Nr. 5

 

Der violette Tod

 

Eine Welt liegt im Sterben – das Klagelied der Prar

 

Bernd Perplies

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

2. 21. November 1552 NGZ – SOL, im Sphärenlabyrinth

3. 22. November 1552 NGZ – SOL, im Transit

4. 24. November 1552 NGZ – Praraytiap, Prarantalsystem

5. 24. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

6. 25. November 1552 NGZ – Prarenin, Praraytiap

7. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

8. 25. November 1552 NGZ – Prarenin, Praraytiap

9. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

10. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

11. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

12. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

13. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

In der Geschichte der menschlichen Raumfahrt, die rund 3000 Jahre umfasst, nimmt das Raumschiff SOL eine bedeutende Rolle ein. Das hantelförmige Fernraumschiff hat über Jahrhunderte hinweg immer wieder eine entscheidende Rolle im schicksalhaften Konflikt zwischen den kosmischen Mächten der Ordnung und des Chaos gespielt. Oft hat seine Besatzung große kosmische Konflikte lösen müssen.

Das scheint auch im Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung auf die SOL und die auf ihr lebenden Menschen zu warten. Seit einiger Zeit ist Perry Rhodan an Bord, der auf unbegreifliche Weise von der Milchstraße auf das Raumschiff versetzt worden ist. Mittlerweile operiert die SOL in der fernen Galaxis Yahouna – dorthin transportierte sie ein Machtmittel der Hohen Mächte.

In Yahouna sollen Rhodan und die Besatzung der SOL herausfinden, auf welcher Seite die Ritter der Superintelligenz BARIL stehen. Sind sie immer noch der Ordnung verpflichtet oder dienen sie bereits den Mächten des Chaos?

Schnell wird die SOL jedoch übernommen und in den Dienst einer Ritterin gezwungen. Rhodan erkennt, dass einige Ritter offensichtlich gegen die anderen einen verborgenen Kampf führen. Ein Mittel hierfür ist womöglich DER VIOLETTE TOD ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner kämpft verzweifelt um das Wohl der Prar.

Mahlia Meyun – Die Medikerin bewährt sich in verschiedenen Krisen.

A-Kuatond – Die Ritterin legt sich mit ihresgleichen an.

Melkafi Pteru – Der Blattpfleger beklagt sein sterbendes Volk.

1.

25. November 1552 NGZ

SOL, im Prarantalsystem

 

Ich muss zu Annri und Temm. Ich muss wissen, ob es ihnen gut geht.

Mahlia Meyun bewegte sich mit schnellen Schritten durch einen Gang, der quer durch die SOL führte. Schmucklose graue Wände, verschlossene Türen zu Kabinen, die von niemandem bewohnt wurden: Sie war in einem Bereich des riesigen Raumschiffs unterwegs, der nicht genutzt wurde.

Sie musste sich beeilen, wollte sie ihr Ziel erreichen. Alarmsirenen gellten durch die Gänge und Räume, signalfarbene Warnlampen flackerten in allen Korridoren auf, und Schutztore schotteten überall im Schiff Sektion für Sektion automatisch ab. Wenn Mahlia Pech hatte, kam sie nicht durch, weil sie vorher an einem verschlossenen Schott strandete.

Und eigentlich war das, was sie tat, nicht richtig. Aber es geht um meine Kinder, dachte sie und ging schneller.

In ihrer neuen Rolle als Medikerin der SOL war Mahlia Meyun dem Wohlergehen der gesamten Mannschaft verpflichtet, die aus Tausenden Individuen bestand. Und gerade in Momenten wie diesen, in einer Krisensituation, sollte ihre ganze Aufmerksamkeit ihrer Aufgabe gelten: Sie hatte die Funktionstüchtigkeit dieser Mannschaft zu erhalten. Sie sollte Folgen bekämpfen, Mut zusprechen, nach Ursachen forschen – kurz: Sie sollte ihren Job machen.

Aber sie war auch nur ein Mensch und eine Mutter obendrein. Und diese Mutter sorgte sich um ihre Kinder.

Temm war erst fünf. Der Junge würde von dieser Krise völlig überfordert sein. Und obwohl Annri schon elf sein mochte, war die SOL für das Mädchen nach wie vor eine neue und fremdartige Umgebung. Wie Mahlia und Temm auch, wie alle Neu-Solaner, hatte Annri bis vor Kurzem noch in einem verborgenen Tal gelebt, von aller Außenwelt abgeschottet.

Sie hatten ein einfaches, geradezu rückständiges Leben geführt, maß man es an den Standards der anderen Gemeinschaften auf Evolux. Mit moderner Technik waren sie kaum in Berührung gekommen. Aber sie hatten ihr Leben geliebt, die kleine Freiheit in der Natur eines Tales.

Aus diesem Grund war diese neue Heimat, die voll technisierte, kilometergroße Kunstwelt der wieder zusammengesetzten SOL, für Mahlias Kinder zwar im Großen und Ganzen ein aufregender Abenteuerspielplatz, aber manchmal auch sehr beängstigend.

Als die ersten Nachrichten über die Krisensituation ihren Arbeitsplatz, eine der Medostationen der SOL, erreicht hatten, war Mahlia bereits unruhig geworden. Sie sorgte sich um ihre Kinder. Dann hatte sie die Hiobsbotschaft aus der Sektion, in der ihr gemeinsames Quartier lag, erhalten. Und seither war die junge Frau mit den dunklen Haaren und den hellen, grau-blauen Augen in eigenem Auftrag unterwegs.

Unter einem Vorwand hatte Mahlia ihren Posten verlassen, hatte – ganz leichtsinnig war sie schließlich nicht – einen SERUN-Kampfanzug angelegt, der sich hermetisch versiegeln ließ, und war dann losgezogen. Sie trug einen Kombistrahler, den sie auf Paralysemodus geschaltet hatte.

Wollte sie zu ihren Kindern, musste sie mehrere Sektionen des gewaltigen Hantelraumers durchqueren. Das war den Bewohnern der SOL derzeit nicht gestattet, niemand durfte den Platz, an dem er sich aufhielt, verlassen. Nur den Service- und Medorobotern sowie den Wach- und Schutzeinheiten der TARA-Baureihen war es noch erlaubt, sich frei im Schiff zu bewegen. Sie sollten ihren Teil dazu beizutragen, die gegenwärtige Krise in den Griff zu bekommen.

Aber dieses Verbot kümmerte Mahlia nicht. Nicht wenn es um meine Kinder geht, dachte sie verbissen.

Seit sie an Bord gekommen war, hatte sie viel Zeit damit verbracht, ihre Umgebung kennenzulernen. Mahlia wollte nicht in eine Situation geraten, in der sie hilflos war, weil sie sich in diesem Labyrinth von Schiff nicht zurechtfand. Diese umsichtige Planung kam ihr nun zugute. Längst kannte sie genug Nebenkorridore, vor allem in unbewohnten und ungenutzten Bereichen, um verstohlen voranzukommen und der großen Masse an Robotern aus dem Weg zu gehen.

Leider genügte ein einziger, um sie aufzuhalten.

Mahlia schlich um eine Ecke, wo sie in einen Gang vorstoßen wollte, von dem sie wusste, dass er zwei ungenutzte Schiffssektionen verband. Da bemerkte sie zu ihrem Unwillen das Hindernis. Eigentlich waren es sogar zwei: Das eine war die geschlossene Notschleuse, die ihre Wohnsektion der SOL von der benachbarten hermetisch abtrennte. Damit konnte sie umgehen. Jede Schleuse ließ sich aus Sicherheitsgründen manuell überbrücken.

Das andere Problem war der TARA-VI-UH-Kampfroboter, der vor der Schleuse Wache hielt. Der kegelförmige, beinlose Roboter mit der ausdruckslosen Sensorkuppel an der Spitze schwebte stoisch auf seinem Antigravfeld im Korridor und würde jeden aufhalten, der versuchte, an ihm vorbeizukommen.

Eine Diskussion würde ihn nicht interessieren, Mahlias Flehen darum, ihre Kinder sehen zu dürfen, ebenso wenig. Und der Überrangcode, den man verwenden konnte, um den Roboter abzuschalten, war ihr unbekannt.

Mahlia überprüfte die Anzeigen ihres SERUNS und erkannte, dass sie Glück im Unglück hatte. Der TARA war noch nicht in seine Schutzschirme gehüllt. Im Grunde erwartete niemand ernsthaften Widerstand der Besatzung gegen die Abschottung. Ein gut gezielter Waffentreffer konnte den Roboter also wahrscheinlich ausschalten, sie musste nur richtig treffen.

Sie hatte keine Wahl. Ihre Miene verhärtete sich, als sie den Kombistrahler umstellte. Es tut mir leid, aber meine Kinder sind mir wichtiger als du.

Langsam hob sie den Kombistrahler.

»Mahlia Meyun!«, ertönte hinter ihr eine weibliche Stimme.

Sie zuckte zusammen und fuhr herum.

Einige Schritte den Gang hinunter stand Tess Qumisha. Auch die Kommandantin der SOL trug einen SERUN, auch sie hielt einen Kombistrahler in der Hand. Diesen Strahler richtete sie nun auf Mahlia.

Tu das nicht!, bat Mahlia lautlos. Mit Grauen dachte sie daran, dass ihr Strahler im Desintegratormodus war und Qumisha ihren Schutzschirm ebenfalls nicht eingeschaltet hatte. Zwing mich nicht ... dich zu töten.

2.

21. November 1552 NGZ

SOL, im Sphärenlabyrinth

 

Vier Tage vorher:

Der große Holokubus, der über dem Tisch im Besprechungsraum des SOL-Mittelteils hing, zeigte noch immer den dichten, jede Orientierung raubenden Nebel des Sphärenlabyrinths. In diesem Nicht-Ort zwischen den Universen war man unweigerlich verloren, wenn man nicht über außergewöhnliche Hilfe verfügte. Es lag etwas Hypnotisches in diesem wallenden Weiß und zugleich etwas sehr Beunruhigendes, fand Perry Rhodan.

Nicht ohne Grund gehörte Nebel nach Jahrtausenden der Erzählkunst noch immer zu den Standardmotiven vieler terranischer Schauergeschichten. Nebel bedeutete Kontrollverlust und Orientierungslosigkeit – zumindest für die meisten Menschen, die sich sehr auf ihr primäres Sinnesorgan, die Augen, verließen. Und mit der Unfähigkeit, die eigene Umgebung erfassen zu können, ging stets die Angst einher, dass sich etwas Grausiges in diesem dichten, alles verhüllenden Weiß aufhalten mochte. Etwas, das man nicht kommen sehen würde, wenn es sich anschlich, um seine Beute zu schlagen.

Ungeheuer waren nichts, was Perry Rhodan schreckte. Er hatte in seinem langen Leben so viele Monster gesehen, manche abgrundtief hässlich, manche von betörender Schönheit. Vor allem aber hatte er gelernt, dass nicht alles, das wie ein Ungeheuer aussah, tatsächlich eins war. Man durfte sich eben nicht nur auf seine Augen verlassen, erst recht nicht, wenn man durch den Nebel irrte.

Auch die SOL, das legendäre, in sein goldenes Kleid aus Solonium gehüllte Fernraumschiff der Terraner, tat das nicht. Es hätte ihr tatsächlich wenig gebracht, denn all ihre künstlichen Sinne, vom simplen Radar bis zur hoch spezialisierten Ultra-Giraffe, waren in diesem speziellen Nebel blind und nutzlos. Außerhalb der Soloniumhülle war scheinbar absolut nichts.

Rhodan starrte auf das Hologramm, auf die Strukturen, die sich bildeten und wieder vergingen. Es ist wirklich wie ein Nebel, dachte er, und wir sind wie blind.

Es gab, wie Rhodan und die Mannschaft der SOL auf die harte Tour herausgefunden hatten, nur zwei Möglichkeiten, zielgerichtet im Sphärenlabyrinth zu agieren. Von dem geheimen Stützpunkt, den die Ritter der Superintelligenz BARIL im Mauritiussystem in der Galaxis Yahouna errichtet hatten, starteten ständig Schiffe in die Nebel.

Sie alle hatten einen sogenannten Kompanten an Bord. Ein solches Intelligenzwesen, gezüchtet in grausigen Apparaturen, war imstande, das bizarre Netzwerk aus Kugelschalen und flirrenden Lichtbändern wahrzunehmen und für Schiffssysteme abzubilden, was sich in dem weißen Dunst verbarg und das eigentliche Sphärenlabyrinth darstellte.

Der Kompant, den BARILS Stimme der SOL zur Verfügung gestellt hatte, war allerdings direkt nach dem Eintritt in den Nebel gestorben. Glücklicherweise hatten sie Eroin Blitzer an Bord, den Zwergandroiden. Als Bote der Kosmokraten verfügte er über außergewöhnliche Gaben, mit denen er unter anderem die Wahrnehmung der Kompanten simulieren konnte.

Daher saß Blitzer derzeit in der Zentrale der SOL, die SERT-Haube über dem Kopf. Er steuerte das riesige Hantelschiff durch diese unheimliche Zwischendimension auf dem Weg zurück ins heimische Universum.

Rhodan musterte die Zeitanzeige im Hologramm. Wer würde der Erste sein, der bei der Strategiesitzung eintraf? Er hatte sie anberaumt, um das weitere Vorgehen zu planen.

Tatsächlich war Blitzer der Erste – aber nur als Hologramm, das am Tisch materialisierte. »Wo sind die anderen?«, fragte Blitzer ohne Vorrede, obwohl er selbst fünf Minuten zu früh dran war.

»Hier kommen sie schon«, verkündete Roi Danton, der gemeinsam mit Tess Qumisha den Raum betrat. »Sind wir zu spät?«

»Keineswegs«, entgegnete Rhodan. »Unser guter Freund Blitzer ist nur übereifrig.«

»Ah, das beruhigt mich.« Die beiden gesellten sich zu Rhodan und dem Hologramm.

»Es fehlt nur noch A-Kuatond, dann sind wir komplett.« Rhodan argwöhnte, dass die Zentrifaal bewusst etwas zu spät kommen würde. Ohne Diskussion war er ihr – als BARILS Ritterin – als Orbiter zugeteilt worden. Damit war er nun, recht frei übersetzt, ihre »rechte Hand«.

BARILS Stimme war die oberste Entscheidungsgewalt in der Galaxis Yahouna; sie hatte entschieden, dass die SOL der Ritterin als Flaggschiff dienen sollte, bis ihr eigenes repariert worden war. Pikanterweise war es ausgerechnet Rhodan gewesen, der die Schlachtspitze während eines Gefechts stark beschädigt hatte.

Aus diesem Grund war die Beziehung der beiden nach wie vor etwas angespannt, die Führungssituation auf der SOL sowieso. Jedenfalls ließ die Zentrifaal, die im Orden der sieben Ritter BARILS die Rolle der Kriegerin innehatte, keine Gelegenheit ungenutzt, um herauszustreichen, wer aktuell das Sagen hatte.

Auch mit billigen Tricks, ergänzte Rhodan in Gedanken, wie einfach verspätet zu kommen.

Exakt fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt tauchte A-Kuatond auf. Sie bat weder um Entschuldigung, noch erklärte sie ihre Verspätung. Stattdessen nickte die Ritterin zufrieden und baute sich vor den Übrigen auf, als hätte sie diese Besprechung vorgeschlagen – und nicht Rhodan. Sie legte die Krallen- und die Schaufelhand hinter den Rücken und bedachte die Anwesenden mit einem schwer zu deutenden Blick aus dem schwarzen Augenband, das oberhalb ihrer schmalen Nasenschlitze quer über ihr fahles Gesicht lief.

»Sehr gut, es sind alle da«, sagte sie ruhig. »Dann können wir beginnen.«

Rhodan nickte. »Ich schlage vor, dass uns zuerst Mike – ich meine Roi Danton – schildert, welche Ergebnisse sein Ausflug eingebracht hat. Und wie es ihn ins Sphärenlabyrinth verschlagen hat.«

»Einverstanden.« Rhodans Sohn trat an den Holokubus. »Ich habe ein paar Aufnahmen aus unseren SERUNS überspielt, um meinen Bericht zu ergänzen.«

Bilder lösten das weiße Wallen im Holokubus ab. Manche von ihnen kannte Rhodan schon, etwa das der bedrohlich schwarzen, zylindrischen Station mit den seitlich aufgesetzten Noppen. Sie diente als Zentrum der Operation Sphärenlabyrinth und war der Stützpunkt für BARILS Stimme. Andere waren ihm neu, so die Aufnahme vom Innern der Skapalm-Bark, in deren Beiboot sie seinen Sohn, dessen Team und 44 entkommene Gefangene aufgelesen hatten.

»Den Koordinaten folgend, die Perry auf Kessaila gestohlen hat, erreichten wir ein Proto-Sternsystem, das ich Mauritiussystem taufte«, referierte Danton. »Dort fanden wir die Nebelzone, in deren Inneren wir uns gegenwärtig aufhalten. Sie war von zwölf unterschiedlichen Raumstationen umgeben, die an den Eckpunkten eines gedachten Ikosaeders im Raum hingen und mithilfe von röhrenförmigen Aufsätzen Strahlen in den Nebel emittierten.«

Im Holokubus tauchten nacheinander die Raumstationen auf. Manche Aufnahmen waren exakt, andere eher verschwommen.

Danton wies auf den Holokubus. »Was genau sie da treiben, wissen wir nicht. Haben sie die Zone erschaffen? Haben sie nur ein natürlich hier existierendes Phänomen stabilisiert?«

»Da immer von einem Projekt die Rede war, an dem BARILS Ritter arbeiten, halte ich den Zugang zum Sphärenlabyrinth für künstlich geschaffen«, meinte Rhodan.

»Dem stimme ich zu«, ließ sich Blitzer vernehmen.

»Wir entschieden uns, Nachforschungen anzustellen, und kamen, getarnt als falsche Hyperphysiker, auf die Station, die wir S-1 getauft haben.« Danton deutete auf den schwarzen Noppenzylinder. »Wir erkannten, dass BARILS Stimme, in Wahrheit ein Geschöpf namens Haldukass, treibende Kraft hinter diesem Projekt ist. Viel erschreckender jedoch war die Erkenntnis, dass sie offenbar mit Abgesandten der Terminalen Kolonne TRAITOR zusammenarbeitet. Es ist zwar eine von Streit und Argwohn geprägte Partnerschaft, aber eine, die bereits gefährliche Früchte trägt. Damit meine ich diese stabile extrauniversale Portalsektion, wie die Wissenschaftler auf S-1 die Nebelzone nennen. Und die Kompanten, die von den Kolonnen-Anatomen erschaffen wurden, in perversen Experimenten, die Zigtausende Leben kosteten.«

Eine Reihe von verschiedenartigen Lebewesen wurde eingeblendet, teilweise in riesigen Glasbehältern schwebend, an Schläuche angeschlossen und allesamt eher krank wirkend.

Danton hielt kurz inne. »Ist euch allen bewusst, was das bedeutet?«

»Sie bauen irgendeine Art von Transportsystem, das verschiedene Universen miteinander verbindet?«, gab Qumisha in Form einer Gegenfrage zurück.

»Nicht irgendeins. Ein perfektes! Dank der Kompantin, die gerade am Erwachen war, als wir die Skapalm-Bark entführten, konnten wir bis zu einem anderen Ausgang des Sphärenlabyrinths fliegen. Wir erreichten ein Universum, in dem völlig andere Naturkonstanten vorherrschten – ohne den geringsten Strangeness-Schock zu erleben!«

Qumisha wurde bleich. »Das heißt, wenn TRAITOR sich diese Fortbewegungsmethode zunutze macht ...«

»... könnte die Terminale Kolonne praktisch überall auftauchen und wäre sofort einsatzbereit für den Kampf.« Danton nickte finster.

Fürchterliche Vorstellung, dachte Rhodan grimmig. Jeder in der Runde hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht, als sie das Beiboot aufgelesen hatten, das eindeutig eine chaotarchische Bauweise aufwies. Aber nun zeigte Danton, was tatsächlich vor sich ging, in seinem ganzen, schrecklichen Ausmaß.

Eroin Blitzer schlug mit der Hand auf den Tisch. Es gab nicht das geringste Geräusch, der optische Effekt des Hologramms wirkte trotzdem.

»Wir haben genug gehört«, sagte der Androide. »Es gilt sofort zu handeln. Der Befehl lautet: Wir verlassen sofort das Labyrinth und schlagen mit der gesamten Kampfkraft der SOL zu, mit allen Waffen, auch der chaotarchischen. In diesem Moment heiligt der Zweck die Mittel. Unser Ziel ist die Raumstation, auf der Haldukass residiert. Wenn wir danach noch Gelegenheit haben, weitere Stationen zu vernichten, werden wir diese nutzen, und zwar so lange, bis der Widerstand zu groß wird und wir zum Rückzug gezwungen werden.«

»Das werden wir nicht tun.« A-Kuatonds Einwand kam für Rhodan nicht überraschend.

»Wer glaubst du zu sein, dass du mir Befehle geben kannst?«, fragte Blitzer sie spitz.

A-Kuatond richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, womit sie den Zwergandroiden deutlich überragte. »Ich bin eine Ritterin BARILS, und BARIL ist das Herz und die Seele, die Herrscherin und Beschützerin Yahounas. Ich lasse nicht zu, dass BARILS Stimme ein Leid zustößt, bevor ich nicht felsenfest davon überzeugt bin, dass sie Schuld auf sich geladen hat.«

»Ich habe mitbekommen, wie Haldukass mit einem Hoch-Medokogh TRAITORS namens Krefferk verhandelt hat«, erinnerte Danton. »Ich habe Aufzeichnungen davon, die ich dir überspielen kann. Außerdem haben wir ein ganzes Chaosgeschwader Traitanks im Sphärenlabyrinth angetroffen, alle 484 Schiffe, und wir konnten ihm nur mit knapper Not entgehen.«

A-Kuatond hob die linke Hand so, dass der muskulöse Hautlappen wie eine kräftige Schaufel wirkte. Eine Abwehrgeste der Zentrifaal, wie Rhodan wusste.

»Trotzdem kennen wir nicht die ganze Wahrheit«, sagte sie. »Es muss eine sinnvolle Erklärung dafür geben. Es kann nicht sein, dass Haldukass und TRAITOR kooperieren. BARIL verhält sich im Kampf der Hohen Mächte neutral. Das war schon immer so.«

»Für ein Mitglied des inneren Kreises um BARIL weißt du nicht viel über das Handeln eurer Superintelligenz«, stellte Blitzer fest. »Doch ich bin bereit, dich aufzuklären. BARIL war nie neutral. Viele Jahrtausende hat sie die Kosmokraten unterstützt. Sie mag es nicht aktiv und offen getan haben, aber sie hat Yahouna stets den Mächten der Ordnung als heimlichen Rückzugsraum zur Verfügung gestellt. Erst seit zweihundert Jahren zeigt BARIL einen gewissen Widerwillen. Sie mag sich den Kosmokraten nicht widersetzt haben, aber angeblich können ihre Anforderungen nicht mehr vollständig erfüllt werden. Daraufhin haben diese anderen Galaxien die Aufgaben zugewiesen, die zuvor Yahouna übernommen hatte.«