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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2169

 

Das Lichtvolk

 

Sie sind die Guyaam – sie leben im Para-Staub

 

von Leo Lukas

 

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Im April 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hat sich die Lage am Sternenfenster vorerst beruhigt: Der mit technischen Hilfsmitteln gigantischer Natur geöffnete Durchgang in die fremde Galaxis Tradom ist nach wie vor in der Hand der Terraner und ihrer Verbündeten. Alle Angriffe der Inquisition der Vernunft konnten bislang abgewehrt werden.

Über die nächsten Schritte sind sich Perry Rhodan und seine Mitstreiter noch nicht im Klaren. Um dauerhaften Frieden für die Bewohner der Milchstraße zu sichern, müssen sie den Kampf gegen die Herrscher des Reiches Tradom intensivieren. Wie die Menschen das angesichts ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit anstellen sollen, weiß bislang niemand.

Beim Versuch, das letzte Raumschiff der Eltanen zu retten, werden die Terraner von der LEIF ERIKSSON und die Arkoniden von der KARRIBO in eine Raumschlacht mit einer Flotte des Reiches Tradom verwickelt. Gemeinsam mit dem Schiff der Eltanen, an dessen Bord gerade Zeitexperimente abliefen, werden sie in die Vergangenheit geschleudert.

Perry Rhodan und seine Begleiter erkennen, dass sie 160.000 Jahre von der Gegenwart entfernt sind, in einer Zeit vor dem Reich Tradom. Der vorliegende Roman zeigt das Leben in dieser Zeit – in Tradom lebt DAS LICHTVOLK ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Der Lichtlose – Ein besonderer Angehöriger des Lichtvolkes erzählt seine Geschichte.

Panige Kulalin – Ihr viertes Kind bereitet ihr nicht nur Freude.

Enguarti Kulalin – Der Eheling hat nur noch einen Wunsch.

Erünie Zowel – Die Baszmarin tut, was sie verhindern kann.

Zargele, Neraliu und Gigiper Zowel – Eine unheimlich nette Familie.

An einem seltsamen, furchtbaren und faszinierenden Ort, auf unerklärliche Weise jenseits von Zeit und Raum, werden sich zwei mächtige Wesen treffen.

Sie werden einander sehr fremd sein, aber gewissermaßen auch wieder verwandt.

Unvorstellbar große Distanzen trennen ihre Herkunftsorte und – je nach der Zeitrechnung – Zehntausende bis Hunderttausende von Jahren. Dennoch verbindet sie so viel, dass sie einander besser verstehen können als die meisten ihrer jeweiligen Artgenossen.

Eines dieser Wesen wird von großem Kummer erfüllt sein und auch das andere voller Sorge.

Hier, an diesem seltsamen, furchtbaren und ungemein faszinierenden Ort, abseits aller bekannten Kriterien von Zeit und Raum, offenbaren sie sich einander.

»Du, mein Freund, weißt besser als ich, was geschehen sein wird«, sagt der eine. »Ich aber weiß, was geschah und weshalb. Lass mich dir also erzählen, wie alles begann.«

 

 

1.

Das lichtlose Kind

840. Burd 5510 Tha

 

Als mich der Hebamm in ihre Arme legte, brach meine Mutter in lautes Schluchzen aus.

»Das Elend!«, stieß sie unter bitteren Tränen hervor, wieder und wieder: »Das Elend! Das Elend!«

Du musst wissen: Meine Eltern hatten bereits drei Kinder; allesamt Söhne. Diese waren wohlgeraten, gesund und kräftig, auch geistig keineswegs minderbemittelt, ja für Angehörige des männlichen Geschlechtes sogar recht vielversprechend – aber eben doch nur Jungen.

Ach, wie sehr hatten sich Panige Kulalin, meine Mutter, und ihr Eheling Enguarti ein Mädchen gewünscht! Eine Tochter, eine Stammhalterin, die vielleicht einmal in die Fußstapfen ihrer ruhmreichen Vorfahrinnen treten würde. Denn der Name Kulalin besaß seit vielen Generationen einen guten Klang unter den Vaia'Kataan.

Meine Mutter bekleidete einen der verantwortungsvollsten Posten in den Goldenen Kuppeln. Sie liebte ihre anstrengende, doch sehr befriedigende Arbeit.

Auch mit ihrem Eheling, meinem Vater, führte sie eine äußerst harmonische Beziehung. Niemand von den Guyaam aus den Goldenen Kuppeln konnte sich erinnern, die beiden jemals streiten gehört zu haben. Ihre Zufriedenheit war geradezu sprichwörtlich.

»Einträchtig wie Panige und Enguarti«, sagten die Leute.

Ja, ihr Glück war fast vollkommen. Nur eine Tochter fehlte noch.

Versteh mich bitte nicht falsch: Meine Brüder bereiteten ihnen durchaus Freude. Sie wuchsen zu drei hübschen kleinen Kerlchen heran, und es war klar abzusehen, dass Enguarti sie zu braven, vernünftigen, umsichtigen und dabei pflegeleichten Ehelingen erziehen würde.

Doch zugleich wuchs Paniges Sehnsucht nach einer Tochter – umso mehr, je älter Enguarti wurde, je näher der Zeitpunkt rückte, an dem seine Zeugungsfähigkeit nachlassen und schließlich ganz dahinschwinden würde.

Man kann sich daher die Seligkeit der beiden vorstellen, als Panige bemerkte, dass sie noch ein viertes Mal schwanger geworden war.

»Diesmal bekommen wir ein Mädchen!«, rief sie, in allen Farben strahlend vor Zuversicht. »Diesmal gelingt es, ich bin mir ganz sicher. Und ich weiß auch schon einen Namen für sie: die Lichtgeborene.«

Enguarti hatte dagegen nichts einzuwenden. Er widersprach seiner Gemahlin ohnehin fast nie. Wie gesagt, sie waren ein Herz, eine Seele und ein Tymcal-Geflecht.

Aber leider: Paniges Gefühl hatte sie getrogen.

Ihr Wunsch sollte sich nicht erfüllen. Schon die erste vom Hebamm vorgenommene Durchleuchtung ergab, dass auch dieses Kind ein Junge werden würde.

In ihrer Verzweiflung konsultierte Panige heimlich die Genetiker von Kaaf, welche in der Stadt Sivquox eine Vertretung unterhielten.

Die vierarmigen, zweibeinigen, von Insekten abstammenden Wissenschaftler schlugen ihr nach eingehenden, aufwändigen Untersuchungen eine riskante genetische Manipulation vor, die das Geschlecht des Kindes nachträglich verändern sollte.

Dafür verlangten die Kaafyaam einen immens hohen Preis, wegen der zu erwartenden Komplikationen. Immerhin verfügen wir Guyar über eine sehr spezielle Konstitution.

Nun, die Gefährlichkeit des Eingriffs für ihre eigene Gesundheit hätte Panige ebenso wenig abgehalten wie die exorbitante Summe. Gleichwohl schreckte sie letztlich davor zurück.

Nicht, dass sie die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Repräsentanten des Genetischen Kaafix angezweifelt hätte. Deren Leistungen auf ihrem Fachgebiet waren im ganzen Thoregon legendär.

Nein, im Endeffekt gab, denke ich, Paniges Abscheu vor der patriarchalischen Gesellschaft der Insektoiden den Ausschlag: Einer in ihren Augen derart pervers organisierten Lebensform wollte sie das Schicksal ihres Kindes nicht anvertrauen.

Wie auch immer, sie kehrte niedergeschlagen und unverrichteter Dinge heim in die Goldenen Kuppeln.

Enguarti erzählte sie nichts von ihrem Besuch bei den Genetikern von Kaaf.

Zwar hätte Paniges Eheling ihr deswegen sicher keine Vorwürfe gemacht. Das war nicht seine Art. Aber sie wusste, er hätte nächtelang nicht geschlafen vor Sorge, ob nicht bereits die Untersuchungen irgendwelche Schäden verursacht haben könnten.

In solchen Dingen reagierte der Gute manchmal ein wenig hysterisch.

Freilich war auch Panige erleichtert darüber, dass die weitere Schwangerschaft problemlos verlief. Sie begann das Kind in ihrem Bauch lieb zu gewinnen. Als der Geburtstermin kam, hatte sie sich mehr oder minder damit abgefunden, dass sich ihre Hoffnungen auf eine Nachfolgerin nun wohl nie mehr erfüllen würden.

Was soll's, dachte sie bei sich, während der Hebamm in der Medostation die letzten Vorkehrungen traf. Siv'Kaga braucht nicht nur Vaia'Kataan, sondern auch weniger hoch qualifizierte Kräfte. Vielleicht wird der Kleine ein Sekretär, ein Geflechtpfleger, ein Grundschullehrer oder Kinderkrippner wie sein Vater. Ist doch egal, solange er gesund ist und sich seines Lebens freuen kann.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alle Instrumente optimale Werte anzeigten, leitete Panige die Geburt ein. Diese ging schnell und schmerzlos vonstatten, ganz normal wie immer. Panige genoss das Erlebnis dieses ebenso archaischen wie immer aufs Neue sensationellen Vorgangs.

Doch als das Kind dann erschien, wurde sie jäh aus ihrer hormonell induzierten Euphorie gerissen.

Die Augen des Hebamms, die zuvor in beruhigend kühlem Hellblau gestrahlt hatten, weiteten sich und glühten dunkel auf vor Schreck. Sein Mund verzog sich zu einer Grimasse, sodass die spitzen, dreieckigen, perlmuttfarbenen Zähne sichtbar wurden.

Vor allem jedoch veränderte sich schlagartig seine Aura.

Aufgrund ihrer gesteigerten Parafühligkeit konnte Panige das hyperphysikalische Kraftfeld, das den Hebamm wie jeden Guyar umgab, sehr genau interpretieren. Blankes Entsetzen kam darin zum Ausdruck.

»Was ist?«, rief sie beklommen. »Was ist mit meinem Kind?«

»Es ... lebt«, antwortete der Hebamm stockend. »Aber es ... es leuchtet nicht.«

 

*

 

Du wirst die Bestürzung nachvollziehen können, die Panige bei dieser Eröffnung empfand, wenn du Folgendes über uns weißt.

Man nennt uns nicht umsonst Guyar, die Leuchter, oder Guyaam, das Lichtvolk. Unsere Körper sind semitransparent und senden Licht in allen Farben des Spektrums aus. Und zwar umso mehr und heller, je höher unsere körperliche oder mentale Aktivität ist.

Zum einen produzieren nämlich viele unserer zellulären Prozesse eine spezielle Form von Biolumineszenz, die auf der permanenten Fluktuation von Para-Staub zwischen dem verstofflichten und dem freien hyperenergetischen Zustand beruht.

Diese mikroskopisch kleinen Staubpartikel heißen in unserer Sprache Tymcal.

Zum anderen besitzen wir zwar ein Gehirn, das – wie bei vielen anderen Humanoiden auch – im Kopf angesiedelt ist; doch werden zahlreiche bewusste und unbewusste Denkvorgänge in das so genannte Tymcal-Geflecht ausgelagert, das sich in feinsten Verästelungen durch den ganzen Körper zieht und am hellsten leuchtet.

Auch Nervenreize werden vorzugsweise durch Lichtsignale weitergeleitet. Natürlich lässt sich ein einzelner solcher Mikroimpuls kaum erkennen. Die kumulative Aktivität indessen wird deutlich sichtbar.

Nun begreifst du, nicht wahr?

Ein Guyar, der nicht leuchtet, ist kein Guyar. Er gehört nicht zum Guyaam.

Paniges Neugeborener bewegte sich wohl. Er zappelte unkontrolliert mit den blutigen Gliedmaßen. Er atmete, brüllte mit seinem dünnen, hohen Stimmchen, sobald Enguarti und der Hebamm die Nabelschnur durchtrennt hatten.

Aber er leuchtete nicht. Dunkel wie die finstere, mondlose Nacht erschien sein kleiner Leib.

Als ihn der Hebamm in Paniges Arme legte, brach sie in lautes Schluchzen aus, und Enguarti, ihr treuer Eheling, weinte mit ihr.

Ihr viertes Kind schien ein Kind ohne Geist und ohne Seele zu sein, wahrscheinlich gar nicht lebensfähig oder höchstens für wenige Gefrin.

»Das Elend! Das Elend!«

Waren es die heimlichen Untersuchungen durch die Genetiker von Kaaf, wird sich Panige in jenen schrecklichen Augenblicken gefragt haben, die dieses Unheil angerichtet haben? Oder ist der Grund möglicherweise in Enguartis relativ hohem Alter zu suchen? Ach Heilige Mutter VAIA, womit habe ich das verdient? War ich dir nicht immer eine gute, pflichtbewusste Ingenieurin, wie so viele Kulalins vor mir?

Ihr Eheling beugte sich herab und umschlang mit einer unbeholfenen, linkisch wirkenden Bewegung Mutter und Sohn.

Er rang nach Worten, brachte nichts heraus. Das war einerlei. Panige verstand auch so, was er ihr mitteilen wollte: Er würde immer zu ihr halten und zu diesem armen, missgestalteten Kind.

Sie drückte ihren Eheling an sich, strich ihm zärtlich über die vorgewölbte Stirn, den Nacken, die bebenden Schultern.

Da gab das Neugeborene zwischen ihnen ein lautes Stöhnen von sich.

Enguarti fuhr auf. »Das Kind!«, rief er erschrocken. Er riss das zierliche, dunkle Wesen hoch.

Auch Panige griff nach ihrem jüngsten Sohn. Zusammen hielten sie ihn, während sich der kleine Körper verkrampfte, wie in einem letzten Aufbäumen des Todeskampfes.

Dann geschah das Wunder.

Vom Herzen her zuckte ein Blitz durch den plötzlich transparenten Leib, verästelte sich dutzendfach, hundertfach, bis in die Spitzen der winzigen Finger und Zehen.

Und der junge Guyar begann zu strahlen. So hell leuchtete er, so intensiv und farbenprächtig, wie man es selten zuvor bei einem Neugeborenen des Lichtvolks gesehen hatte.

Welch eine Erleichterung! Welch eine Freude!

Nicht nur die Eltern heulten vor Glück. Auch der alte Hebamm, der gewiss schon viel erlebt hatte, und seine Assistenten konnten sich lange Zeit nicht fassen. Hemmungslos ließen die Guyar in der Medostation ihren Gefühlen freien Lauf. Über sämtliche sichtbaren Körperteile im Raum spielten Feuerwerke von lichten, heiteren Farben.

Am hellsten aber, so berichten einmütig alle, die damals dabei gewesen sind, leuchtete das Kind.

Panige und Enguarti Kulalin gaben ihm – mir – den Namen »Lichtlos Geborener«, was in unserer Sprache heißt: Anguela.

2.

Unter den Goldenen Kuppeln

840. Burd 5513 Tha

 

Ich muss nicht lange nachdenken, wenn ich dir das einschneidendste Erlebnis meiner frühen Kindheit nennen soll.

Das war die Burdrin, an der ich hinaus in die Kälte ging.

Doch gestatte mir bitte, dass ich etwas weiter aushole. Wir haben hier ja alle Zeit der Welt und zugleich keine mehr ... Das Verhängnis lässt sich nicht aufhalten, die größte aller vorstellbaren Katastrophen nicht mehr ungeschehen machen. Nur ein wenig abschwächen, vielleicht, in ferner Zukunft.

Und dafür könnte sich manche Information aus der Vergangenheit als nützlich erweisen, die auf den ersten Blick nebensächlich erscheint. Darum verspreche ich dir, gut Acht zu geben, damit ich nichts zu erzählen vergesse.

Die ersten Eindrücke, an die ich mich bewusst erinnere, waren ... Schmerzen. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein, obwohl es sich eher um ein psychisches denn physisches Phänomen gehandelt hat.

Jedenfalls meine ich nicht aufgeschlagene Knie oder ähnliche Folgen kleiner Unfälle, wie sie beim Herumtollen mit Gleichaltrigen im Spielhof nun einmal nicht ausbleiben. Auch nicht die Begleiterscheinungen der üblichen Kinderkrankheiten wie beispielsweise Zahnpein oder Pusteljucke.

Nein, was mir von klein auf zu schaffen machte, war eine stark ausgeprägte, permanente Überempfindlichkeit, vor allem gegen Lärm und Gerüche.

Das wirkte sich sehr unangenehm aus.

Von Anfang an wurde mir der Aufenthalt im Spielhof durch das schier pausenlose Geplärr und Gejohle der anderen Jungen vergällt.

Weil ich mich, um der Qual der viel zu schrillen Geräusche zu entgehen, immer wieder in ruhigere Ecken zurückzog, galt ich schnell als Eigenbrötler und Spielverderber.

Zudem war ich schwächlich, geradezu untergewichtig; dies als Folge der Schwierigkeiten, die mir die meisten der Gerichte und Getränke aus der Gemeinschaftsküche unserer Kuppel bereiteten. Fast alle erschienen mir zu scharf, zu aufdringlich gewürzt. Oder sie stanken überhaupt so grässlich, dass ich beim geringsten Hauch mit dem Brechreiz kämpfte.

»Armer kleiner Anguela«, tröstete mich mein Vater mitleidsvoll, als ich vor diesen gnadenlos auf mich einhämmernden Sinneseindrücken wieder einmal aus dem Speisesaal oder dem Spielhof in seine starken und doch so zärtlichen Arme geflüchtet war.

»Glaub mir, mein Goldbub«, raunte er mir ganz leise ins Ohr, »wir tun, was wir können, um eine Diät aufzutreiben, die du besser verträgst. Und wir bemühen uns, ein geschütztes Umfeld für dich einzurichten. Doch das ist nicht so einfach, trotz der angesehenen Position und des guten Verdienstes deiner Mutter. Wir sind nur wenige tausend Guyaam in den Goldenen Kuppeln und fern der alten Heimat. Ja, auf Caldera, da wäre das kein Problem. Dort ist für so außergewöhnlich hypersensible Personen wie dich vorgesorgt. Aber hier in Siv'Kaga stellst du den ersten derartigen Fall in vielen Generationen dar.«

Damals verstand ich noch nicht, was er meinte. Doch war mir klar, dass ich anders war als die übrigen Kinder. Denn die hatten keinerlei Probleme mit Lärm und Gestank – ja sie legten es sogar darauf an, möglichst viel zusätzlich zu produzieren.

Noch heute schaudert mich, wenn ich daran denke.

Auch begann ich bald – viel früher als die anderen –, sehr intensiv Dinge zu fühlen, die man nicht sehen, hören, riechen, schmecken oder ertasten konnte, sondern die ich einfach ... spürte.

In mir. In meinem ganzen Körper, wiewohl sie ihren Ursprung eindeutig außerhalb hatten!

»Das ist Tymaxul«, versuchte mir mein allzeit geduldiger Vater zu erklären, der merkte, dass mich diese Empfindungen erschreckten, »die Hyper- oder Parafühligkeit, die uns Guyaam zu Eigen ist. Als Empfängerorgan für die ultrahochfrequente Hyperstrahlung dient unser Tymcal-Geflecht. Und du, mein Goldener, besitzt offenbar die Gabe der Tymaxul in ganz erstaunlich hohem Ausmaß. Du bist begnadet, Anguela, wie sich ja bereits bei deiner Geburt gezeigt hat.«

Ich selbst empfand das alles jedoch keineswegs als Geschenk, sondern im Gegenteil als Belastung.

Ich hätte viel darum gegeben, nichts Besonderes zu sein, sondern ganz normal.

Lange Zeit später, als Erwachsener, las ich einmal ein Buch mit dem Titel »Die Tragödie des begabten Sohnes«. Darin fand ich die tröstliche Auskunft, dass es zu vielen Zeiten, an vielen Orten, vielen verschiedenen Intelligenzwesen ähnlich wie mir ergangen ist oder sogar noch immer ergeht.

Damals aber, unter den Goldenen Kuppeln, fühlte ich mich sehr allein.

 

*

 

Die Kuppeln. Ein gutes Stichwort.

Da ich in Siv'Kaga zur Welt gekommen war, erschienen mir die Verhältnisse in der Kuppelstadt alltäglich und nicht weiter bemerkenswert. Was es damit auf sich hatte, erkannte ich erst, als ich Siv'Kaga zum ersten Mal verließ.

Natürlich geschah das an der Hand meines Vaters. Wie allen Ehelingen oblag auch Enguarti die Kinderbetreuung praktisch zur Gänze allein.

Die Mütter hatten kaum Zeit dafür. Früh am Morgen verließen sie die Wohnsuiten, und erst spät am Abend kamen sie von ihren überaus aufreibenden Tätigkeiten wieder dahin zurück. Auch in den Gefrin oder Burdrin, die eigentlich der Muße und Rekreation gewidmet waren, hatten sie nicht selten Wichtigeres zu tun. Sie besetzten schließlich die Führungspositionen; ohne sie hätte der Planet aufgehört, sich zu drehen. So ähnlich stellten sie es zumindest dar.