Nr. 574
Das Himmelsmetall
Rückkehr zur Welt des Asporcos – Abenteuer im Innern eines Meteors
von CLARK DARLTON
Auf Terra und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Ende März des Jahres 3444. Somit sind seit der Entlassung des Solsystems aus dem Sternenschwarm und dem Ende der »Verdummungsstrahlung« rund neun Monate vergangen. Das Leben der Terraner und der übrigen galaktischen Völker nimmt inzwischen wieder seinen gewohnten Gang – und dennoch verläuft manches nicht mehr in den gewohnten Bahnen.
So ist zum Beispiel im Solaren Imperium eine schwere innenpolitische Krise ausgebrochen. Im August sollen Neuwahlen zum Amt des Großadministrators stattfinden – zu einem Amt, für das nach der Meinung vieler solaren Bürger Perry Rhodan nicht mehr in Betracht kommt.
Perry Rhodan – so verbreiten die Propagandisten der Opposition – soll während der Schwarmkrise unverantwortlich gehandelt haben. Und Perry Rhodan selbst schweigt zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, obwohl er sich leicht rechtfertigen könnte. Er hat andere Sorgen.
Im Wissen, dass der Menschheit große Gefahr droht, hat er zur Abwendung eben dieser Gefahr mit der TIMOR eine Weltraumexpedition gestartet. Die Mitglieder dieser Expedition haben die vom Planeten Asporc ausgehenden »Stimmen der Qual« schon auf fatale Weise zu spüren bekommen. Trotzdem fliegen die Männer der TIMOR wiederum den Planeten der Asporcos an, denn sie suchen DAS HIMMELSMETALL ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator beschließt, nach Asporc zurückzukehren.
Mentro Kosum – Kommandant und Emotionaut der TIMOR.
Atlan – Der Arkonide leitet ein Sonderkommando.
Roi Danton, Ras Tschubai, Ribald Corello, Icho Tolot und Takvorian – Mitglieder des Sonderkommandos.
Gucky – Der Mausbiber verändert seine Gestalt.
1.
Mehr als achtzigtausend Lichtjahre von der Erde entfernt stand der Schwere Kreuzer der Solaren Raumflotte nahezu bewegungslos zwischen den Sternen eines unbekannten Sektors der heimatlichen Galaxis.
Mit seinen acht schweren Transformkanonen, zwei Kompaktkonvertern mit je achthunderttausend Lichtjahren Aktionsreichweite und seinen hervorragenden energetischen Schutzschirmen war der zweihundertfünfzig Meter durchmessende Kugelgigant eine der modernsten Neukonstruktionen des Solaren Imperiums. In seinem Innern lebten mehr als zweihundert Menschen, Männer und Frauen – die Stammbesatzung des riesigen Schiffes, das die Erde weit hinter sich zurückgelassen hatte, um das Rätsel der Asporcos zu lösen.
Immer noch war das Universum voller Geheimnisse, auch im Jahr 3444 terranischer Zeitrechnung. Niemand wusste das besser als Perry Rhodan, der sich zusammen mit Atlan an Bord der TIMOR aufhielt, um dem Planeten Asporc im Rattley-System einen zweiten Besuch abzustatten.
Der erste hatte mit einer schleunigen Flucht geendet.
Kommandant des Schiffes war Oberstleutnant Mentro Kosum, der Emotionaut und Mann mit der SERT-Haube, die seine Gedanken und befehlsgebenden Gehirnimpulse an die Kontrollen weiterleitete und für blitzschnelle Durchführung sorgte. Er war daher in der Lage, ohne auch nur einen Finger zu rühren, ein Vielfaches an Schaltungen vorzunehmen, wie es einem normalen Menschen möglich gewesen wäre, und das in Bruchteilen von Sekunden.
Der Planet Portzschest, nicht ganz sieben Lichtjahre von dem Ziel Asporc entfernt, war auf dem Bildschirm nur noch als Stern zu erkennen. Kosum wusste, dass sie die relativ kurze Entfernung nicht in einer einzigen Linearetappe zurücklegen würden. Etwa in der Mitte sollte die TIMOR in den Normalraum zurückkehren, um gewisse Beobachtungen anzustellen. Dann erst würde sie nach Asporc weiterfliegen.
Mentro Kosum lehnte sich bequem zurück. Er war groß und hager, etwa 1,96 Meter groß, verfügte über rote Haare und Sommersprossen, galt als Mann mit Humor und war durch nichts zu erschüttern. Jeder, der ihn kannte, fürchtete sich vor seinen Gedichten, die er selbst als Improvisationsmachwerke bezeichnete. Sie entstanden ausgerechnet immer in solchen Situationen, in denen sie niemand hören wollte oder konnte. Dieser Tatsache schrieb er auch den seiner Ansicht nach bedauerlichen Umstand zu, dass seine Verse niemals die gebührende Beachtung fanden oder gar in die kosmische Literatur eingegangen waren.
Er sah auf, als sich ihm ein Offizier näherte und Haltung annahm.
»Haben Sie einen Stock verschluckt, Leutnant?«
»Sir ...?«
»Himmel, so steht doch kein Mensch!
Setzen Sie sich, und dann sagen Sie mir, was Sie wollen. Oder wollten Sie nichts?«
Der Leutnant setzte sich gehorsam in den nächstbesten Kontursessel vor den Kontrollen des Schiffes. Er wusste, dass der Kommandant keinen besonderen Wert auf disziplinarische Äußerlichkeiten legte, sondern viel mehr darauf achtete, es mit ehrlichen und verlässlichen Untergebenen zu tun zu haben.
»Sir, ich soll Ihnen ausrichten, dass die Konferenz in einer Minute beginnt. Die TIMOR soll auf Warteposition bleiben. Sie werden gebeten, an der Sitzung teilzunehmen.«
Natürlich wusste Mentro Kosum von der geplanten Konferenz, aber er kannte den Zeitpunkt nicht. Nun war es also soweit. Er nickte dem Leutnant zu.
»Danke. Hier ist alles klar und auf Automatik geschaltet. Sie bleiben hier und rufen mich über Interkom, wenn etwas sein sollte.«
Er wartete die Bestätigung nicht ab, erhob sich und schlenderte zum Ausgang. Der Lift brachte ihn zu jenem Sektor, in dem der Sitzungsraum war. Lässig gab er die Grüße einiger Besatzungsmitglieder zurück, die seinen Weg kreuzten.
Sie saßen um den runden Tisch und sahen ihm erwartungsvoll entgegen. Es schien so, als habe man nur noch auf ihn gewartet.
»Na, endlich!«, rief Roi Danton aus, der unmittelbar neben Rhodan saß. »Wir haben schon gedacht, Sie kämen überhaupt nicht mehr.«
Kosum nahm auf dem letzten freien Stuhl Platz und deklamierte: »Ein Kommandant hat seine Pflichten, ein Onkel sechs bis sieben Nichten.«
Roi Danton verzog das Gesicht und warf Rhodan einen hilfesuchenden Blick zu.
»Kann man ihm das Dichten nicht verbieten?«, fragte er. »So wird er nie in die Literaturgeschichte eingehen.«
»Wer sagt denn, dass ich das möchte?«, erkundigte sich Kosum sanft. »Ich dichte zu meinem eigenen Vergnügen und zur Erbauung anderer. Sie könnten aus meinen Versen lernen, Roi Danton.«
»Ich bin leider kein Onkel.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden.«
Atlan, der an Rhodans anderer Seite saß, unterbrach den Dialog: »Meine Herren, kommen wir zum Thema. Aus allem, was bisher geschehen ist, müssen wir einwandfrei schließen, dass die Lösung des Rätsels der Asporcos in jenem Metall zu suchen ist, aus dem sie ihre Kopfspangen herstellen. Fassen wir doch noch einmal zusammen, damit wir die wichtigsten Anhaltspunkte prägnant formulieren können. Perry, würdest du das bitte übernehmen?«
Perry Rhodan nickte zustimmend. Der Reihe nach sah er die Versammelten an, seine Freunde, die Mutanten und schließlich die zur Beratung hinzugezogenen Wissenschaftler der TIMOR.
»Die Vorgeschichte ist bekannt«, begann er schließlich und stützte einen Ellenbogen auf den Tisch. »Ein verschollenes Schiff kehrte zur Erde zurück, die Besatzung war verschwunden, aber ein Fremder hielt sich an Bord auf, ein menschenähnlicher Asporco, Angehöriger eines Volkes, das uns bislang völlig unbekannt geblieben ist. Statt, wie alle anderen Rassen der Milchstraße, ebenfalls von der Verdummungswelle des Schwarms erfasst worden zu sein, verzeichneten die Asporcos einen ungewöhnlichen Anstieg ihrer Intelligenz und schufen in wenigen Jahren Dinge, für die sie sonst Jahrhunderte benötigt hätten. Wir müssen annehmen, dass dieses einmalige Phänomen der Tatsache zu verdanken ist, dass jeder Asporco von Kind an eine Metallspange trägt, die aus einem unbekannten Material besteht.«
»Wir wissen aber nun auch«, fuhr Atlan fort, als Rhodan eine Pause machte, »dass diese Spange noch andere Wirkungen hervorruft. So mussten wir erfahren, dass die Träger der Spange in unregelmäßigen Zeitabständen von einer Art Wahn befallen werden, der sie zu den unsinnigsten Handlungen veranlasst. Es muss sich um eine Art Zwangssuggestion handeln, die fast in Irrsinn ausartet. Auf der anderen Seite eben die unverständliche Intelligenzsteigerung, während alle anderen Völker verdummten. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, dass der Cyno namens Nostradamus behauptete, nur ein geringfügiger Frequenzunterschied im Manipulationsbereich der Gravitationskonstante bewirke die Differenz zwischen Verdummung und Intelligenzsteigerung.«
Einer der Wissenschaftler bat ums Wort.
»Demnach ist klar, dass die Spangen beziehungsweise ihr Material genau das bewirkten, was der Schwarm ursprünglich beabsichtigte, nämlich eine Erhöhung bereits vorhandener Intelligenz. Das ist eine positive Eigenschaft, wenn auch vielleicht eine unbeabsichtigte. Immerhin stellt sich nun die Frage, warum die Asporcos diese Spangen tragen, wenn sie in normalen Zeiten nur Unannehmlichkeiten verursachen, wie die periodisch auftretenden Zwangsvorstellungen mit ihren Folgen.«
Rhodan nickte einem zweiten Wissenschaftler zu, der etwas sagen wollte.
»Es ist durchaus nicht sicher, dass diese Hypnoperioden auf dem Planeten Asporc nur für Spangenträger real werden. Wir haben es selbst bei unserer ersten kurzen Zwischenlandung erlebt, wurden also ebenfalls beeinflusst. Wenn Sie mich fragen, so gibt es dafür nur eine einzige Erklärung – immer vorausgesetzt, das unbekannte Spangenmaterial ist in der Tat die Ursache für den ganzen Zirkus.«
»Und welche Erklärung wäre das?«, fragte Rhodan gespannt, obwohl er die Antwort zu wissen glaubte.
»Es muss auf dem Planeten ungeheure Mengen dieses Materials geben und den Hypnoeinfluss direkt oder indirekt verursachen oder zumindest verstärken. Damit wäre auch erklärt, warum die Asporcos diese Spangen tragen, obwohl sie nur Ärger bringen.«
»Eine logisch klingende Vermutung«, gab Atlan zu. »Als Kosum mit der TIMOR in den Raum floh und wir genügend weit von Asporc entfernt waren, ließ der Einfluss der Hypnobestrahlung, oder wie immer wir es nennen wollen, sofort nach. Nur nicht bei Perry Rhodan, denn er trug ja Whisper. Erst als Whisper getötet wurde, war er wieder frei von dem geheimnisvollen Einfluss, der ihm bald zum Verderben geworden wäre.«
»Whispers Struktur muss mit dem unbekannten Material in engem Zusammenhang gestanden haben.« Rhodans Stimme verriet nur wenig von seiner Gemütsstimmung. Schließlich war ihm Whisper lange Zeit ein treuer und hilfreicher Freund gewesen. Nun musste er froh sein, dass Whisper tot war. »Auf alle unsere Fragen werden wir niemals eine Antwort finden, wenn wir uns nicht entschließen, das Geheimnis dieses merkwürdigen Metalls zu lüften. Unsere Überlegungen deuten darauf hin, dass es nur auf Asporc zu finden sein wird, sonst nirgendwo. Wir müssen also zurück nach Asporc, ob wir wollen oder nicht.«
»Der Kurs ist bereits programmiert, mit Linearpause auf halber Strecke«, sagte Mentro Kosum trocken. »So wie es besprochen war.«
Rhodan lächelte flüchtig.
»Diese Konferenz diente nur der Bestätigung, Kosum, Sie können beruhigt sein. Ich wollte nur meine eigene Meinung durch berufenen Mund bestätigt sehen. Das ist geschehen.«
Atlan fragte: »Wer oder was mag dahinterstecken? Das Material allein kann die verderbliche Hypnostrahlung niemals von sich aus allein verursachen. Es dient nur als Katalysator, als Verstärker meinetwegen. Jemand weiß das und nutzt den Effekt aus. Die zweite und fast noch wichtigere Frage lautet: Warum?«
»Vielleicht finden wir die Antwort – auf Asporc«, sagte Rhodan.
*
Die Vorgänge in der Kommandozentrale der TIMOR beim ersten Linearsprung interessierten den Mausbiber Gucky nicht im geringsten. Wenigstens musste sein Verhalten diesen Eindruck erwecken. Auf der anderen Seite war das nicht verwunderlich, denn für ihn gab es jetzt in der Zentrale auch nichts zu tun.
Nachdem er Ras Tschubai einen Besuch abgestattet hatte und feststellen musste, dass sein Mutantenkollege keine Lust zu einem Plauderstündchen verspürte, stand er unschlüssig auf dem Korridor und esperte die Gedankenimpulse der an Bord des Kreuzers befindlichen Personen. Manchmal hatte er dabei Glück und konnte sich, wie er selbst behauptete, köstlich amüsieren.
Das schien auch diesmal wieder der Fall zu sein, denn er begann vor sich hinzugrinsen, wobei seine telepathische Konzentration keineswegs nachließ. Ganz im Gegenteil, er konzentrierte sich außerdem noch auf einen kurzen Teleportersprung, denn der Weg hinab zum Hangardeck war ihm viel zu weit.
Als er rematerialisierte, erblickte er in einer Ecke des hellerleuchteten Raums den Superroboter Paladin IV, etwa vier Meter hoch und in seinem Äußeren die fast naturgetreue Nachbildung eines Haluters. Er wurde von sechs Siganesen gesteuert, dem so genannten Thunderbolt-Team. Ihr Chef war der ungefähr zwanzig Zentimeter große General Harl Dephin.
Der Größenverhältnisse wegen lebten die Siganesen fast ausschließlich in ihrem Roboter, der außer den Kontrollanlagen für Bewegung und Bewaffnung über bequem eingerichtete Aufenthaltsräume und reichhaltige Lebensmittelvorräte verfügte. Paladin war die vollkommenste Kampfmaschine, die man sich vorstellen konnte.
Gucky verstand sich gut mit den Siganesen, was vielleicht auch psychologische Hintergründe haben mochte. Der Mausbiber war einen Meter groß und wurde daher normalerweise von den Menschen als »klein« empfunden. Nun aber waren die Siganesen ebenfalls Menschen, wenn auch durchschnittlich nur zwanzig Zentimeter groß. Gucky war fünfmal so groß wie sie.
Er verbarg sich hinter einem Stützpfeiler und beobachtete die Siganesen, die ihre Freizeit auf ihre eigene Art verbrachten. Gucky hatte sie sogar schon einmal beim Kartenspielen erwischt; die Karten waren nicht größer als ein Fingernagel gewesen.
Heute schien Harl Dephin Wert darauf zu legen, dass seine Leute – und natürlich auch er selbst – Bewegung erhielten, um sich fit zu halten. Wenn es auch im Paladin genügend Platz gab, so waren die kleinen Siganesen in ihrer Bewegungsfreiheit doch relativ eingeschränkt.
Sie sprachen mit schrillen, piepsigen Stimmen, wenn sie erregt waren. Und das schienen sie jetzt zu sein. Gucky beugte sich vorsichtig vor, denn er konnte nicht alles verstehen, was Harl Dephin rief. Dafür sah er wenigstens, was sie machten. Er verhielt sich absolut still, damit sie ihn nicht frühzeitig entdeckten.
Die Siganesen hatten aus den benachbarten Lagerräumen einige Dinge herbeigeholt, die Gucky auf den ersten Blick nicht erkannte. Seiner Meinung nach handelte es sich um technische Ersatzteile für die Hangareinrichtung, einige kleinere Verstrebungsleisten und ähnliche Gegenstände. Geschickt hatten die Mitglieder des Thunderbolt-Teams alle diese Dinge auf der freien Fläche vor dem ruhenden Roboter derart angeordnet, dass eine regelrechte Hindernisbahn gebildet wurde. Eine der Verstrebungen lag quer und erinnerte an eine Sperrmauer, wenn man die geringe Größe der Siganesen in Betracht zog. Kleine Kästchen mit Ersatzteilen wurden zu Hürden, und sechs längliche Dosen, ebenfalls quer zur Bahn gelegt, dienten wohl dem ganz besonderen Schlussgag der sportlichen Veranstaltung.
Gucky hielt die Luft an, als er endlich begriff, dass die Siganesen ein Hindernisrennen durch den Hangar planten. Sie veranstalteten ein Sportfest unter sich, an dem sich auch ihr Kommandant mit allem Eifer beteiligte. Harl Dephin gab auch das Startkommando.
Er tat es so laut und mit so heller Stimme, dass sich Gucky erschrocken die Ohren zuhielt. Aber dann sah er fasziniert, wie die kleinen Kerle in ihrer grünen Miniaturuniform lossprinteten und die ersten Hindernisse nahmen.
Dart Hulos war der erste, der an einer Schachtel scheiterte und auf die Nase fiel. Er rappelte sich zwar wieder auf, aber der Vorsprung der anderen war viel zu groß geworden, als dass er sich noch eine Chance hätte ausrechnen können. Aber er gab nicht auf, wie sich das für einen Siganesen gehörte. Schnaufend erreichte er die quergestellte Strebe, die fast einen halben Meter hoch war.
Und damit hatte er die anderen wieder eingeholt, die ihre sportlichen Fähigkeiten wohl ein wenig überschätzt hatten. Strampelnd hingen sie an der riesighohen Wand und versuchten, sie zu übersteigen.
Drof Retekin war am linken äußersten Ende der Strebe, wie es seiner Bahn entsprach. Gucky konnte ihn ausgezeichnet beobachten und las auch seine Gedanken. Der kleine Kerl hatte finstere Pläne, soweit es die sportliche Fairness anbetraf. Er wollte seine Kameraden mit allen Mitteln besiegen, und seine Außenbahn gab ihm jetzt die Gelegenheit dazu.
Als er sich davon überzeugt hatte, dass die fünf anderen Siganesen vollauf damit beschäftigt waren, ihre letzten Kraftreserven der Mauer zu opfern, wartete er den günstigsten Augenblick ab, um blitzschnell um die Kante der Strebe zu huschen und so zu tun, als fiele er gerade von ihrer oberen Schmalfläche herab.
Gucky schüttelte tadelnd den Kopf.
»Sie hätten mich als Schiedsrichter nehmen sollen«, murmelte er. »Aber ich kann vielleicht auch so eingreifen, ohne dass sie etwas bemerken, und Drof wird schon den Mund halten, in seinem eigenen Interesse ...«
Telekinetisch packte er zu.
Drof Retekin, der bereits wieder vorpreschte, dem nächsten Hindernis entgegen, fühlte sich plötzlich von einer unsichtbaren Macht ergriffen und festgehalten. Verzweifelt ruderte er mit den Beinen in der Luft; seine Füße fanden keinen Boden mehr. Dann kehrte er gegen seinen Willen zum Ausgangspunkt vor der Strebe zurück und musste wütend zusehen, wie seine fünf Kameraden gerade über der Oberkante verschwanden.
»Wo bleibst du denn, Drof?«, rief Dart Hulos, der nun die anderen wieder eingeholt hatte und gut im Rennen lag. »Schaffst du es nicht?«
»Höhere Mächte haben es verhindert«, rief Retekin zurück und machte sich daran, die Strebe langsam und zielbewusst zu ersteigen, so als handele es sich um eine Zeitlupenaufnahme mit normaler Kamera.