cover.jpg

img1.jpg

 

Band 81/82

 

Kreuzzug des Bösen

 

Luminia ruft

 

Horst Hoffmann

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Rückentext

Kreuzzug des Bösen

Terror von den Sternen

Prolog

1. Der Löcherplanet

2. Berührungen

3. Keine Antwort

4. Die seltsamen Rückkehrer

5. Das Rätsel wird größer

6. Die Masken fallen

7. Der Unbekannte

8. Sinnlose Flucht

9. Die Rache beginnt

10. Wir werden mehr ...

11. Gejagt

12. Die Spur des Todes

13. Rückkehr ins Grauen

14. Götterdämmerung auf EX-46117-271

Nachwort

Luminia ruft

Komm zum KK!

1. Das Lichtschiff

2. Daras Traum

3. Die Katastrophe

4. Daras Kampf

5. Die Suche

6. Daras Tod

7. Die Welt der Medusen

8. Lyssa

9. Luminia

10. Daras Zweifel

Nachwort

Vorschau

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Explorer in den Weiten des Universums

In den Weiten der Milchstraße warten auch nach Jahrhunderten der Forschung und Kolonisierung immer noch ungelöste Rätsel auf die Forschungsschiffe der Menschheit, die Explorer. Zwei ihrer Abenteuer präsentiert dieser Band.

 

Die Erforschung eines abgelegenen Planeten leitet eine Kette folgenschwerer Ereignisse ein, die innerhalb weniger Tage zur Bedrohung für die Galaxis eskalieren. Wesenheiten, die in der Lage sind, jedes Intelligenzwesen geistig zu übernehmen, schlagen gnadenlos zu ...

Ein anderes Raumschiff stößt auf einem Forschungsflug in bisher unbekannten Regionen auf ein faszinierendes Sternenvolk. Doch die Lichtwesen werden von aggressiven Nachbarn bedrängt – und die Menschen entscheiden sich spontan, ihnen zu helfen. Dabei hängt das Schicksal eines Besatzungsmitglieds in der Schwebe ...

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Buch

Kreuzzug des Bösen

 

Zweites Buch

Luminia ruft

 

 

 

Kreuzzug des Bösen

 

Sie wecken die Schläfer – und werden zu Werkzeugen der Rache

Terror von den Sternen

 

Zu den häufig wiederkehrenden Erkenntnissen, die die emsigen Explorerschiffe des Imperiums in den großen Datenarchiven auf Terra hinterlegen, gehören Legenden, Hinweise und Geschichten bezüglich einer »großen Dunkelheit vom Himmelszelt«, eines »verheerenden Feuers vom Himmel« oder eines gesichtslosen »Terrors von den Sternen«.

Galaktohistoriker sehen darin nur in den seltensten Fällen Hinweise auf einen Angriff von Piraten oder anderen übel gesinnten galaktischen Mächten oder gar Naturereignisse, sondern in erster Linie eine Art kollektiven Hinweis auf die recht gewalttätige Geschichte der Milchstraße, die sich in allerweltlichen Erfahrungen einzelner Planeten niederschlägt.

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie lassen sich immerhin 57 Prozent solcher Belege eindeutig auf die Zeit des Krieges zwischen der Ersten Menschheit (also den Lemurern) und den Halutern zurückführen. Dies heißt jetzt nicht zwingend, dass es sich dabei um die größte und umfassendste gewaltsame Auseinandersetzung in der Galaxis gehandelt hat – nur um die am wenigsten lang zurückliegende, die entsprechend die geringsten Möglichkeiten hatte, wieder aus dem kollektiven Gedächtnis zu verschwinden. Bezeichnungen wie »Teufel von den Sternen« werden mittlerweile fast automatisch als Halutersichtungen eingestuft.

Von den verbleibenden 43 Prozent lassen sich etwas über die Hälfte auf das Zeitalter der Horden von Garbesch zurückführen. Da dieses schon deutlich länger her ist, gehen die Historiker davon aus, dass hier nur noch jene Fälle erfasst sind, die wirklich traumatische Spuren innerhalb einer Kultur hinterlassen haben.

Bleiben noch etwa 20 Prozent. Diese verteilen sich zu vier Fünfteln auf 37 verschiedene Kulturen, darunter von der planetaren Bevölkerung missverstandene Auftritte von Cheboparnern, Topsidern und auch Terranern, Sichtungen von Loowern, Aktionen der Posbis gegen die Laurins, Aktionen der Laurins gegen die Posbis und Strafexpeditionen der Arkoniden. Ganz neuen Erkenntnissen zufolge lässt sich eine Reihe von Untergangsmythen auf die erst jüngst bekannt gewordenen Aktivitäten der Tiuphoren zurückführen.

Bleiben noch ziemlich genau vier Prozent, bei denen man überhaupt nicht sagen kann, um welches Volk oder welches Ereignis es sich gehandelt hat. Die meisten dieser Fälle werden sich wohl auch nicht mehr auflösen lassen.

 

(aus »Die Geschichte der Milchstraße muss neu geschrieben werden!« von Johanne Wiesfruwe, 1549 NGZ)

Prolog

 

27. Februar 2801. Terranische Stützpunktwelt Agyar II. Extremplanet mit glühender Tag- und gefrorener Nachtseite. In der Zwielichtzone zwei Kuppelstädte für militärische und wissenschaftliche Besatzungen. Gesamtstärke der terranischen Kolonie: minimal zwölfhundert, maximal zweitausend Bürger des Solaren Imperiums.

Vom Weltraum aus bot der Planet einen Anblick, bei dem man auf den Gedanken kommen konnte, die wahre Hölle gefunden zu haben. Wer im System der grünen Sonne Agyar aus dem Linearraum geworfen wurde, hatte entweder einen unfähigen Navigator oder eine schrottreife Positronik, im schlimmsten Fall beides. Wenn aber beides nicht zutraf und auch der Kommandant noch bei Sinnen war, hatte er ein ganz bestimmtes Ziel, und das lag auf Agyar-zwo. Alle sechs anderen Planeten des Systems waren öde Gesteinswüsten oder strahlten langsam ihre Hitze aus. Sie waren, auf ihre Weise, wohl sogar noch trostloser als die Nummer zwo.

Oberstleutnant Nils Petersson schaltete mit einer wischenden Handbewegung über eine Reihe von Sensortasten den Alarm aus, der seit zwei Minuten durch den Stützpunkt heulte und die Männer zu ihren Posten rief. Die ziemlich einfache Zentrale in Kuppel I war bis zum letzten Platz besetzt. Jetzt schwiegen alle, die bisher laut durcheinandergerufen hatten, und drehten ihre Sitze so, dass sie den großen Bildschirm voll überblicken konnten.

Was da auf die Projektionsfläche gezaubert wurde, tauchte den Kontrollraum und die gespannten Gesichter der Menschen in bunte, flackernde Farben.

Neben den Bildern der Raumüberwachung erschienen Diagramme mit Kurven, Werten und Wahrscheinlichkeiten, die von der Positronik in scheinbar endlosen Zahlenreihen hereingespielt wurden.

»Es ist ein Kreuzer«, sagte Petersson. Seine Stimme war so ruhig, wie sein Gesicht aussah. Der Offizier gehörte zu der Sorte von Menschen, die sich anscheinend nie über irgendetwas aufregen konnte. Aber wer, wie er, seit dreizehn Jahren auf »Zwo« war, hatte das Aufregen entweder verlernt, oder er war tot.

Petersson nickte. Seine hellen Augen folgten den Werten, die jede Sekunde neu kamen. Sein Gesicht war starr, und die linke Hand lag nahe jener Taste, die er eben durch einen nur ihm und seinen beiden Stellvertretern bekannten Kode entsichert hatte.

Berührte er sie und bestätigte die Positronik seine ID-Muster und damit seine Befugnisse, dann würde sich der Weltraum dort, wo das fremde Schiff sich ohne Identifikation immer noch an den Planeten heranschob, in ein Inferno verwandeln.

»Ein Explorer!«, rief Petersson, jetzt doch mit spürbarer Verwunderung. »Ein Hundert-Meter-Kreuzer unserer Explorerflotte!«

»Anruf geht ununterbrochen raus, Sir«, meldete Fadr, der Funkspezialist. »Bitte um Identifizierung und Stopp, und die üblichen Drohungen für den Fall, dass ...«

»... dass die Verrückten uns auch weiterhin nicht antworten!«

Das kam von Hana Crow, der Kosmophysikerin und einzigen Frau, die es bisher geschafft hatte, in die Domäne der Männer auf Agyar-zwo einzudringen. Sie schob ihre schwarzen Locken zurück und nickte grimmig.

»Wie nahe willst du sie noch herankommen lassen, Chef?« Sie duzte alles und jeden. Hana war nicht der Typ, der sich Vorschriften machen ließ, weder wie sie ihr eigenes Leben lebte, noch wie sie andere zu behandeln hatte. Jetzt verdrehte sie die Augen und hob die Hände mit den Innenflächen nach oben. Ihre Finger bogen sich zusammen. So sah sie wahrhaftig aus wie eine langsam ungeduldig werdende Löwin.

»Das System ist kein Platz zum Versteckspielen! Was wir hier tun, ist geheim!«

Der Funker starrte auf die regelmäßige Anzeige, dass die Identifizierungsaufforderung weiter und weiter aus den Hyperantennen des Stützpunkts jagte.

»Explorerschiff 46117«, murmelte Petersson, als der schweigende Kreuzer eine weitere Sperrdistanz überschritt und nur noch rund dreihunderttausend Kilometer über der Welt des Eises und der Glut und der tobenden Orkane der Zwielichtzone stand. Unter der von der Positronik gelieferten Seriennummer EX-46117 erschienen Zeile für Zeile in gelb leuchtender Schrift die Namen der Besatzungsmitglieder und ihre Dienstränge, ihr Alter und ihre Aufgaben.

»Infrarotfernortung bestätigt Leben an Bord!«, rief jemand aus dem Hintergrund. »Es ist jedenfalls kein Geisterschiff! Aber dann müssen sie uns hören!«

Die Bestimmung von noch so schwachen Wärmequellen und die Möglichkeit, sie unter Berücksichtigung bekannter Faktoren wie Größe, Energieentfaltung, atomarer Struktur und anderem in Komponentengruppen zu zerlegen, war eines der Projekte, an denen auf Agyar-zwo gearbeitet wurde.

»Sie hören uns«, sagte Hana. »Ich bin sicher.«

Peterssons linke Hand näherte sich der Taste, die er längst hätte berühren müssen, hätte er stur nach der Dienstordnung gehandelt.

Eine letzte Aufforderung, sich endlich zu erkennen zu geben und entweder abzudrehen oder in einem bestimmten Sektor der Zwielichtzone zu landen, verließ die Hyperantennen der Kuppel.

Es kam keine Antwort, aber das Schiff passierte die 250.000-Kilometer-Marke.

Peterssons Hand senkte sich, aber sie kam nicht mehr dazu, das Feuerwerk mit zunächst einigen Salven vor den Bug und an die Flanken des Eindringlings auszulösen, bevor die Abwehrforts schnell und gnadenlos zuschlugen, wenn auch das ohne Eindruck blieb.

Die Anderen schlugen vorher zu.

 

Am 3. März 2801 erhielt das Oberkommando der Solaren Abwehr die Nachricht von der totalen Zerstörung des terranischen Stützpunkts auf Agyar II. Die Nachricht enthielt keinen Hinweis darauf, wer oder was für den tödlichen Überfall verantwortlich war, der blitzschnell erfolgt sein musste.

Es war die fünfzehnte Meldung dieser Art innerhalb von nur dreizehn Tagen ...

1.

Der Löcherplanet

 

16. Februar 2801.

Oberst Nahaj Lhiuso stützte sich mit den Händen auf das Hauptkontrollpult der Zentrale und legte den Kopf so weit in den Nacken, dass er die Daten am Unterrand des Panoramaschirms ablesen konnte.

Mit einem trockenen Lachen stieß er sich ab und drehte sich zu den Raumfahrern um, die sich gerade ebenfalls in der Zentrale aufhielten.

»Nun?«, fragte er nur in die Runde, und jeder wusste, was gemeint war. »Tun wir mal so, als hätte jemand eine Erklärung. Ich höre also.«

Lhiuso gebrauchte seine Lieblingsredewendung, die nichts anderes ausdrücken sollte, als dass er mit seinem Latein so ziemlich am Ende war. Er strich sich über das samtbraune Gesicht, das ebenso hager war wie sein ganzer, etwas über zwei Meter langer Körper.

Major Dennis Farlow, Astrogator und mit seinen 31 Jahren gerade gut halb so alt wie der Kommandant, grinste schief und sagte: »Natürlich kann Ihnen niemand von uns sagen, was diese Löcher bedeuten, bevor wir sie uns nicht aus der Nähe angesehen haben.«

»Nur dass sie künstlich sind«, kam es von Shoy Druganow, Fachgebiet Exobiologie und Zivilistin. Sie schüttelte den Kopf mit den funkelnden grüngrauen Augen, der schmalen Nase und dem etwas zu spitzen Kinn. Ihre wasserstoffblonde Haarmähne flog um ihre Schultern. »Keine Natur schafft solche Muster.«

»Fünfecke«, murmelte Leutnant Andy Mill. Sein Blick wanderte von einem Rand des Bildschirms zum anderen und traf dabei alle drei im gewählten Ausschnitt sichtbaren Konfigurationen auf der Planetenoberfläche. »Jeweils fünf Löcher, die die Eckpunkte eines absolut geometrischen Fünfecks bilden – gleiche Entfernung voneinander, gleiche Größe der Öffnungen.«

»Was eine Vermutung ist«, sagte Lhiuso. »Ebenso wie ihre Tiefe.«

»Darüber hat noch gar keiner spekuliert«, meinte Shoy trocken. »Und es wird Zeit, dass wir der Sache auf den Grund gehen. Auf den Grund des Atmosphärenozeans nämlich.«

Farlow nickte heftig. »Ich weiß nicht, weshalb wir noch hier sind, Sir. Wir haben das System vermessen und katalogisiert. Wir könnten zum nächsten weiterfliegen, wenn es keine bewohnbaren Welten oder Hinweise auf das Vorhandensein von Intelligenz gäbe. In diesem Fall ...«

Lhiuso winkte müde ab. Nur wer ihn sehr gut kannte, wusste, was hinter der hohen Stirn mit den vielen Falten vorging. Dass dort eine organische Rechenmaschine dabei war, eine Entscheidung zu treffen.

Dass keiner der Offiziere das Zögern des Kommandanten verstand, hatte Gründe, die vorerst nur ihn etwas angingen.

»Danke, Major«, sagte er. »Ich kenne unsere Vorschriften.«

Wieder grinste Farlow, diesmal aber eher verzweifelt. »Warum tun wir dann nichts, Sir?«

Lhiuso drehte sich wieder zum Panoramaschirm um. Sein Schiff stand etwas über eine Million Kilometer vom vierten Planeten entfernt im System der grünen Sonne, die erst vor wenigen Stunden ihre Anonymität verloren hatte und mit den Namen EX-46117-271 in die Sternkataloge eingetragen worden war.

Die vierte Welt des Systems, eine von vierzehn, schimmerte milchiggrün im All. Sie war marsgroß, besaß aber eine auffallend hohe Dichte. Die Schwerkraft am Äquator wies mit 1,17 g sogar einen geringfügig höheren Wert als auf der Erde auf. Die Temperaturen hielten sich in einem für Menschen erträglichen Rahmen. Sie lagen im Schnitt rund fünfzehn Grad Celsius unter denen von Terra.

Es gab viele große Meere, aber keine Ozeane.

So wie auf vergleichbaren Welten die Landmassen in den globalen Ozeanen »schwammen«, wirkten hier die Meere wie Wasserkontinente in den Senken einer Kruste aus Fels, Mineralien, Sand und Humus.

Die Atmosphäre war den Analysen zufolge dermaßen gut, als wäre dieser graugrüne Planet eigens für die Besucher von Terra hergerichtet worden.

Die Löcher aber, deren Durchmesser einige Dutzend Meter betrug, waren nicht von Menschen in die Kruste getrieben worden – immer zu fünf klaffenden Schächten angeordnet.

Lhiuso fällte seine Entscheidung.

Die EXPLORER-46117 beschleunigte kurz und fiel der rätselhaften Oberfläche entgegen.

Und dem, was in der Tiefe wartete.

Seit zwanzigtausend Jahren tat es nichts anderes.

 

Auf den Bildschirmen in der Zentrale und überall dort, wo jemand aus der hundertfünfzigköpfigen Besatzung der EX-46117 den Landeanflug verfolgte, löste der blassgrüne Schimmer um die Planetenkugel herum sich in erste, im Filter erkennbare Wolkenschleier auf.

Es war nicht die Erwartung dessen, was sie nach dem Durchstoßen der Wolkenschichten sehen würden, das die Raumfahrer in seinen Bann schlug. Die Sonden hatten ihnen die Oberfläche des Himmelskörpers lange und deutlich genug gezeigt, ehe Lhiuso sich endlich entschloss, diese Welt aus allernächster Nähe anzusehen.

Es war etwas, das sich nicht gut beschreiben ließ.

Die Besatzung der EX-46117 hatte schon andere Planeten entdeckt und erkundet. Immer im Rahmen dessen, was ihnen durch Gesetze, intergalaktische Verträge und Abkommen und die oberste Leitlinie der Explorer-Schiffe gestattet war, hatten sie Landungen auf bewohnten Welten vollzogen und Dutzende neuer Völker kennengelernt. Die einen hatten gerade den Faustkeil entdeckt, die anderen spielten mit dem atomaren Feuer. Wieder andere ließen keinen Vergleich mit der Entwicklungsgeschichte der Solaren Menschheit zu und waren dementsprechend schwer einzuschätzen.

Selbst wenn man so ausgezeichnete Fremdvölkerpsychologen wie einen Dr. Abdul Flahadd an Bord hatte.

Nein, es war keine unbestimmte Drohung, wie sie von den Raumfahrern schon oft rein gefühlsmäßig wahrgenommen worden war, die von dort unten heraufschlug.

Es war etwas, das noch mehr beunruhigte.

Es war eine Fülle von Beobachtungen und Folgerungen, die aber alle nicht zueinander passten und deshalb ein Gefühl der Ratlosigkeit verursachten. Und das hatte kein Mensch gern, vor allem nicht, wenn er Wissenschaftler war und glaubte, dass sich alles wissenschaftlich erklären ließ.

»Eine tierische Lebensform«, überlegte Shoy Druganow laut. Sie hockte mit angezogenen Beinen auf der Liege ihrer Kabine, die Hände fest um die Knie geschlungen. Das Licht war bis auf einen Rest gefiltertes Ultraviolett heruntergeregelt. Shoy liebte es, wenn der Kom-Schirm dadurch verfremdete Farben lieferte und auch das Innere ihres gemütlich eingerichteten Privatraums anders erschien. »Wir haben Welten kennengelernt, auf denen es so etwas gab. Riesenmaulwürfe, wenn du so willst. Oder wühlmausähnliche Tiere, die wie mit einem siebten Sinn die Gänge um ihren Bau herum fast mathematisch genau anlegten und dann nach oben stießen. Hörst du mir überhaupt zu, Apostel?«

Ein seltsames Kichern antwortete ihr.

Sie streckte die Hand nach unten aus, und unter der Liege schob sich etwas Wolliges, Weißes mit dem Rest seines Körpers hervor. Wer als unsichtbarer Beobachter bisher geglaubt haben könnte, Shoy spräche mit einem Teppich, der wurde jetzt eines Besseren belehrt.

Die weiße Wolle wuchs in die Höhe, schüttelte sich und brachte ein Dutzend kurze Stummelfüße zum Vorschein, die den fladenförmigen Körper seitlich abstützten wie die Beine einer Raupe.

Es dauerte wie immer eine Weile, bis das Tier sich darüber klar zu sein schien, in welcher Richtung es seinen flachen, runden Kopf mit den vier schwarzen Knopfaugen und dem Saugrüssel unter dem Fell hinauszustrecken hatte.

Shoy seufzte und lachte.,»Hier bin ich, Herzchen! Na komm schon!«

Sie fing Apostel mit den Armen auf, als das halbmeterlange und viertelmetergroße, wollige Etwas auf ihr landete. Gerade noch rechtzeitig konnte sie das Gesicht so drehen, dass der »Kuss«, den ihr der Saugrüssel verabreichte, nur auf der rechten Wange landete.

»Nun nicht wieder so wild, Herzchen. Schau dir lieber an, wo wir bald unsere vielen Füße vertreten werden. Nun sag schon, was hältst du davon?«

Den Namen »Apostel« hasste sie. Und sie hasste sich selbst dafür, ihn schon viel zu oft selbst zu gebrauchen. Farlow hatte ihn dem Wolltier von Phoenix-fünf verpasst, das Shoy gefunden und heimlich an Bord gebracht hatte.

Seitdem waren sie unzertrennlich. Apostel hütete ihre Kabine wie ein Drache die Höhle der Jungfrau, und wenn sie ihn in die Zentrale oder Kantine mitnahm, war er bei ihr, starrte sie an und nickte, wenn sie eine Bemerkung machte.

Das Wesen von Phoenix-fünf war zweifellos intelligent. Nur wie intelligent, das hatte Shoy noch nicht ganz herausgefunden.

Wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch gar nicht, weil sie fürchtete, dadurch vielleicht enttäuscht zu werden.

Apostel breitete sich wie eine wärmende Decke auf Shoys Schoß aus und drehte den Kopf so, dass die beiden rechten, etwa um neunzig Grad beweglichen schwarzen Augen den Bildschirm sahen.

»Du hast also keine Meinung«, stellte Shoy mit einem übertriebenen Seufzer fest. Ihre rechte Hand tat das, was sich die Hälfte aller männlichen Besatzungsmitglieder mehr wünschte als eine Aufstufung ihrer Heuer. Sie streichelte sanft das Fell des Tieres von Phoenix-fünf.

Apostel schnurrte wie eine Katze. Sein Fladenkörper vibrierte.

Inzwischen durchstieß die EX-46117 die Wolkendecke. Die Oberfläche des Planeten wirkte für einige Minuten wieder so, wie sie von den Sonden gezeigt worden war. Sie schien sich auseinanderzuziehen, je tiefer das Schiff sank. Die Anordnung der fünf dunklen Löcher, in deren Nähe Lhiuso landen wollte, verzerrte sich mehr und mehr.

Sie befanden sich, wie alle Konfigurationen dieser Art, auf seltsamen Hochplateaus, die wie Reliefs in die Landschaft hineingemeißelt waren – und zwar überall auf dem Planeten.

»Die Kanten der Hochebenen dürften alle etwa dreihundert Meter über dem mittleren Meeresspiegel liegen, Apostel«, murmelte Shoy. »Und wenn wir nun so täten, als hätten wir eine Erklärung, oder wenigstens eine Vermutung ...« Shoy schob das weiße Etwas vorsichtig von ihren Beinen und stand auf. Apostel grunzte und schmatzte halblaut – wie immer, wenn er sich in seiner Ruhe gestört fühlte.

»Ach, sei still, du alter Griesgram. Pass lieber auf. Schau her.«

Sie blieb vor einer Tastatur stehen und gab über den Anschluss ihrer Kabine in rascher Folge eine Reihe von Befehlen an die Bordpositronik.

Natürlich wusste sie, dass das Ergebnis auch in der Zentrale gezeigt werden würde, und verwendete bei ihrer Eingabe absichtlich den Namen, der ihr für diesen Planeten im Kopf herumspukte.

Sie hatte ihn bei sich »Wonder« genannt. Das war zwar nicht besonders originell, aber treffend, was ihre Gefühle anging.

Nach Abschluss der Graphik- und Datenausgabe sollte die Positronik noch eine Zeile hinzufügen, die schlicht und einfach lautete: »Ein Gedanke von Druganow, Oberst Lhiuso. Nun tun wir mal so, als hätten wir das kapiert. Was dann?«

Sie lachte leise, als sie ihre Eingabe abschloss und auf das Ergebnis wartete. Lhiuso würde den Scherz schon überleben. Er war wortkarg und etwas sonderlich, aber bestimmt kein schlechter Charakter.

»Aber du verheimlichst uns trotzdem etwas, alter Mann«, flüsterte die Exobiologin.

Die Positronik lieferte, was sie verlangt hatte.

In einer so echt wirkenden Grafik, als würde das Explorerschiff tatsächlich über dieser neuen Landschaft fliegen, zeigte das Rechengehirn, wie der Planet ausgesehen hätte, wenn der mittlere Meeresspiegel um dreihundert Meter höher gelegen hätte.

Shoy ging zurück zur Liege und pfiff durch die Zähne.

Ihr Interkom-Anschluss knackte. Lhiusos Stimme war zu hören, aber sie verstummte, bevor sie mehr als die Frage stellen konnte, was das nun eigentlich sollte.

»So sähe Wonder aus, Kommandant, wenn man das Wasser bis zu den Bruchkanten wiederauffüllen würde«, sagte Shoy fasziniert. »Und dann würde es auch klimatisch auf diesem Planeten stimmen. Wasservorrat, Wasserverdunstung, Atmosphäre ...«

Apostel schnatterte plötzlich los wie eine aufgescheuchte Ente, rollte sich zusammen und von der Liege hinunter. Auf dem Boden angekommen, zog sich der Wollkörper auseinander und kroch eilends unter das Möbelstück, auf dem Shoy saß und plötzlich ein sehr flaues Gefühl in der Magengegend hatte.

Sie beugte sich nach vorn und sah Apostels Augen starr auf den Bildschirm gerichtet.

Auf die fünf Löcher, etwa fünfzig Meter hoch über dem simulierten Meeresspiegel.

Der Saugrüssel des Wesens von Phoenix-fünf war eingerollt. Dennoch zitterte er.

Es gab gar keinen Zweifel.

Irgendetwas machte ihm Angst.

Und Shoy ging es nicht viel anders. Es war lächerlich. Sie wusste nicht, was es war. Sie nannte sich eine Närrin, sich von einem Tier beeindrucken zu lassen.

Vielleicht dauerte ihr die Landung einfach viel zu lange. Warum ging Lhiuso auch so vorsichtig vor? Sonst war er doch nicht zimperlich.

Die Löcher in der Planetenkruste starrten Shoy aus dem Bildschirm an, als wollten sie ihr drohen.

Jeder Mann und jede Frau an Bord sahen die Öffnungen, wie sie scheinbar näher kamen, auseinandertrieben und größer wurden, zwischen Sandwüsten, Geröllfeldern und grünen Abschnitten primitiver Vegetation.

Sogar Apostels Augen saugten sich an einem Bildschirm fest. Doch in der Stirn hinter diesen Augen verbarg sich mehr Wissen über die EX-46117 und ihren wirklichen Auftrag, als irgendjemand an Bord wusste.

Bis auf Kommandant Lhiuso, versteht sich.

2.

Berührungen

 

Die EX-46117 landete knapp fünfzig Kilometer vom nördlichen Eckpunkt eines der mittlerweile zwölf entdeckten Fünfecke entfernt in einer Art Tundra, ziemlich genau auf der Hälfte einer gedachten Linie zwischen planetarischem Äquator und Nordpol.

Die Landschaft unterschied sich nicht viel von irgendeiner anderen Landschaft auf Wonder. Die Atmosphäre war so dicht, dass ihr Treibhauseffekt zu fast gleichen Temperaturen und Niederschlägen auf jedem Punkt der Oberfläche führte, vom Südpol über den Äquator bis zum Nordpol hinauf.

Nur der relativ große Sonnenabstand verhinderte, dass es dadurch zu einem Hitzestau mit Temperaturen wie etwa auf der Venus kam.

Oberst Nahaj Lhiuso sah es als selbstverständlich an, dass er zur ersten Mannschaft gehörte, die in einem Shift zu den Krustenlöchern aufbrach.

Neben ihm nahmen an dieser ersten Exkursion weitere vier Besatzungsmitglieder teil – Leutnant Andy Mill und dessen bewundertes Vorbild »Doc« Jonathan Abrams, beides Geologen; Sergeant Woody McDonald und Sergeant Hjelmar Sgöjagar, beides Elitesoldaten der Explorerflotte des Solaren Imperiums.

Lhiuso sah die Hundertmeterkugel seines Kreuzers hinter sich zu einem Ball zusammenschrumpfen, der im Licht des Morgens wie eine zweite aufgehende Sonne am Horizont stand. Auf seinen Teleskoplandestützen sah er dann aber wieder aus wie eine metallische Riesenspinne. Durch die Antennen, die sich nach allen Richtungen drehten und in die Ferne horchten, konnte tatsächlich der Eindruck von etwas Lebendigem entstehen.

Der Shift glitt zwanzig Meter über der sandigen Oberfläche des Planeten dahin. Unter ihm bogen sich die dünnen Zweige von farnähnlichen und anderen buschartigen Pflanzen im Flugwind.

Seitdem die EX-46117 vor sieben Stunden gelandet war, hatte man keine Luftbewegung registriert, die über einen leisen Hauch hinausging, wie er höchstens trockenes Laub aufwirbeln konnte.

Fast alle Felsformationen, die flach aus Sand und Geröll ragten, waren mehr oder weniger dick mit Flechten und Moosen bewachsen.

Es war nicht die Aufgabe eines Explorerkommandanten, sich mit den ökologischen Gegebenheiten auf fremden Planeten auseinanderzusetzen, dafür hatte er seine Fachleute. Shoy Druganow war schon viel aktiver, als es ihm recht war. Nur mit Mühe hatte er sie davon überzeugen können, dass sie sich noch gedulden musste, bis sie mit hinausfliegen würde.

Trotzdem wusste auch Lhiuso, dass die meisten Pflanzen, die hier wuchsen, zu den sogenannten Pionieren gehörten. Sie besiedelten als erste ein organisch noch »totes« Gelände und schufen den Nährboden für höher entwickelte Pflanzen.

Es gab hier einen weiteren Widerspruch zu den Messungen, auch wenn Lhiuso im Moment nicht sagen konnte, worin er genau bestand.

»Ruhig«, sagte Doc Abrams von hinten. »Ruhig und tot. Und doch ist hier einmal gezielt etwas geschehen.«

Lhiuso blickte ihn stirnrunzelnd an, schwieg aber.

»Etwas geschehen ...«, wiederholte sich der große Geologe, der eine Karriere im Hochschuldienst des Imperiums einem eher abenteuerlichen, aber auch entbehrungsvollen Leben an Bord eines Explorers geopfert hatte. Er wollte wie früher wieder forschen, statt zu dozieren und Fragen von Studenten tausend und aber tausendmal wieder zu beantworten.

Lhiuso hatte sich längst abgewöhnt, etwas auf Gefühle zu geben. Sonst wäre er kein Mann für die Flotte gewesen – wo es oft darum ging, innerhalb von Sekunden Entscheidungen zu treffen. Und das ohne emotionelle Belastungen.

Aber als er durch ein Panzerglasluk des Shifts nach oben blickte, da kam ihm der graugrüne Himmel über Wonder wie ein großes Leichentuch vor.

Es ist dieser unvorhergesehene Stopp, der mich allmählich nervös macht!, dachte er. Ich kann nur hoffen, dass wir nichts finden, das einen weiteren Aufenthalt rechtfertigt.

Der Auftrag war wichtiger, obwohl er ihn verwünschte.

Tausend andere Schiffe hätten das Geheimmaterial genauso gut zum Zielort bringen können. Lhiuso fragte sich wieder, ob die Bonzen im Führungsstab der Abwehr um den Kurier einfach gewürfelt hatten.

Eine Stimme riss ihn aus den Gedanken.

Sie gehörte wieder Doc Abrams. Der sonst schon provozierend schweigsame Wissenschaftler mit der fast pergamentweißen, knittrigen Haut, der altmodischen Nickelbrille, der weißen Mähne und dem Schnauzbart saß neben Lhiuso. Mill hatte ihm seinen Sitz vor den Kontrollen überlassen.

Jetzt hatte Doc die linke Hand auf den Arm des Offiziers gelegt und machte mit der anderen langsame, nach unten weisende Bewegungen.

»Wir sind nahe genug«, sagte er. Die Stimme klang ruhig wie immer. »Wollen wir neben einer der Öffnungen landen oder sie uns nur aus der Luft ansehen?«

Lhiuso seufzte.

Er wünschte sich Docs Gelassenheit.

»Landen natürlich«, knurrte er.

Eine Minute später berührten die Laufketten des Shifts den felsigen Boden vor dem Loch, das der EX-46117 am nächsten war. Sie rissen zwei breite Spuren in das Moospolster, das hier in allen Farben blühte.

Erst zehn Meter vor dem Rand des dunklen Schachtes brachte Lhiuso das Panzerfahrzeug zum Stehen. Luken öffneten sich zischend, nachdem die Männer die Kapuzenhelme ihrer leichten Schutzanzüge übergestülpt und geschlossen hatten. Die beiden Soldaten sprangen mit ihren Strahlkarabinern hinaus und taten das, was sie unter »die Umgebung sichern« verstanden.

Sie taten es so ernsthaft, dass es in der starren Einöde des Planeten schon lächerlich wirkte. Und dabei war das einzig wirklich Lächerliche an der Situation, dass Sgöjagar schließlich winkte und bekanntgab, dass die Luft rein sei und die anderen drei jetzt nachkommen könnten.

»Sie wurden so ausgebildet«, meinte Oberst Lhiuso mit entschuldigendem Grinsen. »Nicht von mir.«

Abrams und Mill sahen sich an, sagten aber nichts, als sie hinter dem Kommandanten den fremden Boden betraten.

 

Sie hatten Flugaggregate und Scheinwerfer, außerdem lichtverstärkende Spezialbrillen. Lhiuso hatte darauf bestanden, dass sie die Kombinationen geschlossen hielten – und dass auch Abrams wenigstens eine leichte Kombiwaffe trug.

Über ihre Helmkoms standen sie mit dem Schiff in Verbindung – und untereinander, falls sie sich trennen mussten. Oberst Lhiuso hatte allerdings nicht vor, die Erlaubnis dazu zu geben.

»Wir bleiben auf Sicht- und Rufweite beieinander«, sagte er. Dann machte er eine einladende Geste und aktivierte sein Rückenaggregat. Es hob ihn sanft vom Boden ab und trug ihn über den Rand der dunklen Öffnung.

Der Grund des Schachtes schien tiefer zu liegen, als es den Realitäten entsprechen konnte. Lhiuso nannte sich einen Narren. Wo blieb seine kühle Routine, die ihm sogar schon den Ruf eines ausgesprochenen Langweilers eingebracht hatte?

Hinter ihm stiegen seine Begleiter hoch und schlossen rasch zu ihm auf.

»Abwärts!«, sagte Lhiuso. »Leutnant, Sie halten Kontakt mit dem Schiff. Sie berichten alles, was wir hier sehen.«

»Verstanden, Sir«, bestätigte Mill den Befehl.

Abwärts! Und dies hier so schnell wie möglich hinter uns bringen!

Lhiuso hoffte, dass er bald auf festen Grund stoßen würde. Die Löcher konnten ja schließlich nicht bis zum Mittelpunkt des Planeten führen wie in dem Buch, das ihn in seiner Kindheit wie kein zweites fasziniert hatte. Es stammte noch aus dem sehr frühen 20. Jahrhundert und zählte heute zu jener Sorte von Klassikern, die Kinder und Jugendliche mit wirklicher Begeisterung verschlangen – ganz im Gegensatz zu anderen Werken aus dieser Zeit.

Ein gewisser Jules Verne hatte es geschrieben, und es hieß damals »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde«.

Später, vor knapp hundert Jahren, hatte der im Besitz der Rechte befindliche Verleger es umbenannt in »Zielpunkt Terra-Zentrum«.

Lhiuso erwischte sich bei dem Gedanken, sich durch solche Erinnerungen von der Wirklichkeit ablenken zu wollen. Er wusste nicht, was ihn dermaßen nervte. Alle selbstgestrickten Motive erwiesen sich nach und nach als reiner Selbstzweck.

Aber dieser Planet war tot! Es gab keine Tiere bis auf die Mikroben, die aus den abgestorbenen Pflanzenteilen neuen Humus in einer sonst öden Landschaft bildeten.

Und auch diese Mikroben waren viel zu wenig, um ein Gleichgewicht erhalten zu können, wie es die ermittelte Atmosphärenzusammensetzung vermuten ließ. Es hätten nach allen bisherigen Erfahrungen vier-, fünf-, zehnmal mehr Mikroben existieren müssen, um den Sauerstofferzeuger- und -verbraucherkreislauf nach den gemessenen Daten regulieren zu können.

Der springende Punkt war ein anderer, aber Lhiuso brauchte sich deshalb keine Vorwürfe zu machen.

Selbst Leute, die für die Ökologie von Planeten qualifizierter waren als er, wurden auf Wonder vor Rätsel gestellt – nur weil sie in ihren gewohnten Bahnen dachten.

Lhiuso manipulierte sein Rückenaggregat und ließ sich schneller abwärts sinken. Sein Helmscheinwerfer bestrich verwitterte Schachtwände, wo der blanke Fels zunächst noch von Moosen und Flechten bedeckt war. Teilweise fluoreszierten die primitiven Gewächse.

Dann, nach etwa siebzig Metern, wurde der Bewuchs spärlicher und hörte schließlich ganz auf.

Um sich herum sah Oberst Nahaj Lhiuso jetzt nur noch blanken Fels, über den die Scheinwerferkegel seiner langsamer herabschwebenden Begleiter bizarre Lichtmuster wandern ließen.

Es war etwa drei Minuten, seitdem die fünf Menschen sich in den Schacht gewagt hatten, als Lhiuso das Gefühl hatte, ganz sacht von etwas berührt zu werden – wie von einem Schatten vielleicht.

Der Vergleich drängte sich ihm unwillkürlich auf.

Lhiuso schauderte. Er redete sich ein, dass es hier nichts gab, das ihm und seinen Leuten gefährlich werden konnte. Aber der Erfolg war etwa so wie bei einem Passagier, der sich zum ersten Mal einem Raumschiff anvertraute und sich immer wieder sagte, dass die Technik absolut sicher sei.

Am Ende landete er dann doch wegen Raumkrankheit beim Bordarzt.

Lhiuso neutralisierte seine Abwärtsbewegung und wartete, bis seine Begleiter auf gleicher Höhe mit ihm waren. Ein kurzer Blick nach oben zeigte ihm nur noch einen winzigen, hellen Fleck, kreisrund wie eine entfernt leuchtende Sonne.

»Haben Sie etwas bemerkt?«, fragte der Oberst über den Kom. Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, wie dumm seine Frage klingen musste. Schnell fügte er hinzu: »Ich meine, etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört? Sie wissen, zehn Augen sehen mehr als zwei ...«

»Etwas gespürt, Sir«, kam es von Mill. »Etwas wie ...«

»Ja?«, drängte ihn Lhiuso.

»Etwas wie die Berührung von einem ... einem Schatten, Sir ...«, sagte Andy Mill. Man konnte ihn kaum verstehen.

 

Die Helmscheinwerfer waren auf breite Streuung gestellt. Da die Raumfahrer sich auf Lhiusos Anweisung immer in vertikaler Bewegung hielten, wurde ein künstliches Dämmerlicht erzielt, das den Schacht wenigstens einigermaßen gleichmäßig erhellte.

Nahaj Lhiuso machte sich inzwischen kaum noch Illusionen, seinen Auftrag zügig erledigen zu können.

In Wahrheit dachte er in diesen Minuten kaum noch daran.

Es war unheimlich. Nichts war hier, und doch fühlte Lhiuso sich wie in einem Käfig.

Und um den Käfig herum saßen tote Zuschauer und glotzten ihn an!

Lhiuso fluchte. Er schwitzte. Er ertappte sich auf der Suche nach einem Vorwand, diese Exkursion abzubrechen und mit voller Triebwerksleistung in die Höhe zu schießen, in die Freiheit, die Luft, das Leben ...!

Und wieso musste er ausgerechnet jetzt daran denken, dass er viel zu lange keinen Heimaturlaub mehr gemacht hatte? Dass es zwei Jahre her war, seit er seine wenigen Freunde gesehen hatte – und die alte Frau, die ihn noch immer »mein kleiner Junge« nannte?

Schluss jetzt!, dachte Lhiuso. Hier ist niemand und nichts – nichts außer dem, was mir meine Nerven vormachen wollen!

Der Oberst hörte, wie Mills Stimme lauter wurde. Auch dem jungen Offizier schien es ähnlich zu ergehen wie seinem Vorgesetzten. Es war gut, wenigstens die Stimmen aus dem Schiff zu hören. Sie waren wie ein unsichtbares Seil, das sich zwischen der hellen Welt oben und den dunklen Schachtwänden hier unten spannte.

Sie sanken Meter um Meter weiter in die unergründliche Tiefe und fanden nichts, das auf ein Ende hindeutete. Der Schacht war noch so breit wie oben am Einstieg. Nur die Wände waren jetzt so glatt, als hätte eine Schmirgelmaschine sie geschliffen.

Dies hier war künstlich!

»Die Wände schimmern wie ... Stahl!«, entfuhr es Lhiuso. Sein Herzschlag trommelte den Rhythmus seiner scharf hervorgestoßenen Worte. »Oder irgendein Plastikmaterial!«

»Haben Sie immer noch Zweifel, Oberst?«, fragte Doc Abrams. Seine Stimme war wie ebenfalls eine unsichtbare Hand, die im gespenstischen Halbdunkel gereicht wurde.

Leutnant Mill sprach nicht mehr in sein Mikro, aber das fiel jetzt niemandem mehr auf.

»Zweifel?« Lhiuso richtete den Scheinwerfer nach unten und bündelte ihn. »Zweifel woran, Doc?«

Abrams lachte leise.

»Daran, dass wir einem uralten Geheimnis auf der Spur sind?«

»Es sind Schächte«, hörte Lhiuso sich erwidern. Dann lachte auch er. »Guter Doc, wer treibt denn solche Riesenlöcher in den Boden eines Planeten? Ein Volk von intelligenten Riesenmaulwürfen? Oder Ratten? Wie wäre es mit Prospektoren aus dem All? Kein eingeborenes, intelligentes Volk würde sich diese Mühe machen. Und schon gar nicht, wenn ...«

Er kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu sprechen, der ihm in diesem Moment gekommen war.

Die zweite Berührung traf ihn, und sie traf hart.

Sie traf fünfmal.

Die Raumfahrer sahen nicht einmal mehr die Lichter, die aus den Schachtwänden stachen, als sich verborgene Öffnungen auftaten.

3.

Keine Antwort

 

Rimoan war ihr Deckname.

Sie hatte ihn sich als akonische Agentin zugelegt, die in die Macht- und Geheimdienstzentren des Solaren Imperiums eingeschleust worden war. Es war eine einfache Adresse für alle, die sie erreichen mussten und die nötigen Zusatzkodierungen besaßen.

Für sie aber war der Name mehr, aber das hatte niemanden außer ihr zu interessieren – und vielleicht einige ganz wenige Eingeweihte, die auf ein Signal von ihr warteten.

Rimoan stemmte sich auf dem dicken Folienbündel in die Höhe, das ihr als Schlafquartier an Bord der EX-46117 diente, in ihrem winzigen Versteck. Es befand sich im Unterdeck in einem Trakt, der seit Jahren nur noch als Ablage für Spezimen diente, die von der EX-46117 von besuchten Planeten gesammelt und archiviert worden waren.

Dieser Raum hier, eine winzige Kabine, hatte wohl einmal einem Lagermeister als Büro gedient. Davon zeugten die Displays und Bildschirme, von denen aus die zentrale Positronik befragt und mit Informationen beliefert werden konnte.

Natürlich handelte es sich dabei nur um simple Eingabe- und Abrufprogramme, die den übrigen Schiffsbetrieb nicht tangierten. Für Rimoan war das mehr als genug. Sie wusste, wie man selbst hochgezüchtete Rechengehirne dazu brachte, alle gewünschten Daten zu liefern und Fragen zu beantworten. Und zwar so, dass die Positronik im gleichen Augenblick noch so gut wie »vergaß«, was sie wohin geliefert hatte.

Es war ein riskantes Spiel, zugegeben. Ein guter Spezialist konnte leicht aufmerksam werden und anfangen, Spuren zu verfolgen. Aber das Spiel mit dem Feuer gehörte zu Rimoans derzeitigem Job, und jeden Schnüffler würde sie bemerken, ehe er auch nur eine Ahnung von ihrer Existenz bekam.

Die junge Frau mit der samtbraunen Haut und dem kurzen Kupferhaar lächelte dünn, als ihr einfiel, wie leicht sie es mit diesem Schiff und seiner Besatzung gehabt hatte.

Sich unbemerkt an Bord zu schleichen, war die einfachste Übung gewesen.

Sie hatte ihre Ausrüstung fast überall am Leib versteckt – im Spezialgürtel, in der hautengen, sandfarbenen Kombination, die sie mit einer einzigen Schaltung in einen hochleistungsfähigen Schutzanzug verwandeln konnte, und in einem mit Mikrogeräten gespickten Armband.

Selbst unter der Haut befanden sich mikroskopisch winzige Module, durch darüber eingeschweißte Spezialfolien vor jedem an den Raumhäfen und bei anderen Routinekontrollen üblichen Durchleuchtungsverfahren geschützt.

Rimoan stützte sich jetzt mit beiden Händen auf das schmale Pult, auf dem eine Monitoreinheit stand, und wartete so, halb nach vorne gebeugt, auf die Bilder von draußen, jenseits der Schiffshülle.

Dass es zu dieser Landung gekommen war, passte ebenso wenig in ihre Pläne wie in die des Kommandanten der EX-46117, und das hatte durchaus ähnliche Gründe.

Bevor der Bildschirm aufleuchtete, sah Rimoan ihr Spiegelbild darin.

Sie sah sehr jung aus, und sie war schön.

Selbst jetzt noch, nachdem sie ihr kupferrotes Haar kurzgeschoren hatte, war sie der Typ Frau, den jeder halbwegs normale Mann begehren würde.

Rimoan selbst war gefühlskalt geworden. Sie hatte sich einmal erlaubt, ihrem Gefühl nachzugeben, und bitter dafür bezahlt.

Wie lange war das jetzt überhaupt her?

Rimoan starrte ihr Spiegelbild an.

Das edle Gesicht mit den leicht hervortretenden Backenknochen. Der volle Mund, der schmal werden konnte, wenn sie gefordert wurde.

Die großen, dunklen Augen, deren Blick stechend sein konnte.

Der Vulkan aus Leidenschaften und der Eisberg aus kaltem Kalkül, wenn es um ...

Das war vorbei.

Rimoan war dankbar, als der Monitor endlich die ersten Bilder zeigte. Es war die Landschaft um den Landeplatz der EX-46117 herum.

Es war eine Standbildaufnahme. Rimoans rechte Hand streckte sich nach der Tastatur aus und rief mit traumwandlerischer Sicherheit die Übertragung ab, die vom Shift des Kommandanten kam.

Es war Rimoan ziemlich egal, was dieser Planet bot, und was man hier fand oder nicht fand. Sie wollte so schnell wie möglich weiter. Aber solange sie sich in dieser staubigen Kabine verstecken musste, wollte sie alles wissen, was nicht nur im Schiff vorging, sondern auch draußen.

Immer hatte sie alles wissen müssen.

Immer hatte sie jede Situation unter Kontrolle gehabt – aufgrund totaler Information und totaler Beherrschung ihrer Sinne.

Nur ein einziges Mal war das anders gewesen.

Und manchmal wachte Rimoan aus ihrem Schlaf auf, weil sich diese grausamen Szenen in ihren Träumen wiederholten und sie zum Schwitzen und zum Schreien brachten.

Neben dem abgestellten Shift zeigte sich eine dunkel klaffende Öffnung im Boden. Das Fahrzeug wirkte als Relais für die relativ schwach gehaltenen Sprech- und Bildfunkübertragungen der Gruppe Lhiuso.

Rimoan sah die fünf Terraner im Schacht nach unten gleiten.

All das war vertane Zeit.

Was erwarteten die Bastarde hier zu finden? Rimoan hatte ihre eigenen Berechnungen angestellt und war zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wie Shoy Druganow, die sie bisher eher nur aus der Mannschaftsliste kannte.

Die Daten des Planeten stimmten nicht. Deshalb musste er untersucht werden, so schrieben es die Bestimmungen vor, die für die Kommandanten der Explorerschiffe maßgebend waren.

Verdammte Bürokratie!, dachte Rimoan. Wenn du mich empfangen kannst, Lhiuso, denke lieber an deine wichtigere Aufgabe!

Aber natürlich hörte Lhiuso sie nicht, selbst wenn der Bildschirm in dieser Sekunde nicht erloschen und die Verbindung zu der Fünfergruppe nicht abgebrochen wäre.

 

Shoy Druganow stand vor dem Monitor der Positronik-Nebenstelle der EX-46117 und hielt einen Ausdruck in den Händen. Ihr Schoßtier wirbelte aufgeregt um ihre Beine, aber selbst dafür hatte sie in diesen Augenblicken keine Zeit.

Was sie sah, konnte gut und gerne eine Menge erklären. Trotzdem raubte es ihr den Atem.

Shoy stieß einen leisen Pfiff aus und winkte die beiden Laborantinnen und Major Farlow heran, der hier eigentlich nichts zu suchen hatte. Farlows Interesse galt allerdings auch nicht dem Labor und den hier anfallenden Arbeiten.

Mit wenigen raschen Schritten war er beim wahren Grund seines Hierseins. Er zog die Brauen leicht in die Höhe und zeigte sein berüchtigtes Grinsen.

»Fündig geworden, mein Engel?«, fragte er. »So wie dein Händchen zittert, hast du etwas, um es dem Alten heimzuzahlen, stimmt's? Dafür, dass er dich nicht mitnahm.«

Shoy blickte für einen Moment von ihren Folien auf und starrte den Astrogator irritiert an.

»Sie sind ein Dummkopf, Farlow«, sagte sie. »Und Sie wissen es. Das Schlimme ist, Sie werden sich trotzdem nicht ändern.«

»Er gefällt sich so«, lachte eine der Laborantinnen und beugte sich über den Ausdruck. »Beachten Sie ihn gar nicht, Miss Druganow. Er findet eine neue Schürze zum Festhalten, spätestens beim nächsten Flug. Was haben Sie da?«

Shoy blies sich die Haare aus der Stirn und fuhr sich über die Augen. Jetzt warf sie dem Astrogator einen Blick zu, der eine Mischung aus Verachtung und Mitleid ausdrückte.

»Sie sollten sich in der Zentrale sehen lassen, Farlow. Bisher war ich der Meinung, dass Sie in Abwesenheit des Obersten die Verantwortung für die EX haben. Oder bilden Sie sich auch das nur ein?«

Dennis Farlows Grinsen war eine Abwehr- und Rückzugsreaktion. Er warf der Exobiologin noch eine Kusshand zu und schlenderte zur Tür, als hätten sie sich soeben fürs nächste Rendezvous verabredet.

»Affe«, sagte Shoy, als er verschwunden war. Sie seufzte und setzte sich vor ihr Terminal.

»Hat er recht, Miss Druganow?«, fragte die jüngere der beiden Laborantinnen. Shoy hatte immer noch Mühe, sich ihren Namen zu merken. Sie hieß Pàlà-è-Cóncós. Auf der Kolonialwelt, von der sie stammte, hatten die meisten Leute noch kompliziertere Namen.

»Recht womit?«, fragte Shoy.

»Dass Sie Oberst Lhiuso zürnen, weil er Sie nicht ...«

Shoy lachte und winkte ab.

»Ich war etwas wütend, das stimmt. Aber das ist vergessen. Ganz im Gegenteil. Ich bin jetzt froh, dass ich hierblieb und mich in meiner ersten Enttäuschung ...«

Sie sprach nicht weiter. Natürlich, ihre Reaktion war gewesen, sich und jedem anderen irgendwie ihre Nützlichkeit auf diesem Schiff zu beweisen. Mehr noch, ihre hervorgehobene Rolle.

Deshalb war sie ins Labor gegangen und hatte angefangen, kleine Sonden auszuschleusen, um Proben des Bodens, der Fauna und des Mikrolebens auf Wonder zu erhalten. Das war eine ihrer routinemäßigen Arbeiten, und dazu brauchte sie weder die Zustimmung des Obersten noch dessen »Stellvertreters« Farlow.

Bis auf Farlow hatte sich seit Lhiusos Aufbruch vor knapp einer Stunde niemand um Shoys Aktivitäten gekümmert – ein Beispiel dafür, wie abgestumpft die meisten ständigen Besatzungsmitglieder der Herausforderung neuer Welten gegenüber inzwischen schon waren. Und wer wollte es ihnen verdenken? Mancher gehörte seit dreißig Jahren zur Explorerflotte und hatte seine früheren Träume von erregenden Abenteuern im All längst vergessen, weil die Wirklichkeit eben anders war.

Niemand interessierte sich also ernsthaft für Wonder, obwohl es hier wirklich angebracht schien – im Gegensatz zu tausend anderen Planeten.

Niemand außer Shoy und Apostel.

»Um es ganz kurz zu machen«, sagte Shoy zu den beiden Laborantinnen. »Ich brauche zwar noch eine Reihe von Analysen, aber ich glaube auch jetzt schon sagen zu können, dass ...«

Sie stockte. Erst jetzt kam ihr richtig zu Bewusstsein, was sie da verkündete.

»Was, Miss Druganow?«, fragte Pàlà-è-Cóncós. Ihre fast stachelartigen kurzen Haare, einer derzeitigen Mode folgend gelb gefärbt, richteten sich steil auf – ein Zeichen von Erregung.

»Dass es auf diesem Planeten keine einzige Pflanzenart gibt, die älter ist als maximal zwanzigtausend Jahre.« Shoy korrigierte sich. »Ich will sagen, dass die Sonden nichts gefunden haben, was auf Leben in irgendeiner Form vor dieser Zeitspanne hindeutet.«

Sie blickte die Laborantinnen bedeutungsvoll an und sah, dass sie begriffen hatten.

Sie schnippte mit den Fingern.

»Und das ist eine Sekunde für eine Welt, nicht mehr. Und eine völlige Unmöglichkeit für einen Planeten mit einer Atmosphäre, wie dieser hier sie besitzt.«

Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber da jaulte der Alarm durch das Schiff.

 

Als er vor dem Hauptbildschirm der Zentrale saß, die Finger der rechten Hand um ein Mikrofon geklammert, die Augen am Schirm klebend, wirkte Major Dennis Farlow so gar nicht mehr wie der Herzensbrecher mit dem unausstehlichen Charme eines schlechten Schauspielers.

Er war plötzlich voll bei der Sache.

Der Planet EX-46117-271-IV war für ihn plötzlich interessant geworden, weil von Oberst Lhiuso und seinen Begleitern seit zwei Minuten kein Hauch einer Nachricht mehr kam.

»Nichts«, erklärte der Funker. »Ich versuche es ununterbrochen, aber Mill gibt keine Antwort.«

Shoy Druganow betrat die Zentrale und blieb drei Meter hinter Farlow stehen, der jetzt den Platz des Kommandanten einnahm.

»Oberst Lhiuso!«, rief der Astrogator ins Mikro, das er nahe an seinen Mund zog. »Melden Sie sich, Sir, bitte!«

Bitte!, echote es in Shoy. Das kann ich mir denken, dass du heilfroh wärst, die Verantwortung wieder abzugeben, Affe! Zumal es jetzt gerade anfängt, spannend zu werden!

Sie hatte ihre Entdeckung im Hinterkopf. Nur kurz dachte sie daran, dass Lhiuso wissen sollte, was sie festgestellt hatte – die Bestätigung durch weitere Analysen vorausgesetzt.

Aber nie kam sie ernsthaft auf die Idee, dass dem Oberst und seinen Begleitern Gefahr drohte, nur weil es bis vor 20.000 Jahren auf Wonder vielleicht keine Pflanzen gegeben hatte, die für den Sauerstoff in der Atmosphäre sorgten.

»Nichts, Sir«, wiederholte der Funker. »Am Shift kann es nicht liegen. Seine Systeme sind in Ordnung. Was sollte auch ...?«

Shoy sah zu dem Mann hinüber. Er war noch sehr jung. Sie kannte ihn nicht. Vielleicht war dies sein erster Flug mit einem Explorer überhaupt. Jedenfalls fand er keine Worte mehr, und wenn Shoy auf die Schirme der Außenbeobachtung sah, dann fiel es ihr auch schwer, sich die Ursache einer Störung auszumalen.

Die Oberfläche des Planeten lag still wie vielleicht seit tausend Jahren.

Nur der leichte Wind bewegte die Büsche aus primitiven Gewächsen.

Sofern man von Wind sprechen konnte.

Plötzlich bekam Shoy eine Gänsehaut.

Ihr ständiger Begleiter versuchte, sich zwischen ihren Füßen zu verkriechen.

»Lass das, Apostel«, sagte sie.

Der Himmel war wirklich wie ein Leichentuch, und die Stille machte diesen Eindruck noch schlimmer.

Sie trat neben Farlow und glaubte, die tiefe Unsicherheit dieses Mannes zu spüren. Dieser erste halbwegs menschliche Zug, den sie an ihm feststellte, beeindruckte sie fast. Der Astrogator hatte sich bisher immer auf Oberst Lhiuso verlassen können und wohl nie ernsthaft daran gedacht, einmal allein hier zu stehen und alle Augen auf sich gerichtet zu sehen.

Augen, aus denen plötzlich Angst sprach.

»Drei Minuten«, sagte ein Raumfahrer im Hintergrund. »Wir müssen etwas tun, Sir!«