Nr. 307

 

Die Macht der Gläsernen

 

Sie sind König Dantons Männer – und sie überlisten die Todesboten von Magellan

 

von K. H. SCHEER

 

 

Auf der Erde schreibt man Ende Oktober des Jahres 2435. Es ist somit rund 47 Jahre her, seit die Hypnokristalle von Magellan überraschend in Quinto-Center auftauchten und die USO-Zentrale zu übernehmen drohten.

Der Anschlag gegen die Sicherheit des Solaren Imperiums konnte damals relativ leicht abgewehrt werden, und nur wenige Menschen auf Terra erfuhren überhaupt etwas von der Bedrohung aus dem All.

Jetzt aber stehen den Kristallagenten die Machtmittel OLD MANs zur Verfügung, eines riesenhaften robotischen Gebildes, das mit Tausenden von Ultraschlachtschiffen terranischer Bauart bestückt ist.

Ein Großangriff auf die Galaxis scheint unmittelbar bevorzustehen, und die Solare Flotte ist zu schwach, um alle terranischen Welten wirksam zu schützen. – Dies zeigt sich ganz klar in dem Augenblick, als OLD MAN in Jellicos System erscheint und Hypnokristalle ausschleust, die die Menschen des Planeten New Luna unterjochen.

Fast gleichzeitig bildet sich im Weltraum ein neuer Gefahrenherd heraus: Das mit einem wichtigen Überwachungsauftrag betraute Solare Schlachtschiff OMASO meldet sich nicht mehr, nachdem die Psychofalle zuschnappt.

Doch die Männer der OMASO dürfen nicht in der Gewalt des unheimlichen Gegners bleiben. Freihändlerkönig Danton greift ein, um DIE MACHT DER GLÄSERNEN zu brechen ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Lordadmiral der USO.

Roi Danton – König der kosmischen Freihändler.

Oro Masut – Diener und Leibwächter »König« Dantons.

Melbar Kasom – General und Spezialist der USO.

Pen Tunither, Gilbert Hestinger und Hain Mungu – Drei Unbeeinflußbare von der OMASO.

Rasto Hims und Tusin Randta – Zwei »Edelleute« der FRANCIS DRAKE.

1.

 

Erdgeborene Menschen, gemeinhin Terraner genannt, sagten ihren nicht weniger menschlichen, jedoch nicht auf Terra geborenen Artvertretern nach, sie seien in ihrer Moralauffassung zu freizügig und als raumfahrendes Personal im Dienst »fragwürdig diszipliniert«.

Der Begriff »fragwürdig diszipliniert« war bereits Anlaß zu vielen Diskussionen gewesen.

Experten behaupteten, er sei intersprachlich falsch.

Man hätte »den Nagel auf den Kopf getroffen«, stellten jene Terraner fest, die ihn einmal geprägt hatten.

Feststand, daß er nicht mehr aus der Welt zu schaffen war. Damit war aber noch immer nicht geklärt worden, ob die Disziplin der nicht auf Terra geborenen Raumschiffsbesatzungen tatsächlich schlechter war als die der Terraner.

An diesem 20. Oktober des Jahres 2435 nach Christus sah es jedoch ganz danach aus, als hätten die Terrageborenen recht.

Ein Funksergeant der Solaren Flotte hätte es beispielsweise niemals gewagt, ohne besonderen Befehl einen Allroundfunkspruch abzusetzen; besonders dann nicht, wenn der private Charakter eines solchen Spruches unter keinen Umständen zu leugnen war.

Ein terranischer Funksergeant hätte sich bestenfalls dazu hinreißen lassen, einen Beschwerdebrief unter Umgehung des vorschriftsmäßigen Dienstweges direkt an seinen Kommandanten weiterzuleiten. Auf die Idee, die Riesensender eines Großkampfschiffes für private Mitteilungen zu benutzen, wäre er nie gekommen.

Noris Menehl, Funksergeant auf dem USO-Flaggschiff IMPERATOR III, war kein Terraner. Er hatte auf Mukal IV das Licht der Sonne erblickt und von seinem Vater, einem Großwildjäger, achtzehn Jahre lang gehört, die persönliche Freiheit eines Mannes sei höher zu bewerten als alle anderen Dinge im weiten Universum.

Diese Weltanschauung, obwohl prinzipiell richtig, hatte Noris Menehl während seiner Ausbildung auf der USO-Akademie etwas korrigieren müssen.

Man hatte seine persönliche Freiheit selbstverständlich nie angetastet, dafür aber von ihm Dinge verlangt, die im militärischen Dienstbetrieb der Flotte nicht ausbleiben konnten. Zu diesen Dingen, die Menehl bereits als rechteschmälernd einstufte, gehörte auch das Absitzen einer gewissen Zeitspanne im großen Funkraum der IMPERATOR.

Mehr als ein Absitzen war es nicht. Die IMPERATOR III stand als Führungsschiff eines starken Flottenverbandes im geheimen Aufmarsch- und Ausfallsektor Morgenrot an den südlichen Grenzen der Milchstraße. Befehlshaber war der Chef der USO, Lordadmiral Atlan.

Dem zehntausendjährigen Arkoniden fiel in diesen Tagen keine andere Aufgabe zu, als zu warten. Niemand wußte genau, was das plötzliche Auftauchen des Riesenroboters OLD MAN zu bedeuten hatte. Man hatte lediglich erfahren, daß er in seiner Eigenschaft als Trägereinheit etwa fünfzehntausend Großkampfschiffe der neuen Galaxisklasse beförderte und sie gegen das Solare Imperium einsetzte.

Im Ausfallgebiet Morgenrot, von dem aus sowohl die gefährliche Eastside der Galaxis mit den dort kämpfenden Bluesverbänden, als auch die beiden Magellanschen Wolken schnell erreicht werden konnten, herrschte Ruhe.

OLD MAN war verschwunden. Die gigantische Halbkugel mit ihren an der flachen Unterseite angeflanschten Trägerplattformen umkreiste zur Zeit das weitentfernte System von Jellicos Stern. Dort befand sich auch Perry Rhodan, der Großadministrator des Solaren Imperiums. Seine Mission auf New Luna, dem einzigen besiedelten Planeten des erst vor wenigen Jahren entdeckten Systems, war in jeder Phase ein Mißerfolg gewesen.

OLD MAN, der erwiesenermaßen nicht nur von einer Hochleistungspositronik, sondern auch von lebenden Wesen gesteuert wurde, stand unter der Herrschaft der Kristallagenten, deren hypnosuggestive Ausstrahlung bereits die fünfzigtausend Siedler New Lunas versklavt hatte.

An und für sich bestand im derzeitigen Stadium der Solaren Strategie kein zwingender Grund mehr, den Sektor Morgenrot zu halten und mehrere tausend moderne Raumschiffe dort zu belassen.

Atlan hatte dennoch darauf bestanden, das mit Stützpunkten aller Art ausgestattete Raumgebiet nicht »zu entschärfen«. Er schien dafür besondere Gründe zu haben.

Sergeant Menehl interessierte sich für die undurchsichtigen Pläne seines höchsten Chefs nur am Rande. Seine mühevoll bewahrte Disziplin brach völlig zusammen, als er einen Rafferfunkspruch im persönlichen und daher streng geheimen Privatkode des Lordadmirals empfing.

Innerhalb der USO gab es nur wenige Männer, die diesen Kode kannten. Im Solaren Imperium war er lediglich Perry Rhodan, dem Abwehrchef Mercant und Reginald Bull bekannt.

Noris Menehl konnte sich daher beim Aufleuchten der Signallampe ausrechnen, daß ein sehr bedeutender Mann aus den Reihen der USO oder des terranischen Sternenreiches den Wunsch hegte, dem Lordadmiral etwas mitzuteilen.

Menehl schaute auf die Uhr und verglich sie mit der Zeitangabe des automatischen Aufzeichners. Es war 18:36 Uhr Standard.

Der Entraffer arbeitete bereits. Der Rafferspruch, obwohl noch lange nicht dechiffriert, wurde erst einmal auf normale Wortlänge gebracht.

Menehl beobachtete den aus der Maschine gleitenden Impulsstreifen, auf dem nur zwei Klarsymbole darauf hinwiesen, für wen die Nachricht bestimmt war.

»Ho ...!« brummelte Menehl vor sich hin und drehte den Sessel um. Außer ihm waren nur noch sieben Mann in der großen Zentrale. Die nebenan liegende Ortung war ebenfalls beschäftigungslos. Die vielen grünen Punkte auf den Schirmen der überlichtschnellen Echotaster veränderten kaum ihre Position. Es waren die Einheiten der Morgenrotflotte.

Menehl erhob sich, nahm den Streifen und schritt hinüber zum Gedächtnisspeicher des positronischen Dechiffrierers. Ein am Programmierungspult stationierter Mann pfiff bedeutungsvoll durch die Zähne, als Menehl seinen Spezialausweis aus der Brusttasche zog und ihn gegen die Impuls-Abnahmeplatte drückte.

»Sie werden als diensthabender Funkunteroffizier anerkannt«, plärrte die Automatenstimme nach einigen Augenblicken. »Ihre Anforderung, bitte.«

»Kodeschlüssel USO-pr-I ATLAN, Chefsache«, sagte Menehl in die Mikrophonaufnahme.

Der Automat bestätigte. Als der Dechiffrierungsstreifen mit dem Kodeschlüssel aus dem Schlitz glitt und die beiden in der Zentrale stationierten Kampfroboter durch einen Funkbefehl der Erkennungsautomatik in Bewegung gerieten, pfiff der Korporal am Programmierungspult noch lauter.

Plötzlich kam unter den Männern Spannung auf.

»Für den großen Alten der Galaxis persönlich?« rief der Korporal herüber.

»Höchstpersönlich. Halte jetzt den Mund, Isko. Vati muß nachdenken.«

Sergeant Menehl wurde von den beiden Robotern flankiert. Es war nicht ratsam, ihm den Weg zu verlegen, oder gar nach dem Dechiffrierungsschlüssel zu greifen. Auf den Großkampfschiffen der USO waren besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden.

Mißmutig die stampfenden Stahlgiganten von der Seite betrachtend, ging Menehl zum großen Entschlüssler hinüber, drückte den Streifen in die Aufnahme und nickte dem Programmierer zu.

»Zeige uns deine Künste. Eins-pr-Chef, Klartext ohne Direktüberspielung. Alarm abschalten. Ich will erst sehen, wer sich erdreistet, den zur Zeit Ruhenden zu stören.«

Die Roboter zogen sich zurück. Der Klartext interessierte sie nicht mehr. Ihnen ging es nur um den Kode, und der war nun in der Maschine verschwunden.

Zwei Minuten später lag die Auswertung vor. Der Klartext erschien auf einem Amprexstreifen mit vorbereiteter Tonwiedergabe.

Menehl riß ihn ab, las und begann unvermittelt zu grinsen. Er las nochmals, und das genügte, ihm ein unterdrücktes Lachen zu entlocken.

»Anscheinend geht es doch nicht um die Existenz der Menschheit«, meinte der Korporal. »Darf man als dreifach vereidigtes Mitglied der USO-Funkgarde erfahren, wer etwas zu berichten hat?«

Menehl wurde plötzlich sehr lebhaft. Er rannte zum großen Schaltpult des Hypersenders hinüber, nahm auf dem Sessel des nicht anwesenden Chefoffiziers Platz und ließ seine Finger über Tasten und Knöpfe huschen.

Tief unten im Leib des zweieinhalbtausend Meter durchmessenden Schiffsgiganten wurde ein Leistungsmeiler des für die Versorgung des Senders vorgesehenen Atomkraftwerks hochgefahren.

Die Richtstrahler auf der oberen Polkuppel rührten sich nicht, doch dafür wurde die große Rundstrahlantenne entfaltet.

Niemand unterbrach Menehls Tätigkeit. Kichernd zog er nach erfolgter Justierung das Mikrophon vor die Lippen und begann zu sprechen. Er wußte, daß alle anderen Schiffsstationen ebenso wie die der IMPERATOR ständig auf Empfang standen. Die Senderleistung war gerade groß genug, um den Rundruf für alle anderen Einheiten der Morgenrotflotte hörbar zu machen.

»IMPERATOR III, Sergeant Menehl an alle Interessenten«, gab der Mukaler durch. Schon der Anruf war ausgesprochen vorschriftswidrig. Das reichte aus, um etwa dreitausend Hyperfunker aufhorchen zu lassen.

»Ich halte es im Interesse aller Einsamen und Wartenden für erforderlich, mitzuteilen, daß sich soeben der König der galaktischen Freihändler, Roi Danton, gnädigst herabgelassen hat, die IMPERATOR über Chefkode anzurufen. Woher ihn der Gauner kennt, sollte mich niemand fragen. Ich weiß es auch nicht. Wir dürfen diese Tatsache als weiteres Rätsel zu den vielen anderen Rätseln hinzufügen, die Seine Majestät bereits umgeben.«

Menehl machte eine Pause. Das plötzlich aufbrandende Gelächter bestärkte ihn in seiner Auffassung, mit dem unerlaubten Rundspruch ein gutes Werk getan zu haben.

Er fuhr fort:

»Beruhigt euch, Freunde – er kommt wirklich. Die – äh! – dienstliche Dringlichkeit dieser Durchsage resultiert aus meiner Kampferfahrung und dem blitzschnellen Erfassen einer Situation, die unter Umständen zur Vernichtung eines nicht ordnungsgemäß angemeldeten Raumschiffes führen könnte.«

Die Lautsprecher über Menehl dröhnten. Der Funkoffizier eines USO-Schlachtschiffes meldete sich.

»Ihr Kommandant wird Ihnen bestimmt einige sehr freundliche Worte sagen, Sergeant. Wer hat Sie mit dem Rundruf beauftragt?«

Menehl hüstelte. Die grinsenden Gesichter seiner Untergebenen übersah er.

»Mein Gewissen, Sir. Roi Danton kann jede Sekunde aus dem Linearraum kommen. Es wäre vielleicht zu spät gewesen, wenn ich erst den Kommandanten oder gar den Chef angerufen hätte. Ein guter Soldat soll Komplikationen möglichst ...«

»Hören Sie nur auf mit Ihren durchsichtigen Argumenten«, unterbrach ihn der Offizier. »Schalten Sie ab, Mann. Wir wissen Bescheid.«

Menehl schaltete tatsächlich ab. Dann drückte er auf den Rufknopf zum Zentraleoffizier und gab ihm den Wortlaut durch. Der Diensthabende informierte den Kommandanten. Nur eine Minute später summte in Atlans Kabine der Verbindungsschirm.

Der Lordadmiral lag wach auf dem ungewöhnlich harten Polster seines Bettes. Er hatte die Arme hinter dem Nacken verschränkt und dachte über Dinge nach, die ihm aufgefallen waren.

Atlan drehte den Kopf, sah zu dem Wandschirm hinüber und überlegte sich, ob er den Ruf annehmen sollte. Schließlich betätigte er doch die Fernbedienung an der Kopfleiste seines Bettes. Das Gesicht des Flaggschiffkommandanten, Gys Reyht, wurde erkennbar.

Oberst Reyht gehörte zu den ganz wenigen Epsalern, denen es in mühevoller Arbeit gelungen war, die Andeutung eines Vollbartes zu züchten. Ebenso breit wie hoch gebaut, stand er in der Zentrale vor der Aufnahme und wartete auf das Empfangssignal.

»Oh, Mr. Reyht, wie schön, Sie schon wieder zu sehen«, vernahm er Atlans Stimme. »Welche drohende Gefahr veranlaßt Sie, mich zu stören?«

»Ein galaktischer Stutzer namens Roi Danton«, antwortete der Epsaler kurz und bündig. »Er kündigt mit Ihrem privaten Kode seine baldige Ankunft an. Ich – Verzeihung, die Ortung meldet sich. Dantons FRANCIS DRAKE ist mitten im 14. Offensiv-Verband erschienen. Frechheit, Sir!«

Atlan wurde plötzlich sehr munter. Er richtete sich auf.

»Sie sagen es überdeutlich, Mr. Reyht. Da dieser seltsame Mensch aber nur aus Frechheiten zu bestehen scheint, sollte man ihm verzeihen. Lassen Sie einen Rundruf durchgeben. Das Freibeuter-, ich meine das Freihändlerschiff darf passieren.«

»Schon erledigt, Sir. Unerlaubt allerdings. Unser diensthabender Funksergeant hat sofort nach Eingang des Spruches geschaltet. Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben dürfte ...!«

Atlan wirkte interessiert.

»Verzeihen Sie ihm die Eigenmächtigkeit. Ein tüchtiger Mann, dieser Sergeant. Ja. Bitte – was wollten Sie bemerken?«

»Die Männer aller Einheiten versprechen sich eine Zirkusvorstellung erster Güte. In der Zentrale der IMPERATOR bemerke ich lauter feixende Gesichter.«

»Ja und!«

»Man sollte die Kommandanten anweisen, gefälligst auf ihren Wartepositionen zu bleiben. Wenigstens tausend Schiffe nehmen Fahrt auf und folgen dem Freibeuter.«

»Freihändler!«

Oberst Gys Reyht gab es auf. Er kannte Atlans unverständliche Sympathie für diesen Kerl, dem es beliebte, in der Tracht des endenden 18. Jahrhunderts aufzutreten und mit dem Gebaren eines weibischen Höflings sämtliche Intelligenzen der Galaxis zu verulken.

Die wenig zartbesaiteten Männer der Flotte hatten dafür andere Ausdrücke gefunden; aber das änderte nichts daran, daß sie in Roi Danton eine phantastische Figur sahen, deren Auftritt man unter keinen Umständen versäumen durfte.

»Die FRANCIS DRAKE beginnt mit dem Bremsmanöver«, meldete die Ortung der IMPERATOR III. »Exakt, Sir. Sauberes Anflugmanöver, genau berechnet.«

»Hatten Sie etwas anderes erwartet?« gab Atlan durch. »Man sollte meinen, Sie hätten Rois neunhundert Mann auf Rubin kennengelernt. Zu Ihrer Information, Mr. Reyht – ich habe den König der Freihändler erwartet. Den Kode erhielt er von mir. Wenn er anruft, legen Sie in meine Kabine um. Ende.«

Atlan schaltete ab. In der Verbindungstür zum geräumigen Wohnraum war Melbar Kasom, der zweieinhalb Meter große und nicht weniger breite Ertruser erschienen.

Kasom war nach ertrusischen Begriffen noch immer ein junger Mann, dessen sandfarbener Haarkamm stachelig und sorgfältig gepflegt aus der sonst kahlen Schädelhaut hervorwuchs.

Schweigend, breitbeinig, die mächtigen Arme über der Brust verschränkt, stand er in dem Raum, dessen Decke er fast mit dem Sichelkamm berührte.

Atlan stand auf und reckte sich. Er hatte in voller Uniformkombi auf dem Bett gelegen.

Atlan warf dem Giganten einen prüfenden Blick zu.

»Nun, alter Kampfgefährte – warum zieht man ein Gesicht wie ein naßgewordener Sandwühler? Hatte man Ärger? Macht der Küchenchef Schwierigkeiten?«

Kasom runzelte nur die Stirn. Die Bemerkung berührte ihn ausnahmsweise nicht, denn er kam soeben aus dem Speiseraum zurück. Fünf terranische Puten und zehn Pfund Trockengemüse hatten seinetwegen aus den Vorratslagern geholt werden müssen.

»Man hat keine Schwierigkeiten«, grollte die Stimme des Riesen. »Man hat soeben einen bescheidenen Imbiß zu sich genommen.«

»Aha! Es freut mich zu hören, daß man Sie nicht zwingt, Menschen anzufallen.«

Kasom grinste plötzlich. Er trug die Rangabzeichen eines Generals der USO, darüber jedoch das wesentlich wichtigere Symbol eines Spezialisten. Für Kasom zählte es mehr als die goldenen Kometen.

Er gab seine Haltung auf und stampfte durch die Kabine. Atlan ordnete sein langes Haar und griff nach dem breiten Kombigürtel mit der Waffentasche.

»Was will der Gauner?« erkundigte sich Kasom. »Er muß doch einen Grund haben, die Kampfzone in Jellicos-System zu verlassen und an einem Ort aufzutauchen, wo nichts los ist.«

»Stimmt. Hier ist aber etwas zu holen. Sie vergessen, daß sich der tatsächliche Befehlshaber über etwa siebentausend Freihändlerschiffe von zumeist beachtlicher Größe, Bewaffnung und Ausrüstung von uns geneppt fühlt.«

Melbar lachte dröhnend. Atlan hielt sich die Ohren zu.

»Geneppt? Ausgerechnet Roi Danton, dessen Lebensaufgabe darin besteht, andere Leute übers Ohr zu hauen?«

Atlan blickte sinnend in den Spiegel. Kasom war, als schaute der Admiral hindurch.

»Ich glaube, Sie irren sich. Dieser junge Mann, den ich, weiß der Teufel woher, kenne, spielt ein kompliziertes Spiel. Sein Auftreten ist eine Maske. Ich frage mich, was er zu verbergen hat und vor wem er sich verbergen will.«

»Vor seinem eigenen Ich«, schlug Kasom spöttisch als Lösung vor.

Atlan drehte sich um.

»Sie haben unter Umständen ein wahres Wort gesprochen. Wir gehen an Bord der FRANCIS DRAKE. Bei meinem ersten Besuch kam ich leider nicht dazu, mich persönlich umzusehen. Feststeht, daß uns Danton mit seinem seltsamen Schiff aus der Feuerzone des Riesenroboters OLD MAN herausgeflogen hat. Sonst säßen wir heute noch auf Rubin. Machen Sie sich fertig. Normale Borduniform. Paradekleidung ist überflüssig.«

Kasom runzelte erneut die Stirn. Er wunderte sich über die eigentümliche Einstellung seines Chefs. Etwas wie Unruhe erfüllte ihn, als er sagte:

»Sir, ich habe zwar über den Burschen Tränen gelacht und werde auch wahrscheinlich erneut Tränen lachen; aber das bedeutet nicht, daß ich seine Maßnahmen grundsätzlich billige. Er hat Transformkanonen an Bord!«

organische Einheiten