Evatt, Cris Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus

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Für Dave

 

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Maria Zybak

 

© Chris Evatt 1992, 1993
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Opposite Sides of the Bed«, Conari Press, Berkeley
Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München 1994
Covergestaltung: semper smile, München,
nach einem Entwurf von ZERO, München
Covermotiv: G. Schuster/ Zefa, Düsseldorf

 

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Vorwort

Was ist Liebe? Ist es Liebe, einen Menschen nur dann zu akzeptieren und zu schätzen, wenn er unsere Erwartungen erfüllt? Ist es Liebe, einen Menschen unseren Wünschen entsprechend zu ändern, statt ihn nach seinen Vorstellungen sein zu lassen? Ist es Liebe, sich um einen Menschen zu kümmern oder ihm zu vertrauen, weil er so denkt oder fühlt wie wir?

Nichts von alledem ist wahre Liebe. Wahre Liebe stellt keine Bedingungen. Sie weiß einen Menschen so gelten zu lassen und zu schätzen, wie er ist. Bedingungslose Liebe ist jedoch nicht möglich, ohne dass wir unsere Unterschiede, die individuellen wie die geschlechtsspezifischen, sehen und akzeptieren.

Es kann uns ein Trost sein zu erfahren, dass Geschlechtsunterschiede normal sind und wir mit ihnen rechnen müssen. Es ist eine Erleichterung zu wissen, dass Frauen und Männer tatsächlich anders reden, denken, fühlen, wahrnehmen, reagieren, lieben, verstehen und unterschiedliche Bedürfnisse haben. Indem wir die Gültigkeit dieser und anderer Unterschiede anerkennen, können wir konstruktive Lösungen suchen, wenn Probleme auftauchen. Das Ergebnis werden glücklichere, befriedigendere Beziehungen sein!

In Cris Evatts Buch werden die Geschlechtsunterschiede in eleganter und doch einfacher Weise erklärt. Ich empfehle ihr Buch in meinen Partnerschaftsseminaren, denn es enthält viele hilfreiche Daten und ergänzt mein Buch Männer sind anders. Cris hat Informationen und Zitate aus vielerlei Quellen zusammengetragen, von anerkannten Wissenschaftlern bis zu beliebten Humoristen. Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus ist nicht nur informativ, es ist mit viel Witz und Humor geschrieben, wird Sie keine Minute langweilen und, hoffentlich, die Spannungen zwischen den Geschlechtern abbauen helfen.

John Gray, Dr. phil.

Ihre Seite, seine Seite

Männer und Frauen sind verschieden. Wir alle wissen das. Aber erst jetzt beginnen wir zu verstehen, wie verschieden. »Erst wenn wir Männer und Frauen so betrachten, als würden sie zwei verschiedenen Arten angehören«, sagt Tim Clutton-Brock, Ökologe an der Cambridge University, »können wir annähernd verstehen, warum sich die Geschlechter in Anatomie, Physiologie und Verhalten so sehr unterscheiden.«

Warum sind Männer und Frauen verschieden? Mit letzter Sicherheit kann das niemand sagen. Sowohl Biologie wie auch Soziologie spielen eine Rolle. Was mehr dazu beiträgt, ist jedoch heiß umstritten. In den 70er Jahren, schreibt Christine Gorman in der Time vom 20. Januar 1992, »war die Diskussion über angeborene Unterschiede absolut out, ja sogar tabu«. Unterschiede wurden als sozial bedingt angesehen, als ein Produkt der geschlechtsspezifischen Konditionierung. Jetzt scheint das Pendel in die andere Richtung zu schwingen, weil »die Beweise für angeborene geschlechtliche Unterschiede immer mehr wurden«, sagt Gorman. Wortführer dieser biologischen Revolution sind Anne Moir und David Jessel, die Autoren von Brain Sex: »Die Gesellschaft, in der wir aufwachsen, beeinflusst uns zwar, im Wesentlichen aber durch Verstärkung unserer naturgegebenen Unterschiede.«

Andere Experten vertreten weiterhin die Ansicht, die Erziehung habe einen größeren Einfluss als die Gene, und was als angeboren wahrgenommen wird, sei eigentlich ein Rest an kultureller Konditionierung. Feministinnen wie Carol Tavris und Barbara Ehrenreich weisen warnend darauf hin, dass solche biologisch begründeten Postulate wieder einmal die Wahlmöglichkeiten von Frauen einschränken und sie möglicherweise eine Reaktion auf die sozialen Veränderungen sind, die die Frauen in den vergangenen 30 Jahren in Gang gebracht haben.

Ich will nicht behaupten, dass ich alle Antworten kenne. Die Diskussion wird vermutlich unvermindert heftig weitergehen; was ich hier versuche, ist eine ausgewogene Darstellung, bei der beide Seiten vertreten sind. Die Unterschiede an sich sind es, die mich interessieren. Ich habe sieben Jahre lang die Geschlechtsunterschiede erforscht, im Anschluss an die Veröffentlichung meines Buches The Givers and the Takers. Während des Schreibens begann mich dieses Thema immer mehr zu faszinieren, und ich sammelte jeden Artikel und jedes Buch, das ich dazu finden konnte. Mir wurde klar, dass sich genaue Aussagen über Geschlechtsunterschiede machen lassen und vieles von dem, was uns beim anderen Geschlecht Probleme macht, auf einige wenige grundlegende Unterschiede zurückgeführt werden kann. Ich habe festgestellt, dass Geschlechtsunterschiede oft zu Konflikten und Verwirrung in Liebes- und Eltern-Kind-Beziehungen und am Arbeitsplatz führen. »Als erstes erläutere ich in der Therapie immer, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn sie nicht erkannt werden, zu Problemen führen können«, sagt ein auf Partnerschaftsfragen spezialisierter Psychotherapeut.

Die Scheidungsrate liegt bei 50 Prozent, und nichts deutet auf einen Rückgang hin. »Missverstandene Geschlechtsunterschiede sind einer der wichtigsten Scheidungsgründe«, sagt Dr. Howard Markman, Direktor des Zentrums für Ehe- und Familienstudien an der University of Denver. Ich hoffe sehr, dass es zum besseren Verständnis zwischen Männern und Frauen beiträgt, wenn die geschlechtsspezifischen Unterschiede hier in komprimierter Form klar und deutlich dargestellt werden.

Die Bandbreite der Unterschiede

Nach dem Gesagten ist wohl ein entscheidender Einspruch vonnöten. Kein Mann ist wie der andere, keine Frau wie die andere. Es gibt keine zwei identischen Daumenabdrücke, Schneeflocken oder Blätter, und ebenso ist jeder Mensch einmalig, einzig in seiner Art und unwiederholbar. Dennoch liegt unserer Einzigartigkeit etwas Allgemeingültiges zugrunde – unsere geschlechtsspezifische Persönlichkeit. Wir sind in unterschiedlichem Maß männlich oder weiblich geprägt. Wenn wir diese Facetten der Persönlichkeit verstehen, werden wir mehr Verständnis für uns selbst und den anderen haben.

Sie sollten beim Lesen dieses Buches immer daran denken, dass es sich bei den Beschreibungen von Frauen und Männern stets um Verallgemeinerungen handelt. Keine(r) passt genau in dieses Schema. Ihre Freundin Barbara liebt vielleicht Sport und Spiel über alles (eine typisch »männliche« Eigenschaft), während Rick sehr einfühlsam ist (eine typisch »weibliche« Eigenschaft). Zudem werden Sie immer wieder auf Menschen treffen, die absolut die Ausnahme sind – Männer mit insgesamt eher weiblichen Eigenschaften und Frauen mit eher männlichen Charakterzügen. Darauf sollten Sie vorbereitet sein.

Verallgemeinerungen sind immer Durchschnittswerte – sie sagen viel über eine große Gruppe von Menschen aus, aber sehr wenig über den einzelnen.

Bei diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden sind auch weder die soziale Schicht, die Rasse noch die ethnische Gemeinschaft berücksichtigt – wir sehen das Ganze wiederum nur aus einer Warte, nämlich der, was die weiße Gesellschaft als Männlichkeit oder Weiblichkeit definiert. Und es ist wichtig zu wissen, dass viele dieser Verhaltensmerkmale sich herausbilden, während der einzelne erkundet, was Mann- oder Frausein bedeutet.

Verallgemeinerungen können auch gefährlich sein, wie Deborah Tannen, Autorin von Du kannst mich einfach nicht verstehen im New Age Journal betont: »Aber ganz besonders leiden die Frauen darunter, wenn wir die Unterschiede nicht deutlich machen, denn wir haben eine Norm in diesem Land – und diese Norm legt den Mann als Maßstab zugrunde.« Diesen unseren unterschiedlichen Blickwinkeln will Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus Rechnung tragen.

Dieses Buch ist ein Nachschlagewerk

Es wurde für viel beschäftigte Frauen und Männer geschrieben und so konzipiert, dass Sie bei Bedarf schnell etwas nachlesen können, denn jedes Thema wird auf zwei Seiten zusammengefaßt behandelt – als eine Sammlung von Daten aus einer Vielzahl von Quellen. Die hier ausgewählten Themen tauchen in Magazinen, Zeitungen, Fachzeitschriften und bei Talkshows im Fernsehen häufig auf.

Jeder der 60 Unterschiede ist durch einschlägige Forschungsergebnisse belegt und durch interessante Zitate und Tipps zum Umgang mit dem anderen Geschlecht (oder wie Sie das Problem für sich selbst lösen) ergänzt. Am Schluss jedes Themenbereiches finden Sie unter einer Überschrift wie »Zur Vertiefung des Themas« einfache Vorschläge, Literatur und Filmempfehlungen und Hinweise zu Workshops. Die meisten der Bücher, die ich hier empfehle, sind für Frauen geschrieben, einfach weil es für Männer weniger gibt. »Selbsthilfebücher werden häufiger von Frauen als von Männern gelesen«, sagt die Psychologin Penelope Russianoff. »Frauen bringen Männer häufiger zu Beratern oder in die Therapie als umgekehrt.«

Verlassen Sie sich nicht auf ein bestimmtes Buch allein, auch nicht auf das Ihnen vorliegende. Jeder Autor ist voreingenommen und hebt verschiedene Punkte besonders hervor. Lesen Sie die Arbeiten mehrerer Autoren, dann werden Sie dem ein gutes Stück näher kommen, was Männlichkeit und Weiblichkeit ausmacht.

Dieses Buch will Frauen nicht dazu drängen, mehr wie Männer zu werden, und ebenso wenig Männer, sich mehr den Frauen anzugleichen. Es geht darum, uns die geschlechtsspezifischen Wesenszüge zu bewahren, die uns von Nutzen sind – sowohl individuell wie kollektiv gesehen –, und die zu ändern oder abzulegen, die uns im Wege stehen. Lyn Nesbit schreibt in der Zeitschrift Self: »Ich sehne mich nach einer Welt, in der Männer und Frauen problemlos und generös zu ihren unterschiedlichen Sichtweisen stehen können und erkennen, wie bereichernd und nicht bedrohlich diese Unterschiede sein können.«

Ich stimme ihr von ganzem Herzen zu.

Cris Evatt

Wie gut kennen Sie Frauen und Männer?

Hier ein kleines Quiz zu den Geschlechtsunterschieden. Machen Sie es jetzt gleich, damit Sie sehen, wie gut Sie über Männer und Frauen Bescheid wissen und beantworten Sie die Fragen mit richtig oder falsch. Die Antworten finden Sie im folgenden Kapitel.

  1. Frauen haben eine direktere Ausdrucksweise als Männer.
  2. Männer holen sich eher bei anderen Hilfe als Frauen.
  3. Frauen versuchen andere eher zu verändern als Männer.
  4. Männer sind eifersüchtiger als Frauen.
  5. Frauen geben mehr mit ihren Erfolgen an als Männer.
  6. Respektiert zu werden ist für Frauen besonders wichtig.
  7. Männer brauchen mehr »Freiraum«-Zeit für sich allein – als Frauen.
  8. Frauen können mit Stress besser umgehen als Männer.
  9. Männer suchen stärker Anerkennung von anderen als Frauen.
  10. Durch Einschüchterung gewinnen ist eine männliche »Tugend«.
  11. Frauen sind entschlussfreudiger als Männer.
  12. Männer geben lieber Befehle als Frauen.
  13. Frauen entschuldigen sich häufiger als Männer.
  14. Männer erzählen mehr Witze und Anekdoten als Frauen.
  15. Bei öffentlichen Diskussionen führen normalerweise Frauen das Wort.
  16. Männer nehmen Äußerungen eher wörtlich als Frauen.
  17. Frauen riskieren körperlich mehr als Männer.
  18. Männer reden öfter über ihre Gefühle als Frauen.
  19. Frauen machen sich viel mehr Sorgen als Männer.
  20. Männer reden lieber über Dinge als über Menschen.
  21. Frauen gehen verbalen Auseinandersetzungen eher aus dem Weg als Männer.
  22. Männer liegen anderen mit Bitten öfter in den Ohren als Frauen.
  23. Frauen unterbrechen andere mehr als Männer.
  24. Männer tratschen mehr als Frauen.
  25. Frauen wollen lieber verheiratet sein als Männer.
  26. Männer telefonieren häufiger als Frauen.
  27. Frauen haben eine lebhaftere Mimik als Männer.
  28. Männer neigen sich dem Gesprächspartner in der Körperhaltung mehr zu als Frauen.
  29. Frauen haben ungefähr ein Zehntel der Testosteronmenge von Männern.
  30. Männer reden mehr über Gesundheitsthemen als Frauen.

Ihr Testergebnis

Hier die Auflösung zu dem Test:

  1. Falsch
  2. Falsch
  3. Richtig
  4. Falsch
  5. Falsch
  6. Falsch
  7. Richtig
  8. Richtig
  9. Falsch
  10. Richtig
  11. Falsch
  12. Richtig
  13. Richtig
  14. Richtig
  15. Falsch
  16. Richtig
  17. Falsch
  18. Falsch
  19. Richtig
  20. Richtig
  21. Richtig
  22. Falsch
  23. Falsch
  24. Falsch
  25. Richtig
  26. Falsch
  27. Richtig
  28. Falsch
  29. Richtig
  30. Falsch

Super………………… 28–30 richtige Antworten

Gut …………………… 25–27 richtige Antworten

Passabel …………… 21–24 richtige Antworten

Die Grundlagen

♀♂ Der wichtigste aller Unterschiede

Frauen sind mehr auf andere bezogen, Männer eher selbstbezogen

Frauen erleben sich in erster Linie in Beziehung zu den Menschen in ihrem Umfeld, und ihr Selbstgefühl kommt aus dieser Bezogenheit. Frauen orientieren sich gewöhnlich mehr nach außen, und sie haben ein geradezu unerschöpfliches Interesse für andere und ihre Bedürfnisse. Eben das macht Frauen zu so guten Müttern, Partnern und Freunden. Sich um andere zu kümmern, ist ein derart starker weiblicher Charakterzug, dass eine Frau es oft sogar zu ihrem eigenen Schaden macht. Dem trägt auch das Konzept der Co-Abhängigkeit Rechnung, das sich inzwischen durchgesetzt hat. »Das größte Problem einer Frau in einer Beziehung ist, ihr Selbstgefühl zu halten, während sie sich so sehr darum bemüht, die Bedürfnisse anderer zu erfüllen«, schreibt John Gray.

Männer hingegen denken, handeln und fühlen auf eine Weise, die zeigt, dass das Selbst an erster Stelle steht und andere Menschen sekundär sind. In der Tat bezieht ein Mann sein Selbstgefühl daraus, wie viele Forscher belegen, dass er sich in einem Prozess der Individuation mit anderen misst. Diese Selbstbezogenheit erlaubt es einem Mann, in der Welt mit Entschlossenheit und Selbstvertrauen zu handeln. Deshalb müssen Männer, um anderen nahe zu sein, psychisch eine größere Distanz überwinden als Frauen. »Die größte Schwierigkeit für einen Mann ist, seine Neigung zur Selbstbezogenheit zu überwinden«, sagt Gray.

Natürlich lässt sich der einzelne Mann, die einzelne Frau nicht unter dem einen oder anderen Extrem einstufen. Frauen neigen dazu, stark, mäßig oder nur wenig auf andere bezogen zu sein, während Männer dazu tendieren, stark, mäßig oder geringfügig selbstbezogen zu sein. Und bei beiden Geschlechtern gibt es manche, die sich eher wie Mitglieder des jeweils anderen Geschlechts verhalten.

Was ist besser? Weder das eine noch das andere, obwohl zu allen Zeiten die männliche Wesensart als wertvoll und Frauen als unzulänglich betrachtet wurden. Erst seit wenigen Jahren wird die Art von Frauen langsam als anders angesehen und nicht als zweitklassig.

Auf persönlicher Ebene können Probleme entstehen, wenn ein starkes Selbstgefühl mit einem schwach entwickelten Gefühl für andere gekoppelt ist; das Selbst wird dann oft zu fordernd, was zum Missbrauch anderer führen kann. Entsprechend kann ein starkes Gefühl für andere, gekoppelt mit einem schwachen Selbstgefühl, zur Folge haben, dass das Selbst schwach und ängstlich und leicht zertrampelt wird. Am besten ist ein ausgewogenes Bewusstsein seiner selbst und anderer.

Es beginnt schon sehr früh

Die weibliche Bezogenheit auf andere belegt eine faszinierende Studie zum Thema Wahrnehmung, die in den 70er Jahren durchgeführt wurde. Eine Gruppe von Kindern bekam spezielle Brillen, mit denen sie auf dem linken und rechten Auge gleichzeitig verschiedene Bilder sahen. Alle bekamen das gleiche zu sehen, aber die Jungen zählten wesentlich mehr Objekte auf, die Mädchen nahmen mehr Menschen wahr.

Interessante Zitate

Es kommt noch einiges

Die weiblichen Charakterzüge in diesem Buch bestätigen den allgemeinen Schluss, dass Frauen ihre Aufmerksamkeit mehr auf andere richten. Ebenso liefern die männlichen Eigenschaften konkrete Beispiele dafür, dass Männer vorrangig auf sich selbst bezogen sind. Fragen Sie sich beim Lesen immer wieder: »Inwieweit bestätigt das die Grundprämisse?«

♀♂ Zu nah auf der Pelle

Frauen brauchen in Beziehungen mehr Nähe,
Männer mehr Abstand

Wie oft haben Sie nicht schon gelesen oder gehört, dass Frauen sich über emotional sehr zurückhaltende Männer beklagen? »Kühl« ist eines der Worte, mit denen Männer beschrieben werden, die »Mauern« um sich errichten. Das Bedürfnis, die Nähe zu anderen zu kontrollieren, scheint generell ein typisch männliches Merkmal zu sein. Den Autoren von Brain Sex zufolge »machen es die undurchdringlichen und starren Ich-Grenzen Männern schwer, die Art von Intimität zuzulassen, die Frauen als selbstverständlich betrachten«.

Umgekehrt fühlen sich Frauen stark zu anderen Menschen hingezogen und wünschen sich in Beziehungen meist mehr Nähe, Verbundenheit und Intimität als Männer. Selbst von der Körperhaltung her wenden sie sich anderen mehr zu als Männer: Die Psychologin Shirley Weitz zitiert in ihrem Buch über nonverbale Kommunikation mehrere Studien, die belegen, dass Frauen sich in der Körperhaltung wesentlich stärker zu anderen hin orientieren als Männer.

Das weibliche Bedürfnis nach Intimität ist von Frau zu Frau unterschiedlich, ebenso wie das männliche Bedürfnis nach Abstand. Echte Probleme ergeben sich, wenn extreme Klammerer mit extremen Distanzierern zusammenkommen. Oder wenn Frauen unrealistische Erwartungen in Bezug auf Intimität und Männer unrealistische Erwartungen in Bezug auf Abstand haben. »Wichtig ist, dass einen das Maß an Intimität, das man hat, zufriedenstellt. Jede Beziehung bestimmt ihr eigenes Maß an Intimität. Es gibt kein optimales Maß«, sagt James M. Harper, Dr. phil., Familientherapeut an der Brigham Young University.

Unterstützende Studien

Einige Studien lassen vermuten, dass das männliche Bedürfnis nach Abstand auch eine biologische Komponente hat:

Kommt Ihnen einer dieser Typen bekannt vor?

Manche Männer haben ein extremes Bedürfnis nach Distanz, das sich in einer von zwei Persönlichkeitstypen manifestieren kann. Frauen, auf die diese Beschreibungen zutreffen, gibt es weniger.

♀♂ Einen Schritt vor, zwei zurück?

Männer haben vor allem Angst vorm Aufgefressenwerden, Frauen vor dem Verlassenwerden

»Ich fühle mich erdrückt!« Ihr Bedürfnis nach Distanz macht Männer empfindlicher gegenüber der Gefahr, von anderen aufgefressen zu werden. Sie können nur ein bestimmtes Maß an Nähe – Reden, Zärtlichkeit, Zuneigung, Zusammensein – verkraften, und wenn dieses Maß überschritten wird, ziehen sie sich meistens zurück. Allerdings wissen die meisten Männer nicht, wie sie es Frauen sagen sollen, dass sie sich erdrückt fühlen und mehr Abstand brauchen. Sie fühlen sich einfach unbewusst unter Druck gesetzt und versuchen, aus dieser Situation möglichst schnell herauszukommen. Sie vergraben sich hinter der Zeitung, gehen mit den Kumpels auf ein Bier, flüchten sich in Schweigsamkeit oder Überstunden – alles, um mehr Freiraum zu bekommen.

Frauen fühlen sich oft alleingelassen, wenn Männer sich in dieser Weise entziehen; es läuft ihrem Bedürfnis nach Intimität zuwider, wenn Männer sich distanzieren. Wenn sie unter Stress stehen, gehen sie meist auf den Mann zu und wollen von ihm Nähe oder Trost. Verlassenheitsgefühle – Einsamkeit, Traurigkeit, Verzweiflung, Angst usw. – sind das naturgemäße Resultat, wenn man andere zu seinem wichtigsten Bezugspunkt macht. Wenn Frauen sich über und durch Beziehungen definieren, ist es nur natürlich, dass sie leiden, wenn Männer sich distanzieren.

Frauen neigen auch dazu, sich selbst die Schuld für das Verhalten von Männern zu geben. Anstelle der Erkenntnis, dass dieses Verhalten auf einem tief verwurzelten Geschlechtsunterschied beruht, steht das Gefühl, selbst schuld daran zu sein: »Er liebt mich nicht! Was mache ich falsch?« Frauen haben aber überhaupt nichts »falsch gemacht«, wenn Männer sich distanzieren wollen. Es ist wirklich dieser grundlegende Unterschied, der sich hier auswirkt. Carol Gilligan, die Autorin von Die andere Stimme, schreibt: »Die männliche Identität wird durch Intimität bedroht, die weibliche Identität durch Trennung. Deshalb haben Männer eher Schwierigkeiten mit Beziehungen, und Frauen eher Probleme mit der Individuation.«

Anders von Anfang an

Die englischen Forscherinnen Diane McGuiness und Corinne Hutt haben bei Studien an Kleinkindern festgestellt:

Was können wir tun?

♀♂ Wer bin ich eigentlich?

Frauen neigen zur Überidentifikation mit anderen Menschen, Männer zur Überidentifikation mit der Arbeit

Viele Frauen stellen ihre eigenen Interessen und Begabungen hintan, um die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Partner, Kinder und Freunde zu erfüllen. Das hat seine guten und schlechten Seiten. So könnte zum Beispiel keine Frau eine gute Mutter sein, wenn sie nicht um ihrer Kinder willen wenigstens einige ihrer Bedürfnisse zurückstellen würde. Investiert eine Frau aber zuviel von sich in andere, kann sie ihr Selbstgefühl total verlieren. Louise Eichenbaum sagt in ihrem Buch Was wollen die Frauen?: »Die flexiblen Grenzen einer Frau führen zu Verwirrung darüber, wo sie selbst endet und ein anderer Mensch beginnt.«

Männer verlieren sich in anderen viel seltener. Durch ihre größere Selbstbezogenheit haben sie einen besseren Kontakt zu ihren eigenen Bedürfnissen. Denn die männliche Identität ist sehr stark mit eigenen Handlungen, Entscheidungen, Vorstellungen und Fakten verbunden, viel mehr als die weibliche. Allerdings sind ihre Bedürfnisse sehr eng an Leistung gekoppelt, und deshalb geraten Männer oft in einen solchen Leistungszwang, dass sie ihr Selbstgefühl verlieren. Dass Männer sich vor allem als Macher sehen, kann sie zu Workaholics werden lassen und zu einem ebenso großen Verlust des Selbst an die Arbeit führen, wie Frauen ihr Selbst an andere verlieren. »Natürlich verkaufen die meisten Männer einen guten Teil ihrer Identität an irgendwelche Firmen und Institutionen, sowie Frauen sich einem Mann verkaufen«, schreibt Warren Farrell in Warum Männer so sind, wie sie sind. Sie verlieren durch ihr fast zwanghaftes Leistungsbedürfnis oft den Bezug zu vielen anderen wichtigen Dingen im Leben – Freundschaft, Liebe, den Kontakt zu sich selbst und den Kindern. Seit Kurzem setzt sich die Männerbewegung mit diesem Problem auseinander, weil die Männer langsam zu erkennen beginnen, was sie opfern müssen, um in der Welt erfolgreich zu sein.

Es ist so wahr!

Verallgemeinerungen