Inhalt

Cover & Impressum

Karte USA

Young Americans

Imagine Whirled Peace

Once Upon A Time in America

(I get my kicks) On Route 66

In The Future Everyone Will Be Famous For Fifteen Minutes

Have A Nice Day

Over 2 Billion Meals Served

Catch Me If You Can

Into The Wild

Wild Horses

Be Sure To Wear Some Flowers In Your Hair

Let’s Talk About Sex

Let’s Get Physical

My Own Private Idaho

Everything Is Illuminated

Stay Tuned

I Have A Dream

Learning From Las Vegas

Money Makes The World Go Round

The Great Gatsby

Doctor Feelgood

Living In America

Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.piper.de



Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe 1. Auflage 2018

ISBN 978-3-492-99273-2
© Piper Verlag GmbH, München 2018
Karte: cartomedia, Karlsruhe
Covergestaltung: Birgit Kohlhaas
Covermotiv: Fotofeeling / Westend61 / Plainpicture
Datenkonvertierung: Fotosatz Amann, Memmingen

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Young Americans

Wie ich ein Amerikaner wurde. Oder: Warum Sie sofort einen Flug buchen sollten. Und was Sie vor der Abreise wissen müssen.

Es ist kühl an diesem Aprilmorgen in Washington. Ich ziehe meine Laufschuhe an und renne in Richtung des Potomac River. Weil ich den Weg vom Hotel in der Nähe des Dupont Square zum Fluss nicht richtig eingeschätzt habe, jogge ich über Autobahnzubringer, unter Brücken mit Obdachlosensiedlungen, quer über ungepflegte Grünflächen, auf denen ich vage mit Ratten, Waschbären oder Klapperschlangen rechne. Dieses Klischee stimmt schon mal: Amerika macht es Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, oft nicht leicht.

Endlich finde ich die großzügige Uferpromenade, an der sich in Fernsehserien und Politthrillern die Protagonisten treffen (oft in Sportklamotten), um Dokumente auszutauschen, Intrigen zu verabreden, die Welt zu retten. Oder die eigene Karriere. Ich bin heute Morgen bei Weitem nicht der einzige Läufer. An mir vorbei und mir entgegen eilen andere vom eigenen Körper oder der Aussicht auf ein längeres Leben Besessene. Wie üblich sind sie besser ausgerüstet mit Tracking Devices am Arm, Musik im Ohr und in den atmungsaktivsten Klamotten, die es auf dem Markt gibt.

Schließlich gelange ich ans Lincoln Memorial, einen der zahlreichen Monumentalbauten in dieser Stadt, die insgesamt wie eine gewaltige Kulisse konzipiert ist. Vor dem Haupteingang steht ein Schülerchor und singt: »Ol’ McDonald had a farm«. Es ist einer der vielen Momente auf meiner Reise, die mich daran erinnern, warum ich dieses Land liebe. Im Herzen der Macht, vor dem Prachtbau, der an den beliebtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte erinnert, wird der »Tag des Liedes« mit dem vielleicht dämlichsten Lied des Landes gefeiert. Noch unter der Dusche muss ich darüber lachen.

Die Reise, die ich im Frühjahr 2018 unternehme, ist ein fünfwöchiger Trip quer durch die USA, damit ich das Buch, das Sie gerade zu lesen begonnen haben, überarbeiten kann. Ich habe es ursprünglich vor über zehn Jahren geschrieben, einen Großteil davon während des Vorwahlkampfes zwischen Hillary Clinton und Barack Obama. Und ganz offensichtlich hat sich seitdem viel verändert. In diesem Land, aber auch daran, wie wir es sehen.

Der erste schwarze Präsident erhielt noch vor seinem Amtsantritt den Friedensnobelpreis und ließ dann später Osama bin Laden von einer Special Unit in Pakistan aufstöbern und hinrichten, während er den Einsatz live auf dem Monitor verfolgte. Während seiner Amtszeit ließ er 473 Drohnen abwerfen. Gleichzeitig radikalisierte sich der politische Diskurs, die ultrakonservative Tea Party erstarkte, und schließlich wurde Donald Trump Obamas Nachfolger. In den deutschen Medien scheint damit der Untergang Amerikas besiegelt.

Wie ich jetzt in die USA fahren könne, wurde ich vor meiner Abreise oft gefragt. »Warum denn nicht?«, lautete meine Antwort. Jahrelang hatte ich beim Landeanflug auf New York »Young Americans« von David Bowie gehört, ein eigentlich sardonischer Kommentar auf das Land, aber eben auch ein makellos schöner Song. Heimlich verdrückte ich dabei oft ein paar Rückkehrtränen. Das ging mir diesmal nicht so. Aber man kann nur kritisieren, was man kennt. Und die Faszination und Schönheit eines Landes und seiner Bewohner ändern sich nicht durch einen Präsidenten, den man nicht mag.

Ich schreibe diese Einleitung unter einer Gruppe von sequoia trees, jenen gewaltigen Nadelbäumen, für die Kalifornien berühmt ist. Sie stehen vor der Big Trees Lodge im südlichen Teil des Yosemite National Park.

Dieses Hotel besteht aus mehreren weißen Holzhäusern, die teilweise über 150 Jahre alt sind. Viele Zimmer haben kein eigenes Badezimmer, die Wände sind hellhörig, der Hauspianist ist seit 30 Jahren im Amt und nur mäßig begabt, die Frösche im Springbrunnen quaken unermüdlich und sehr laut. Aber durch die Anlage laufen »all walks of life«, wie man hier sagt. Anders als der bei uns mittlerweile eher verschriene Begriff »Multikulti« hat dieses Prinzip in den USA noch immer Gültigkeit und beschreibt einen Teil des Wesens dieser Nation: Sie besteht aus Einwanderern und lebt von einer schier unendlichen Fähigkeit, das andere und Neue zu absorbieren.

Vor und in diesen weißen Holzhäusern mit den großzügigen Veranden also trifft man: eine Muslima mit schwarzem Hijab, ältere Amerikaner mit wirren Haaren, Paare mit beneidenswert straffen Waden, eine junge Frau mit langen, hellblauen Haaren, dem dicksten Hintern, den ich jemals gesehen habe, und einem Heavy-Metal-T-Shirt. Und jetzt gerade, am späten Vormittag, eine Gruppe von Kindern in nostalgischen Siedlerkostümen: die Jungs in schwarzen Anzügen, breitkrempigen Hüten und mit Blechtassen um den Hals, die Mädchen mit langen Röcken und weißen Schürzen. Ein paar sind auch als Indianer verkleidet, was vielerorts sehr kritisch beäugt werden würde und hier einfach süß und egal ist.

Die amerikanische und die kalifornische Flagge hängen in der Windstille schlaff vom Mast, die Nadeln der Bäume duften, und das Licht ist von einer fast beißenden Helligkeit. Schließlich ist hier die Wüstensonne des südlichen Kaliforniens am Werk. »Grüße aus dem Paradies« schließe ich die wenigen E-Mails, die ich von hier verschicke. Keiner meiner Adressaten hat widersprochen.

Wie wohl viele Nachkriegsdeutsche bin ich mit einer ordentlichen Portion Antiamerikanismus aufgewachsen. Was für die Generation meiner Eltern der Vietnamkrieg und die Watergate-Affäre, waren für meine die Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten und der NATO-Doppelbeschluss. Die USA schienen ein diffus bedrohliches Imperium zu sein, das den »Konsumwahn«, das »kommerzielle Hollywoodkino« und »Fast Food« hervorgebracht hatte, und darüber hinaus das »Wettrüsten« betrieb, also mindestens den Atomkrieg, wenn nicht den Weltuntergang herbeiführen würde. Außerdem galten Amerikaner als ungebildet, denn Ronald Reagan war ja auch »nur« ein ehemaliger Schauspieler, und angeblich noch nicht mal ein besonders guter. Natürlich hatte niemand, den ich kannte, je einen Film mit Ronald Reagan gesehen, aber das machte nichts. Die Amerikaner hatten Adolf Hitler besiegt, aber man misstraute ihnen trotzdem. Oder vielleicht, was ein Fall für eine kollektive Therapie wäre, genau deshalb.

Schon damals deckten sich die Vorurteile, die ich mit vielen anderen teilte, nicht mit den Erfahrungen, die meine Familie in der Vergangenheit gemacht hatte. Mitte der 60er-Jahre – mein älterer Bruder war schon auf der Welt, ich noch nicht – zogen meine Eltern für ein Jahr in die USA. Ihren VW Käfer ließen sie aus Deutschland einschiffen, lebten erst in Columbus/Ohio, durchquerten dann das ganze Land und landeten schließlich in Berkeley, wo mein Vater an der UCB studierte. Ihr amerikanisches Jahr wurde zu einer Art Familienlegende. Es gab ein paar Fotos, die früh vergilbt und deswegen umso geheimnisvoller waren. Meine Mutter erzählt heute noch stolz von der schon damals offenbar werdenden lebenspraktischen Begabung meines Bruders. In jedem Motel und jedem Restaurant schienen die Toilettenspülungen anders zu funktionieren. Der zweijährige Manuel jedoch war blitzschnell darin, mit ein paar Handgriffen rauszukriegen, wo er welchen Hebel in welche Richtung drehen oder drücken musste.

Noch Jahrzehnte später tischte mein Vater uns am Sonntagmorgen Spiegelei mit Speck und eine halbierte Grapefruit auf, die er mit einer Akribie filetierte, wie er sie in den amerikanischen Diners kennengelernt hatte. Und was meine Eltern auf ihrer Reise gesehen hatten, wurde immer wieder mit glänzenden Augen erzählt. Der Grand Canyon, die Muir Woods, das Death Valley, das waren für mich mythische Orte, wie der Silbersee oder der Llano Estacado in den Romanen von Karl May. Und es waren Orte, an denen meine Familie Abenteuer erlebt hatte und glücklich gewesen war.

Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: So ähnlich habe auch ich dieses Land erlebt. Ich habe fünf Jahre hier gelebt, bin immer wieder hierhergereist. Beruflich oder auch einfach nur zum Spaß. Und ich habe mich nie, wirklich nie, gelangweilt.

Eine liebesblinde Hymne auf die USA wird dieses Buch trotzdem nicht. Dieses Land ist voller Widersprüche. Es ist kindisch und brutal, provinziell und weltoffen, obszön reich und schockierend arm, egoistisch und gottesfürchtig, rücksichtslos und überwältigend freundlich. Ich kenne durchaus intelligente Menschen, die sich weigern, nach Amerika zu fahren, und ich kann verstehen warum. Aus der Distanz lebt es sich leichter mit den eigenen Vorurteilen, diesseits des Atlantiks kann man sich dem brachialen und zauberhaften Charme der USA leichter entziehen.

Als ich das erste Mal nach Berkeley kam, dachte ich daher an meine Eltern. Sie hatten beide den Krieg noch erlebt und waren in einem Deutschland aufgewachsen, das ihnen eng und beschränkt vorkam. Hier dagegen sahen sie – anders als die Daheimgebliebenen – nicht nur ein Land, das einen sinnlosen Krieg am anderen Ende der Welt führte, sondern auch die Bürgerrechtsbewegung, die sich dagegen wehrte. Hier kamen sie mit ihrem kleinen Sohn in ein Restaurant und wurden nicht strafend angesehen, sondern bevorzugt behandelt. Hier erlebten sie eine Kultur, in der ihnen das Atmen leichter fiel.

Ich spazierte in Berkeley also über den Campus der University of California und blickte in die Februarsonne, die vom Pazifik aus die Hügel hinauf schien und sich vermutlich nicht wesentlich verändert hat, seit mein Bruder hier vom Campanile hinunterwackelte.

Soweit ich das von dort überschauen konnte, sind die USA noch immer eines der grandiosesten Länder der Welt. Wer sie sich ganz genau ansieht, der wird von der Schönheit der Natur und der Städte überwältigt sein und sich unweigerlich in die Menschen hier verlieben: in ihren blitzschnellen Humor, ihre praktische Intelligenz, ihre unendliche Neugier.

Zum Glück gibt es dort keine unüberwindbare Sprachbarriere. Zugegeben: Im Vergleich zu Holländern, Schweden oder Deutschen sind die Amerikaner nicht besonders fremdsprachengewandt. Die meisten sprechen nur Englisch – und eventuell Russisch, Spanisch oder Mandarin, aber damit ist einem ja nicht unbedingt weitergeholfen. Wenn Sie sich nicht nur in New Yorker Galeristenkreisen aufhalten wollen, wo jeder mindestens noch zwei weitere Sprachen beherrscht, sondern das ganze Land erobern möchten, müssen Sie sich in dem Idiom der Eingeborenen verständigen können. Aber Englisch ist bekanntlich kinderleicht. Glaubt man deutschen Sprachwächtern, ist unser Deutsch ohnehin schon bedenklich überfremdet und anglisiert. Und ein paar Brocken hat jeder durch Popmusik, Internet oder Schulunterricht aufgeschnappt.

Die Amerikaner mögen zwar keine anderen Sprachen beherrschen, aber sie machen es auch dem Anfänger leicht. Während ja die Franzosen den Besucher schon bei der falschen Betonung des Wortes Croissant am liebsten zur Guillotine (oder zumindest bis zur Landesgrenze) führen würden. Bringen Sie ruhig Ihren albernen britischen Akzent aus der Schule mit, hier hat jeder irgendwie einen Dialekt. Und wenn Sie zum Beispiel nach Texas fahren, sollten Sie sich darauf einstellen, dass Sie einen irre gemütlich klingenden und komplett unverständlichen Sprachbrei zu hören kriegen. Entweder Sie haben sich da vorher mithilfe von untertitelten Südstaatenfilmen reingehört, oder Sie müssen jetzt schnell von Begriff sein.

Aber keine Angst. Die Amerikaner haben die Erkenntnis im Blut, dass jeder Mensch ein Zugereister ist, denn sie sind ja selbst erst ein paar Hundert Jahre hier. Zumindest die überwiegende Mehrheit. Fast jeder Amerikaner kennt seine Herkunft und weiß, dass er zu einem Achtel Ire ist, seine Großmutter mütterlicherseits aus Kampanien stammte oder sich seine Vorfahren aus einem Dorf am Mittelrhein auf die Reise machten.

Als die Eltern meines Freundes Frank uns in New York besuchten, sprachen sie kein Wort Englisch. Eine Woche später hatte sich mein Schwiegervater mit dem Hausmeister aus dem Kosovo angefreundet, und die chinesische Verkäuferin bei Gracefully hielt jeden Morgen schon seinen Lieblingsbagel für ihn bereit. Auf die Frage, wie er das gemacht habe, grinste er nur. »Wenn wir nach Amerika kommen, werden wir Amerika«, schrieb Camille Paglia. Was sind da schon ein paar fehlende Vokabeln?

Außerdem sind die Amerikaner beinahe erschreckend höflich. Natürlich sind die Kellner hier auf das Trinkgeld angewiesen, natürlich ist nicht jedes Kompliment ein Heiratsantrag. Aber die alte Debatte, ob Freundlichkeit das Gegenteil von Ehrlichkeit ist, kann man hier vergessen, für ein paar Tage, für ein paar Wochen oder besser noch für den Rest des Lebens. Die paar entscheidenden Floskeln sind schnell gelernt, noch entscheidender aber ist die richtige Einstellung. Im Grunde gelten für ein gutes Auskommen mit Amerikanern die gleichen Regeln wie überall auf der Welt, trotzdem ist ein Besuch in den USA, richtig genutzt, wie ein Grundkurs im easy going: Gehen Sie auf Menschen zu. Stellen Sie Fragen. Freuen Sie sich über den Erfolg des anderen. Bezahlen Sie die nächste Runde. Loben Sie die Handtasche/die Uhr/das Auto. Und bevor Sie Ihre selbstverständlich vollkommen berechtigte Kritik an Außenpolitik, Schlaglöchern oder Ernährungsgewohnheiten äußern, überlegen Sie noch einmal kurz, ob es wirklich das Interessanteste ist, was Sie zu sagen haben.

Man wird die Amerikaner nie verstehen, und schon gar nicht ihre Politik, wenn man nicht ihr Grundbedürfnis nach dem akzeptiert, was sie »to have a good time« nennen. Die wahrscheinlich stärkste Waffe von Ronald Reagan oder auch George W. Bush war ihre Fähigkeit, eine Zufriedenheit zu vermitteln, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Ein selbstironischer Spruch wiegt hier im Zweifel schwerer als ein mittelschwerer außenpolitischer Skandal. Nicht umsonst haben die Amerikaner die plattesten wie die raffiniertesten Comedys der Welt.

Ebenso hilfreich ist Humor jedoch auch für das eigene Seelenleben, wenn man sich diesem Land nähert. Was soll man auch von einer Nation halten, die ihre Übergewichtigen mit Hamburgern als Schulspeisung quasi heranzüchtet und gleichzeitig das fanatischste Körperbewusstsein außerhalb von Brasilien hervorgebracht hat? Die ohne jede Hemmungen genmanipulierte Pflanzen und Rinder züchtet und in der gleichzeitig umweltschonende Hybridautos das allerneueste und allerunverzichtbarste Statussymbol sind? In der eine Million Embryos eingefroren darauf warten, von Leihmüttern ausgetragen zu werden, und in der gleichzeitig an manchen Schulen Evolution und biblische Schöpfungsgeschichte gleichberechtigt gelehrt werden? In der die Meisterwerke europäischer Architektur in wüsten Themenhotels nachgeäfft werden und gleichzeitig die wichtigste Kunst, Literatur und Musik der letzten siebzig Jahre produziert wurde? In der der Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt härter tobt als irgendwo sonst im westlichen Kapitalismus und gleichzeitig in Jobbewerbungen weder das Alter angegeben noch ein Foto beigelegt werden darf, damit niemand diskriminiert werden kann? In god’s own country ist XXL kein Superlativ, sondern das Standardformat, sind die Frauen lauter, die Männer schwerer, die Autos größer, die Fernsehsendungen schriller, die Zeitungen dicker, die Steaks blutiger, die Waffengesetze lockerer, die Wanderwege einsamer, die Reichen reicher und die Armen ärmer. Dieses Land kann man nur lachend lieben. Und mit Bewunderung für den Idealismus, die Naivität, die Zukunftsliebe seiner Bewohner.

Als Randolph William Hearst noch ein kleiner Junge war, so um 1870 herum, segelten seine Eltern in den Sommermonaten von San Francisco aus die Pazifikküste hinunter nach Süden und ankerten vor San Simeon, wo ihnen die Piedras Blancas Ranch gehörte (die heute berühmte Küstenstraße Highway 1 gab es noch nicht). Die Familie verbrachte ihre Sommerurlaube auf einem Hügel – mit grandioser Aussicht, aber in Zelten. Nachdem Hearst mit dem Erbe seines Vaters ein Medienimperium aufgebaut hatte, errichtete er sich hier ein Ensemble aus mehreren Häusern, gekrönt von einem Schloss, dessen Hauptfassade an eine spanische Kathedrale erinnern sollte. Alle Gebäude waren vollgestopft mit kostbarsten Antiquitäten und europäischer Kunst, der Swimmingpool war vergoldet, auf dem riesigen Anwesen tummelten sich exotische Tiere. Wenn man Glück hat, erspäht man heute noch ein paar Zebras, während sich der Besucherbus auf diesen Märchenberg schraubt. Wie Neuschwanstein hat sich hier ein Herrscher eine aus historischen Versatzstücken montierte Fantasiewelt errichtet. Aber während das Schloss von Ludwig II. von Bayern von neurotischer Weltflucht durchströmt ist, lud der amerikanische Hausherr die ganze Welt zu sich ein. Politiker, Schauspieler, Schauspielerinnen. Noch heute atmet das Hearst Castle den ganzen Größenwahnsinn und Optimismus Amerikas.

Ein schmales Buch wie dieses kann ein Land, das eigentlich ein Kontinent oder eine ganze Welt ist, natürlich nicht vollständig erfassen. Wozu auch? Egal, ob Sie in Pennsylvania Kanu fahren, wo die Flüsse noch immer indianische Namen tragen, ob Sie auf der Snowcat durch die verschneiten Berge Colorados heizen, ob Sie mit dem Airboat in den Everglades von Florida an Alligatorenfamilien vorbeirasen, ob Sie im Napa Valley dem kalifornischen Rotwein verfallen oder im New Yorker Galerienviertel Chelsea die Dekadenz des Kunstmarktes bestaunen, Sie werden merken, wie Amerika Sie erobert.

Und umgekehrt natürlich auch. Früher oder später werden Sie sich auf Ihrer Reise wie ein Entdecker fühlen. Getrieben von dem unerschütterlichen Glauben, dass das Beste noch vor Ihnen liegt.

Willkommen in der Neuen Welt.