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Nr. 156

 

Lemy und der Krötenwolf

 

Die Spezialisten der USO suchen einen Mörder – und entdecken die Trommeln des Hyperraums ...

 

von K. H. SCHEER

 

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Das Jahr 2326 irdischer Zeitrechnung ist angebrochen, und in der seit dem Geschehen des Bandes 149 verstrichenen Zeit haben sich in dem von terranischen Astronauten durchforschten Teil der Milchstraße wesentliche Veränderungen vollzogen.

Seit dem 1. Januar 2115, dem Datum von Atlans Verzicht auf die Position als Imperator von Arkon, gibt es kein Solares Imperium mehr und auch kein Arkonidenreich, sondern das Vereinte Imperium, dem Perry Rhodan als Großadministrator vorsteht, während der Arkonide Atlan als Chef der United Stars Organisation (USO) fungiert, deren Spezialisten die »galaktische Feuerwehr« bilden.

Immer dann, wenn Probleme oder Gefahren auftauchen, die nicht rein planetarischer Natur sind, sondern auch galaxisweite Auswirkungen haben können, tritt die von Lordadmiral Atlan geschaffene und geleitete USO auf den Plan.

Die überstürzte Flucht des Geistwesens vom Kunstplaneten Wanderer und die Ausstreuung des 25fachen ewigen Lebens in Form von Zellaktivatoren haben jedoch alle Völker der Milchstraße in Aufruhr gebracht. Raumschiffe eilen von Planet zu Planet – doch meistens sind es die Besatzungen terranischer Schiffe, denen bei der Suche nach der relativen Unsterblichkeit Glück und Erfolg beschieden sind. Schließlich ist ja die Flotte des Vereinten Imperiums auch die größte in der bekannten Galaxis.

19 Zellaktivatoren sind bereits gefunden worden, doch für die Mutantin Anne Sloane, die Trägerin des 19. Aktivators, wird der Lebensspender zum Todesboten. Ein abtrünniger USO-Spezialist aus dem Volk der Antis ermordet die Mutantin, raubt den Aktivator und desertiert.

Die besten Spezialisten der USO heften sich an die Fersen des Mörders – und so kommt es schließlich zu der Begegnung: LEMY UND DER KRÖTENWOLF!

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Lemy Danger – Das kleinste Geschöpf unter den Spezialisten der USO, der kosmischen Feuerwehr.

Melbar Kasom – Seine Riesengestalt stempelt ihn zum idealen Gladiator.

Atlan – Der Lordadmiral legt die Maske eines blinden Bettlers an.

Leutnant Ebrolo – Abtrünniger der USO und Mörder Anne Sloanes.

Mahana-Kul – Lemy erklärt den Anti für verhaftet.

Akußa – Ausbilder der Arenakämpfer auf dem Planeten der Barbaren.

Perry Rhodan – Großadministrator des Vereinten Imperiums.

Prolog

 

Mein Name ist Lemy Danger, Spezialist und Major der »United Stars Organisation«, in Kurzform USO genannt.

Ich muss vielmals um Entschuldigung bitten, wenn ich mich nochmals vorstelle. Melbar Kasom, dieser umweltangepasste Überriese, war jedoch der Ansicht, unserer Berichterstattung könne es nichts schaden, den auf Terra lebenden Menschen nochmals vor Augen zu führen, wer wir sind, woher wir kommen und was wir im Interesse aller friedliebenden Völker der Galaxis zu tun haben.

Ich befinde mich zur Zeit an Bord eines terranischen Superschlachtschiffes, in dem die Gänge und Räume so groß sind, dass ich mich darin verlaufen habe. Perry Rhodan persönlich brachte mich in meine Spezialkabine, in der ich endlich die auf meine Größe abgestimmten Einrichtungsgegenstände vorfand.

Der Raum liegt in der Rechenzentrale des Schiffes, und ich weiß, dass man dort vor meiner Ankunft Medikamente aufbewahrte. Eine Flasche mit grünen Pillen steht jetzt noch in einer Ecke. Ich befürchte, dass sie beim nächsten Kursmanöver umfallen und mich verletzen wird.

An Bord der ERIC MANOLI, wie der Großadministrator das moderne Schiff nach einem verstorbenen Freund benannte, ist man auf die Unterbringung von Siganesen nicht eingerichtet. So muss ich notgedrungen mit dem ausgeräumten Wandfach vorliebnehmen, wenn ich nicht ständig Gefahr laufen will, von unaufmerksamen Riesen zertrampelt zu werden.

Die Belüftung meiner Kabine ist mangelhaft. Ich will nicht unbescheiden sein und behaupten, sie besäße überhaupt keine; doch darf wohl in aller Zurückhaltung gesagt werden, dass der durch die spaltweit geöffnete Türklappe dringende Luftstrom alles andere als erfrischend ist.

Mein Schreibtisch besteht aus der Abdeckhülle eines durchgeschmorten Bordtelefons. Ein terranischer Offizier hat mit der Kneifzange ein Loch in den Kunststoff gebrochen, damit ich darin meine Beine unterbringen kann. Anfänglich empfand ich es als sehr deprimierend, jetzt habe ich mich schon daran gewöhnt.

Die Sitzgelegenheit ist besser. In der Plastikschachtel hatte man vorher Desinfektionspulver aufbewahrt, bis ein Techniker auf die Idee kam, das Material zu erhitzen, schmiegsam zu machen und einen Lehnstuhl daraus zu formen. Dennoch ist der scharfe Geruch des Pulvers nicht ganz verschwunden. Ich muss laufend husten oder niesen. Natürlich bemühe ich mich, die terranischen Riesen nichts davon merken zu lassen, um nicht erneut zur Zielscheibe ihres gutmütigen Spottes zu werden. Man hat es eben nicht leicht, wenn man, nur 22,21 Zentimeter groß ist; genau gesagt: 222,11 Millimeter.

Auf meiner Heimatwelt Siga, dem zweiten Planeten von Gladors Stern, käme es bestimmt zu einer Demonstration, wenn ich erzählen würde, wie man mich an Bord des Raumschiffes untergebracht hatte. So will ich lieber schweigen und meinen Mannesstolz begraben, denn ich weiß ja, dass es die Terraner nicht böse meinen.

Außerdem bin ich zur Berichterstattung ins irdische Hauptquartier befohlen worden, und darüber bin ich sehr glücklich. Meines Wissens bin ich der erste siganesische Spezialist, der vor den höchsten Persönlichkeiten des Vereinten Imperiums sprechen darf. Hoffentlich wird niemand über mich lächeln oder gar heimlich darüber nachdenken, wo denn in meinem Köpfchen das Gehirn stecken möge.

Nun ja, sehr groß ist mein Kopf wirklich nicht. Wie soll ich den Persönlichkeiten, ohne mich selbst zu diskriminieren, erklären, dass mein Volk von Generation zu Generation kleiner wird, obwohl niemand genau weiß, weshalb es so ist?

Es wird gesagt, die Umweltbedingungen seien daran schuld. Meine Vorfahren sind ganz normale Menschen gewesen, die sich vor etwa dreihundert Jahren Terrazeit auf dem Planeten Siga ansiedelten.

Die Neugeborenen wurden aber ständig kleiner, ohne dabei in irgendeiner Form zu degenerieren. Ganz im Gegenteil: Siganesen sind jetzt schon die besten und fähigsten Mikrotechniker der Galaxis. Wir haben sogar die Gurkenleute von Swoon eingeholt, die noch vor hundertfünfzig Jahren unschlagbar waren.

Wir Siganesen stellen Dinge her, die so klein sind, dass ein Mensch mit dem Mikroskop danach suchen muss. So erzeugen wir unter anderem Kugellager für optische und vollpositronische Feuerleitgeräte. Die Lager sind so winzig, dass sogar siganesische Techniker mit dem Brillenmikroskop arbeiten müssen.

Die phantastischen Schussleistungen terranischer Großkampfschiffe und die ebenso einzigartigen Automatmanöver bei Anflügen und Gefechten sind nur durch unsere Arbeit möglich. Toleranzen unter einem Millionstel-Millimeter gelten bei uns als schlecht. Sie werden sich vorstellen können, wie genau unsere Geräte arbeiten. Bei den lichtschnellen Geschwindigkeiten und den riesigen Entfernungen im Raum kann man aber nicht präzise genug sein.

Ich erwähne das nur, um Ihnen zu beweisen, dass das Volumen unserer Gehirne mit der Exaktheit des Denkens nichts zu tun hat. Bei uns ist eben alles geschrumpft. Eigentümlich dabei ist, dass beispielsweise die Anzahl unserer Gehirn-Nervenzellen noch etwas größer ist, als bei einem normalen Menschen. Wir Siganesen scheinen ein Phänomen der Schöpfung zu sein, denn umsonst sind wir gewiss nicht so klein geworden.

Hoffentlich werde ich den Herren der Imperiumsregierung beweisen können, wie gut mein Gehirn funktioniert. Noch mehr aber peinigt mich die Vorstellung, jemand könnte mein Menschentum anzweifeln. Wie ich mich kenne, werde ich dann die Beherrschung, verlieren.

Ich ertappe mich dabei, dass ich mit den Zähnen knirsche und den Schreibstift mit so fürchterlicher Gewalt umklammere, dass der Farbstoff oben herausquillt. Es ist ein sehr massiver Stift von 12 Millimetern Länge.

Ich rufe mich selbst zur Ordnung und sehe auf meine Hände nieder, die ein befreundeter Sportler Pranken nannte. Ich schlug ihn in der zweiten Runde k.o. Durch diesen Sieg wurde ich siganesischer Schwergewichtsmeister des Jahres 2326!

Selbstverständlich muss ich dabei mein enormes Gewicht von 852,18 Gramm erwähnen, ferner meine dreißigjährige Spezialausbildung auf der USO-Akademie und letztlich mein jugendliches Alter von nur 92 Jahren. Ich muss ja allen anderen Siganesen überlegen sein, und deshalb werde ich auch bei der nächsten galaktischen Olympiade bescheiden zurücktreten, um meinen Brüdern nicht die Auszeichnungen zu rauben.

Mehr will ich nicht über mich sagen. Die Vorstellung erfolgt – wie schon erwähnt – nur aus dem Grund, weil Melbar Kasom meinte, Sie wüssten noch nicht genug über uns.

Wenn ich jetzt aber über Melbars Ansinnen nachdenke, so bemerke ich, dass er mich übertölpelte! Selbstverständlich wollte er sich in den Vordergrund gerückt sehen, dieser gigantische Fleischberg vom Überplaneten Ertrus.

Sie müssen nämlich wissen, dass Ertruser durchschnittlich 2,40 Meter groß und etwa fünfzehn Zentner schwer werden. Sie sind an eine Schwere von 3,4 Gravos gewöhnt und müssen auf Normalwelten Mikrogravitatoren tragen, damit sie nicht unablässig wie Gummibälle herumspringen. Melbar ist sogar 2,51 Meter groß und wiegt 16,3 Zentner. Sie werden sich vorstellen können, was er sich darauf einbildet!

Oh, in dieser Minute erfasse ich, wie heimtückisch er handelte, als er mich verführte, nochmals eine Vorstellung niederzuschreiben. Er weiß genau, dass ich angefangene Arbeiten immer zu Ende führe. Nun lässt es auch mein Mannesstolz nicht mehr zu, den einmal begonnenen Bericht in den Papierkorb zu werfen. Außerdem gibt es in meiner Kabine keinen Papierkorb. Die Terraner haben ihn ebenso vergessen, wie die sanitäre Anlage mit Waschgelegenheit.

Ich sehe mich ergrimmt um, drohe mit geballter Faust zum Türdeckel hinüber und denke dabei in Wirklichkeit an den Ertruser, der sich zu dieser Stunde ins Fäustchen lachen wird.

Wahrscheinlich jongliert er jetzt mit ausgewachsenen Erdbewohnern, um zu zeigen, wie stark er ist. Es macht ihm Spaß, vier Mann gleichzeitig in die Luft zu werfen, um sie dann der Reihe nach aufzufangen.

Ich schreite zu meinem Gepäck hinüber und zerre den Gemeinschaftsbericht über meinen und Melbars Einsatz auf dem Planeten Haknor hervor.

Jawohl – da steht es! Dieser Rüpel, der mich seinerzeit in meiner Maske als Kapuzineraffe zwei Stunden lang tanzen und die Trommel schlagen ließ, erklärt doch tatsächlich, ich wäre einmal von einem Fisch aufgefressen worden – mitsamt Raumanzug!

Das ist eine freche Behauptung, die nur indirekte Gültigkeit besitzt. Ich habe mich ganz bewusst in den aufgerissenen Rachen des Fisches manövriert, damit mich meine Gegner nicht mehr mit Unterwasser-Ortungsgeräten finden konnten. Jawohl, so war es! Ein Lemy Danger lässt sich nicht gegen seinen Willen von einem Fisch verschlucken, auch wenn dieses Ungeheuer fast einen Meter lang war.

Ich bin empört und beende die Vorstellung! Sie erinnert mich viel zu sehr an den ertrusischen Muskelprotzen, der die vollendete Schönheit meiner durchtrainierten Gestalt doch niemals begreifen wird.

Beim vorletzten Einsatz habe ich einen Vogel, und zwar einen haknorschen Kubu verkörpert. Da mich die Eingeborenen zum heiligen Tier erklärten, bis sie den Schwindel bemerkten, habe ich jetzt noch unter Melbars Spott zu leiden. In seiner Gegenwart werde ich jedenfalls nie mehr in eine Vogelmaschine kriechen, um meinen harten Dienst auszuüben. Melbar hat ja überhaupt keine Ahnung, wie schwer es für einen Athleten mit einer Schulterbreite von 63,32 Millimeter ist, eine Vogelmaschine zu beherrschen.

Der Zorn schüttelt mich. Jetzt soll mir nur niemand über den Weg laufen und eine dreiste Bemerkung machen! Siganesen können sehr empfindlich sein, wenn sie genasführt werden.

Etwas knackt hinter mir. Ich fahre herum, verlasse meinen improvisierten Schreibtischsessel und sehe zur Tür hinüber.

Die Klappe öffnet sich, und das Gesicht des Terraners erscheint. Es ist so groß, dass die Kinnpartie von dem Türrand verdeckt wird. Ich rümpfe die Nase, weiche dem Atemzug aus und schreie dann zornig: »Fort mit Ihnen, Unhold, oder ich vergesse mich. Fort!«

Der Terraner fährt entsetzt zusammen. Natürlich hat er meine gebieterische Haltung und meine Rangabzeichen bemerkt.

Ich gehe zu meinem Schreibtisch zurück, um den Bericht zu beenden. Diese Riesen kann man am besten bestrafen, wenn man sie ignoriert.

Der unverschämte Mensch lacht so laut, dass meine Ohren schmerzen. Dann wagt er es, die Hand in meine Kabine zu strecken und die gigantische Flasche mit den grünen Pillen zu erfassen. Ich gehe mit einem Hechtsprung in Deckung.

»Verzeihung, Sir«, dröhnt die Stimme des Mannes. »Wir benötigen das Fläschchen. Es enthält einen Giftstoff zur Vertilgung von Ratten.«

Ich erbleiche und brülle: »Wollen Sie damit andeuten, dass Sie mich für eine Ratte halten?«

»Sir, das würde ich mir nie erlauben. Wir haben nur übersehen, das Mittel aus dem Wandfach zu entfernen.«

»Heben Sie sich von dannen«, sage ich reserviert. »Dies ist meine Kabine. Haben Sie sich um meine Mahlzeit gekümmert?«

»Zehn Körner Terra-Reis, Sir. Soll ich sie vorher zerkleinern, oder wollen Sie darauf herumtrampeln?«

Ich ergreife meine Dienstwaffe und lasse den Terraner in die Mündung blicken. Er winselt um Gnade und zieht sein Gesicht aus der Türöffnung zurück.

Ich lausche auf das Tosen der Triebwerke. Die ERIC MANOLI wird in etwa zehn Minuten mit dem Überlichtflug beginnen.

Für mich wird es Zeit, meine Vorstellung abzuschließen, denn ich will eigentlich von meinem soeben beendeten Einsatz berichten. Noch weiß niemand, was ich gegen meinen Willen angestellt habe. Das heißt – die Tat an sich ist allgemein bekannt; aber die daraus resultierenden Ergebnisse können noch nicht übersehen werden.

Jetzt glauben Sie aber nur nicht, ich hätte etwas Verwerfliches oder Ehrenrühriges getan. Das kommt für einen siganesischen Spezialisten nicht in Frage. Melbar Kasom werde ich mir wegen seiner Frechheiten vornehmen, obwohl wir Siganesen heitere, gottesfürchtige und friedliebende Menschen sind, die nur dann wild werden, wenn man sie grundlos beleidigt.

Ich bitte herzlichst um Ihr Verständnis und bin für heute

Ihr Lemy Danger.

1.

Bericht Lemy Danger

 

Pastor Inkon, Bordgeistlicher des siganesischen Schlachtkreuzers NAMANO beendete die Andacht mit der Mahnung an uns alle, technische Macht nicht mit Kultur zu verwechseln.

Ich schaute hinauf zu dem Bildschirm, auf dem die Sterne der Galaxis flimmerten und von der Größe des Schöpfers zeugten. Wir hatten unsere Bordkapelle mit diesem Schirm ausgerüstet, um uns jederzeit vor Augen zu halten, wie unendlich groß das Universum ist und wie nichtig wir Menschen sind.

Ich bemerkte, dass meine Brüder ebenfalls hinüberblickten. Anschließend erhoben wir uns von den Plätzen und schritten auf die Luftschleuse der Kapelle zu. Die NAMANO würde in zehn Minuten erneut in den Linearraum vorstoßen, um mit diesem letzten Überlichtflug mein Ziel zu erreichen.

Es lag 39.834 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die grüne Sonne Eyciteo gehörte bereits zu den Zentrumssternen und war erst vor wenigen Monaten entdeckt worden.

Eyciteo besaß vier Planeten. Nummer II war eine blühende Sauerstoffwelt mit dem Eigennamen Eysal.

Die intelligenten Bewohner dieses Planeten waren in die Barbarei zurückgefallene Nachkommen ehemaliger Arkonidenkolonisten, die – nach unseren Unterlängen zu urteilen – vor etwa viertausend Jahren das Ecyteosystem besiedelt hatten.

Die Umwelteinflüsse hatten zu einer Mutation der Nachkommenschaft geführt. Diese Tatsache wäre nicht bemerkenswert gewesen, da negative oder positive Modifikationen überall dort eintraten, wo intelligente Wesen ihren ursprünglichen Lebensraum verlassen hatten, um andere Welten als Wahlheimat zu erobern.

Wir Siganesen hielten es für ein göttliches Gesetz, denn auch wir hatten dafür zu bezahlen, dass unsere Vorfahren die Heimat Erde aufgegeben hatten, um auf Siga zu kolonisieren.

Nein, das war es also nicht, was mich bewegte, mit dem modernsten Schlachtkreuzer unserer autarken Planetenflotte in unbekannte Gebiete der Milchstraße vorzustoßen.

Der Arkonide Atlan, mein oberster Vorgesetzter und Chef der USO, hatte mich durch einen Hyperimpuls höchster Dringlichkeitsstufe angefordert.

Der Regierende Lordadmiral, wie sich Atlan seit der Gründung der USO im Jahre 2115 nannte, war in Schwierigkeiten. Ungeheuerliches war auf dem zweiten Planeten der Zwergsonne Eyciteo geschehen!

Einer unserer Spezialisten, Leutnant Ebrolo aus dem Volk der Antis, hatte Treueid, Gesetz und Gott vergessen, als er sich dazu hinreißen ließ, eine Mutantin des sagenhaften Korps zu ermorden.

Wie es geschehen konnte, war uns heute noch unklar. Wir wussten nur, dass Ebrolos Antifähigkeiten offenbar ausgereicht hatten, um die Telekinetin Anne Sloane parapsychisch lahmzulegen und die schreckliche Untat zu vollbringen.

Atlan hatte sich nach Eingang der Nachricht, die durch einen letzten Hilferuf der Mutantin ausgelöst worden war, mit schwersten Selbstvorwürfen gepeinigt; war er es doch gewesen, der Ebrolo zur Unterstützung Anne Sloanes nach Eysal geschickt hatte. Das Gegenteil war jedoch eingetreten, und Ebrolo hatte das scheußlichste Verbrechen begangen, das man sich überhaupt vorstellen kann; er hatte das Leben eines anderen Menschen zerstört.

Natürlich musste er gefunden und dem Gesetz übergeben werden. Erschwerend war dabei die Tatsache, dass er ein Anti war. Mutanten konnten gegen ihn nicht eingesetzt werden, da sein mentales Ausstrahlungsfeld die Fähigkeiten von Rhodans Psi-Leuten aufhob.

Außerdem oblag es auch uns, den Spezialisten der USO, den aus unseren Reihen stammenden Unhold zu stellen und ihn dem Richter zuzuführen.

Ich, das kleinste Menschengeschöpf in den Reihen der USO-Spezialisten, maßte mir nicht das Recht an, Ebrolo zu verdammen. Es stand mir nicht zu, denn ich wusste auch so, dass er seiner gerechten Strafe nicht entgehen würde.

Atlan und Melbar Kasom befanden sich seit vier Wochen auf Eysal, um die Vorbereitungen für den Einsatz zu treffen. Wir mussten äußerst vorsichtig sein. Anne Sloanes letzter Bericht hatte uns bewiesen, dass sich die Galaktische Abwehr unter der Leitung von Solarmarschall Allan D. Mercant getäuscht hatte.

Das Explorerschiff hatte auf dem zweiten Eyciteo-Planeten energetische Ausstrahlungen festgestellt, die nur von atomaren Maschinen herrühren konnten. Das war natürlich alarmierend gewesen, denn die barbarischen Bewohner dieser Welt wussten nicht mehr, dass es solche Geräte gab.

Die Mutantin war ausgeschickt worden um festzustellen, was auf Eysal geschah. Wenn man in der Abwehr gewusst hätte, dass verbrecherische Götzenpriester des berüchtigten Báalol-Kultes ausgerechnet auf Eysal ihr Unwesen trieben und die primitiven Eingeborenen beherrschten und missbrauchten, wäre niemals ein Mutant eingesetzt worden. Wir USO-Spezialisten hätten das viel besser erledigen können, da niemand von uns über parapsychische Fähigkeiten verfügte.

Anne Sloane hatte ihre Gaben natürlich eingesetzt, und damit war sie schon in größte Gefahr gekommen.

Sie war von den Báalols erkannt worden, hatte sich aber trotzdem noch in Sicherheit bringen und von ihrem Versteck aus einen Hyperfunkspruch abstrahlen können.

Gerade weil unser Spezialist Ebrolo ebenfalls ein Anti war, hatte ihn Atlan abgestellt, um der Kollegin aus dem Mutantenkorps beizustehen und die Ermittlungen fortzuführen.

Ebrolo jedoch hatte sich von der Gier nach dem ewigen Leben – in biophysikalischer Hinsicht! – übermannen lassen und die Trägerin eines Zellaktivators ermordet.