Der Impuls des Schreckens erwacht
Sie sind die Elite des Imperiums: Arkoniden der obersten Schicht. Sie werden manipuliert, eine fremde Macht übernimmt ihren Willen. Perry Rhodan kämpft im Zentrum des Kristallimperiums für die Freiheit – er muss einen Krieg verhindern, der die ganze Milchstraße verheeren würde ...
Zwölf spannende Science-Fiction-Romane aus dem PERRY RHODAN-Universum ergeben ein abgeschlossenes Epos. Konzipiert von Marc A. Herren. Geschrieben von einem Team aus erfahrenen PERRY RHODAN-Autoren und neuen Talenten.
Nr. 1
Der Impuls
Sie erwacht aus tiefem Schlaf – und warnt vor einer dunklen Gefahr
Marc A. Herren
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Die Lage in der Milchstraße ist friedlich, die einzelnen Sternenreiche kooperieren. Nur selten kommt es zu Spannungen, für die es meist eine diplomatische Lösung gibt.
Mit dem kleinen Raumschiff MANCHESTER reist Perry Rhodan in den Kugelsternhaufen M 13, das Zentrum des Kristallimperiums. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky und eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nur wenig weiß.
Ihr Ziel ist der Planet Zalit, wo Rhodan offiziell an einer Konferenz teilnehmen soll. In Wirklichkeit folgt er einer Spur: »Dunkle Befehle« scheinen das Imperium zu gefährden. Nur direkt vor Ort kann er mehr darüber herausfinden.
Doch die Reise entwickelt sich zu einer Abfolge katastrophaler Ereignisse. Rhodan erkennt, dass mitten im Kugelsternhaufen eine Bedrohung für die gesamte Milchstraße heranwächst. Hinter dieser Gefahr steckt offenbar DER IMPULS ...
Perry Rhodan – Der Terraner sucht Antworten in Thantur-Lok.
Gucky – Der Mausbiber unterstützt Rhodan nach Kräften.
Aspartamin – Der Mantar-Heiler hält vor allem viel auf sich.
Sahira – Die Schläferin rätselhafter Herkunft wacht auf.
Vogasystem
9. Juni 1402 NGZ
»Aus dem All sieht fast jede Welt schön aus«, murmelte Perry Rhodan und blickte auf das Hologramm, das vor seinen Augen schwebte.
In der dreidimensionalen Darstellung drehte sich ein Planet in einem Schimmer aus braungrünen Landflächen und ausgedehnten Ozeanen, umgeben von zerfaserten Wolkenbändern. Ein friedliches Paradies, das zu einem Besuch geradezu einlud.
Das sieht fast zu friedlich aus, dachte Rhodan. Oder werde ich langsam paranoid?
Aus dem Augenwinkel sah er die Positionsdaten des Raumschiffes. Alles verlief nach Plan, keine Probleme. Die MANCHESTER glitt vertikal zur Systemebene auf den vierten Planeten Zalit zu, ein Routineflug, bei dem das Ziel in Reichweite war.
Perry Rhodan bremste die Privatjacht ab; längst hatte er auf »manuell« umgeschaltet und steuerte das Raumschiff selbst. »Wie in alten Zeiten«, sagte er in solchen Fällen. Als ob die »alten Zeiten« je wiederkommen würden ... Er schickte den vorbereiteten Kennungsimpuls auf den Weg.
Wie aus dem Nichts gezaubert, stand auf einmal Gucky neben ihm. Rhodan zuckte nicht einmal zusammen; er war daran gewöhnt, dass der kleine Mausbiber teleportierte. Er nickte seinem pelzigen Freund zu, dann widmete er sich wieder dem Hologramm und den technischen Anzeigen.
Nachdenklich betrachtete der Mausbiber das Bild im Steuerholo. Dann deutete er auf die schematische Darstellung der rot flammenden Riesensonne Voga, die im oberen Drittel eingeblendet wurde.
»Passend zur aktuellen Gefahrenlage«, piepste er. »Der rote Alarmknopf ist hier richtig groß!«
»Mal du jetzt nicht den Teufel an die Wand. Ich bin schon nervös genug.« Rhodan erhob seine Stimme. »Positronik!«
»Ja?«, erklang die künstliche Stimme des Bordrechners.
»Check die aktuellen Raumschiffsbewegungen im System!«, ordnete Perry Rhodan an. »Ich will sie alle in der holografischen Darstellung haben.«
Das Hologramm veränderte sich. Lichtpunkte blitzten auf, Zahlen wanderten durch die Darstellung. Vor allem rings um den Planeten waren viele Raumschiffe unterwegs. Sie brachten Fracht, transportierten Waren oder Passagiere. Die Kennungen waren eindeutig.
Rhodan griff an einigen Stellen zu und veränderte das Bild. »Hm«, machte er und lehnte sich zurück. »Das scheint alles friedlich zu sein«, sagte er, nachdem er die Informationen erneut geprüft hatte. »Keine massierte Wachflotte, keine fliehenden Frachtschiffe, kein erhöhter Funkverkehr ...«
»Das kann alles noch kommen«, gab Gucky düster zurück. »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Manchmal sollte man tatsächlich auf seinen Bauch hören.«
Rhodan atmete tief ein. »Eigentlich müsste ich dir widersprechen. Aber das kann ich leider nicht. Es entsteht etwas, das ist sicher. Gut möglich, dass es hier im Vogasystem seinen Anfang nehmen wird.«
Er wischte durch das Hologramm. Die Darstellung wechselte, die Sonne Voga wurde kleiner. Der Kugelsternhaufen M 13 rückte ins Zentrum, ein grell glitzerndes Meer aus gut 100.000 Sonnen. Thantur-Lok, so nannten die Arkoniden diesen Sternhaufen, und sie hatten ihn so gründlich kolonisiert, wie es nur möglich war.
Rhodan betrachtete die gemaserte Oberfläche von Zalit, die beständig anwuchs. Bald würde die Raumstation VOGAS STOLZ ins Bild kommen; das eigentliche Ziel ihrer Reise.
Es gab genau zwei Dinge, die man über den Planeten Zalit wissen musste: Erstens schmückte sich die Welt mit dem Titel die älteste arkonidische Kolonie. Die Zaliter galten seit jeher als die treuesten Verbündeten des arkonidischen Imperiums. Ihre Welt war vor vielen Jahrtausenden besiedelt worden. Und zweitens gediehen in Zalits warmem Klima einige äußerst schmackhafte, weit über den Kugelsternhaufen Thantur-Lok hinaus bekannte Weinsorten.
»Seltsam, dass sich noch niemand bei uns gemeldet hat.« Guckys pelziges Gesicht wirkte angespannt, seinen Mund hielt er geschlossen; er atmete flach und gepresst.
Rhodan zuckte mit den Schultern. »Ich gehe davon aus, dass wir sie gerade ordentlich verwirren. Falls Bully der Regierung nicht gemeldet hat, dass ich an seiner Stelle an der Konferenz teilnehme, erwarten sie das Flaggschiff der LFT – und keine kleine Privatjacht.«
»... mit dem derzeit beurlaubten Residenten«, ergänzte Gucky. Es sollte wohl ein Spaß sein, kam aber völlig nüchtern. »Nicht mit einem wichtigen Diplomaten, sondern mit dem Privatmann Perry Rhodan.«
»Meinen Namen werden sie trotzdem kennen.«
»Das schon. Aber vielleicht glaubt ein übereifriger Offizier, dass die diplomatische Kennung der MANCHESTER gefälscht ist, und lässt das Feuer auf uns eröffnen.«
»Keine schlechten Scherze«, bat Rhodan. »Sie werden eher damit beschäftigt sein herauszufinden, ob sich ein ranghoher Offizier oder der Zarlt persönlich bei uns melden soll.«
Er glaubte nicht daran, dass der Zarlt – das Staatsoberhaupt der Zaliter – selbst den Funkkontakt aufnehmen würde. Rhodan war Privatmann, nicht mehr der mächtigste Mann der Erde. Es gab keinen Grund, warum ein Zaliter die höfischen und diplomatischen Regeln grundsätzlich ändern sollte. Aber man wusste nie.
Die Kameras der MANCHESTER fingen das Bild einer kelchförmigen Raumstation auf; das Hologramm wechselte. Wie eine riesige silberne Blüte schwebte sie im freien Weltraum über Zalit.
Rhodan deutete darauf. »Und hier ist VOGAS STOLZ.«
In der Holosphäre erschienen die technischen Daten der Raumstation. Der Kelch war beeindruckende drei Kilometer lang. An der Basis maß er etwas über zweihundert Meter und verbreiterte sich bis zu dem oberen, auskragenden Rand auf fast tausend Meter. Spiralförmig wanden sich zwei Reihen von Plattformen über den Kelchkörper. Fesselfelder begrenzten die Plattformen, mechanische Anlagen transportierten Container über ihre Oberfläche. Kleine Lasten- und Passagiergleiter dockten an ihnen an, während größere Kugel- und Walzenraumschiffe am oberen Rand geparkt waren.
»Hübsch!«, meinte Gucky. »Architektonisch nicht ganz so beeindruckend wie die Solare Residenz, aber auch nicht ganz ohne.« Telekinetisch erhob er sich in die Luft, schwebte zwei, drei Meter zur Seite und ließ sich in einen Sessel sinken. »Und einen ordentlichen Verkehr haben die dort ebenfalls.«
»Funkanruf von VOGAS STOLZ«, meldete der Bordrechner. »Willst du ihn annehmen?«
»Ja.« Rhodan richtete sich auf, ein echter Reflex: Auch wenn er kein Staatsmann mehr war, wollte er keinen schlechten Eindruck hinterlassen. In M 13 hielt man die Etikette hoch.
Er gab dem Mausbiber einen Wink. »Ich werde deine Anwesenheit vorerst verschweigen, Gucky. Je länger die Zaliter im Unklaren darüber sind, dass wir einen Telepathen an Bord haben, desto besser ist das für uns.« Er lächelte. »Die Rechner haben sich gegenseitig kontaktiert, unsere offiziellen Daten haben die dort drüben schon. Die wissen also, dass ich an Bord der MANCHESTER bin, ahnen aber nichts von dir.«
»Verstanden, Chef!«, rief Gucky. Mit einem leisen »Plopp« verschwand er. Rhodan wusste, dass der Mausbiber in einen kleinen Raum neben der Zentrale sprang. Von dort aus bekam er sehr gut mit, was in der Zentrale gesprochen und getan wurde.
Rhodan öffnete die Funkverbindung.
In der Holosphäre materialisierte das Bild eines finster dreinschauenden Mannes, der auf den ersten Blick als Terraner hätte durchgehen können. Er wirkte groß und robust mit einer hohen Stirn, intensiven grünen Augen und kantigen Gesichtszügen. Sein Teint schimmerte in einem kräftigen Rotbraun, die bronzefarbenen Haare waren schulterlang. Er trug eine rot-schwarz gemaserte Uniform mit hochgestecktem, steifem Kragen. Das Rangabzeichen wies ihn als Dreimondträger aus.
»Willkommen im Vogasystem«, sagte der Offizier mit kühler Stimme. »Ich bin Kermen, Kommandant von VOGAS STOLZ.«
Dass der Kommandant den Kontakt aufnahm, bewies, dass man in der Station bereits von Rhodan wusste. Trotzdem gab der Terraner eine höfliche Antwort, wie es sich gehörte.
»Ich grüße dich, Dreimondträger Kermen. Mein Name ist Perry Rhodan. Ich bin im Auftrag des Terranischen Residenten hier, um an der Konferenz teilzunehmen, zu der der Zarlt eingeladen hat.«
Eine scharfe Falte grub sich oberhalb von Kermens Nasenwurzel in die Stirn ein. »Ich musste mich mit meinen eigenen Augen versichern, ob sich hinter der Kennung dieses Spielzeugs tatsächlich Perry Rhodan verbirgt. Dein Erscheinen sorgt für Irritationen, haben wir doch Reginald Bull erwartet, den Terranischen Residenten ad interim.«
»Reginald Bull ist leider verhindert«, sagte Perry Rhodan ruhig. »Dringende Geschäfte ließen es nicht zu, der Einladung zu folgen. Aus diesem Grund hat mich der Resident gebeten, meinen Urlaub zu unterbrechen und an seiner Stelle an der Konferenz teilzunehmen. Er hat mich hierzu mit allen notwendigen diplomatischen Kompetenzen ausgestattet. Ich habe sie der Funkkennung der MANCHESTER beigefügt.«
»Das ist mir aufgefallen«, sagte der Dreimondträger steif. »Zudem hat der Resident deine Stellvertretung bereits vor Tagen angekündigt. Allerdings sind wir bis heute von einem der schwer verständlichen terranischen Scherze ausgegangen.«
»Ich hoffe, dass der Zarlt Verständnis für den Terranischen Residenten aufbringen wird«, sagte Rhodan diplomatisch. »Da mir dieses Amt ja nicht ganz unvertraut ist, gehe ich davon aus, meinen Freund Reginald Bull angemessen vertreten zu können.«
»Es ist nicht mehr zu ändern. Dein Raumschiff wird nun mit einem Peilimpuls zu einem freien Landeplatz gelotst. Ich bitte dich und ...« Der Zaliter sah suchend an Rhodan vorbei. »Du bist ohne Crew unterwegs?«
»Die MANCHESTER benötigt keine feste Besatzung.«
Das war zwar nicht gelogen, verschleierte aber die Tatsache, dass sie sich zu dritt an Bord der Privatjacht aufhielten. Falls Kermen auf die Idee kam, die MANCHESTER mit Bioscans zu durchleuchten, würden Gucky und ihre Patientin zweifellos entdeckt werden.
Vorteile musste man nutzen, solange sie Bestand hatten.
»Die Konferenz ist auf morgen angesetzt, in deiner Zeitrechnung am 10. Juni um 18.32 Uhr. Ich bitte dich, bis zu diesem Zeitpunkt an Bord deines Schiffes zu bleiben. Die Vorbereitungen für die Konferenz laufen auf Hochtouren – da kann ich unmöglich Leute abziehen, die sich um deine Sicherheit kümmern.«
»Einverstanden.« Rhodan nickte. Wieso muss er das mit der Sicherheit so betonen?, überlegte er. Was ist faul auf Zalit?
Im Holo wurde der Empfang des Peilsignals angezeigt. Die MANCHESTER änderte ihren Kurs selbstständig und steuerte den oberen Rand der Raumstation an.
»Das verstehe ich«, sagte Rhodan. »Bin ich richtig informiert, dass neben den Repräsentanten von Aralon und Archetz auch Imperator Bostich I. an der Konferenz teilnehmen wird?«
»Das ist richtig so. Seine Erhabenheit wird die Konferenz ebenfalls mit seiner Anwesenheit beehren.«
Daran, dass die Konferenz tatsächlich auf Geheiß des Zarlt angesetzt worden war, glaubte Rhodan keine Sekunde lang. Selbst der höchste Zaliter besaß nicht das Format und den politischen Einfluss, um den arkonidischen Imperator zu einer Verhandlung zu zitieren.
Bostich persönlich hatte den Lordmediker der Aras, den Patriarchen von Archetz und den Terranischen Residenten ins Vogasystem bestellt. Der Zarlt hatte nur den Befehl umgesetzt und sich als Gastgeber ins Zentrum gestellt.
Rhodan fragte sich, was der arkonidische Imperator mit der Konferenz bezweckte. Bostich war nicht nur Imperator, als Erster Vorsitzender des Galaktikums war er für die gesamte Milchstraße verantwortlich. Wieso lud er zu einer geheimen Besprechung, die für andere Völker einem Affront gleichkommen würde? Und welcher Zusammenhang bestand mit dem geheimnisvollen Impuls, von dem Rhodan und Gucky auf Tahun erfahren hatten?
Rhodan lächelte höflich. »Wie dir vielleicht bekannt ist, geschätzter Kermen, verbinden mich mehrere persönliche Erlebnisse mit dem Planeten Zalit. Ich würde die Wartezeit bis zur Konferenz gerne für einen ausgedehnten Besuch deiner Heimatwelt nutzen.«
Der Dreimondträger versteifte sich. »Ein Besuch des Planeten ist für dich nicht vorgesehen.«
Rhodan lächelte weiterhin. Wer seit Jahrhunderten mit Arkoniden und Zalitern und vielen anderen Völkern verkehrte, der lernte Diplomatie und überzogene Höflichkeit. »Dann wäre es eine schöne Geste, wenn du trotzdem einen kurzen Abstecher in die Wege leiten könntest. Ich will keinen Staatsempfang. Ein Besuch eurer Hauptstadt reicht mir. Ich bin gespannt, wie sich Tagnor über die Jahrtausende verändert hat. Steht das Denkmal noch, das an das Ende der Beeinflussung durch die Mooffs erinnert?«
Kermen zog ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, sagte er mit heiserer Stimme. »Es ... es wird nicht ganz einfach sein, so kurzfristig eine Landegenehmigung zu erhalten. Ich werde mich mit dem Gouverneur von Tagnor in Verbindung setzen und ... eben schauen, was sich machen lässt.«
Mit einem Schlag hatte der hochrangige zalitische Offizier seine Souveränität eingebüßt, wirkte von einer Sekunde auf die andere nervös und fahrig.
»Bitte gedulde dich, Rhodan«, sagte er mit einem Rest von korrekter Höflichkeit, bevor er hastig die Funkverbindung unterbrach.
*
Kaum war das Bild des Offiziers aus dem Hologramm verschwunden, tauchte Gucky wieder auf. Das leise »Plopp« nahm Rhodan nur am Rande wahr. Der Ilt war auffallend ernst.
Rhodan sah Gucky gespannt an. »Was hast du herausgefunden?«
Der Mausbiber hob sich mit seinen telekinetischen Kräften in die Höhe und schwebte auf den Sessel neben Rhodan. »In der Raumstation herrscht hektische Betriebsamkeit. Die Konferenz wurde kurzfristig initiiert; niemand weiß Genaueres darüber. Nicht einmal der Zarlt, der sich in eine Luxuskabine zurückgezogen hat und der Konferenz nervös entgegenblickt.«
»Und Kermen? Weshalb erschrak er, als ich mein Interesse an einem Besuch von Tagnor zeigte?«
Gucky schwang sich auf eine der Armlehnen des Sessels und ließ die Füße baumeln. »Irgendetwas geschieht gerade auf Zalit. Etwas, von dem niemand erfahren darf – am wenigsten der in wenigen Stunden erwartete Imperator!«
»Irgendetwas geschieht?«, wiederholte Rhodan. »Könntest du das etwas präzisieren? Und was hat das mit Bostich zu tun?«
»In der Raumstation sind sie nicht besonders gut über die Vorgänge informiert. Sie haben lediglich Gerüchte gehört, die nun aber zur allgemeinen Hektik beitragen.«
»Und was besagen die Gerüchte?«
»Angeblich ist in einem Forschungszentrum in der Nähe von Tagnor vor ein paar Tagen ein Experiment aus dem Ruder gelaufen. Nun haben die Zaliter Schiss, dass seine millionenäugige Erhabenheit davon erfährt und Zalit in der Beliebtheitsskala des Imperators einen bösen Taucher hinlegt.«
Rhodan hob die Schultern. »Bestimmt tragen sich auf den meisten Welten des Kristallimperiums immer wieder Dinge zu, von denen Bostich besser nichts erfahren sollte. Das kennen wir ja auch zur Genüge von den Liga-Welten. Das ist normal.«
Als Gucky feixte, wusste Rhodan, dass ihm der Mausbiber noch nicht alles gesagt hatte. Er wartete genüsslich darauf, die Pointe seiner Geschichte erst in diesem Augenblick zu enthüllen.
»Hmm«, machte Rhodan gedehnt. »Denke ich ein wenig weiter, so ist es natürlich auffällig, dass dieses Experiment vor ein paar Tagen aus dem Ruder gelaufen ist. Und nach deinem Gesichtsausdruck zu schließen, kennen wir beide bereits den Grund dafür ... Es ist der Impuls, nicht wahr? Derjenige, der Sahira aus ihrem medizinischen Stasisschlaf geholt hat.«
Guckys Kinnlade klappte herunter. »Du hast es gewusst?«
»Ich habe nur eins und eins zusammengezählt.«
Nachdenklich betrachtete Rhodan die Raumstation. Lichtreflexe flirrten über ihre silberne Oberfläche: kleine Roboter, die auf die Entfernung wie Insekten wirkten und ihren stillen Tätigkeiten nachgingen. Bald würde die MANCHESTER das Landefeld erreicht haben, das ihr das System zugewiesen hatte.
»Es ist nicht zu erwarten, dass die meine Bitte erfüllen, mal einen Abstecher nach Tagnor zu unternehmen. Und ich gehe davon aus, dass wir bald von Bioscans durchleuchtet werden. Dann aber wäre es von Vorteil, wenn wir uns für ein paar Stunden aus der MANCHESTER zurückziehen würden.«
Rhodan tippte auf ein Eingabefeld, das Bild im Hologramm wechselte und zeigte die Oberfläche des Planeten. Eine riesige Stadt war zu sehen, davor ein stahlblauer Ozean, in dem Inseln wie bunte Kleckse glänzten.
»Was hältst du davon, wenn wir die Gelegenheit nutzen und uns in diesem Forschungszentrum umsehen?«, fragte Rhodan. »Damit würden wir die berühmten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Zaliter bekommen nichts von dir mit, und wir finden vielleicht weitere Informationen zu diesem geheimnisvollen Hyperimpuls.«
Der Mausbiber stieß sich ab und sprang elegant auf den Boden. »Da halte ich viel davon!«, piepste er. »Moment!«
Gucky verschwand mit einem erneuten »Plopp!« und kehrte keine zehn Sekunden später zurück. Nun steckte er in seinem spezialgefertigten SERUN. Es war nicht das erste Mal, dass er Rhodan seinen Trick vorführte, bei dem er direkt in den in seiner Kabine stehenden Schutzanzug teleportierte, ihn aktivierte und einsatzbereit zurückkehrte.
Rhodan übergab die MANCHESTER vollends der Robotsteuerung, erhob sich und entnahm einem Fach neben dem Pilotensitz seinen eigenen SERUN. Schnell schlüpfte er hinein und ließ die automatischen Checks durchlaufen. Als die grün hinterlegten Klarmeldungen im Innendisplay erschienen, streckte er Gucky die linke Hand entgegen.
»Einmal Zalit, bitte!«
Der Mausbiber zögerte. »Und was ist mit Sahira?«
»Falls sich an ihrem Gesundheitszustand etwas ändern sollte, wird sich ihr Medoroboter bei meinem SERUN melden. Die Frequenz habe ich bereits während des Fluges eingestellt.«
Gucky ergriff seine Hand. »Dann ist alles klar. Bitte gut festhalten – Zalit, wir kommen!«
*
Gucky hatte sich eine Parklandschaft als Zielgebiet ausgesucht. Sie materialisierten zwischen Bäumen, die erstaunlich irdisch aussahen. Lange violette Blätter hingen meterlang von den Stämmen herunter, es duftete stark nach ätherischen Ölen.
Perry Rhodan hatte darauf verzichtet, den Helm vollständig zu schließen; nur das Innendisplay hatte er hochgefahren. Nun verglich er die zwischen den Baumstämmen sichtbaren Gebäude mit dem eingeblendeten Situationsplan von Tagnor.
»Esperst du etwas Interessantes?«
Der Mausbiber schüttelte den Kopf. »Im Park sind nur wenige Zaliter. Ihre Gedanken drehen sich um alltägliche Dinge. Ah, doch, einen Moment ...« Gucky schloss die Augen, konzentrierte sich.
Während er darauf wartete, dass Gucky weitersprach, gab Rhodan der Anzugpositronik den Auftrag, die lokalen Nachrichtennetze nach Meldungen über außergewöhnliche Ereignisse zu durchforsten. Die Suchroutinen hatten sie schon während des Fluges festgelegt, alle Begrifflichkeiten waren in der Positronik gespeichert.
Gucky öffnete die Augen, ergriff erneut Rhodans Hand. »Eine Spaziergängerin hat sich gerade bei ihrer Begleitung darüber beschwert, dass das Naherholungsgebiet am Stadtrand zu einer Sperrzone erklärt worden war und sie nun auf den Stadtpark ausweichen mussten.«
Rhodan nickte. Gleichzeitig scrollte er durch die eingeblendeten Meldungen, bis er diejenige gefunden hatte, die er suchte. »Angeblich hat sich in dem Forschungszentrum Anuula am Stadtrand von Tagnor vor vier Tagen ein Strahlenunfall ereignet«, sagte er. »Der Gouverneur ließ dann das Gebiet um die Anlage weiträumig absperren, bis keine Gefährdung mehr davon ausgeht.« Er verzog das Gesicht. »Klingt nach Politiker-Blabla, nicht nach einer vernünftigen Auskunft.«
»Aber es klingt auch nach einem Ort, den wir uns anschauen sollten«, meinte Gucky. »Auf in den Einsatz!«
Sie schlossen ihre Helme und aktivierten den Kurzdistanzfunk. Rhodan wusste, dass sich der Mausbiber den anvisierten Gebäudekomplex als Grundrisskarte ins Innendisplay legte. Dann konzentrierte er sich kurz und teleportierte.
Sie materialisierten in einem hellen, weitläufigen Zimmer, das allem Anschein nach zuvor als Freizeit- und Entspannungsraum benutzt worden war. An den Wänden schimmerten Bilder, der Fußboden bestand aus einem Material, das eine leichte Wärme verströmte.
Nun sah es aus, als wäre eine Horde wilder Tiere über die Einrichtungsgegenstände hergefallen. Völlig demolierte Sofas, zertrümmerte Statuetten, unkontrolliert Wasser speiende Springbrunnen und in kleinste Fetzen zerrupfte Zimmerpflanzen bedeckten den Boden.
Etwas – oder jemand – hatte zudem eine der Wände durchschlagen; ein unregelmäßig geformtes Loch klaffte darin.
»Ist jemand in unserer Nähe?«, fragte Rhodan.
Gucky verzog das pelzige Gesicht zu einer Grimasse der Anstrengung.
»Was ist los, Kleiner?«
Der Mausbiber atmete mehrmals tief durch. »Ich fange Gedanken ... erschreckende Gedanken auf!« Er schüttelte den Kopf, als wolle er die telepathisch empfangenen Bilder wieder loswerden. »Es kommt mir so vor, als litten mindestens zwei Dutzend Zaliter an schweren Wahnvorstellungen. Sie wollen ...«
Gucky erstarrte, blickte gehetzt zu einer der offen stehenden Türen, packte dann Rhodans linke Hand und teleportierte in die Ecke des Raumes, die am weitesten von der Tür entfernt war.
Zwei Herzschläge später stürmten drei Zaliter – zwei Frauen und ein Mann – durch die Tür. Sie trugen Eisenstangen in den Händen; ihre weiße Freizeitkleidung war zerrissen und schmutzig. Wo haben sie denn die her?, dachte Rhodan irritiert.
»Wo sind sie?«, schrie eine der Frauen, sie wirkte durchtrainiert und sportlich. »Ich habe sie ganz eindeutig gehört!«
Der Zaliter, ein groß gewachsener Hüne mit langem, pechschwarzem Haar, sah sich suchend um. »Dort!« Er zeigte mit der Eisenstange in Rhodans Richtung. »Und sie tragen Kampfanzüge – das ist unsere Chance!«
Die drei Zaliter rannten auf sie zu. Der Schwarzhaarige stolperte über einen zertrümmerten Tisch, fiel zu Boden. Die zwei Frauen stürzten in ihrer blinden Hast über ihn. Keuchend rappelten sie sich auf und setzten ihren Ansturm fort.
»Gucky?«, sagte Rhodan ruhig.
»Schon dabei, Großer!«, rief der Mausbiber vergnügt.
Wie von Zauberhand wurden den Angreifern die Eisenstangen aus den Händen gerissen. Sie flogen in hohem Bogen davon und prallten scheppernd gegen eine Wand.
Die drei schrien panisch auf. Der Mausbiber nutzte den Augenblick der Verwirrung, ergriff mit seinen telekinetischen Sinnen die zweite, etwas schwächer aussehende Frau und zerrte sie zu sich heran.
Rhodan packte die Frau, und Gucky teleportierte mit ihnen in einen leer stehenden Raum. Er sah genauso verwüstet aus wie der erste, den sie betreten hatten.
»Lass mich los!«, kreischte die Zaliterin. »Ich muss hier raus! Die GOS'KANA unter mein Kommando bringen ... Arkon angreifen!«
»Immer ruhig«, piepste Gucky. Telekinetisch erfasste er die heftig strampelnde Frau und ließ sie in der Luft schweben.
»Wer bist du?«, fragte Rhodan. »Und was ist hier geschehen?«
Die Zaliterin sah ihn mit rollenden Augen an. Schaumflocken hingen an ihren Lippen, das schweißnasse, graue Haar klebte an ihrem Schädel. Eine blutige Schramme zog sich quer über die linke Wange. Sie keuchte heftig. »Ich bin ... ich muss ... ich muss hier raus!«
»Wer bist du?«, wiederholte Rhodan. Er sprach ruhig, aber bestimmt. »Antworte mir!«
Die Bewegungen der Frau wurden schwächer. »Ich bin ... Handra? Nein, nein. Ich bin ... Salmon ... da Akonda ...« Sie verzog das Gesicht, als litte sie unter starken Schmerzen. »Ich weiß nicht«, stieß sie schluchzend aus. »Ich weiß es nicht mehr.« Sie blinzelte unkontrolliert, verdrehte die Augen und sank in sich zusammen.
Gucky setzte die Zaliterin sanft ab, ließ sie zu Boden gleiten. Dann schaute er Rhodan verwirrt an. »Sie wusste tatsächlich nicht mehr, wer sie ist. In ihren Gedanken haben sich verschiedene Ebenen und Persönlichkeiten miteinander vermischt. Sie wusste nur noch, dass sie ein Schiff namens GOS'KANA betreten und mit ihm Arkon angreifen soll.«
Rhodan betrachtete die Frau. »Die dunklen Befehle, von denen Sahira gesprochen hat. Sie konnte offensichtlich nicht mit ihnen umgehen.«
»Vielleicht können uns die anderen beiden besser Auskunft geben. Ich werde sie ... Oh, verdammt!«
»Was ist geschehen?«
Gucky schaute Rhodan erschrocken an. »Ich habe die Gedanken eines Zaliters aufgefangen, der die Anlage überwacht. Er hat gerade einen Paratronschirm über die gesamte Forschungsstation gelegt.«
»Mit anderen Worten«, sagte Rhodan. »Wir sind hier gefangen.« Das wird ja immer schlimmer.
Tahun
4. Juni 1402 NGZ
Fünf Tage zuvor
Zusammen mit Gucky betrat Perry Rhodan die KMP – die Klinik für Metapsychik und Psychophysik auf Tahun. Seit seinem letzten Aufenthalt in der KMP hatte sich das Aussehen der Klinik von Grund auf verändert. Aus dem flachen Gebäude mit den zehn Untergeschossen war ein beeindruckender Gebäudekomplex mit eigenem Miniraumhafen geworden.
Nur ein Prinzip hatte die Jahrhunderte überdauert: Die Eingangshalle mit ihren mächtigen Säulen und den ausgedehnten Sitzgelegenheiten erschien Rhodan nach wie vor für eine Klinik verschwenderisch groß und luxuriös ausgestattet.
Gucky staunte. »Platz genug, um ein Space-Jet-Modell im Maßstab eins-zu-eins fliegen zu lassen – aber weder Patienten noch Klinikpersonal, so weit das Auge ...«
In diesem Moment öffnete sich eine der Säulen, und eine kleine, stämmig gebaute Frau trat heraus. Sie sah sich kurz um und schritt dann eilig auf die beiden Besucher zu.
»Willkommen auf Tahun!«, rief sie bereits, als sie zehn Meter entfernt war. »Es freut mich sehr, dass es so schnell geklappt hat!«
Die Medikerin hieß Sal Bassa, war knapp sechzig Jahre alt, stammte von Plophos und hatte den Ruf einer medizinischen Allrounderin. Nach ihrem überraschenden und sehr geheimnisvollen Anruf hatte Rhodan von seinem besten Kontakt in der USO einen Hintergrundcheck zu Sal Bassa verlangt. Nachdem ihm Ronald Tekener bestätigt hatte, dass Bassa als absolut vertrauenswürdig einzustufen war, hatte sich Rhodan entschieden, gemeinsam mit Gucky nach Tahun zu fliegen, um Bassa zu treffen.
Leicht außer Atem trat die Plophoserin zu ihnen und schüttelte ihre Hände. Die Nervosität war ihr deutlich anzumerken. Zwei weitere Male versicherte sie ihnen, wie erleichtert sie sei, dass die beiden Zellaktivatorträger ihrer Bitte um einen Besuch so schnell gefolgt seien.
»Seit ich eine Pause vom Residenten-Amt genommen habe, sind solche spontanen Ausflüge einfacher zu bewerkstelligen«, erklärte Rhodan.
»Auffälligerweise ist die Milchstraße seither vor den Angriffen negativer Superintelligenzen oder anderer Schurken verschont worden«, verkündete Gucky lauthals, »sodass auch ein Retter des Universums einmal ein paar freie Tage einlegen kann.«
Sal Bassa blickte den Mausbiber irritiert an.
»Hör nicht auf ihn«, sagte Rhodan trocken. »Er hat vorhin gleich zwei hochkonzentrierte Möhrendrinks konsumiert. Das viele Carotin und die Vitamine wirken in seinem Spaßzentrum wie ein Brandbeschleuniger.«
Demonstrativ verschränkte Gucky seine Arme. »Fein. Das muss der Herr Rhodan natürlich gleich wieder ausplaudern.«
Die Medikerin blickte zwischen Rhodan und dem Mausbiber hin und her. »Faszinierend«, sagte sie verblüfft. »Ihr seid ja ganz anders, als ihr in den Nachrichten und den Trivid-Filmen dargestellt werdet. So ... so normal.«
»Normal?«, stieß Gucky mit seiner piepsigen Stimme aus. »Wir? Das ist doch ...«
»Weshalb hast du uns hergebeten?«, fragte Rhodan. »Du wolltest während des Funkgesprächs keine Einzelheiten nennen.«
»Es ist keine einfache Geschichte. Am besten, ich zeige euch erst einmal, um wen es sich handelt. Bitte folgt mir.«
Sie drehte sich um und eilte zu dem Antigravlift zurück, durch den sie die Eingangshalle betreten hatte.
Zwölf Stockwerke ging es in die Tiefe. Nachdem sie den Antigrav verlassen und ein paar Dutzend Meter durch verwinkelte Gänge zurückgelegt hatten, gelangten sie durch drei Sicherheitsschleusen in einen Labortrakt.
Teile des Raumes waren nur schlecht ausgeleuchtet und standen teilweise ganz im Dunkeln, als würde in diesem Labor nur noch zeitweise gearbeitet.
Die Medikerin führte die beiden Zellaktivatorträger zu einem transparenten Medotank. In der leicht trüben Lösung schwebte der halb nackte Körper eines Mädchens.
»Das hier«, sagte die Medikerin, »ist seit zwölf Jahren meine Patientin. Sie heißt Sahira.«
Rhodan ging mit gerunzelter Stirn auf den Medotank zu, um das Gesicht des Mädchens genauer zu betrachten.
Es war ebenmäßig und hübsch, mit hohen Wangenknochen und millimeterkurzen, schwarzen Haaren. Obwohl sie schlief und aus der Nase und dem Mund Schläuche ragten, über die Sahira beatmet und ernährt wurde, zog ihr Gesicht Rhodan sofort in seinen Bann. In der Ausstrahlung dieses Mädchens lag etwas zugleich Vertrautes wie auch völlig Fremdartiges.
Ihr Körper war schlank, fast mager. Die weiblichen Rundungen zeichneten sich unter den dünnen weißen Stoffbahnen nur schwach ab. Sahira war ein Mädchen auf dem Sprung zu einer jungen Frau, irgendwo im pubertären Niemandsland zwischen dreizehn und sechzehn Jahren.
Langsam drehte sich Rhodan zu Sal Bassa um. »Ich habe keine Ahnung, wer sie ist. Sollte ich sie kennen?«
Die Medikerin zuckte ratlos mit den Schultern. »Zumindest hatte ich es gehofft.«
»Kennst du ihren Nachnamen? Unter welchen Umständen wurde sie zu deiner Patientin?«
Sal Bassa seufzte leise. »Die einzige Information zu ihrer Identität, die in ihrer Krankenakte stand, war ihr Vorname Sahira. Und sie ist seit dem 30. April 1390 meine Patientin.«
»1390?«, echote Gucky. »Vor zwölf Jahren? Dann kam sie als Kleinkind nach Tahun und hat ihr gesamtes bisheriges Leben in diesem Tank verbracht?«
Gucky wirkte konsterniert. Der Schalk, den er zuvor so demonstrativ gezeigt hatte, war spurlos verschwunden.
Sal Bassa schüttelte den Kopf. »Es war vor zwölf Jahren, ja. Aber deine Annahmen treffen nicht zu. Im Gegenteil ... Aber ich erzähle euch besser alles von Anfang an.«
Rhodan atmete tief durch. Er ahnte, dass er gleich etwas erfahren würde, das sein Leben für die nächste Zeit auf den Kopf stellte.
»Am 30. April 1390 NGZ wurde ich darüber informiert, dass ein unbekanntes Raumschiff einen Kryosarg vor der Klinik abgesetzt hatte und gleich wieder verschwunden war«, begann Sal Bassa. »Auf dem Speicherkristall des Kryosarges befand sich Sahiras umfangreiche Krankenakte und die explizite Anweisung, keine Nachforschungen über ihre Herkunft auszulösen, bis ihre Krankheit besiegt und sie ansprechbar sei. Daran habe ich mich gehalten, wenngleich ich überzeugt bin, dass der Schlüssel zu ihrer seltsamen Krankheit in ihren Genen und damit in ihrer Abstammung zu finden ist.«
»Und an welcher Krankheit leidet sie?«, fragte Gucky.
Rhodan fuhr herum, als er im Augenwinkel eine Bewegung registrierte.
Eine große Gestalt schälte sich aus einer dunklen Ecke des Labors. Etwas an ihr klimperte leise.
»Ich hätte mir denken können, dass du uns beobachtest, Aspartamin«, sagte Sal Bassa abweisend. »Wenigstens kommst du auf das richtige Stichwort aus dem Schatten gekrochen. Dann kannst du es gleich selbst erklären.«
Rhodan erkannte, dass sie es mit einem Ara zu tun bekamen. Über zwei Meter groß und für einen typischen Vertreter der Galaktischen Mediziner überdurchschnittlich beleibt. Auf dem hohen, eiförmig zulaufenden Schädel saß ein goldenes Gerät, das einer Krone glich, deren vier Zacken wiederum an Bärenklauen erinnerten.
»Aspartamin?«, fragte Gucky scheinheilig. »Welch süßer Name! Wenn ich uns vorstellen darf ...«
Der ohnehin bereits düstere Gesichtsausdruck des Aras verfinsterte sich weiter. »Ich kenne euch nur zu gut«, sagte er fast anklagend. »Gucky und Perry Rhodan. Dank eines Gerätes aus der Werkstatt eines höheren Lebewesens potenziell unsterblich. Welch ein Affront für jeden Biogerontologen, der etwas auf sich hält!«
»Und du bist zufälligerweise Biogerontologe?«, fragte Rhodan. »Du beschäftigst dich mit der Erforschung der Ursachen des biologischen Alterns?«
»Ich bin Mantar-Heiler«, antwortete der Ara. »Die Biogerontologie ist nur ein kleines Teilgebiet meines Wirkens. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, die biologische Sterblichkeit zu heilen. Und zwar ohne Anwendung eines solchen Taschenspielertricks, wie ihr ihn unter euren Schlüsselbeinen tragt. Die Aktivatoren manipulieren lediglich eure Körperzellen, eure Unsterblichkeit ist demnach nur eine künstliche. Sie erlischt, kurz nachdem eure Geräte entweder den Geist aufgeben oder von jemandem herausgeschnitten werden.«
Sal Bassa stellte sich demonstrativ neben Rhodan. »Ich habe Aspartamin hinzugezogen, weil in Sahiras Körper die biologische Alterung ausgesetzt hat.«
Der Ara stakste an Rhodan und dem Mausbiber vorbei, trat an den Medotank und strich fast zärtlich über das Glassit. »Die Patientin leidet an einer bislang einmaligen Krankheit«, erklärte er. »Sie altert rückwärts. Mit 115 Jahren hat laut Krankenakte der Alterungsvorgang nicht nur ausgesetzt, sondern ist von diesem Zeitpunkt an rückwärts gelaufen. Mit jedem Tag wird die Patientin genau einen Tag jünger. Nachdem meine plophosische Kollegin endlich zur Räson gekommen war und mich um meine Mithilfe gebeten hat, gelang es mir nach mehreren aufwendigen Versuchen, den Verjüngungsprozess zwar nicht aufzuhalten, dafür aber zumindest mittels eines stasisähnlichen Medofeldes einzufrieren.«
Rhodan betrachtete den schwebenden Körper der jungen Patientin. »Das ist zwar äußerst faszinierend, aber ich begreife immer noch nicht ganz, was ich mit dieser Sahira zu tun habe. Gehst du davon aus, dass ich etwas zu ihrer Heilung beitragen kann?«
»Sie nicht, aber ich!«, sagte der Ara großspurig. »Schon früh in meinen Untersuchungen ist mir aufgefallen, dass die Zellkernstrahlung der Patientin Charakteristika aufweist, die mich zur Annahme führen, dass sie die Tochter eines Zellaktivatorträgers ist. Möglicherweise sogar von deren zwei ZA-Trägern, aber da fehlen mir leider die Vergleichsmöglichkeiten.«
Gucky legte den Kopf schief. »Und von welchen zwei Zellaktivatorträgern ist Sahira die Tochter?«
Der albinotisch weiße Teint des Aras wurde um einen Zorneshauch dunkler. »Das kann ich nicht wissen, weil mir dazu – wie gesagt – die Vergleichsmöglichkeiten fehlen! Schon vor vielen Jahren habe ich beim medizinischen Rat des Galaktikums die Bitte deponiert, von allen Zellaktivatorträgern Genproben zu erhalten. Aber keiner dieser Schreibtischtäter hat sich bemüßigt gefühlt, meinem Wunsch nachzukommen!«
Rhodan wandte sich an Bassa. »Gehst du davon aus, dass Sahira mein Kind ist?«
»Nein, Perry. Ich habe dich hergebeten, weil Sahira vor vier Tagen kurz erwacht ist. Das kam völlig überraschend. Wir können es uns eigentlich gar nicht erklären, denn das medizinische Stasisfeld sollte jegliche physische und psychische Aktivitäten des Körpers einfrieren. Wir haben uns daraufhin entschieden, Sahira behutsam aufzuwecken. Aber ...« Bassa zögerte kurz. »Aber das solltest du dir selbst anschauen.«
Die Medikerin holte einen mobilen Holoprojektor und stellte ihn vor Rhodan und Gucky auf den Boden. Sie nannte einen Zahlenkode, worauf sich die Holosphäre aufbaute. Darin erschien das Bild von Sahira auf einer Krankenliege. Sal Bassa stand mit besorgtem Gesichtsausdruck daneben.
Sahiras Körper zitterte. Ihre Finger bewegten sich unkontrolliert, die Augenlider flackerten.
Die Medikerin blickte an der Aufnahmeoptik vorbei und sagte: »Ihr Körper reagiert mit einem Schockzustand. Sollen wir abbrechen und sie wieder in ein Koma gleiten lassen?«
»Nein!«, erklang Aspartamins knarrende Stimme. »Das ist der größte Fortschritt der vergangenen zwölf Jahre. Da werden wir nicht so einfach abbrechen!«
In diesem Moment schlug Sahira plötzlich die Augen auf, sah sich blicklos um, während aus ihrer Kehle ein eigenartig hohes Wehklagen entstieg.
Rhodan fühlte, wie sich bei dem Anblick von Sahiras Augen sein Magen leicht zusammenzog. Ihre Iriden waren schwarz und tief wie Brunnenschächte.
Wo hatte er solche Augen schon einmal gesehen?
Sahiras Lippen bewegten sich zitternd. Sie versuchte einzelne Worte auszustoßen, die aber allesamt nur in Krächzlauten endeten.
Sal Bassa beugte sich über sie, legte besorgt eine Hand auf die Stirn. »Lange können wir sie nicht in diesem Zustand lassen. Sie zeigt alle Anzeichen von Panik!«
»Sie spricht!«, rief Aspartamin aus dem Hintergrund. »Ich will hören, was sie sagt!«
»Than...«, krächzte Sahira, »tur. Than...tur ... L...«
»Das ist unverantwortlich!«, rief Sal Bassa. »Wir müssen ...«
Die große Gestalt des Aras schritt hastig an der Aufnahmeoptik vorbei und injizierte ein Mittel direkt in die Halsschlagader der Patientin. Augenblicklich ermatteten Sahiras Bewegungen.
»Thantur-Lok«, murmelte sie »Befehle ... so viele. Dunkle Befehle. Raum...schiffe. Planeten. Oh, Weiser, nein, nein!«
Unvermittelt stieß sie einen spitzen Schrei aus. Ihr Oberkörper richtete sich reflexartig auf. Sahiras Arme ruderten wild durch den Raum, bis sie Sal Bassas Arm zu fassen bekamen. Das Mädchen zog die Medikerin an sich.
»Perry Rhodan!«, rief es mit panischer Stimme. »Er muss mir helfen! Perry ...«
Von einer Sekunde auf die andere erschlaffte ihr Körper und sank zurück auf die Liege.
Die Aufzeichnung endete. Sal Bassa nahm den Projektor und legte ihn auf ein Arbeitsterminal. »Nach diesem Ereignis haben wir Sahira gründlich untersucht und sie dann in diesen Medotank gesteckt.«
»Und danach hast du mich gebeten, nach Tahun zu kommen.«
Sal Bassa nickte.
»Meine sogenannte Kollegin hat bei ihren Ausführungen die wichtigste und faszinierendste Erkenntnis unterschlagen.« Der Ara fischte ein handtellergroßes Gerät mit einem Display und mehreren stachelartigen Auswüchsen aus den Weiten seines Mantels und hielt es Rhodan unter die Nase.
»Ich habe nämlich dieses Gerät entwickelt. Ich nenne es ein Seneszeroskop. Mit ihm kann ich die Zellschwingungen und andere alterungsspezifische Prozesse im Körper der Patientin anmessen und somit bestimmen, ob die Alterung vorwärts oder rückwärts verläuft.«
»Aha«, sagte Rhodan.
»Und jetzt kommt es: Ich habe die Patientin kurz nach diesem Vorfall mit dem Seneszeroskop untersucht – und der Alterungsprozess war zum absoluten Stillstand gekommen. Eine Zeit lang wurde sie weder älter noch jünger. Erst nach fast zehn Minuten hat dann die Verjüngung wieder eingesetzt und sich kontinuierlich erhöht, bis sie den alten Wert erreichte.«
»Und was hat diese Reaktion bei Sahira deiner Meinung nach ausgelöst?«
Aspartamin breitete die Arme aus. »Das weiß ich noch nicht. Ich gehe von einem externen Effekt aus.«
»Also eine Art Weckruf.«
»Eine Strahlung, ein Impuls, so was halt.« Der Ara tippte mit dem Zeigefinger an die goldene Krone mit den Bärenklauen. »Leider haben meine Instrumente nichts aufgezeichnet. Aber ich werde noch herausfinden, was es genau war.«
Sal Bassa wandte sich an Rhodan. »Hast du jetzt vielleicht eine Vermutung zu Sahiras Herkunft?«
Rhodan hob die Schultern. »Keine. Ich gehe nicht davon aus, dass sie meine Tochter ist. Und bei den anderen ... Das wären allesamt reine Spekulationen.«
Sal Bassa runzelte die Stirn. Einen Moment lang glitt ihr Blick ab, als würde sie einen weit entfernten Punkt anstarren. »Ist es nicht seltsam, dass ich aus dem Stegreif ein paar Dutzend Zellaktivatorträger aufzählen kann, aber nur ganz wenige, die Nachwuchs gezeugt haben? Weshalb ist das so?«
Rhodan seufzte. »Das mag daran liegen, dass viele Zellaktivatorträger ihre Kinder vor einem langen Leben im Rampenlicht schützen wollen. Kinder von potenziell Unsterblichen werden automatisch mit ihrer berühmten Mutter oder ihrem berühmten Vater verglichen. Dazu kommt, dass die meisten von ihnen weitaus älter als Normalsterbliche werden können. Ein weiterer Grund, um zeitlebens mit Neid und Hass konfrontiert zu werden.«
Kurz schloss sich Stille an Rhodans Worte. Dann fügte Gucky mit belegter Stimme hinzu: »Ein weiterer Grund für die niedrige Nachwuchsquote liegt im reinen Selbstschutz der ZA-Träger. Denn was gibt es Schlimmeres im Leben, als das eigene Kind langsam vergreisen und sterben zu sehen, während man in dieser Zeit um keinen einzigen Tag altert?«
Erneut wurde es still.
Aspartamin blickte kopfschüttelnd von Gucky zu Rhodan. »Und damit habt ihr nur auf den Punkt gebracht, weshalb eure Zellaktivatoren widernatürlich sind. Wenn es mir gelingt, die Krankheit Alterung zu stoppen, werden alle die Chance der ewigen Jugend erhalten.«
»Ich denke, diese Diskussionen helfen uns im Fall Sahira nicht weiter«, sagte Rhodan bestimmt. »Wie sieht euer weiterer Plan aus?«
»Ich möchte Sahira gerne ein zweites Mal aufwecken; aber diesmal noch langsamer und kontrollierter als bei dem ersten Mal. Und ich möchte, dass ihr beide dabei seid. Sahira hat nach dir, Perry, verlangt. Eventuell wird sie dir Hinweise auf das Geheimnis ihrer Herkunft und Krankheit geben.«
»Dann schlage ich vor, dass sich Gucky und ich in unser Raumschiff zurückziehen, und ihr meldet euch, sobald der Aufweckprozess in die entscheidende Phase kommt.«
Die Medikerin und der Mantar-Heiler willigten ein. Gucky ergriff Rhodans Hand und teleportierte.
Kaum standen sie in der Zentrale der MANCHESTER sah Gucky nachdenklich zu ihm hoch. Er sagte leise: »Als wir vor dem Medotank standen, gelang es mir, ein paar zusammenhanglose Gedankenfetzen von Sahira aufzufangen. Ich denke, ich weiß nun, wessen Tochter sie ist.«
Rhodan blickte ihn gespannt an.
»Sahira ist die Tochter von Alaska Saedelaere.«
Zalit
9. Juni 1402 NGZ
»Gibt es keine Lücken im Paratronschirm, durch die du springen kannst?«, fragte Rhodan.
»Rein theoretisch sollte der Schirm nur bis zum Boden reichen. Die Sache ist aber die, dass der Zaliter, der den Schirm aktiviert hat, weiß, dass jemand gerade durch die Station teleportiert ist. Er ist ziemlich sicher, dass nun niemand mehr hinauskann.«
»Sie haben deinen Sprung angemessen?«, fragte Rhodan alarmiert.
»Ich weiß noch nicht ganz genau, was hier gespielt wird, aber wie es scheint, wird dieser Bereich der Station mit allen möglichen Messgeräten überwacht. Ich fange Gedanken von mehreren Wissenschaftlern auf, die sich gerade den Kopf darüber zerbrechen, ob einer ihrer Patienten vielleicht die Fähigkeit der Teleportation entwickelt hat.«
»Dann wissen sie noch gar nicht, dass du es bist, der in die Station eingedrungen ist?«
»Diese Möglichkeit haben sie zwar schon in Betracht gezogen, aber gleich wieder verworfen«, antwortete Gucky nach kurzem Zögern. »Sie halten es für wahrscheinlicher, dass der arkonidische Geheimdienst einen bislang unbekannten Teleporter auf sie angesetzt hat. Und als zweite Theorie befassen sie sich eben mit der Möglichkeit, dass einer ihrer Patienten plötzlich teleportieren kann.«
Rhodan ließ seinen SERUN erneut die Umgebung auf Überwachungssensoren untersuchen. Wie zuvor fiel das Ergebnis negativ aus. »Hast du schon herausfinden können, wonach in diesem Institut geforscht wird? Was war das für ein Experiment, das aus dem Ruder gelaufen ist?«
Gucky schloss die Augen, er konzentrierte sich. »Soweit ich es mir zusammenreimen kann, wurden die Gehirne der Patienten mit verschiedenen fünfdimensionalen Strahlungen behandelt.«
»Zu welchem Zweck?«
»Ich weiß nicht genau. Sie wollten irgendwelche Fähigkeiten wecken ... Deswegen gehen sie nun auch davon aus, dass ihr Experiment doch noch ein erwünschtes Resultat zeitigte.«
Rhodan überlegte kurz. »Sehe ich das richtig: Ihr Experiment geht schief, die Patienten – oder Testobjekte – verfallen in eine Massenhysterie. Anstatt die ganze Sache abzubrechen, forschen die Wissenschaftler aber weiter, indem sie die betroffenen Zaliter sich selbst überlassen und sie mittels Sensoren aus sicherer Distanz überwachen?«
»Genau so ist es, Perry. Auf der einen Seite wollen sie natürlich herausfinden, was diese Massenhysterie ausgelöst hat. Andererseits sind sie geradezu fasziniert von der aktuellen Situation und erhoffen sich weitere Resultate.«
»Können wir weiterhin davon ausgehen, dass es der geheimnisvolle Impuls war, der dieses Experiment sabotiert hat?«
»Bisher habe ich noch keinen Gedanken aufgeschnappt, der dem widersprechen würde. Anscheinend sind alle Patienten, die mit den Fünf-D-Impulsen behandelt worden waren, gleichzeitig in ein Koma gefallen. Als sie nacheinander aufgewacht sind, litten sie plötzlich unter Persönlichkeitsstörungen und sind durchgedreht.«
»Sie wollen den dunklen Befehlen folgen, von denen Sahira berichtet hat. Nur dass sie eben nicht für sie bestimmt sind.« Rhodan sah nachdenklich die Zaliterin an, die vor ihnen auf dem Boden lag. Ihr Körper zuckte in unregelmäßigen Abständen. »Deswegen war sie sich nicht sicher, ob sie nun Handra oder Salmon da Akonda heißt.«
»So muss es sich zugetragen haben ... Moment!« Der Ilt schloss erneut die Augen. Das dichte Fell unter den Augen des Mausbibers zuckte – ein deutliches Zeichen dafür, wie stark sich Gucky bei seinen telepathischen Bemühungen konzentrierte.
»Ich bekomme ihn nicht richtig in den Fokus«, sagte der Ilt nach einer Weile. »Ich muss näher an ihn heran.«
»An wen?«
»Einen Wissenschaftler namens Ichtabod«, sagte Gucky. »Er befasst sich mit einem fünfdimensionalen Impuls. Die Geräte in seiner Nähe stören meine telepathischen Sinne.« Er streckte Rhodan seine Hand entgegen.
Der Terraner zögerte. »Jetzt, da sie gewarnt sind, ist eine weitere Teleportation riskant.«
»Früher oder später müssen wir teleportieren. Ich werde auf jeden Fall nicht zu Fuß durch die Station watscheln, um einen Ausgang zu finden.«
»Dann sollten wir uns wenigstens vorbereiten.« Rhodan tippte auf das Waffenholster an seiner Hüfte. Die Trägersignatur-Sicherung erkannte ihn und entriegelte den Verschluss, der Kombistrahler fuhr in seine Hand.
»Schalten wir den Deflektor ein oder verlassen wir uns auf den Chamäleoneffekt?«, wollte Gucky wissen.
Bei dem Chamäleoneffekt passte sich die chromatovariable Außenbeschichtung des Anzuges an die Umgebung an. Als Folge davon verschmolz der SERUN aus Sicht eines Betrachters mit dem aktuellen Hintergrund.
Bei dem Deflektorschirm lenkten dagegen hyperenergetische Felder das Licht um den Schirm herum. Alles, was von dem Schirm eingeschlossen war, wurde somit unsichtbar.
»Wenn die Station tatsächlich sensorisch überwacht wird, kommen wir mit Deflektoren nicht weit«, sagte Rhodan. »Wir werden die Helmvisiere verdunkeln und uns auf den Chamäleoneffekt verlassen – und darauf, dass du uns zwei nicht mitten in einem Wespennest absetzt.«
Gucky seufzte. »Ich werde wie immer mein Bestes geben.«
»Berühmte letzte Worte«, sagte Rhodan mit einem Augenzwinkern.
Er befahl dem Anzug, die Helmscheibe zu verdunkeln und die chromatovariable Außenbeschichtung zu aktivieren. Schließlich ergriff er Guckys ausgestreckte Hand.
Das Helmvisier des Mausbibers wurde dunkel – dann sprang er.
*
Sie materialisierten in einem engen Raum, dessen Wände mit bedruckten Folien voll behangen waren. Auf einem einzelnen Arbeitstisch lagen weitere Folienstapel. Dazwischen leuchtete eine aktivierte Holosphäre, in der ein Zaliter gezeigt wurde, der mit breiten Bändern auf einen Behandlungstisch gefesselt war.
»Wir sind in einem der Arbeitsräume, die von den zalitischen Wissenschaftlern benutzt werden«, hörte Rhodan Guckys leise Stimme über den Kurzdistanzfunk. »Ichtabod sitzt im Nebenraum über seinen Berechnungen.«
Rhodan stellte sich neben die einzige Tür des Raumes. »Erhältst du jetzt bessere Einsicht auf seine Gedanken?«
»Ja«, murmelte der Ilt. »Ichtabod hat den Fünf-D-Impuls ebenfalls als Auslöser der Krise identifiziert. Er nennt ihn einen Archaischen Impuls,