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Nr. 356

 

Die List der Magier

 

Eine alte Legende wird Wirklichkeit

 

von Marianne Sydow

 

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Pthor, der Kontinent des Schreckens, der dank Atlans und Razamons Eingreifen der Erde nichts anhaben konnte, liegt nach jäh unterbrochenem Hyperflug auf Loors, dem Planeten der Brangeln, in der Galaxis Wolcion fest.

Pthors Bruchlandung, die natürlich nicht unbemerkt geblieben war, veranlasste Sperco, den Tyrannen von Wolcion, seine Diener, die Spercoiden, auszuschicken, damit diese den Eindringling ausschalten.

Diese Aktion wiederum brachte Atlan sofort dazu, sich den Spercoiden zu widmen und deren Möglichkeiten auszuloten.

Während der Arkonide nun nach vielen gefahrvollen Abenteuern an Spercos Hof gelangt ist, wo er von innen heraus die Macht des Tyrannen untergräbt und alles daransetzt, den Unterdrückten von Wolcion die Freiheit zu bringen, blenden wir um nach Pthor.

Nach dem Sturz der Herren der FESTUNG regieren dort die Odinssöhne. Doch auch einige der Magier von Oth, die sich bisher kaum in die pthorische Politik eingemischt haben, beginnen, lebhaften Anteil am weiteren Schicksal des Kontinents zu nehmen. Sie entwickeln einen Plan der Einflussnahme.

Dieser Plan verhilft einer alten Legende zur Realität durch DIE LIST DER MAGIER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Heimdall, Balduur und Sigurd – Die neuen Herren von Pthor.

Thalia – Odins Tochter bei den Magiern von Oth.

Copasallior, Koratzo, Querllo, Glyndiszorn, Kolviss und Breckonzorpf – Die Magier verhelfen Odin zu neuem Leben.

1.

 

»Thalia!«

Die Stimme klang sehr leise, und der Ruf schien aus unendlicher Ferne zu kommen. Er verhallte ungehört. Die Frau, die in Koratzos Wohnhalle schlief, rührte sich nicht. Aber die ferne Stimme gab so schnell nicht auf.

»Thalia!«

Diesmal bewegten sich immerhin die Hände der Schläferin. Sie zuckten, ballten sich zu Fäusten, strichen ziellos durch weiche Felle und blieben knapp unter dem Kinn liegen. Lange Zeit blieb es still. Es schien, als könne nichts die Tochter Odins aus ihrem magischen Schlaf reißen.

Ein Sonnenfleck wanderte langsam über den steinernen Boden der Halle. Je näher er dem Lager kam, desto heller wurde er. Und dann schien um ihn herum die Luft zu flimmern. Es knisterte leise. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde der Fleck zu einer glühenden Säule.

»Thalia!«

Diesmal war der Ruf laut und deutlich, und die Hitze fauchte über die Schläferin hinweg. Der Bann des Schlafes zerbrach. Die Erscheinung verschwand spurlos.

Thalia richtete sich mit hastigen Bewegungen auf. Sie wirkte hellwach, aber ihre sonst so strahlenden blauen Augen blieben verschleiert. Die Tochter Odins stieß die Felle zur Seite und schwang die Beine über den Rand des Lagers. Erst dann wurde ihr bewusst, dass sie sich an einem ihr völlig unbekannten Ort befand.

Verständnislos sah sie sich um.

Das Bett stand mitten in einem großen, hellen Raum mit rechteckigem Grundriss. Die Wände schienen aus Glas zu bestehen. Schlanke, schmucklose Säulen aus grauem Metall stützten die ebenfalls gläserne Decke. Der Raum war größer als der Waffensaal im Schloss Komyr, und das stimmte Thalia nachdenklich, denn sie brachte die Größe der Halle automatisch mit der Frage in Verbindung, wie mächtig wohl der Besitzer dieses Bauwerks sein mochte.

Wie, beim Traum des Fafnir, war sie hierher gekommen?

Thalia rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf, als könnte sie damit ihr Gedächtnis wieder in Schwung bringen. Es änderte sich nichts. Leider ließ sich auch niemand blicken, der ihr auf ihre Fragen hätte antworten können. Helles Licht erfüllte die Halle. Die gläsernen Wände brachen die Sonnenstrahlen. Es gab keine tiefen Schatten in irgendwelchen Winkeln. Die Konturen aller Möbel schienen unscharf zu sein, fließend, beinahe beweglich, als wären all diese Gegenstände in Wirklichkeit lebende Wesen, die sich wartend auf den Boden kauerten. Trotzdem fühlte Thalia sich nicht bedroht. Ein Instinkt sagte ihr, dass keine unmittelbare Gefahr bestand.

Zögernd stand sie auf. Sie wollte nach einer Tür suchen, um zu sehen, in welcher Gegend Pthors sie sich befand.

Automatisch sah sie an sich herab. Es war ein prüfender Blick, von der Notwendigkeit diktiert, über ungezählte Jahre hinweg die einmal gewählte Tarnung aufrechterhalten zu müssen. Demselben Antrieb entsprang der tastende Griff nach dem Kinn, zum unteren Rand des Helmes – und dann traf ihr Handrücken nicht auf kühles Metall, sondern auf warme Haut, und auch ihr Blick fiel nicht auf Honirs Rüstung aus Leder und blauem Metall.

Thalia stieß einen Laut des Erschreckens aus und betastete verwirrt das Gewand aus federleichtem, schillerndem Gewebe.

Wer hatte es gewagt, sie in dieses Zeug zu stecken? Wo war ihr Helm? Hatte man sie überfallen und bestohlen?

Sie hörte hinter sich ein leises Klirren. Verschwommen erinnerte sie sich an einen Ruf, der sie geweckt hatte. Sie wirbelte herum, und ihre rechte Hand zuckte zur Hüfte hinab, wo sonst die Vars-Kugel am Gürtel hing, aber die Waffe befand sich natürlich auch nicht an ihrem Platz.

Über das Bett hinweg sah Thalia Honirs Helm, der aufrecht auf einem niedrigen Tisch stand. Der Rubin über den Augenschlitzen funkelte in dem eigenartigen Licht. Vorsichtig ging sie um das Bett herum und entdeckte dann auch die Rüstung, die auf dem Boden lag und Thalia hier, an diesem Ort, unversehens an etwas erinnerte, was sie sonst gewissenhaft aus ihren Gedanken fernzuhalten suchte.

War es Zufall, dass die Rüstung in ausgerechnet dieser Position liegen geblieben war?

Thalia erschauerte. Das Bild vor ihren Augen verschwamm wie hinter einem Strom aus heißer Luft.

Dort lag er, Honir, der strahlende Held, Sohn des großen Odin, der nur einmal in einem Kampf einen Fehler gemacht hatte ...

Thalia schüttelte sich. Nur mit Mühe löste sie sich aus dem Netz der Erinnerungen. Die Rüstung war leer. Wenn dennoch die Vars-Kugel dahin zeigte, wo einst Honirs letzter Gegner gestanden hatte, so war das ein unglücklicher Zufall, sonst nichts. Im Übrigen war dort auch nicht der heiße, blutgetränkte Sand der Kampfstätte, sondern glatter, heller Steinboden.

Etwas hatte geklirrt, und Thalia konzentrierte sich hastig auf die Suche nach der Quelle dieses Geräusches. Sie fand nichts. Allmählich wurde ihr die Sache unheimlich. In der ganzen Halle fand sie kein lebendes Wesen, und von draußen drang kein Windhauch herein, den sie für das Klirren verantwortlich machen konnte.

Sie gewann den Eindruck, dass das Klirren nur einem einzigen Zweck gedient hatte: sie auf die Rüstung aufmerksam zu machen. Wenn das der Fall war, dann steckte vielleicht doch mehr hinter der Art, wie Helm und Panzer zueinander angeordnet waren. Thalia drehte sich um und starrte zurück – aber dann hörte sie eine Stimme, und jeder Gedanke an vergangene Schrecken erlosch.

Diese Stimme!

Die Tochter Odins schritt vorwärts wie eine Marionette, und mit traumwandlerischer Sicherheit wich sie allen Hindernissen aus und fand die Tür, obwohl es für jeden Fremden nahezu unmöglich schien, auf Anhieb diese getarnte Pforte zu entdecken. Mehr noch – Thalia kannte den Trick, mit dem man den Weg nach draußen öffnen konnte. Wie im Traum bewegte sie die Hände. Frische Luft strich herein. Der Wind führte den süßen Duft der Sternblumen mit sich, aber auch den Geruch nach Schnee und Kälte und den herben Kräutern der Berge.

Thalia merkte davon nichts. Ihr wurde nicht einmal bewusst, dass sich die Antwort auf eine ihrer Fragen deutlich sichtbar ihren Augen darbot, denn draußen ragten die Gipfel hoher Berge in den Himmel. Dazwischen gähnten düstere Schluchten. Hier und da glänzte Schnee in der Sonne, und Gletscher schoben sich durch den Fels, und all das zusammen gab es – wenn man die oft wechselnden Außenwelten einmal unbeachtet ließ – nur an einem Ort, nämlich in der Großen Barriere von Oth, in der die Magier lebten.

Thalia sah und hörte nichts. Nur diese eine Stimme klang in ihren Ohren, und sie war wie betäubt davon.

Selig lächelnd trat sie hinaus in den Sonnenschein. Direkt vor ihr, am Rand der Schlucht, in schwindelerregender Nähe zu den jäh abfallenden Felsen, saßen zwei Männer und sprachen miteinander. Der eine hatte feuerrotes Haar – Thalia beachtete ihn überhaupt nicht. Aber der andere zog sie unwiderstehlich an.

Die ersten paar Meter legte sie lautlos zurück. Dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie jubelte auf und sprang vorwärts. Der Mann am Abgrund sprang auf die Füße und rannte wie von Furien gehetzt einen Pfad entlang, der um das nördliche Ende der Schlucht herum zum nächsten Gipfel der Tronx-Kette führte. Thalia eilte ihm auf nackten Füßen nach. Sie war fest entschlossen, ihre Chance zu nützen.

Einmal musste sie ihr Ziel schließlich erreichen.

Aber sie kam nur ein paar hundert Meter weit. Dann war es, als hüllte warme Watte sie ein. Besinnungslos sank sie auf dem Pfad zusammen. Der blonde Magier, der vor ihr geflohen war, kehrte um und betrachtete Thalia misstrauisch.

»So geht es nicht weiter«, murmelte er kopfschüttelnd und sah dem Luftmagier Haswahu entgegen, der seit der Ankunft dieser Frau in der Tronx-Kette Tag und Nacht in Koratzos Nähe blieb, um bei eben solchen Zwischenfällen helfen zu können. »Das halte ich nicht länger aus.«

 

*

 

»Wir müssen den Bann brechen«, erklärte er seinen Freunden etwas später. »Ich verliere sonst noch den Verstand. Behalte deinen Spott für dich, Estrala, mir ist es verdammt ernst! Ich kann nicht mehr ungestört arbeiten. Wenn ich schlafen will, muss ich mich absichern, als wäre ich in einem fremden Bezirk oder in den Dunklen Tälern selbst. Beim Essen muss ich ständig darauf gefasst sein, dass sie neben mir auftaucht und ich alles stehen und liegen zu lassen habe.«

Estrala kicherte, ohne sich um Koratzos wütende Blicke zu kümmern. Sie wartete seit langem auf eine Gelegenheit, den Stimmenmagier für sich zu gewinnen, aber Koratzo blieb unnahbar. Estrala war unsterblich wie die meisten Magier aus der Barriere, und so gesehen war sie uralt. Aber sie hatte sich eine fast kindliche Mentalität bewahrt, und darum bereitete es ihr eine Menge Vergnügen, Koratzo ausgerechnet mit diesem Problem kämpfen zu sehen.

Dabei konnte der Stimmenmagier wirklich nichts dafür, dass Thalia ihn auf Schritt und Tritt verfolgte, sobald sie einmal zu sich kam. Alles lag nur daran, dass Jarsynthia aus purer Bosheit die Tochter Odins mit einem unglückseligen Liebeszauber belegt hatte.

»Hättest du sie nicht hergeholt«, bemerkte Estrala spöttisch, »so hättest du jetzt deine Ruhe. Aber nein, es muss ja immer nach deinem Kopf gehen.«

Sie gähnte, legte die Arme auf den Tisch und den Kopf auf die Arme und schlief ein.

Koratzo warf Haswahu einen vorwurfsvollen Blick zu.

»Entschuldige bitte«, murmelte der Luftmagier, und die grünen Flecken unter seinen Augen ließen sein blasses Gesicht noch müder erscheinen. »Meine Nerven sind auch nicht mehr die besten. Ich konnte es einfach nicht mehr mit anhören. Warum kann sie nicht ein einziges Mal den Mund halten!«

»Sie hat es nicht so gemeint«, sagte Querllo beruhigend. »Vergiss es. Lass sie schlafen, sie kann uns bei der Lösung des Problems sowieso nicht helfen. Also, was können wir tun?«

»Vielleicht wäre es am einfachsten, wenn Koratzo nachgibt«, überlegte Opkul und löste damit eine mittlere Revolution aus.

Antharia, die schwarzhäutige, katzenhafte Pflanzenmagierin, sprang empört auf den Tisch und stürzte sich auf Opkul, dass dieser voller Entsetzen zurückschreckte, mit der Bank nach hinten überkippte und bis unter den nächsten Tisch rollte. Querllo erwischte Antharia am linken Arm und hielt die Magierin fest, obwohl sie sich erbittert wehrte.

»Soll ich sie auch noch schlafen schicken?«, fragte Haswahu verwirrt, und neben ihm lachte Rischa, während Torla interessiert beobachtete, wie Opkul sich in Sicherheit zu bringen versuchte. Zum Glück gab es in seiner Nähe nichts, was Antharia hätte beeinflussen können, sonst wäre er in ernste Schwierigkeiten geraten.

»Schläfere ihn ein!«, forderte Antharia wild und deutete, immer noch gegen Querllo kämpfend, auf Opkul, der bleich unter dem Tisch kauerte. »Für ein paar Tage können wir auf seine dummen Sprüche wohl verzichten. Worauf wartest du noch?«

Aber Koratzo hatte dem Luftmagier schon die Hand auf die Schulter gelegt, und Haswahu hütete sich, dieses Zeichen zu missachten. Antharia fühlte sich nun einmal für Koratzo verantwortlich – auch Opkul hätte das bedenken müssen.

»Schluss jetzt«, befahl Koratzo ärgerlich. »Antharia, du wirst Opkul in Ruhe lassen, hast du verstanden?«

Ihre Augen glühten in mühsam verdrängter Wut, und in ihre Stimme mischte sich ein drohender Klang, aber sie hörte auf, sich zu wehren, und als Querllo sie losließ, glitt Antharia gehorsam auf ihren Platz zurück. Opkul krabbelte unter dem Tisch hervor und schlug einen großen Bogen um die Pflanzenmagierin. Das Schillern seiner violetten Augen wirkte hektisch, und seine Finger zitterten.

»Das wollte ich nicht«, versicherte er verstört, und dabei blickte er die anderen flehend an. »Wirklich – ich habe mir nichts Böses dabei gedacht!«

»Das glaube ich gerne«, gab Antharia bissig zurück. »Mir scheint, dass du nicht nur an nichts Böses, sondern auch an alles andere nicht gedacht hast. Organe, die nicht benutzt werden, verkümmern. Du solltest deinem Gehirn nicht zu viel Ruhe gönnen!«

»Das reicht!«, fuhr Koratzo dazwischen. »Antharia, Opkul hat sich bereits entschuldigt. Du wirst das jetzt auch tun!«

»Das werde ich nicht! Er wollte, dass du ...«

Sie konnte nicht weitersprechen, denn Torla hielt ihr den Mund zu.

»Kindchen«, sagte die Blickmagierin sanft. »Hast du nicht zugehört? Sieh dir den armen Opkul an. Du hast ihm übel mitgespielt. Willst du ihn zusätzlich mit all diesen Beleidigungen belasten? Rufe die Sprüche zurück – aber beeile dich dabei!«

Das klang zum Schluss gar nicht mehr sanft, und Antharia zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Sie kannte Torlas Waffe, diese seltsamen Blicke, die die Luft knistern ließen und einen Gegner noch gründlicher seines Bewusstseins beraubten, als Haswahus Atem des tiefen Schlafes es vermochte. Außerdem war Torla der kleinen Pflanzenmagierin auch in anderen Dingen überlegen. Die Blickmagierin spielte ihre Macht sehr selten aus – unter diesen Voraussetzungen hielt Antharia es für besser, vorerst aufzugeben.

»Also gut«, sagte sie ärgerlich. »Ich entschuldige mich.«

»Nicht so«, warnte Torla. »Die Formel – benutze sie, oder ich halte dich hier fest, bis du dich eines Besseren besonnen hast.«

Antharia zog sich wie vor einem Sprung ein paar Zentimeter zurück, schaffte es jedoch nicht, sich Torlas Händen zu entziehen. Niemand sprach. Alle starrten Antharia an. Selbst Koratzo traf keine Anstalten, die Pflanzenmagierin in Schutz zu nehmen.

Resignierend murmelte sie die fremden, fast vergessenen Laute aus einer uralten Sprache, die die Magier lange vor ihrem Einzug in die Große Barriere benutzt hatten. Aus rein praktischen Erwägungen heraus hatten sie damals das Pthora übernommen. Die Ursprache wurde immer seltener benutzt. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt gab es noch Situationen, in denen man sich der alten Formeln bedienen musste.

Jeder Magier kannte diese Laute, so dass Antharia keine Möglichkeit hatte, ihre Entschuldigung mit irgendeiner hinterlistigen Tür für spätere Racheakte zu verbinden. Opkuls Gesicht gewann an Farbe, und er entspannte sich etwas. Torla gab Antharia frei.

Die Pflanzenmagierin sah die anderen der Reihe nach an. Unvermittelt wirbelte sie herum und rannte davon. Man hörte eine Tür zuschlagen, dann blieb es lange Zeit still.

»So viel Aufregung um nichts«, seufzte Koratzo schließlich. »Hat denn keiner von euch daran gedacht, dass Jarsynthia eine so einfache Lösung sowieso verhindert hat? Glaubt ihr, ich laufe ohne Grund seit Tagen vor dieser Frau davon? Opkul, ich fürchte, deine Idee war nicht besonders gut!«

»Ich habe nur laut gedacht«, verteidigte sich der andere.

»Dann solltest du dir schleunigst andere Denkgewohnheiten zulegen«, versetzte Torla bissig. »Aber lassen wir das. Ich kann den Bann ebenfalls spüren. Antharia wurde nicht ohne Grund so wütend. Es hilft alles nichts, wir müssen Thalia von diesem Zauber befreien. Hier in der Tronx-Kette sind wir Jarsynthia gegenüber im Vorteil. Wenn wir unsere Kräfte vereinen ...«

»Das reicht nicht«, wurde sie von Koratzo unterbrochen. »Darum geht es ja.«

»Wir brauchen also die Hilfe anderer Magier?«, fragte Rischa ungläubig.

»So ist es.«

»Aber das Ganze ist völlig aussichtslos! Wer sollte uns helfen? Er würde sich doch automatisch der Rache der Liebesmagierin aussetzen!«

»Allerdings«, murmelte Koratzo nachdenklich. »Das ist ja das Schlimme.«

Er schwieg und sah seine Freunde an, dann nickte er grimmig.

»Geht nach Hause, aber haltet euch bereit«, empfahl er. »Haswahu wird Thalia bewachen, und Querllo das Signal geben. Bis es soweit ist, wird über diese Angelegenheit nicht mehr gesprochen. Ich werde die Tronx-Kette verlassen, und es wäre peinlich, wenn Jarsynthia ausgerechnet dann angreifen sollte. Seid also wachsam!«

»Fürchtest du tatsächlich, dass unsere Sperren nicht halten könnten?«, fragte Haswahu ungläubig, als er und Querllo mit dem Stimmenmagier allein waren.

»Sie hat mich schon einmal belauscht«, erwiderte Koratzo. »Das ist erst wenige Tage her, und nicht einmal Glyndiszorn, der keinen Meter von mir entfernt stand, hat es rechtzeitig bemerkt. Ich traue nicht einmal den Stimmenkristallen, ehe wir nicht alle Verbindungen neu überprüft haben. Und dazu bleibt uns jetzt keine Zeit.«

»Wenn Thalia von dem Bann befreit ist«, sagte Querllo gespannt, »soll sie dann diesem Fremden folgen?«

»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist es bis dahin schon zu spät. Schade, dass wir jede Spur verloren haben. Vielleicht hilft Glyndiszorn uns noch einmal. Es ist jetzt auch nicht so wichtig. Erst müssen wir dieses Problem lösen.«

Koratzo wandte sich ab und verließ die Halle. Die beiden Magier sahen ihm schweigend nach. Sie wagten nicht, ihn nach seinem Ziel zu fragen, denn schon jetzt mochte Jarsynthia irgendwo im Hintergrund lauern.