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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2207

 

Der letzte Gesang

 

In der Residenz von Pardahn – die Freiheit der Motana ist bedroht

 

Frank Borsch

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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In der Milchstraße entwickelt sich im September 1331 Neuer Galaktischer Zeit eine kritische Situation: Hyperstürme machen die interstellare Raumfahrt zu einer höchst riskanten Angelegenheit, und in verschiedenen Sektoren der Galaxis bilden sich fürchterliche Sternenbeben aus.

Als in direkter Nähe des Hayok-Sternenarchipels ein ganzer Kugelsternhaufen buchstäblich aus dem Nichts erscheint, ahnen Perry Rhodan und seine Freunde in der Liga Freier Terraner, dass dies alles nur der Anfang für ein größeres Geschehen ist. Gemeinsam mit Lotho Keraete, dem Boten der Superintelligenz ES, brechen Perry Rhodan und Atlan in den Sternenozean von Jamondi auf.

Doch ihr Flug scheitert, und die drei Männer landen auf Baikhal Cain. Die Rettung des »stählernen« Keraete gelingt nicht. Rhodan und Atlan müssen sich allein durchschlagen: durch die Eiswüste des Nordens und über den Ozean.

Nach ihrer Flucht aus den Minen des Heiligen Berges finden sie bei den menschenähnlichen Motana eine neue Heimat. Doch dort erwartet sie DER LETZTE GESANG ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner wird in der Residenz von Pardahn auf die Probe gestellt.

Atlan – Der Arkonide kämpft für die Motana.

Zephyda – Die Wegweiserin knüpft zarte Bande.

Lesyde – Die junge Motana gilt als »Krummkehlchen«.

Raphid-Kybb-Karter – Der neue Gouverneur von Baikhal Cain bekommt spezielle Vorgaben.

1.

11. November 1331 NGZ

 

Holz klapperte auf Holz.

Aus dem dichten Wald, der die Residenz von Pardahn verbarg, drang das Schlagen von Stöcken. Rasch schwoll es an, als sich immer neue Stöcke dem Rhythmus anschlossen.

Perry Rhodan blickte fragend sein Gegenüber im Spiegel an. Die linke Seite seines Gesichts war bereits rasiert. Die entblößte Haut leuchtete ihm bleich entgegen, in auffälligem Kontrast zum beinahe verbrannten Braun seiner Nase und Stirn. Ein kräftiger Bart bedeckte die rechte Seite, gewachsen in den Wochen, die seit seiner und Atlans Bruchlandung auf Baikhal Cain verstrichen waren.

Dem Terraner war es erst an diesem Morgen gelungen, von den Motana die Utensilien für eine Rasur zu erhalten. Nicht, dass das Waldvolk sie ihm verweigert hätte – es hatte sich bislang als außerordentlich großzügig erwiesen –, nein, die Motana hatten nicht gewusst, was ihr Gast begehrte. Ihren Männern wuchs nur ein leichter Flaum, den sie mit pinzettenähnlichen Werkzeugen zupften.

Das Schlagen wurde schneller, fordernder. Aufgeregtes Singen drang durch die aus Pflanzenfasern geflochtenen Wände und Decken. Das Nest begann zu vibrieren und zu schaukeln, als seine Bewohner zu ihren bei einem Alarm vorgesehenen Positionen hasteten.

Was war geschehen? Drohten die Kybb-Cranar nach jahrzehntelanger Suche die Residenz von Pardahn aufzuspüren und ihre Bewohner zu versklaven? Unwahrscheinlich.

Und Rorkhete? War der massige Fremde auf seinem Hovertrike zurückgekehrt? Nur wenig wahrscheinlicher. Der Nomade hatte Atlan und Rhodan erst am Vortag geprüft und als für seine Zwecke ungeeignet befunden. Welchen Grund sollte er haben, so rasch wieder die Residenz aufzusuchen? Hinter dem Alarm musste etwas anderes stecken.

Rhodan legte die von Hand gehämmerte Klinge, die er als provisorisches Rasiermesser benutzte, beiseite, wischte mit einem Tuch über sein Kinn und stürzte aus seinem Quartier.

Überall rannten Motana hin und her, nicht in Panik, sondern konzentriert und zielgerichtet. Selbst die Kinder, die sonst in nicht zu bändigenden Haufen taten, was ihnen gerade in den Sinn kam, beugten sich widerspruchslos der Disziplin.

Niemand beachtete Perry Rhodan.

Der Terraner sah sich um. Wo steckte Atlan? Hatte er das Nest bereits ...?

Rhodans Blick fiel auf den Vorhang, der in der Tür zum Quartier des Arkoniden hing. Er war zugezogen – der einzige in dem Rund, das sich um den kommunalen Platz des Nests zog.

»Atlan!« Rhodan zog den Vorhang zur Seite. »Atlan, komm schon! Es ist Alarm!«

Rhodan schaute suchend hinein. Halbdunkel herrschte im Zimmer des Arkoniden. Rhodan sah einen Umriss auf dem Bett. Schlief Atlan noch? Nein, der Umriss war zu groß, zu unförmig für den schlanken Arkoniden.

Rhodan blieb in der Türfüllung stehen. Der Rhythmus der Stöcke übte jetzt beinahe einen hypnotischen Zwang auf ihn aus. Es kostete ihn Kraft, zu verharren, nicht hinauszurennen und sich den Motana anzuschließen.

Der Umriss auf dem Bett rührte sich, teilte sich in zwei. Den weißhaarigen Arkoniden und ... Eine rote Löwenmähne kam zum Vorschein. Licht spiegelte sich in einem metallenen Stirnreif. Zwei große grüne Katzenaugen richteten sich auf Rhodan. Verträumt, als hätten sie eine andere, sorglosere Welt gesehen und müssten sich erst wieder an diese gewöhnen.

»Zephyda!« Rhodan gelang es, seine nächsten Worte hinunterzuschlucken. Was tust du hier?, hatte er rufen wollen. Die denkbar dümmste Frage.

Atlan und die Wegweiserin hatten sich vom ersten Moment an zueinander hingezogen gefühlt. Es gab keinen Grund, warum sie ihren Gefühlen nicht nachgeben sollten. Außer ... Rhodan schob den Gedanken beiseite. Später. Jetzt war nicht der richtige Moment.

»Der Alarm!«, rief der Terraner. »Was hat er zu bedeuten?«

Die Katzenaugen der Motana verengten sich, weiteten sich dann schlagartig. Der träumerische Ausdruck war verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Die Wegweiserin löste sich von Atlan und suchte ihren Lederanzug zusammen.

»Nein.« Ihre Antwort wurde von der Lederbluse gedämpft, die sie sich überzog. Es war eine rasche Bewegung, durchgeführt mit derselben instinktiven Präzision, mit der die Wegweiserin ihren Bogen spannte oder ihr Reittier lenkte, und ungetrübt von Scham. Atlan tat es ihr gleich, benötigte aber erheblich länger, die immer noch ungewohnte Kleidung der Motana anzulegen.

Sie ließen Atlans Quartier hinter sich. Zephyda setzte sich wortlos an die Spitze und führte sie durch das Nest. Trotz seines Durchmessers von nur ungefähr dreißig Metern stellte es die beiden Männer immer noch vor Probleme, sich ohne Hilfe im Gewirr seiner Gänge und Räume zurechtzufinden.

Rhodan registrierte jetzt weit weniger Motana als bei Beginn des Alarms. Die verbliebenen Bewohner des Nests trugen sperrige Bündel durch die Gänge oder waren damit beschäftigt, Mobiliar und Gegenstände mit Seilen festzuzurren, beinahe so, als befänden sie sich auf einem Schiff, das einem Sturm entgegensah. Die Motana arbeiteten im Takt, den die Schläge des Alarms vorgaben. Rhodan mutete es an, als verfolge er eine Aufführung, nüchtern und funktional, bar jeder Anmut und bis ins Letzte geplant.

Rhodan hatte erwartet, dass Zephyda sie aus dem Nest hinaus zum Rand der Residenz führen würde, der unbekannten Gefahr entgegen, doch die Motana machte an der Peripherie des Nests Halt. Sie öffnete eine Luke, wuchtete eine runde, mit Holz verstärkte, geflochtene Matte nach draußen. Das Stück ausgehöhltes Holz in ihrer Mitte passte genau auf einen Sporn, der aus dem Nest hervortrat. Die Plattform glitt über den Sporn. Zephyda sprang auf die Plattform und bedeutete Rhodan und Atlan, ihr zu folgen. Sie bot gerade genug Platz, dass die drei sich Rücken an Rücken auf ihr, die Beine in der Luft baumelnd, niederlassen konnten. Wie bei den Motana üblich, verfügte die Plattform über kein Geländer.

»Hier!«, Zephyda hielt ihm und Atlan Seile entgegen. »Es ist besser, ihr bindet euch damit fest. Euer Gleichgewichtssinn ...«

Rhodan schlang das aus Pflanzenfasern gedrehte Seil um seinen Bauch, führte es um eine Strebe der geflochtenen Matte herum und verknotete es, so fest er konnte.

Dann warteten sie.

Rhodan bekam immer nur einen Ausschnitt des Geschehens mit. Die Plattform drehte sich um die eigene Achse, angetrieben von Zephyda, die sich immer wieder von der Außenschale des Nests abstieß.

»Wozu dient diese Konstruktion?«, fragte Atlan. »Ich habe sie noch nie bemerkt.«

»Das konntest du auch nicht, die Plattformen werden nur bei Bedarf angebracht«, sagte Zephyda. »Sie sind für Schützen gedacht. Zwei liegen nebeneinander auf dem Bauch, blicken in die entgegengesetzte Richtung. Durch die drehbare Lagerung kann immer einer der beiden schießen, während der andere nachlädt.«

Rhodan wollte eine weitere Frage stellen, nämlich, wieso er nirgends auf den Plattformen um sie herum Motana mit Bogen oder Gewehren sah, sondern nur solche, die auf den Plattformen kauerten, Seilbündel neben sich, aber er verkniff sich die Frage. Die unregelmäßigen Drehungen ließen Übelkeit in ihm aufsteigen, das Schlagen der Stöcke forderte ihn auf, zu handeln, etwas zu tun, während das Sicherungsseil ihn an die Plattform fesselte. Schweiß perlte auf seiner Stirn, rann ihm in die Augen und brannte. Immer wieder musste er sie schließen, um dem Schmerz wenigstens die schlimmste Spitze zu nehmen.

»Da sind sie!«

Rhodan riss die Lider auf. Der Terraner versuchte, in die Richtung zu sehen, in die Zephydas ausgestreckter Arm deutete. Der Wald war in Bewegung gekommen, als hätte ihn jemand von unten gepackt und schüttle ihn durch. Die Kronen der Bäume wankten, Äste schlugen auf und ab. Das Klappern der Stöcke verstummte. Rhodan hörte die erschreckten Schreie einiger Vögel, die sich rasch entfernten. Ein Baum – kein Riese wie diejenigen, die das Dach der Residenz formten, aber Rhodan schätzte ihn dennoch auf über vierzig Meter Stammhöhe – neigte sich knarrend zur Seite und fiel um. Der dumpfe Schlag seines Aufpralls war noch nicht verhallt, als Rhodan eine neue Bewegung wahrnahm. Gleichmäßig, kraftvoll, in einer geraden Linie, jedes Hindernis beiseite stoßend.

»Goytani!«, rief Atlan überrascht. »Das sind Goytani! Ein Dutzend oder mehr!«

Die Plattform ruckte zu einer weiteren Umdrehung vor. Einige Augenblicke füllte das Nest Rhodans gesamtes Sichtfeld aus. Als die Plattform die Umdrehung vollendet hatte, waren die ersten der Tiere, die die Schalen längst toter, gigantischer Meeresbewohner als Panzer benutzten, bereits in das Innerste der Residenz vorgestoßen, den freien Platz im Schutz der Baumriesen. Die Kanten ihrer Panzer mussten so scharf sein, dass sie damit die Bäume abschnitten, die ihnen den Weg versperrten.

»Das kann doch nicht sein!«, stieß der Terraner hervor. »Zephyda, du hast gesagt, dass die Goytani in ihren Lichtungen hocken und auf Beute warten. Dass sie elend langsame Räuber sind!«

Die Plattform drehte sich weiter, raubte Rhodan die Sicht auf die Angreifer.

»Ja!«, rief die Wegweiserin. »Das sind sie auch – für gewöhnlich! Aber alle paar Jahre verlassen die Goytani ihre Lichtungen und rotten sich zusammen. Keiner weiß, wie sie sich finden. Wahrscheinlich durch Geruch. So müssen sie auf die Residenz gestoßen sein. Wir glauben, dass sie zusammenkommen, um sich zu paaren. In dieser Zeit sind sie ungewöhnlich agil und kräftig, als würden sie die in den Jahren des Lauerns gespeicherte Energie auf einen Schlag freisetzen.«

»Wenn das so ist, können sie das nicht lange durchhalten«, schaltete sich Atlan ein. »Allein die Panzer, die sie rumschleppen, müssen schon tonnenschwer sein!«

»Stimmt. Viele von ihnen sterben nach der Paarung, nur die Stärksten schaffen es zurück in den Schutz ihrer befestigten Lichtungen. Aber bis dahin sind es noch ein paar Stunden – Zeit genug, die Residenz zu verwüsten!«

»Warum habt ihr sie nicht vor der Residenz aufgehalten?«

»Deshalb!«

Aus dem Augenwinkel nahm Rhodan wahr, wie Zephyda ihren Bogen, den sie über die Schulter geschlungen hatte, nahm, einen Pfeil einlegte und feuerte. Der Pfeil prallte mit einem Knirschen von dem Panzer eines Goytani ab.

»Verstehe.«

Doch der Pfeil blieb nicht ganz ohne Wirkung. Der Goytani, der bis zum Aufprall des Geschosses in eine Richtung gelaufen war, die ihn an dem Nest von Zephydas Familie vorbeigeführt hätte, blieb stehen, nahm dann seinen Lauf wieder auf.

Er kam direkt auf Rhodan, Atlan und Zephyda zu.

»Großartig, das hat uns noch gefehlt!« Rhodan ließ seinem Ausruf einen Fluch folgen. Seine Finger suchten den Knoten des Seils, das ihn an die Plattform fesselte. Sie fanden ihn, aber der Knoten hatte sich unter dem Zug von Rhodans Gewicht fest zugezogen und saß unverrückbar fest. Hilflos sah der Terraner zu, wie der Goytani auf sie zustürmte. Rhodans Füße baumelten vielleicht einen, zwei Meter über dem Boden, innerhalb der Reichweite des Panzerwesens.

»Zephyda, schneid das Seil durch! Schnell! Ich bekomme den Knoten nicht auf!«

Die Motana rührte sich nicht. Sie hatte den Bogen abgesetzt und blickte dem heranstürmenden Goytani ruhig entgegen.

»Zephyda, hörst du mich nicht? Ich komme nicht los!«

Rhodan verdrehte den Oberkörper, versuchte das Messer zu erreichen, das in Zephydas Gürtel steckte. Es ging nicht, es hätte der Beweglichkeit eines Schlangenmenschen bedurft. Atlan tat es ihm gleich, ebenso erfolglos.

»Zephyda!«

Der Goytani war bis auf wenige Schritte heran. In Klauen endende, kräftige Glieder fuhren surrend wie Peitschenschnüre durch die Luft. Noch einen Augenblick und ...

Zephyda hob die Hände vor den Mund, formte einen Trichter und stieß einen melodischen Ruf aus.

Von überall her aus der Residenz kam die Antwort, so prompt, dass Rhodan an ein von vielen Wänden zurückgeworfenes Echo erinnert war. Rhodan hörte ein Knirschen. Es kam von oben, aus der Krone des Baumriesen, an der das Nest hing.

Ein zweites Knirschen ertönte. Der Goytani überbrückte die letzten Meter, die ihn von der Plattform trennten. Seine Klaue schnitt durch die Luft, auf Rhodans Beine zu. Der Terraner zog sie hoch, versuchte verzweifelt, die Seile, die ihn hielten, zu zerreißen.

Ein Ruck ging durch das Nest, ließ die Plattform erbeben. Das Nest schwang zur Seite, hob sich einen, zwei Meter. Der Arm des Goytani verfehlte Rhodan. Ein enttäuschtes Gurgeln drang unter dem Panzer hervor, der erste Laut, den Rhodan von einem Goytani hörte.

Gleich darauf setzte die Aufwärtsbewegung wieder ein. Das Nest, die Plattform, Rhodan, Atlan und Zephyda wurden nach oben gezogen. Anfangs mit der Beschleunigung eines altterranischen Fahrstuhls, dann legte sie zu, erinnerte Rhodan eher an die eines Sportwagens. Der enttäuschte Goytani blieb unter ihnen zurück.

Die Drehplattform ruckte wieder herum, gab Rhodan die Sicht über die Residenz frei. Überall schossen die Nester in die Höhe, begleitet von schrillen Schreien, dem Beleg dafür, dass zumindest die Kinder der Motana die Fahrt genossen.

Auf halbem Weg passierte sie ein dunkler Schatten; er fiel nach unten. Es war einer der großen Säcke, die sie bei ihrer Ankunft in der Residenz direkt unterhalb der Kronen der Residenzbäume hatten hängen sehen. Rhodan und Atlan hatten sich darüber gewundert, dass die Motana ihren Abfall auf die denkbar mühseligste Weise – in riesigen Säcken in großer Höhe – lagerten.

Jetzt verstand Rhodan, wieso das Waldvolk die Schinderei auf sich nahm: Die Säcke dienten als Gegengewicht zu den Nestern, zogen sie jetzt, da die Sperren beseitigt waren, aus der Reichweite der Goytani.

Der Sack, der mit Zephydas Nest verbunden war, prallte knapp neben dem verwirrten Goytani auf. Einen Moment lang setzte das Nest seine Aufwärtsfahrt fort, dann war sein Schwung aufgebraucht, und es fiel zurück. Rhodan wurde zur Seite geworfen, als sich das Seil, an dem das Nest hing, von neuem spannte. Seine Finger, die sich in Erwartung des Stoßes tief in die Matte gegraben hatten, verloren den Halt. Wäre nicht das Seil um seine Hüfte gewesen, Rhodan wäre von der Plattform geschleudert worden. Zephyda, mit dem traumwandlerischen Gleichgewichtssinn ihres Volkes gesegnet, federte den Stoß mühelos ab.

»Na, was sagt ihr jetzt?«, sang Zephyda stolz.

»Nicht übel«, presste Rhodan hervor. Das Seil hatte ihm tief in den Bauch geschnitten. »Ihr Motana solltet nach Terra kommen und Achterbahnen konstruieren.«

»Was sind ›Achterbahnen‹?« Die Motana sah ihn verwirrt an.

»Das ist eine Geschichte für einen anderen Tag.« Eine Bewegung am Boden erregte Rhodans Aufmerksamkeit. »Da unten, der Goytani! Er macht sich über den Sack her! Wenn er ...«

»Natürlich. Meinst du, wir hätten daran nicht gedacht?«

Zephyda pfiff einen Befehl. »Goytani sind Allesfresser, aber am liebsten mögen sie Fleisch!«

Rhodan hob den Kopf und sah, dass die beiden Motana auf der Plattform neben ihnen aufgestanden waren. Der Mann und die Frau schienen über etwas zu diskutieren, dann schnitten sie das Seil an einer von mehreren Dutzend farbig markierten Stellen ab. Der Mann band es um den Knöchel der Frau, gab ihr das Messer – und sie sprang in die Tiefe!

Rhodan stockte der Atem. Auf drei Vierteln des Weges nach unten spannte sich das Seil. Rhodan erwartete, dass der Sturz der Frau abrupt gestoppt würde, doch das Seil musste aus elastischen Fasern geknüpft sein. Es dehnte sich, bremste den Fall schließlich ein, zwei Meter über dem Boden ab. Im selben Moment, noch bevor das Seil sich wieder zusammenzog, schnellte die Frau nach oben und durchschnitt es mit dem Messer. Sie fiel zu Boden, rollte sich ab und kam wieder hoch.

Nur wenige Meter trennten sie von dem Goytani, dessen Klauenarme das feste Gewebe des Sacks bereits an einer Stelle durchbohrt hatten. Sie stieß einen Ruf aus, ein helles Trällern, Lockruf und spöttische Prahlerei zugleich. Das Panzerwesen ließ augenblicklich von dem Sack ab und stürzte sich auf die neue, wohl weit appetitlicher wirkende Beute.

Aus der Höhe verfolgte Rhodan das Geschehen. Da es sich jetzt zu seinen Füßen abspielte, nahm ihm die ungleichmäßige Drehbewegung der Plattform nur noch selten die Sicht.

Überall in der Residenz waren Männer und Frauen an elastischen Seilen aus den Nestern abgesprungen und lenkten die Aufmerksamkeit der Goytani auf sich.

»Was soll das?«, fragte Atlan. »Sie sind unbewaffnet. Opfern sie sich, um die Residenz zu retten, indem sie die Goytani wieder in den Wald locken?«

»So in etwa. Nur dass es kein Opfer ist. Ihr werdet es gleich sehen.«

Die Lockvögel sprinteten vor den Panzerwesen her, aber nicht in verschiedene Richtungen, wie Rhodan angenommen hatte, um die Goytani einzeln zu bekämpfen. Die Motana vereinigten sich zu einem Pulk, der die gesamte Herde hinter sich herzog.