Nr. 902

 

Das Mädchen und die Loower

 

Der Konflikt zwischen Menschen und Fremden – die Besetzung der Erde droht

 

von ERNST VLCEK

 

 

In der Galaxis Algstogermaht, dem gegenwärtigen Aufenthaltsort der SOL und der BASIS, sind die meisten Besatzungsmitglieder der beiden Raumgiganten zum Warten verurteilt – zum Warten auf die Rückkehr Perry Rhodans und seines 300-köpfigen Einsatzkommandos von der PAN-THAU-RA.

Jetzt, gegen Ende November des Jahres 3586, ist es dem Einsatzkommando nach schweren Kämpfen gelungen, zur Zentrale des Sporenschiffs vorzustoßen – wobei selbst der »Orkan im Hyperraum« die Terraner nicht nennenswert behindern konnte.

Perry Rhodan und seine Leute haben somit die Aufgabe erfüllt, die das LARD ihnen gestellt hat. Und damit war es für sie auch an der Zeit, die Geschichte des LARD, das niemand anderes als der Roboter Laire ist, zu erfahren.

Doch zurück zum Geschehen im Solsystem, wo es zunehmende Schwierigkeiten zwischen den Menschen und den auf der Suche nach dem »Auge« ins Solsystem eingedrungenen Loowern gibt.

Die Schwierigkeiten resultieren vorwiegend aus der verschiedenartigen Denkweise der beiden Völker. Die Menschen zu verstehen, erweist sich als nahezu unmöglich für Zweidenker. Dennoch suchen die Verantwortlichen auf beiden Seiten fieberhaft nach Möglichkeiten der Verständigung – das beweist die Episode: DAS MÄDCHEN UND DIE LOOWER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Baya Gheröl – Ein Kind als Botschafterin der Entelechie.

Hergo-Zovran – Der Chef der Loower droht, die Erde besetzen zu lassen.

Goran-Vran – Ein Loower, der die Menschen zu verstehen beginnt.

Boyt Margor – Der Gäa-Mutant stiftet Unfrieden.

Valdo Susper – Ein neuer Paratender Margors.

»... und ich befürchte, dass in Psychologievorlesungen zu oft von Ratten und zu wenig von Kindern die Rede ist.«

A. S. Neill, geb. 1883, Terra/Schottland

 

1.

 

Baya Gheröl

 

Ich bin sehr klein und zart und werde allgemein für jünger gehalten, als ich bin.

Ist es eigentlich sehr dumm von einer Siebenjährigen zu sagen, dass sie noch jünger wirkt? Ich meine, sieben ist ja noch kein Alter. Aber die meisten Leute auf der Erde haben mich für fünf gehalten. Und sie haben mich als kränklich und »ungesund blass« bezeichnet. Wahrscheinlich wird meine Blässe durch das schwarze, lang über die Schulter fallende Haar betont. Kränklich mag ich aussehen, weil meine Augenbrauen dunkel und dicht sind und die Augen tief in den Höhlen liegen. Dabei habe ich große Augen. Aldina hat einmal gesagt: »Sieh mal, was für Ringe Baya unter den Augen hat. Sie muss krank sein!«

Das war bei einer der wenigen Gelegenheiten, dass mich Aldina genauer angesehen hat. Aldina ist meine Mutter. Mein Vater heißt Haman. Aldina trägt noch ihren Mädchennamen Feyrön. Meine Schwester Kerinnja und ich tragen den Namen unseres Vaters – Gheröl.

»Sie sieht nicht nur krank, sie sieht zum Fürchten aus«, konstatierte Vater. Ich habe vorher noch nie erlebt, dass er seine Meinung über mich oder meinen Zustand abgegeben hätte.

Aber seit wir hier, in der Neunturmanlage der Loower auf dem Mars waren, war alles anders. Plötzlich stand ich im Mittelpunkt, aber auf etwas andere Weise, als es mir lieb gewesen wäre.

Früher, als sich Vater und Mutter nicht um mich gekümmert hatten und meine Schwester es nur getan hatte, wenn sie etwas von mir brauchte, waren sie mir alle sehr vertraut gewesen, und ich hatte sie gerne gemocht.

Jetzt auf einmal waren sie mir sehr fremd. Seit sie mit mir sprachen und sich Gedanken um mich machten, da verstand ich sie auf einmal nicht mehr.

Wenn Haman früher einmal Kerinnja etwas erklärte und ich dies mitbekam, da war eigentlich immer alles klar für mich gewesen. Als er ihr einmal die Unendlichkeit des Universums anhand eines Streifens, den er um hundertundachtzig Grad drehte und dann mit den Enden zusammenklebte, erklärt hatte, da bekam ich mit, was er mit der endlosen und in sich gekehrten Fläche meinte.

Aber als er nun zu mir sagte: »Arme Baya.« (Und mich dabei an sich drückte.) »Was haben die Loower nur mit dir gemacht! Ich wünschte, ich könnte mich an deiner Stelle opfern.«

Da wusste ich einfach nicht, was er meinte.

»Was sollen die Loower mit mir gemacht haben?«, wollte ich wissen.

Daraufhin begann Mutter zu weinen, und für mich wurde alles nur noch unverständlicher. Sie nahm mich aus Vaters Armen und drückte mich ihrerseits ab. Dann war die Reihe an Kerinnja, mich zu drücken.

»Liebes Schwesterchen«, schluchzte sie mir ins Ohr. »Ich hab's ja immer gewusst, dass dein Geist einer stärkeren Belastungsprobe nicht gewachsen sein würde. Aber für dich ist gesorgt. Wir sind alle für dich da.«

Ich war schon immer geduldig, andernfalls hätte ich dieses Getue nicht so gefasst über mich ergehen lassen können. Ich sagte nichts, sondern dachte mir mein Teil.

So etwa, dass Lank (so durfte ich den Loower Lank-Grohan nennen) ein sehr weiser und einfühlsamer Mann war.

Bei Lank hatte ich keine Scheu, Fragen zu stellen oder einfach vor mich hin zu plaudern. Sein andersartiges Aussehen fiel mir überhaupt nicht mehr auf. Und er hatte mich aufgefordert, in seiner Gegenwart »meine gute Erziehung« zu vergessen. Das machte mich so herrlich gelöst ... Jetzt müsste ich mir selbst auf den Mund klopfen, weil dies so eine von den altklugen Redensarten war, von denen Lank gesagt hatte, dass ich damit andere nachzuäffen versuchte.

Ich hatte ihn daraufhin gefragt: »Gibt es auf der Heimatwelt der Loower Affen, von denen der Ausdruck Nachäffen abgeleitet sein könnte, oder äffst du die Sprechweise der Menschen auch nur nach?«

»Du bist weiter, als ich dachte, Baya«, entgegnete er ernst. »Du hast nicht nur eine entelechische Begabung, sondern befindest dich bereits in der ersten Phase der Entelechie. Wir können einen Schritt weitergehen.«

Ich machte einige trippelnde Schritte und fragte schalkhaft: »Gut so?«

Und damit hatte ich ihn abermals einer Ungereimtheit überführt, denn er hatte ja nicht wirklich einen Schritt mit mir tun wollen, sondern sich bloß einer menschlichen Redewendung bedient.

Lank sagte immer wieder: »Es macht gar nichts, wie du dich benimmst, ob du verspielt oder besinnlich bist, die Dinge verulkst oder auch Ernstes scherzverbrämt darlegst – sei nur du selbst. Versuche nie zu sein, was andere in dir sehen wollen, lebe dein Leben. Das wäre schon entelechisch.«

Ich wusste, was Lank mit »entelechisch« meinte, und ich glaube, das war es, was meine Familie nicht mehr an mir verstand.

»Das ist Psychoterror der schlimmsten Art«, pflegte Vater zu sagen, wenn er meinte, dass ich nicht mithören konnte.

»Jawohl, Psychoterror ist das!«, bekräftigte Haman. »Da die Methoden der Loower an uns versagt haben, setzten sie nun unsere jüngste Tochter unter Druck und versuchen, sie uns zu entfremden.«

»Was ihnen auch gelingt«, sagte Mutter verbittert. »Ich kenne Baya nicht wieder.«

Du hast mich nie gekannt, Aldina, dachte ich.

»Sie setzen Baya irgendwelche Flausen in den Kopf und entziehen sie auf diese Weise immer mehr unserem Einfluss«, sagte Vater. »Das arme Ding! Baya hat keine Ahnung, dass Lank nicht der ›gute Onkel‹ ist, als der er ihr erscheint. Wie sollte sie auch seine Maske durchschauen können. Sie ist noch nicht reif genug und überhaupt für ihr Alter etwas zurück. Was für skrupellose Monstren sind das, die sich an einem geistig unterentwickelten Kind vergreifen!«

»Haman!«, ermahnte Aldina ihn mit einem Blick auf mich.

»Ah ... da bist du ja! Komm her, mein Kleines.«

Ich hätte es immer schon gerne gemocht, dass Vater mich (wie er es immer nur mit Kerinnja gemacht hat) auf den Schoß genommen und mit mir geplaudert hätte. Aber jetzt war es mir zuwider. Dennoch gehorchte ich.

»Wie geht es dir, Baya?«, fragte er.

»Ich fühle mich hier recht wohl«, antwortete ich und wunderte mich, dass Mutter trocken aufschluchzte, als ich das sagte.

»Was treibst du denn die ganze Zeit, Baya?«, wollte Vater wissen. »Wir bekommen dich kaum mehr zu Gesicht.«

»Ich ...«, begann ich und wusste plötzlich nicht weiter. Wie sollte ich ihm erklären, was ich tat? Ich wanderte durch die Gänge und Räume des Westturms, in dem sich unsere Familie frei bewegen konnte, traf mich mit Lank, plauderte mit ihm, ließ mir Spiele einfallen und ähnliches mehr.

Es war eigentlich ein Nichtstun, zumindest wusste ich, dass Vater es als solches bezeichnet hätte. Im Grunde vertrieb ich mir die Zeit nicht anders als meine Familie, Lank sagte jedoch, was ich tue, sei sinnvoller – zielführender.

»Ich treibe gar nichts«, antwortete ich endlich. »Nicht mehr als ihr.«

»Triffst du dich öfter mit diesem Loower?«, fragte Haman.

»Du meinst Lank?«

»Den meine ich.«

»Ja.«

»Bist du viel mit ihm zusammen?«

»Ich glaube ja.«

»Was tut ihr, wenn ihr beisammen seid?«

»Wir reden. Gehen miteinander spazieren.«

»Du meinst, er redet. Was sagt er denn? Und auf welche Art tut er es?«

»Ich weiß nicht, was du meinst. Er erzählt mir verschiedenes. Gibt mir auch Antwort oder lässt mich reden.«

»Schimpft er über uns? Oder über die Menschheit im allgemeinen?«

»Lank sagt kein böses Wort«, verteidigte ich meinen Freund.

»Du kannst ja gar nicht zwischen böse und gut unterscheiden«, mischte sich Kerinnja ein.

»Halt den Mund!«, schimpfte Haman sie. »Kümmere dich nicht um Dinge, die dich nichts angehen. Jetzt rede ich mit Baya. Geh auf dein Zimmer!«

Kerinnja gehorchte mit gesenktem Kopf und trotzigem Gesicht. Sie tat mir leid, und ich glaube, sie war wütend auf mich, weil sich meine Eltern nun nicht mehr nur um sie kümmerten.

Als Kerinnja das Zimmer verlassen hatte, fragte Vater wieder: »Hat dir Lank irgend etwas eingegeben? Ich meine, gab er dir Süßigkeiten zu lutschen, nach deren Genuss du dich irgendwie verändert fühltest?«

»Nein.«

»Haman«, sagte Aldina. »Lass Baya. Quäle sie nicht mit solchen Fragen. Sie weiß ja doch nicht, was du meinst.«

»Ich muss herausfinden, was diese Monstren mit meiner Tochter angestellt haben«, sagte Haman gepresst. »Sie müssen sie irgendwie konditioniert haben. Baya, ist ein Helk dabei, wenn du mit Lank sprichst? Du weißt schon, so ein Roboter, wie auch deine Schwester, deine Mutter und ich einen zur Verfügung haben.«

»Ich brauche keinen Helk«, sagte ich wahrheitsgetreu.

»Du willst sagen, wenn Lank dich behandelt, ist niemand sonst dabei?«, fragte Vater. »Nur du und er?«

»Das stimmt. Wir kommen gut miteinander aus.«

»Das kann ich mir denken!« Haman nickte bekräftigend mit dem Kopf, als habe er eine unheilschwere Aussage getan. Aber ich kam nicht hinter die Bedeutung. »Die Loower sind uns auf geistigem Gebiet weit voraus, und wie sollte ein kleines Mädchen die psychologischen Tricks eines abgefeimten Wissenschaftlers durchschauen? Hast du Angst vor Lank, Baya?«

»Aber nein, Haman.«

»Du kannst es mir ruhig sagen, Kleines. Wenn es irgend etwas gibt, wovor du dich fürchtest, dann möchte ich es wissen.«

»Wovor sollte ich Angst haben?«

»Nun, es könnte sein, dass Lank irgend etwas Böses mit dir anstellt und dir unter Drohungen verbietet, es uns zu verraten.«

»Das tut er nicht.«

»Bestimmt nicht?«

»Nein, wirklich nicht.«

»Lass es genug sein, Haman«, sagte Aldina. »Du hörst doch, was Baya sagt. Glaubst du, die Loower verraten ihr, was sie mit ihr tun?«

»Du magst recht haben, Aldina«, sagte Vater. »Du kannst jetzt gehen, Baya. Aber versprich mir noch eines, Kleines. Sage mir alles, worüber Lank mit dir spricht. Wirst du das tun?«

»Ja, Haman.«

»Hast du mir noch etwas zu sagen?«

Ich biss mir auf die Lippen. Mir fiel nur etwas ein, worüber ich mit ihm unter keinen Umständen sprechen wollte. Das war die Entelechie. Ganz abgesehen davon, dass ich natürlich viel zu dumm war, um über Entelechie mit ihm zu sprechen, hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich gar nicht die Kraft hatte, es zu tun.

»Ist schon gut, Kleines. Ich will nichts mehr von dir.«

Als ich das Zimmer verließ, hörte ich Vater noch sagen: »Ich werde bei den Loowern protestieren. Jedenfalls schaue ich nicht untätig zu, wie sie meine eigene Tochter manipulieren und aus ihr eine Verräterin an ihrem Volk zu machen versuchen. Ich werde eine Unterredung mit Lank – oder noch besser mit dem Türmer persönlich! – verlangen.«

Ich wusste, dass Vater damit nichts erreichen würde. Lank hatte einmal gesagt, dass Haman und die anderen Familienmitglieder schon zu alt seien und in festgefahrenen Bahnen dächten, als dass sie noch umdenken könnten.

2.

 

Jeder Loower hatte eine Hemmung, die es ihm nicht erlaubte, mit fremden Wesen über existenzbestimmende Dinge wie die Materiequellen, den Schlüssel dafür und die Entelechie überhaupt zu sprechen. Nur wer es durch hohe Ethik und die entsprechende Reife zum Türmer gebracht hatte, konnte über diese Dinge frei sprechen. Oder jemand wie Goran-Vran, der seine Entelechie verloren hatte und jenseits aller loowerischen Werte stand.

Lank-Grohan war weder ein Entarteter, noch besaß er die nötige Reife für einen Türmer, obwohl er dem Alter nach diese Position längst schon erreicht haben könnte.

Und doch hatte er mit Baya frei über die Bestimmung seines Volkes sprechen können. Er hatte ihr rückhaltlos alles über die von dem Quellmeister Pankha-Skrin gefundene Materiequelle erzählt und über den Schlüssel zu dieser, der sich im Besitz der Terraner befand.

Diese Tatsache überraschte ihn mehr als Baya das Gehörte. Der Psychologe konnte sich das lange nicht erklären, denn vor der nächstliegenden Erklärung scheute er zurück.

Als Haman mit seinem Helk zu ihm kam und ihn um eine Unterredung mit dem Türmer ersuchte, stellte sich Lank-Grohan selbst auf die Probe. Er nahm sich fest vor, den Vater Bayas in alle Geheimnisse seines Volkes einzuweihen.

»Ich muss dir eine Erklärung abgeben«, eröffnete er dem verblüfften Terraner, der sich daraufhin erwartungsvoll in die Ruheschale seines Helks setzte. Aber er wartete vergeblich, denn Lank-Grohan sah sich außerstande, ihm Einzelheiten über das von ihm erwählte Thema zu erzählen.

»Warum willst du mich hinhalten, Lank«, sagte Haman Gheröl verärgert. »Ich möchte mit dem Türmer sprechen.«

»Ich fürchte, die Zeit Hergo-Zovrans ist dafür zu kostbar«, erwiderte der Psychologe und beschäftigte sich in seinem Tiefenbewusstsein längst wieder mit Baya und der Entelechie.

Da er sich mit ihr ungezwungen über alle loowerischen Belange hatte unterhalten können, gegenüber ihrem Vater jedoch die natürliche psychische Barriere nicht zu überwinden vermochte, konnte es nur eine Erklärung geben: Sein Tiefenbewusstsein akzeptierte das kleine terranische Mädchen als seinesgleichen. Ihre Denkweise entsprach bereits der eines Loowers.

Diese Erkenntnis überwältigte den Psychologen. Er hatte schon beim ersten Mal, als er sich näher mit ihr befasste, erkannt, dass sie eine entelechische Begabung hatte. Aber er hätte es nie für möglich gehalten, dass sie so rasch Fortschritte machen würde.

»Wo bist du mit deinen Gedanken, Lank?«, hörte er Hamans Stimme in seinem Ordinärbewusstsein. »Hast du nicht gehört, was ich von dir will? Warum weichst du mir aus? Mit dieser Hinhaltetaktik erreichst du bei mir nichts. Ich werde mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln um meine Tochter kämpfen und werde bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie ihr sie umerzieht.«

»Wir erziehen sie keineswegs um«, erwiderte Lank-Grohan. »In unserem Volk gibt es nichts, was mit eurer Kindererziehung vergleichbar wäre. Alles was ich tat, war, Baya sich frei entfalten zu lassen.«

»Lüge!«, schrie Haman. »Warum entfremdet sie sich uns dann immer mehr?«

»Eben deswegen, weil sie frei ist und sich nicht mehr eurer elterlichen Doktrin unterwirft. Das tat sie im übrigen nie, weil ihr euch nie um sie gekümmert habt und sie keine Erziehung genoss, wie sie terranischer Vorstellung entspricht. Dafür muss sie euch dankbar sein. Nur weil ihr eure Erziehungspflicht vernachlässigt habt und sie sich selbst überließt, ist sie in Freiheit aufgewachsen. Ihr habt ungewollt etwas Gutes für Baya getan.«

»Will ein Loower einem Terraner sagen, wie er seine Kinder erziehen soll?«, regte sich Haman auf. »Ich lasse mich von dir nicht irreführen. Ich kann mir denken, was ihr mit Baya vorhabt. Ihr wollt aus einem geistesschwachen Menschenkind einen loowerischen Freak machen, um damit eure Macht und die Wirksamkeit eurer Philosophie zu demonstrieren. Doch daraus wird nichts. Ich will zum Türmer!«

»Ich werde deinen Wunsch an ihn weiterleiten«, sagte Lank-Grohan.

Der Psychologe wollte ohnehin den Türmer in seiner Stube im Südturm aufsuchen. Aber nicht, um ihm Haman Gheröls Begehren vorzutragen, sondern um ihm von den Fortschritten zu berichten, die er mit dessen jüngsten Tochter machte.

Baya wäre das erste Fremdwesen in der langen Geschichte seines Volkes, das von selbst zur loowerischen Entelechie fand.

Lank-Grohan wertete dies als die größte Sensation nach der Entdeckung der Materiequelle durch den Quellmeister Pankha-Skrin.

 

*

 

Hergo-Zovran bemerkte Lank-Grohans Kommen, aber er war zu beschäftigt, um sich um den Wissenschaftler sofort zu kümmern. Und Lank-Grohan war verständnisvoll genug, sich nicht aufdringlich dem Türmer bemerkbar zu machen, sondern wartete geduldig darauf, bis ihm Hergo-Zovran seine Aufmerksamkeit schenkte.