über ihren Kopf und suchte nach ihren Erinnerungen an das Fest. Der Warntraum der Nacht hatte alles Wunderbare des Vortags vertrieben. Wie hatte sie das vergessen können?
An diesem Tag hatte sie mit der Göttin getanzt. Zusammen mit ihren Schwestern hatte sie dem Boden Wachstumskraft und Leben geschenkt.
Freya kniff die Augen zusammen und lächelte, als sie sich die Bilder noch einmal vor ihr inneres Auge rief. Sie sah, wie Gullveig das Messer hob und den Hals des Hengstes aufschlitzte. Wie das pulsierende Blut über den Opferaltar strömte.
Die segensreiche Kraft hatte sie erfüllt. Sie war um den Steinaltar getanzt, aufgepeitscht vom ekstatischen Schlag der Trommeln, und die dunklen Töne der Bronzeluren hatten dieselben Mächte angerufen. Das dunkle Hengstblut flutete über die Steinplatten, seine Macht verbreitete sich in langsamen Stößen über die Opferstätte und weiter über die Insel, wo sie Feldern, Tieren und Menschen Lebenskraft schenkte.
Göttin und Gott vereinigten sich in einer Lichtkaskade auf dem von Blut überströmten Altar. Das heilige Paar, Gullveig und Freyr, der Hohepriester der Alfen, segnete Vanaheim.
Vidar hatte an ihrer Seite gestanden, aber er war es doch nicht gewesen. Der Zwillingsgott hatte seinen Körper übernommen. Die Göttin sang in Freyas Blut, gesegnete Kraft schärfte ihre Sinne.
Am Ende war sie unter ihrem Gott zu Boden gesunken und Vidar hatte seinen Samen in die heilige Ackerfurche verströmt.
Damit war das Opfer vollendet gewesen.
Freya lächelte, als sie vorsichtig zwischen den glatten Steinen in den Bach stieg. Das Wasser umschloss sie und stach wie mit kleinen Nadeln in ihre Haut. Sie schauderte zusammen und merkte, wie ihr Leib sich mit Gänsehaut überzog. Nach einigen tiefen Atemzügen hatte sie sich daran gewöhnt und ihre Muskeln entspannten sich.
Wo mochte Vidar jetzt sein? Ob er zusammen mit seinen Brüdern schlief? Sie brauchte nicht einmal die Augen zusammenzukneifen, um sein Gesicht vor sich zu sehen. Er war so schön, sein Körper so geschmeidig, schlank und doch so stark.
Sie sprachen fast nie miteinander und sahen sich nur zu den Ritualen. Vielleicht war das ja gut so. Vielleicht würde er sich als Enttäuschung entpuppen, wenn sie ihn besser kennen lernte.
Freya nahm eine Hand voll Kies vom Bachboden auf.
Es war sicher besser, wenn mit Vidar alles so blieb, wie es war. Mit raschen Bewegungen rieb sie die letzten Reste des Opferfestes von ihren Oberschenkeln. Es brannte, als die schimmernden Kieskörner über ihre weiche Haut schrammten.
Dann schlich sich der Warntraum wieder in ihr Bewusstsein.
»Aber ist es nicht seltsam, dass ich nach dem Opferfest so etwas träume?«, fragte sie den Bach.
»Hüte dich, halte den Traum von dir fern, bis der Tag gekommen ist«, mahnte er.
Freya nickte. Im Wechsel zwischen Nacht und Tag war es wichtig, sich nicht für schwermütige Gedanken zu öffnen. Die nächtlichen Mächte der Finsternis könnten verharren und sich in ihrem Inneren einnisten. Es wäre nicht das erste Mal.
Sie wollte nicht so werden wie die unverständige Orga, die sie im Wald aufgegriffen hatten, nachdem sie in die Dunkelheit hinausgeschlichen war. Jetzt saß sie mit leerem Blick auf ihrem Lager und stieß ab und zu einen Schrei aus, der in ihnen allen das Blut gefrieren ließ. Wer wusste, in welcher Welt Orga lebte?
Freya erhob sich fröstelnd und zog ihr Hemd wieder an. Es klebte an ihrem Körper, als sie zur Halle zurücklief. Doch statt zu ihren schlafenden Schwestern zurückzukehren, trat sie hinter das Langhaus und setzte sich an die Wand. Sie musste eine Weile mit ihren Gedanken allein sein. Als sie sah, wie die Disen auf dem endlosen Meer ihren Morgentanz aufführten, lächelte Freya traurig und streichelte die schwarzen Schlangen, mit denen ihre Arme tätowiert waren. Sie war der Mondgöttin persönlich geweiht. Wenn ihrem Volk Unheil widerfuhr, musste sie fest bleiben und die Zeichen so deuten, dass Vanaheim überlebte. Das war ihre Pflicht, und das gab ihr Kraft.
Die Dämmerung war jetzt nah, die Vögel begrüßten den neuen Tag. Es war so hell, dass Freya ihren Traum deuten konnte. Sie schloss die Augen und ließ alle Gedanken aus ihrem Kopf strömen.
Der Traum war ein Vorzeichen, aber er gehörte nicht zu denen, die den Tod eines nahe stehenden Menschen ankündigten. Wie die Warnungen, die sie als Mädchen nachts schreiend aus dem Schlaf gerissen und die die Priesterinnen zu ihrem Lager getrieben hatten, um bei der Deutung zu helfen. Mit diesen Vorzeichen hatte sie zu leben gelernt.
Nein, das hier war viel schlimmer. Die Bilder der brennenden Menschen tanzten vor ihren Augen. Der Gestank von Rauch und verbranntem Menschenfleisch quälte ihre Nase.
Die Antwort stellte sich rasch ein. Sie brauchte keine Hilfe, um diese Botschaft zu deuten, keine singenden Seherinnen, die ihre magischen Knochen warfen, um flüchtigen Disen eine Antwort zu entlocken.
Freya wusste, was ihr Traum bedeutete.
Es war der Anfang vom Untergang ihres Volkes. Erschüttert schlang sie die Arme um ihre Knie und krümmte sich zusammen. Konnte das denn wirklich möglich sein?
Wann würde es geschehen? Und warum? Sie seufzte und schmiegte die Stirn an ihre Knie.
Wenn sie doch nur mehr gesehen hätte. Dann könnte sie diesen armen Menschen vielleicht helfen. Aber diese verdammten Träume mit den dunklen Bilderfetzen aus der Zukunft gaben nie die Antwort, die sie brauchte. Sie vernahm nur leises Flüstern über Entsetzen und Tod. Immer Tod. Sie wünschte sich so sehr, von diesen Bildern befreit zu werden. Wie schön müsste es sein, so frei zu sein wie die anderen jungen Frauen in Vanaheim! Die zum Opferfest gehen und die Geschichten der Erzähler anhören, die lachen und ihr Leben leben konnten, ohne irgendetwas zu wissen. Wie schön musste es sein, so frei zu leben!
Aus dem Kochhaus hörte sie ein Rascheln. Die Mägde waren aus ihren Hütten unten am Hang gekommen, um den Morgenbrei für die Priesterinnen zu kochen. Das vertraute Scharren des Laufsteins über den Mahlstein war schwach über den Hofplatz zu hören. Das rosa und blaue Himmelsgewölbe kündigte den Moment an, in dem die Sonnengöttin in ihrem von goldenen Pferden gezogenen Wagen vorbeijagen würde.
Hinten vom Wäldchen klang leiser Gesang herüber, mit dem die Priesterinnen den neuen Tag willkommen hießen. Freya ließ sich zurücksinken und stimmte leise in das fröhliche Ritual ein. Vanaheims Strohdächer leuchteten jetzt unten im Tal auf. Die Göttliche erhob sich aus ihrem Heiligtum.
Dunkelheit wich Licht und Ruhe, denn die Sonnengöttin hatte den neuen Tag gebracht. Freya dankte für diesen Segen.
Dann mischte sich etwas anderes unter den Gesang der Priesterinnen und der Vögel. Ein Grußsignal. Freya schaute aufs Meer hinaus. Im verfliegenden Morgennebel konnte sie zwei kleine Boote erkennen. Die Ruder peitschten die Wasseroberfläche, offenbar hatten sie es eilig.
Der Klang der Hörner rollte über das Wasser, ein langes Signal antwortete, und damit waren die Boote in der Bucht von Vanaheim willkommen.
Doch dann traf die Vorahnung Freya wie ein Schlag in die Magengrube. Schluchzend krümmte sie sich zusammen und betete um Kraft und Hilfe. Aber alles hatte schon angefangen.
Trygve, der Häuptling von Hallunda, ließ sein Horn sinken und griff nach dem Mast. Die vier Ruderer steigerten unbewusst ihr Tempo, denn sie waren todmüde und sehnten sich nach etwas Ruhe im Hafen.
Trygve warf einen Blick zurück, das Boot mit den Waren folgte ihnen noch immer.
»Nur noch ein paar Schläge«, rief er und musterte besorgt Vanaheims Höfe, die sich am Ufer ausbreiteten. Hinter den Häusern ragten drei Bergkuppen auf, und auf der höchsten, der in der Mitte, thronte ein riesiges Langhaus, Königin Åses Halle.
In der Bucht wimmelte es nur so von fremden Booten, sie gehörten Händlern, die zum Opferfest gekommen waren. Sie glitten an einem Salzschiff aus dem Süden vorbei und dann scharrte der Kiel endlich über den Sandboden. Müde ließen die Männer ihre Ruder sinken.
Mit einem Sprung hatte Trygve das Ufer erreicht. Er rückte die Axt in seinem Gürtel gerade und machte sich mit zielstrebigen Schritten auf den Weg.
Einige Köpfe lugten aus den Hütten am Strand. Die Händler blickten aufmerksam von ihren Fellen und Stoffbündeln auf. Helle Gesichter vom Ostmeer, dunkle Männer aus dem Norden mit ihren Schmuckstücken aus Bein, ihren Zaubertrommeln und ihren Fellen von unbekannten wilden Tieren, sie alle starrten neugierig. Aber niemand sagte auch nur ein Wort.
Nur der Alte, der sie mit dem Horn willkommen geheißen hatte, wagte es, sich Trygve in den Weg zu stellen.
»Warum kommt ihr Leute aus Hallunda erst jetzt? Das Opferfest ist doch vorbei«, sagte er und kniff prüfend die Augen zusammen. Sein braunes Wams war verschmutzt und er hatte nicht mehr viele Zähne im Mund.
»Ich muss dringend mit Königin Åse sprechen.«
»Ach, und was ist passiert?«
»Das ist nicht für deine Ohren bestimmt«, sagte Trygve und lief rasch weiter über den Weg, der sich den Hang hochschlängelte.
Er kam an mehreren Langhäusern mit Zäunen und Pferchen für Schweine, Kühe und Schafe vorbei. Ein kleiner magerer Knabe scheuchte rasch seine Ziegen vom Weg, als er den mit eiligen Schritten näher kommenden Trygve erblickte. Die Frauen und Männer, die schon auf die Felder gegangen waren, um vor der Nachmittagshitze mit der Arbeit fertig zu sein, riefen ihm hinterher:
»Was ist passiert, Hallundamann?«
»Bringst du schlechte Nachrichten?«
Trygve gab keine Antwort, zog nur den Kopf ein und lief weiter. Sein Umhang umflatterte ihn wie schwarze Rabenflügel.
Bald hatte er den wegen seiner Schönheit sagenumwobenen Hof der Königin erreicht. Die tüchtigsten Bildritzer der Insel hatten die dunkelgelben Lehmwände mit Bildern von Opferfeiern, Beisetzungen, Schiffen, Göttinnen und Göttern geschmückt. Die Bilder glühten träge in der Morgensonne.
Trygve trat vor die verschlossene Doppeltür und betrachtete düster das in das dicke Holz eingeschnitzte Wappen der Königin: zwei Schlangen, die sich um einen Wildschweinkopf wanden.
Er atmete tief durch, fuhr sich dann mit der Hand über seinen geflochtenen Bart, rückte die Axt in seinem Gürtel gerade und klopfte an.
Zwei Herzschläge später öffnete eine rundliche ältere Frau und musterte ihn mit gereizter Neugier.
»Was führt dich denn so früh her?«, fauchte sie, ohne auch nur zu bemerken, dass Trygve immerhin ein Häuptling war, der Achtung und Respekt verlangen konnte.
»Führe mich sofort zur Königin«, sagte er, mit einer Stimme, die großartiger klang, als er sich fühlte.
»Sie kann jetzt noch keinen Besuch empfangen.«
»Aus dem Weg, Frau, meine Botschaft duldet keinen Aufschub!«, brüllte Trygve.
Die Frau musterte ihn misstrauisch, dann zuckte sie mit den Schultern.
»Na gut. Dann komm«, sagte sie mürrisch.
Er folgte ihr in die riesige Halle, die sicher über fünfzig Schritte lang und voller Schönheit und Pracht war. An den Lehmwänden zeigte ein großes Wandgemälde, wie die Göttin die Vanen vor der großen Katastrophe warnte und ihren Schiffen den Weg nach Vanaheim zeigte. Es wurde beleuchtet von zwei Fackeln, die in verschlungenen, an den Wänden befestigten Sonnenspiralen steckten.
Daneben hingen die bronzenen Prachtschilde, die mit den Spiralmustern der Sonnengöttin und der Ewigkeit verziert waren. Die Schilde fingen das Licht der Fackeln ein und jagten Fäden aus gesponnenem Gold durch den Raum.
Der Boden war mit Wildschwein-, Wolfs- und Bärenfellen ausgelegt. Gewaltige Elchsgeweihe hingen von den Balken. Es gab sogar einen aus Holz geschnitzten Hochsitz mit bronzenen Sonnenrädern als Füße.
Trygve blieb stehen und schaute sich mit großen Augen um. Zum ersten Mal besuchte er die Königin, und er hatte nicht gewusst, dass ihr Reichtum so groß war. Dort vor der hölzernen Querwand sah er den Thron der Königin, verziert mit Drachen, Schlangen, Göttinnen und verschlungenen Rankenmustern, die in leuchtenden Farben bemalt waren. Über der hohen Rücklehne schwebte das Wappen von Vanaheim. Er hatte von den Skalden Lieder über diesen Hochsitz gehört, und sie hatten nicht übertrieben. Es war wirklich das Schönste, was er je gesehen hatte.
»Glotz nicht, sondern komm mit.«
Trygve zuckte zusammen und folgte der Frau, die an die Feuerstätte vor dem Hochsitz trat.
Dort saßen Königin Åse und Göndul, die Quänenkönigin, und aßen ihren Morgenbrei aus Holznäpfen.
Åses Haare fielen ihr offen über die Schultern und sie trug ein schlichtes gelbes Gewand, was sie jung und unschuldig aussehen ließ. Sie blickte Trygve und die Magd fragend an.
»Was ist los, Beilja?«
Während sie sprach, verloren sich ihre weichen Züge und sie nahm ihre königliche Haltung an.
»Er wollte sich nicht abweisen lassen. Hat gesagt, es sei eilig«, sagte die mürrische Magd.
Åse schaute Trygve forschend an und wandte sich dann wieder an Beilja.
»Trag das Beste auf, was das Haus zu bieten hat, und sorge dafür, dass seine Leute keine Not leiden.«
Beilja nickte und verschwand mit großen Schritten hinten in der Halle. Trygve blieb stehen, denn er wusste nicht so recht, wie er sich jetzt verhalten sollte.
»Willkommen in meiner Halle, Trygve aus Hallunda. Du bringst schlechte Kunde«, stellte Åse fest und schob sich mit Daumen und Zeigefinger noch ein wenig Brei in den Mund.
Er nickte und fuhr sich nervös über den Bart.
»Dann heraus damit«, sagte Åse, stellte ihren Napf ab und beugte sich vor, um besser hören zu können.
Trygve erzählte mit leiser Stimme. Danach schickte Åse ihn fort. Lange blieb sie stumm und nachdenklich sitzen und starrte das Schwert Sigil an, das über ihrem Hochsitz hing. Dieses zierliche Schwert war in acht Generationen von Königin zu Königin weiter vererbt worden. Sein einziger Zweck bestand darin, Vanaheim zu schützen.
»Bald wirst du es von der Wand nehmen müssen«, sagte Göndul, schlug die Arme übereinander und schaute zu dem Schwert hoch.
Sie war in ein Gewand aus weichem Seehundsfell gehüllt und hatte sich das Zeichen der Meeresgöttin Ran auf die Stirn tätowieren lassen. Um ihren Hals trug sie ein prachtvolles Halsband aus Wolfs- und Bärenzähnen. Obwohl Göndul klein und sehnig war, strahlte sie Macht und Kraft aus.
»So sieht es aus«, sagte Åse und fühlte sich plötzlich sehr alt und müde, als habe die Nachricht ihr alle Stärke geraubt.
»Du weißt, was Gullveig sagt. Das siebte Zeitalter geht zur Neige und mit ihm stirbt unsere Welt«, fuhr Göndul bitter fort und richtete ihren Raubtierblick auf Åse. »Wie sieht also deine Entscheidung aus?«
Åse erhob sich und reckte den Rücken, als sei alles bereits unwiderruflich entschieden. »Ich werde kämpfen, Verwandte.«
»Wohl gesprochen«, sagte die Königin der Quänen und ging lächelnd in die Hocke. »Man soll sich niemals kampflos ergeben.«
Åse winkte den Mägden, die weiter hinten in der Halle gewartet hatten, und gab ihnen Anweisungen. Die Mägde hörten mit großen Augen zu und machten sich dann zu Pferd oder zu Fuß auf den Weg.
Die Botschaft verbreitete sich in ganz Vanaheim, beim Rat der Ältesten, in den Hallen der Priester und bei allen hochgeborenen Gästen, die nach der Opferfeier noch auf der Insel weilten. Alle wurden zum Ting in Königin Åses Halle befohlen.
Gullveig holte Freya gleich nach dem Morgenbrei. Sie schritten schweigend an den Gesindehütten, den Kochgruben und den Haufen aus zersprungenen Kochsteinen vorbei. Erst als die Tante den Weg zum höchsten Gipfel der Bergkuppen einschlug, begriff Freya, dass sie unterwegs zum heiligen Hain waren.
Die ältesten Priesterinnen hatten sich dort bereits versammelt, als Freya zwischen die heiligen Bäume trat. Sie saßen auf den dreizehn Steinblöcken, die den heiligen Stein in der Mitte des Hains umgaben. Nur ein Stein war noch leer, und auf dem ließ Gullveig sich nieder.
Als Freya von der Warnung berichtete, die ihr im Morgengrauen zuteil geworden war, tauschten die anderen Blicke und tuschelten untereinander.
»Ich will nicht, dass du mit anderen darüber redest. Kannst du mir das versprechen?« Gullveig richtete ihren strengen Blick auf Freya, der nur ein Nicken blieb.
Anschließend wurde sie zum Hofplatz geschickt. Njörunn und Siv saßen im Schatten unter dem Strohdach und plauderten über das Opferfest und wer dort zusammen gelegen und wer sich geprügelt hatte. Freya setzte sich zu ihnen, die Unruhe schien ihren Kopf zum Platzen zu bringen. Was würde jetzt passieren? Zu welchem Entschluss würden die Älteren gelangen? Sie lehnte ihren schmerzenden Kopf an die Wand.
Die Mägde eilten mit Eimern und Bündeln in den Händen hin und her. Freyas Magen bewegte sich nervös. Vor dem Opferfest hatte sie neun Tage gefastet und jetzt verspürte sie großen Hunger, beschloss aber, noch zu warten, denn wenn sie zu viel aß, könnte sie krank werden. Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Es war zwar erst früher Morgen, doch schon sehr heiß.
Die älteren Priesterinnen kehrten zurück aus dem Hain und setzten sich in den Schatten des Schutzbaumes. Sie steckten die Köpfe zusammen. Freya musterte sie besorgt. Einige jüngere Mädchen säuberten gerade den Wagen, in dem Gullveig zur Feier gebracht worden war. Während sie noch putzten, erklang ein drohendes: »Seid ihr noch immer nicht fertig? Bringt den Wagen zurück!«
Freya schaute auf, als Snotras grelle Stimme die Geschäftigkeit durchschnitt. Die Priesterin kam mit wütendem Gesicht auf sie zu. Snotra war dünn wie eine Herbsttanne, ihr weites Gewand schlackerte um ihre Beine. Sie war Gullveigs engste Vertraute und keine der Jüngeren konnte begreifen, warum die Hohepriesterin gerade sie ausgewählt hatte, wo es so viele andere tüchtige Priesterinnen gab.
»Seht ihr, jetzt will sie die Mädchen wieder runterputzen«, flüsterte Siv.
»Immer muss sie so gemein sein«, sagte Njörunn.
Freya schwieg und sah zu, wie Snotra stehen blieb und etwas zu den Mädchen sagte. Die machten sich sofort daran, den Wagen vom Hof zu schieben. Das hölzerne Gefährt war groß und schwer, die hohen, mit Leder überzogenen Räder sperrten sich. Der Schweiß strömte über die bloßen Oberkörper der Mädchen, als sie versuchten, den Wagen dorthin zu bugsieren, wo Snotra ihn haben wollte. Schließlich gelang es, ihn in den Teil des Langhauses zu schieben, in dem Werkzeug und Wagen aufbewahrt wurden.
»Das reicht. Und jetzt fegt die Blumen weg«, sagte Snotra und zeigte auf die welken Blätter, die den Wagen geschmückt hatten und jetzt im Staub umherlagen.
»Die armen Mädchen«, sagte Njörunn.
»Sag das nur nicht laut, sonst holt sie uns auch noch an die Arbeit, und das bringe ich nicht über mich, heute ist doch Ruhetag«, flüsterte Siv.
Erleichtert sahen sie Snotra im Kochhaus verschwinden. Die Mädchen fegten den Hofplatz mit Reisigbesen und wirbelten Staubwolken hoch, die die anderen hustend aufspringen ließen.
In diesem Moment kam eine Botin durch das offene Tor geritten. Die Frau sprang von ihrem schweißnassen kleinen braunen Pferd und schaute sich um. Snotra stand als Erste bei ihr, gleich darauf kam Gullveig über den Hof geeilt.
Freya reckte neugierig den Hals. Die Botin flüsterte Gullveig etwas ins Ohr. Sollte Freya es wagen, sich dazuzustellen? Doch ehe sie eine Entscheidung getroffen hatte, war die Botin schon wieder auf ihr Pferd gesprungen und jagte vom Hof. Gullveig sprach jetzt mit Snotra. Freya ging mit pochendem Herzen auf die beiden zu. Was mochte es mit dieser Botin auf sich haben? Dann schaute Gullveig auf und warf einen kurzen Blick in Freyas Gesicht.
»Zieh dich um, Freya. Du kommst mit uns zu Åses Halle.«
»Was ist passiert?«
»Das, was du bereits gesehen hast. Beeil dich. Stell jetzt keine Fragen.«
Freya lief mit hämmerndem Herzen zum Langhaus, während Snotras gehässige Blicke sich in ihren Rücken bohrten. Sie spielt keine Rolle, dachte Freya, als sie ins kühle Dunkel der Halle rannte. Wenn ich es nur erfahre.
Ganz Vanaheim schien sich auf Königin Åses Hofplatz versammelt zu haben, um die Botschaft zu hören. Freya schaute sich in diesem Gedränge überrascht um. Sie kannte die meisten hier. Auch wenn sie als junge Priesterin die Hallen nur selten verlassen durfte, kamen viele Menschen zu ihnen, um sich bei Krankheiten und Sorgen Rat zu holen. Freya nickte einer jungen Frau zu, die im Winter ein Fieber gehabt hatte, und wartete, bis die Leute höflich beiseite traten, um sie durchzulassen.
Zwei von Åses Kriegern standen neben der offenen Tür. Ernst und starr, mit verschränkten Armen und in den Gürteln gesteckten Dolchen. Beide hatten lange blonde Haare, Leibschurze und kurze schwarze Umhänge. Verschlungene Tätowierungen bedeckten ihre Arme und Brust. Als Gullveig das Haus betrat, verneigten sie sich aus Achtung vor Vanaheims Hoher Priesterin.
Die alte Frau hielt ihren Schlangenstab in der Hand und schritt energisch aus. Niemand konnte ahnen, wie sehr ihre Hüfte dabei schmerzte. Sie war würdevoll. Als Hohepriesterin und Schwester der Königin nahm Gullveig eine wichtige Stellung ein. Denn ohne den Segen der Göttin konnte beim Ting kein einziger Entschluss gefasst werden.
Neben Freya ging Snotra, stumm und angespannt. Um nichts in der Welt konnte sie begreifen, warum Gullveig Freya mitgenommen hatte. Für eine so junge Person war das gar nicht gut. Es könnte ihr zu Kopf steigen. Freya war noch kaum eine vollwertige Priesterin, sie wusste nichts über die Welt außerhalb Vanaheims. Es wäre besser für alle gewesen, wenn sie zu Hause geblieben wäre und gearbeitet hätte, denn dann hätte sie mit der Zeit Demut gelernt.
Freya spürte Snotras Abneigung wie kleine Nadeln auf ihrer Haut, aber das war ihr jetzt wirklich egal. Die Aufregung darüber, hier sein zu dürfen, überlagerte alles. Endlich brauchte Gullveig ihre Hilfe, endlich durfte sie an den höchsten Beratungen teilnehmen.
In der Halle wimmelte es schon von Gästen, die sich um Åses Hochsitz versammelt hatten. Das Stimmengewirr verstummte, als die drei Priesterinnen auf sie zukamen. Alle wichen bescheiden zur Seite und machten den Auserwählten der Göttin Platz.
Gleich darauf fiel Freya vor Vanaheims Königin auf die Knie.
»Die Gnade der Göttin sei mit unserer Königin«, konnte sie hervorbringen, dann berührte sie ihre Stirn, ihr Herz und ihren Schoß, ehe sie den Blick zu ihrer Mutter hob.
Åse strahlte Macht und Reichtum aus. Sie trug ein rotes Kleid und ein schweres goldenes Halsband, das größte, das Freya je gesehen hatte. Um ihre Arme hatte sie Bronzespiralen gewunden. Ihr Umhang war mit funkelnden Steinen besetzt, und vor ihrem Bauch prangte eine spitze Prachtschnalle, so groß wie vier Fäuste. Freya senkte den Kopf und sah die schönen, reich bestickten Fellschuhe der Königin.
Angesichts der Größe ihrer Mutter kam sie sich klein und dumm vor. Åse bedachte sie mit einem kurzen Blick, dann ließ sie sich auf die Wolfsfelle auf dem Hochsitz zurücksinken. Ihre grünen Augen strahlten strenge Kraft aus.
Freya machte eine letzte Verbeugung und wich dann zurück. Dabei spürte sie im Bauch die vertraute Sehnsucht nach einem Zeichen der Zuneigung dieser Frau, die ihre Mutter war. Aber bei Åse war kein Mitgefühl zu finden. Sie war eine Königin der Königinnen.
Es war Åse, der die Göttin die Macht gegeben hatte, über das Reich der Vanen zu herrschen, sie war die Richterin, die für Gerechtigkeit sorgte, die Beschützerin ihres Volkes. Sie hatte keine Zeit für ihre Töchter. Um die mussten sich andere kümmern, gerade deshalb hatte sie Freya doch Gullveig überlassen.
Freya nahm den Arm ihrer Tante und half ihr, sich auf eine der schön geschnitzten Bänke zu setzen, die in einem Halbkreis um Åses Hochsitz aufgestellt worden waren. Danach trat sie zusammen mit Snotra hinter den Rücken der Hohen Priesterin. Dort standen sie Seite an Seite, wie zwei Dienstmägde.
Auch die übrigen Gäste nahmen jetzt Platz. Freyas ganzer Körper prickelte vor Spannung bei deren Anblick. Es waren die bedeutendsten, berühmtesten Kämpfer der Vanen, Häuptlinge und Königinnen, deren Namen an den langen Winterabenden am Feuer besungen wurden.
Dort saß die sagenumwobene Göndul, nur zwei Armlängen von ihr entfernt. Freya hatte das Gefühl, eine uralte Sagenkönigin vor sich zu haben. Göndul beherrschte die Kampfzauber besser als alle Priesterinnen von Vanaheim. Viele Stämme hatten vergeblich versucht, ihre Insel einzunehmen, und Göndul hatte das Blut der Feinde in den Boden eingepflügt.
Freyas Schwester Gefion unterhielt sich mit der Königin der Quänen. Gefion sah klein aus neben ihr, ihre schwarzen Haare hingen offen über ihren Rücken. Sie gestikulierte und lachte.
Freya verspürte ein wenig Neid, als sie die Freude ihrer Schwester sah. Gefion war zwei Winter jünger als Freya, und sie war bei Gönduls Stamm aufgewachsen, weshalb sie sich jetzt als Quänin betrachtete. Aber Gefion wirkte vor allem wie ein eifriges Hundebaby, als sie umhersprang und bei der Königin und den Furcht einflößenden Kriegerinnen, die hinter Gönduls Rücken standen, um Zuneigung bettelte.
»Was grinst du so?«, fauchte Snotra ihr ins Ohr.
»Einfach so«, sagte Freya und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, während sie zusah, wie Göndul sich jetzt mit dem düsteren Alvarin unterhielt, dem König von Alfheim. Er war so alt, dass er schon fast wieder zum Kind geworden war. Sein Bart war grau, sein Blick trüb. Er klammerte sich mit einer Hand, die einer runzligen Klaue ähnelte, an seine Tochter. Die Tochter, die schöne Alfhild, stand auf dem Höhepunkt ihrer Kraft. Sie hatte in ihrer Jugend in Vanaheim eine Ausbildung zur Priesterin gemacht, dann war sie heimgekehrt, um am Tag des Todes ihres Vaters seinen Platz einzunehmen. Eine tiefe Ruhe prägte ihr feines Gesicht. Ihre dunklen Haare waren mit Bronzenadeln kunstfertig hochgesteckt. Ihr Mund war füllig, ihre Augen von klarem Blau, und sie trug ein knöchellanges tiefrotes Gewand. Alfhild wurde zwar wegen ihrer Schönheit verehrt, doch auch ihre Gerechtigkeit nötigte den anderen Respekt ab. Bereits jetzt war im Grunde sie die wahre Herrscherin in Alfheim.
Sie beugte sich über ihren Vater und wechselte einige Worte mit Göndul. Die beiden lachten leise, wie über einen geheimen Scherz. Dennoch hätte der Unterschied zwischen diesen beiden Frauen nicht größer sein können. Göndul sah neben Alfhild geradezu vierschrötig aus. Fast schienen sie verschiedenen Zeitaltern zu entstammen. Und doch verband sie eine für alle sichtbare Freundschaft.
Alfheim war eine große, im Westen gelegene Halbinsel, auf der das wichtigste Heiligtum des Zwillingsgottes lag. Sein Hoher Priester, Freyr, saß neben Alfhild. Er war der schönste Mann unter den Vanen, blond und sanftäugig umfasste sein neugieriger Blick die Tinggäste.
Freyrs Gesicht hellte sich auf, als er Gullveigs Blick einfing. Mit zwei raschen Schritten stand er vor der Hohen Priesterin. Am Vortag war er vom Zwillingsgott besessen gewesen, hatte Gullveig auf dem blutigen Altar begattet und der Göttin durch seine Manneskraft gehuldigt. An diesem Tag war in seinen Augen nur Besorgnis zu sehen.
»Mutter«, sagte er und fiel vor der Hohen Priesterin auf die Knie. »Hoher Priester?«
»Was sagst du zu diesen Neuigkeiten?«
Freyrs Stimme war leise und ernst.
»Vanaheims Schicksalsstunde ist gekommen. Wir haben gewusst, dass es passieren würde«, erwiderte Gullveig.
Freya spitzte überrascht die Ohren. Worüber redeten sie da? Welche Zeichen konnten das gewesen sein? Wieso wussten sie schon, was passieren würde? Ihr hatte niemand etwas gesagt. Freya bedachte Snotra mit einem wütenden Blick. Sicher hielt die sie vom Rat der Ältesten fern.
»Freya hatte heute ein Traumgesicht, in dem ein Hof geplündert wurde.«
Freyr warf Freya einen raschen Blick zu und beugte sich weiter zu Gullveig vor.
»Dann hat es offenbar angefangen«, flüsterte er so leise, dass Freya seine Worte nur ahnen konnte.
»Wie stellt Alfheim sich dazu?«
»Wir folgen dir, Hohepriesterin.«
Gullveig nickte zufrieden.
»Gut. Die Göttin wird uns auf die Probe stellen. Egal, was passiert, Vanaheim darf nicht gespalten werden. Dann wird alles einstürzen. Du musst bei der Göttin schwören, Vanaheim immer zu beschützen.«
Freyr nahm die Hand der Alten und schaute ihr ernst in die Augen.
»Diesen Eid habe ich schon vor langer Zeit geschworen. Und gern lege ich ihn noch einmal ab.«
Er runzelte die Stirn und blickte Gullveig besorgt an.
»Hast du in deinen Visionen noch etwas anderes gesehen?«
Das Band zwischen Gullveig und Freyr war stark. Sie waren viel mehr als Frau und Mann, sie waren die mächtigsten Diener der Göttin, waren ein heiliges Paar. Freyr war von Gullveigs Macht und Stärke abhängig. Sie zu verlieren könnte auch seinen eigenen Untergang nach sich ziehen. Seine Besorgnis war verständlich. Aber Gullveig lachte nur und streichelte seine glatte Hand.
»Was im Gewebe vorhanden ist, kann niemand ändern.«
»Gestern hat die Sonnengöttin unser Opfer angenommen. Warum schickt sie unserem Volk schon einen Tag darauf Ungemach? Ich begreife das nicht«, sagte Freyr.
»Es ist nicht deine Aufgabe, dir über die Ratschlüsse der Göttin den Kopf zu zerbrechen. Geh zu deinem Platz zurück. Wir reden später weiter«, sagte Gullveig.
Ihre Stimme klang jetzt abweisend und kühl. Freyr nickte und eilte an seinen Platz neben Alfhild zurück.
Freya schaute forschend ins Gesicht des Priesters, das ihrem eigenen so ähnlich war. Waren sie eigentlich Blutsverwandte?
Sie schüttelte den Kopf. Darüber wollte sie heute nicht auch noch nachdenken.
Vanaheims älteste, klügste Frauen und Männer von den verschiedenen Höfen waren in eifrige Gespräche vertieft.
Dann nahm Åses Sprecher, ein rundlicher Mann in einem schlichten braunen Umhang, zu den Füßen der Königin Platz. Er sollte weitertragen, was auf dem Ting gesagt wurde.
Åse erhob sich und ließ ihren Blick über die Versammlung wandern.
»Trygve aus Hallunda bringt böse Kunde. Hört zu, was er zu sagen hat.«
Sie setzte sich wieder. Jetzt war es in der Halle so still, dass alle ihren eigenen Herzschlag hören konnten.
Trygve erhob sich von seiner Bank und trat mitten in die Runde. Er schaute zu Boden, wie um der Erde die Kraft zu entlocken, seine Botschaft vorzutragen.
Freya wartete achtungsvoll.
»Sprich«, mahnte Sigvard Weitfahrer ungeduldig.
Freya unterdrückte ein Lachen, als der berühmte Kämpfer ihrer Mutter ungeduldig die Arme übereinander schlug. Einer, der mit seinem Schiff zum Ende der Welt und zurück reiste, müsste doch genügend Ruhe besitzen, um einem Mann Zeit zum Überlegen zu geben.
Aber die Ermahnung tat ihre Wirkung.
»Ein fremder Stamm streift durch die westlichen Wälder. Sie töten mein Volk und brennen unsere Höfe nieder«, sagte Trygve.
Leises Gemurmel verbreitete sich in der Halle. Freya schloss die Augen und sah die Toten vor sich. Die Warnung war deutlich und richtig gewesen.
»Die Fremden kommen wie Schatten in der Nacht. Sie können Bärengestalt annehmen. Die, die fliehen konnten, erzählten alle davon, wie die bepelzten Fremdlinge im Wald verschwunden sind.«
Trygve drehte sich um, damit alle in der Runde sein Gesicht sehen konnten.
»Ich sage es euch allen. Dieser Stamm wird von bösen Mächten beschützt. Sie beten den Kriegsgott Tiwaz an und er hat ihnen magische Schwerter geschenkt, die nicht zerbrochen werden können. Die wenigen, die sie gesehen und überlebt haben, sagen, dass diese Schwerter aussehen wie still stehendes Wasser.«
Trygve warf einen fast triumphierenden Blick in die Runde. Er hatte die schlimmste Botschaft gebracht, die zu Lebzeiten der Anwesenden nach Vanaheim gekommen war.
Freya rang nach Atem und schaute zu Gullveig hinab. Sie war die Einzige, die keine Miene verzog. Königin Åse saß vornübergebeugt auf ihrem Hochsitz und musterte die Gesichter der Anwesenden, als suche sie darin etwas.
»Und ich sage euch, drei Höfe haben sie verbrannt und geplündert. Bald werden die Vanen bei Hallunda tot sein, wenn ihr uns nicht zu Hilfe kommt. Deshalb bitte ich euch, edle Verwandte und Freunde, helft uns«, sagte Trygve und senkte vor dem Ting den Kopf. Seine grauen Zöpfe verbargen seinen niedergeschlagenen Blick.
Die Versammlung brach in lautstarke Diskussionen aus.
Was war zu tun? Die Menschen aus Vanaheim mussten Rache an den Fremden nehmen, aber wie? Drei Höfe waren ein entsetzlicher Verlust an Tieren und Menschen.