Nr. 1270

 

Der Rettungsplan

 

Die Endlose Armada am Ziel – das Ende des Tiefenlands naht

 

von Arndt Ellmer

 

 

Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man den Frühsommer des Jahres 429 NGZ. In den Monaten zuvor sind im Solsystem viele Dinge geschehen. Da war zum Beispiel der Angriff der beiden letzten Elemente des Dekalogs. Doch er wurde abgewehrt, und das Chronofossil Terra konnte aktiviert werden.

Damit ergab sich eine neue Lage: Die Endlose Armada machte sich auf den langen Weg in Richtung Behaynien. Perry Rhodan ging auf die Suche nach EDEN II. Die Reste des Virenimperiums ballten sich im Raum Terra zusammen. Und viele Menschen begannen, die Auswirkung der Aktivierung Terras zu spüren, indem sie, von akutem Fernweh ergriffen, das Angebot der Reste des Virenimperiums annahmen und mit den aus Viren geformten Schiffen in ferne Bereiche des Kosmos aufbrachen, wo bizarre, phantastische und gefährliche Abenteuer auf sie warten.

Was aber geschieht im Tiefenland, während die Endlose Armada unter der Führung des Armadaprinzen mit dem nach Äonen wiederentdeckten und geborgenen Frostrubin an dessen ursprünglichen Standort in der Nähe der Galaxis Behaynien unterwegs ist?

Nach dem Sieg des Graulebens scheint sich in der Tiefe eine dramatische Entwicklung anzubahnen, die entweder den Untergang oder den Neubeginn für alle Völker der Tiefe zur Folge haben dürfte. Ein Plan tritt in Kraft – DER RETTUNGSPLAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Jen Salik – Die Ritter der Tiefe als Lordrichter.

Gnarrader Blek – Der Herr des Neutrums.

Myzelhinn – Einer der fünf letzten Raum-Zeit-Ingenieure.

Krart – Der Lordrichter hegt Misstrauen gegen seine neuen Kollegen.

Clio, Chulch und Sokrat – Ehemalige Gefährten der Ritter der Tiefe.

1.

Ungebetene Gäste

 

Silbern ergoss sich der Strom durch den Raum. Er kam von allen Seiten, und er floss in alle Richtungen davon. Seine Oberfläche glänzte ebenmäßig, und der Glanz beruhigte den Einsamen und führte ihm vor Augen, dass es die Harmonie war, aus der der Silberstrom entsprang. Silber war die Farbe der Vollkommenheit, und sie bewies die überragenden Fähigkeiten des Volkes, das den Strom erschaffen hatte.

Ihn und alle seine Brüder.

Der Strom floss aus dem Spender und kehrte in ihn zurück. Er vereinigte sich mit den Strömen aus allen anderen Spendern, und die Informationen, die sie in sich trugen, überschnitten sich oder waren gegensätzlich. Und doch blieb die Harmonie bestehen.

Aufmerksam sog der Einsame all die Informationen in sich ein.

DIE RAUM-ZEIT-INGENIEURE SIND AM ENDE. ES SIND IHRER NOCH FÜNF. FÜNF VON HUNDERTFÜNFZIGTAUSEND. SIE HABEN SICH IN DIE BASTION HOCH ÜBER DER LICHTEBENE ZURÜCKGEZOGEN. DORT, WO ALLE STRÖME ENDEN, WARTEN SIE.

Der Einsame der Tiefe konzentrierte sich ganz auf sich selbst. Er lauschte dem Flüstern des Stromes in seinem Innern. Er war zu einem Bestandteil des Silbers geworden, weil er sich dem Dimensionsspender genähert hatte. Die Informationen flossen unzensiert in seine Seele hinein, und Gnarrader Blek achtete auf jede Kleinigkeit.

Die RZI warten, wiederholte er die Information. Sie warten auf das Ende. Es gibt keine andere Möglichkeit. Sie wissen, dass die Zeit gekommen ist. Das Ende steht bevor. Im Tiefenland wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Grauen Lords werden triumphieren.

Sein Aktivkörper richtete sich energisch auf. Er bildete keine Sehorgane, denn es genügte ihm, wenn er mit seinen inneren Sinnen alles in sich aufnahm, was vorging.

Sie haben die Rechnung ohne uns Jaschemen gemacht, dachte er. Ohne mich und ohne das Neutrum!

Das Neutrum hoch über der Tiefenkonstante stellte die letzte Bastion dar, die vom Graueinfluss nicht direkt bedroht wurde. Die Grauen Lords besaßen keine Möglichkeit mehr, sich der technischen Anlagen und der Dimensionsräume zu bemächtigen. Sie hatten sich selbst um diese Möglichkeit gebracht.

Der Einsame der Tiefe blockte sein Bewusstsein für kurze Zeit gegen die Informationen des Silberstroms ab und dachte an jene Zeit zurück. Er wusste bis heute nicht, was ursächlich für jene unglückseligen Materialisationen gewesen war, die das Neutrum heimgesucht hatten. Hing es mit seinem Alter zusammen, mit der fortschreitenden Verfestigung seines Jaschemenkörpers, die der Tribut dafür war, dass er in diesem unbegreiflichen Raum über der Tiefenkonstante existieren konnte? Oder gab es andere Ursachen, die weder seinem Volke noch den RZI bekannt waren?

Es hatte damit begonnen, dass das Sphäroid und der Mini-Jascheme materialisiert waren. Gnarrader Blek hatte sie für sich vereinnahmt und in seinen Lebenswandel einbezogen. Er hatte sich im Sphäroid niedergelassen. Die Wahrheit über dessen Bedeutung war ihm erst viel später klar geworden, zu spät, wie er wusste. An den Zeitabenden waren weitere Dinge materialisiert, Starsen als Miniaturstadt, der Glitzerhügel, dann das ganze Land Schatzen. Und dann waren die ersten Bewusstseine von Grauen Lords gekommen, die in der Tiefe hausten und sich gegen ihre Artgenossen unten im Tiefenland aufgelehnt hatten. Und schließlich war das Jaschemenreich materialisiert, und es war grau geworden wie alles, was sich auf diese unbegreifliche Weise in der Nähe des Sphäroids manifestiert hatte.

Für Gnarrader Blek waren es die schlimmsten Stunden seines langen Lebens gewesen. Er hatte es nicht wahrhaben wollen, was geschah. Die Wahrheit war niederschmetternd. Sechsunddreißig Bewusstseine von Grauen Lords hatten die trennende Schicht zwischen der Tiefe und dem Neutrum durchdrungen und von seinem Gehirn Besitz ergriffen. Durch das Vorgehen der Ritter der Tiefe im Kyberland und die Fähigkeit des Abakers Bonsin waren sie zurück in die Tiefe geschleudert worden, nachdem sie ihm die Fähigkeit genommen hatten, weitere Materialisationen zu bewirken. Es war eine Sache des Unterbewusstseins gewesen, und der Einsame verdrängte das bittere Erlebnis in der Hoffnung, dass nichts Ähnliches mehr geschehen würde.

Sonst war er doch noch gezwungen, frühzeitig einen Nachfolger zu bestimmen, für den nach seiner Meinung nur ein einziger Jascheme in Frage kam: Caglamas Vlot, der Neugierige, der unter seinen Artgenossen als Eigenbrötler galt. Seiner Neugier war es zu verdanken, dass die Ritter der Tiefe in das Kyberland gekommen waren und den Ansturm von Lord Mhuthans Truppen zurückgeschlagen hatten. Der Einsame, von den Bewusstseinen der Grauen Lords befreit, hatte die WAND wieder stabilisiert und so das Reich der Jaschemen vor der Grauwerdung gerettet.

Das war aber auch alles. Im Tiefenland sah es nach wie vor schlimm aus, und das Grauleben breitete sich weiter aus.

Der Einsame konzentrierte sich wieder stärker auf den Informationsstrom des Dimensionsspenders. Die Ströme waren im Grunde genommen Nebenprodukte der eigentlichen Funktion der Spender. Neben einem kleinen Bereich technischer Anlagen wurde das Neutrum von den Dimensionsräumen mit ihren Spendern in Anspruch genommen. Sie dienten der Aufrechterhaltung des Status quo. Sie waren von den Jaschemen im Auftrag der RZI konstruiert worden, um die Existenz dieses Landes in der Tiefe zu gewährleisten. Das war eine schier unmögliche Aufgabe gewesen, denn die Tiefe war der Raum unter dem Raum, eine n-dimensionale Schicht, die das Einsteinuniversum von den anderen Raum-Zeit-Kontinua trennte und die Entstehung galaktischer und universeller Überlappungszonen verhinderte. Die Tiefe war überall, aber nur wenige besaßen den Schlüssel, in sie vorzudringen. Sie wirkte wie ein Leidenfrostvorhang ähnlich dem Vorgang, wenn man kaltes Wasser auf eine heiße Herdplatte schüttete. Es bildete sich eine Trennschicht, die die Wassertropfen auf der Platte tanzen ließ, ohne dass sie sofort verdampften. Die Tiefe jedoch war nichts Sichtbares, und bei ihr hielt der Vorgang ohne Unterbrechung an. Sie war eine natürliche Schicht, und in ihr war die Doppelhelix aller psionischen Felder verankert, der Informationsspeicher des kosmischen Schöpfungsprogramms, die man als den Moralischen Kode bezeichnete.

Das Neutrum war eine der wichtigsten Stationen des Tiefenlands. Wer es kontrollierte, besaß auch die Macht über das künstliche Land und dessen Bewohner weit unterhalb der Tiefenkonstante.

INFORMATIONEN ÜBER DIE TIEFE: drangen die psionisch-bildhaften Impulse in sein Bewusstsein ein und überlagerten seine eigenen Gedanken. EIN WINZIGER TEIL DES PSIONISCHEN FELDES RAGT IN DEN NORMALRAUM HINEIN. ES IST EINE HYPERDIMENSIONAL-GEFORMTE VERWERFUNG. DIE GALAKTISCHE POSITION LIEGT 2,8 MILLIONEN LICHTJAHRE JENSEITS DER RIESENGALAXIS, DIE VON IHREN BEWOHNERN BEHAYNIEN GENANNT WIRD.

TRIICLE-9 und Behaynien. Wer hatte nicht davon gehört. Welcher Jascheme hatte nicht in ferner Vergangenheit von Ordobans Nachlässigkeit erfahren. Gnarrader Blek fröstelte, wenn er daran dachte, was die Unaufmerksamkeit eines einzelnen Wesens bewirkt hatte. Die Endlose Armada hatte sich auf die Suche nach dem psionischen Feld gemacht, und nach langer Zeit der vergeblichen Suche hatten die Kosmokraten die RZI beauftragt, einen Ersatz für TRIICLE-9 zu konstruieren.

Damit hat alles angefangen, ihr Spender! Die Jaschemen hätten dem Ruf der RZI nie folgen dürfen. Sie hätten sich direkt an die Kosmokraten wenden müssen.

Aber damals war alles anders gewesen. Damals hatte niemand an einen Graueinfluss oder die Eigensinnigkeit von Raum-Zeit-Ingenieuren gedacht. Damals hatte niemand befürchten müssen, dass einst das Leben der Völker aufs Spiel gesetzt würde, die über die Grube und Starsen in das Tiefenland geholt worden waren, um bei der Großen Rekonstruktion zu helfen.

Gnarrader Blek bildete zwei Augen aus und betrachtete seine Umgebung. Er sah nicht viel. Von den technischen Anlagen waren nur blinkende Schatten zu erkennen. Die Perspektiven des Neutrums in der Umgebung der Dimensionsspender waren verzerrt. Bodenbegrenzungen, Wände und Decken verloren ihre Ausmaße, es waren eigentlich Räume mit unendlich vielen Begrenzungen, in denen einem normalen Wesen keine Möglichkeit der Orientierung blieb. Der Einsame der Tiefe fand sich zurecht, er hatte es gelernt. Überall um ihn herum befanden sich die Spender, und sie projizierten psionische Bilder. Er nahm sie in sich auf, und er spürte die starken Rückkopplungen, die auf die metallisch gewordenen Teile seines Körpers zurückzuführen waren. Je intensiver er sich auf einen oder mehrere Silberströme konzentrierte, desto stärker wurde er selbst Bestandteil der Bilder und bewegte sich in ihnen wie in einer Landschaft oder einem Park. Aber er sah kein Paradies mehr wie zu früheren Gelegenheiten. Alles war nun grau in grau, nur das Kyberland bildete eine Oase, es und die Lichtebene, die vom Land Ni umschlossen wurde.

Informationen über die Lichtebene!, dachte der Einsame. Er zwang seine Gedanken, deutliche Bilder zu entwerfen. Sie vermischten sich mit dem Silberstrom, aber es kam keine Resonanz. Die Ströme hatten sich untereinander verschoben, und Gnarrader Blek bildete winzige Stummelbeine aus und bewegte sich blind durch den Dimensionsraum, den er vor gut einer Tiefenstunde betreten hatte. Eine Unzahl anderer Informationen stürzte auf ihn ein. Er beachtete sie nicht. Ihm ging es nicht um Details. Es interessierte ihn nicht, wie es in Starsen aussah. Er wollte nicht wissen, was die Archivare in Schatzen trieben. Auf Kontakte mit Igvys und anderen Völkern legte er keinen Wert.

Für ihn gab es nur zwei Dinge. Oder allenfalls drei.

Wo stecken die Ritter der Tiefe?

Was tun die RZI?

Welche Pläne schmieden die Grauen Lords?

Endlich fand er den richtigen Silberstrom wieder und fädelte sich hastig in dessen Bilder ein. Er fand Antworten, und diese erschreckten ihn. Er erhielt Informationen, die das Schlimmste befürchten ließen.

Wie kann ich das Kyberland aus all dem heraushalten?, fragte er sich. Was muss ich tun?

Informationen des Silberstroms: DAS VAGENDA IST VERSIEGT. ES GIBT KEINE VITALVERBINDUNG MEHR ZUM KYBERLAND. DIE WAND NÜTZT NICHTS MEHR. DAS TIEFENLAND IST GRAU!

Die Bilder schnitten nicht nur in sein Gehirn, sie trafen auch seine Seele. Gnarrader Blek taumelte und stürzte. Er blieb liegen und wehrte sich gegen die weiteren Informationen. Er raffte sich auf und kroch davon, bis er den Bereich der Dimensionsspender hinter sich gelassen hatte. Die Bilder verblassten, die Umgebung erhielt vernünftige Konturen. Er sah den Kyberwagen stehen, mit dem er gekommen war. Er rief ihn zu sich und zog sich hinein.

»Wie ich euch hasse!«, ächzte er, während der Wagen davonbrauste. »Wie ich euch verachte, Raum-Zeit-Ingenieure!« Er nannte die letzten fünf bei ihren Namen, die er vom Silberstrom erfahren hatte. Er sprach jeden einzeln wie einen Fluch aus. »Ihr habt das Tiefenland verraten, es und alle Völker. Und zuvor habt ihr die Kosmokraten verraten! Ihr seid schlimmer als die Grauen Lords und der Graueinfluss. Ich wünsche mir sehnlichst, dass euch die Kosmokraten dafür eines Tages zur Rechenschaft ziehen werden!«

Der kybernetische Wagen setzte ihn an seinen zentralen Kontrollanlagen ab. Er hatte sie unweit des Standorts des Sphäroids errichtet. Das Sphäroid und der in es integrierte Mini-Jascheme, der sich in eine Kleinausgabe eines Grauen Lords verwandelt hatte, war nach der Vertreibung der Bewusstseine aus dem Neutrum in Apathie verfallen. Nach wenigen Stunden hatte das Gebilde zu schrumpfen begonnen, und noch bevor es dem Einsamen gelungen war, die WAND endgültig wieder zu stabilisieren, war von dem Sphäroid nichts als ein Häufchen organischer Schlacke übrig geblieben. Gnarrader Blek hatte es von einer Kybereinheit zerstrahlen und in Energie für die Hochleistungsbatterien seiner Anlagen verwandeln lassen.

Der Einsame der Tiefe aktivierte alle Tiefenbeobachtungssysteme. Er verschaffte sich einen direkten Eindruck über das, was er bereits wusste. Die Informationen des Silberstroms hatten ihn innerlich gepeinigt. Jetzt wurde er ruhiger und verarbeitete die eingehenden Informationen mit Sachkenntnis.

Der Graueinfluss hatte das gesamte Tiefenland überschwemmt. Auch das Kyberland war inzwischen davon betroffen. Der Einsame bildete an seinem eckigen Körper einen Greifarm aus und berührte einen blauen Fleck an einem der Kontrollkyberneten. Der Transmitter wurde endgültig desaktiviert. Abgesehen davon, dass er nur von dem Einsamen bedient werden konnte, existierte nun auch keine energetische Verbindung mehr zu dem Transmitterdom des Jaschemenreichs. Es würde keinem seiner grauen Artgenossen gelingen, ihn aus dem Neutrum herauszulocken.

»Auch mein Volk«, sagte er verbittert. »Das Volk der Jaschemen ist zu Grauleben geworden. Die größten Wissenschaftler der Tiefe sind damit zum Untergang verurteilt!«

Er war jetzt das einzige Wesen, das noch nicht grau geworden war.

Zum ersten Mal in seinem viele zehntausend Tiefenjahre währenden Leben begriff der Einsame, was Einsamkeit wirklich bedeutete. Er war allein und hatte das Universum gegen sich.

Oder doch nicht? Wo waren die Ritter der Tiefe?

Blek stellte fest, dass sie die Bastion erreicht hatten. Während die Kraft der restlichen Vitalenergie immer mehr erlahmte und die Lichtebene überschwemmte, verfolgte er voll ohnmächtigen Zorns, wie die Ritter der Tiefe und ihr Begleiter sich mit den Raum-Zeit-Ingenieuren verbündeten. Es gab keine andere Interpretation der Vorgänge. Die Ritter ließen es zu, dass die RZI sie für ihre Pläne vereinnahmten. Sie machten zwei von ihnen zu Grauleben. Nur einen behielten sie bei sich und das Tabernakel von Holt.

»Sie wissen, dass sie sich auf der Lichtebene nicht halten können!«, stieß der Einsame der Tiefe hervor. »Es gibt nur einen Ausweg für sie. Ha, ihr Verhassten. Ihr habt euch verrechnet! Für euch wird es keinen Ausweg aus der Tiefe geben!«

Der Einsame wandte sich von den Beobachtungsanlagen ab. Er tat etwas, woran er in seinem ganzen Leben noch nie gedacht hatte.

Gnarrader Blek suchte nach einer Waffe, die er gegen die RZI einsetzen konnte.

 

*

 

Es war ein seltsames Gefühl, eigentlich unbeschreiblich für jeden, der so etwas zum ersten Mal erlebte. Ich wandte den Kopf und suchte einen Blick auf die Lichtebene zu erhaschen. Dort unten traf Krart mit Atlan und Jen zusammen. Ich konnte sie nicht erkennen. Die goldene Macht umloderte meinen Körper und riss mich hinauf über das Tiefenland. Ich sah undeutlich die fünf Gestalten der Raum-Zeit-Ingenieure, die um mich und das Tabernakel einen Kreis gebildet hatten. Der Boden war aufgebrochen, die letzten Reserven an Vitalenergie waren mit ungeheurer Macht an die Oberfläche geströmt und folgten dem Willen der RZI.

Wir erreichten die Wolken, die den Himmel über dem Tiefenland bildeten, und durchstießen sie. Nicht einmal ein Luftzug war zu spüren. Es war, als befänden wir uns in einem Antigrav.

Nur das Brüllen der Säule war zu hören. Die Vitalenergie katapultierte uns hinauf, als wolle sie uns so schnell wie möglich loswerden. Ich vernahm ein Wispern und konzentrierte mich darauf. Ich merkte, dass es das Tabernakel war. Es gab unkontrollierte Gedanken von sich. Ich vernahm etwas von dem Atem der Tiefe, der uns entgegenblies, jedoch von der goldenen Säule wie von einer Panzerung ferngehalten wurde.

Das Neutrum war unser Ziel. In Gedankenschnelle hatten wir es erreicht. Die grauen Wolken verschwanden und machten einem lichten, grauen Schimmer Platz. Er umgab die brüllende Säule von allen Seiten. Es zischte und winselte irgendwo, dann zerfloss die Säule über uns. Die Vitalenergie floss nach allen Richtungen auseinander.

Aus!, dachte ich. Die Grauen Lords, die von der Tiefe eingeatmet wurden, haben einen Weg gefunden, uns aufzuhalten. Die RZI haben sich verrechnet.

Eine Stimme klang auf. Sie gehörte Myzelhinn.

»Wir sind da!«, verkündete sie. »Der Einsame hat unser Eintreffen bereits bemerkt. Wir werden zusammen mit ihm warten, bis der Tag anbricht.«

Er sagte nicht, welchen Tag er meinte, aber da sprach der Raum-Zeit-Ingenieur weiter.