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Für Kimby und Jasy

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Wibke Kuhn

ISBN 978-3-492-97465-3

September 2016

© 2016 by Amy Schumer

Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »The Girl with the Lower Back Tattoo « bei Gallery Books, einem Imprint von Simon & Schuster, Inc., New York.

Deutschsprachige Ausgabe:

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

Die Nutzung des Titels » Inside Amy Schumer « erfolgt durch freundliche Genehmigung von Comedy Central.

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Covergestaltung: FAVORITBÜRO, München

Covermotiv: Getty Images

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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VORAB AN MEINE LESER UND LESERINNEN

Hi, ich bin’s – Amy Schumer. Ich hab ein Buch geschrieben! Das wollte ich schon lange tun, weil es mir gefällt, wenn ich die Leute zum Lachen bringen kann. Ein paar von den Geschichten, die Sie hier lesen werden, sind komisch, zum Beispiel wie ich mich damals in Austin vollgekackt habe, und ein paar werden Sie auch ein bisschen betroffen machen, zum Beispiel wie meine Schwester und ich in Italien beinahe als Sexsklavinnen verkauft worden wären. Haha, war nur ein Witz, keine von diesen Storys taucht in diesem Buch auf, obwohl sie beide leider tatsächlich passiert sind.

Übrigens: Alles, was in diesem Buch vorkommt, ist real. Ich schreibe hier die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Ob Sie’s glauben oder nicht – ich würde Ihnen sicher nicht alles erzählen.

Dieses Buch ist nicht meine Autobiografie. Die schreibe ich, wenn ich mal neunzig bin. Ich bin gerade erst fünfunddreißig geworden, also hab ich noch einiges vor mir, bevor ich wirklich memoirenreif bin. Aber ich wollte schon mal die folgenden Geschichten loswerden, von meinem Leben als Tochter, Schwester, Freundin, Comedian, Schauspielerin, Partnerin, One-Night-Stand, Angestellte, Arbeitgeberin, Liebhaberin, Kämpferin, Feindin, Pasta-Esserin und Weintrinkerin.

Ich wollte auch vorab klarstellen, dass dieses Buch KEIN SELBSTHILFEBUCH ODER RATGEBER SEIN SOLL. In den letzten paar Jahren hat man mich öfters gebeten, Artikel zu bestimmten Themen zu schreiben – zum Beispiel darüber, wie man einen Mann findet. Oder einen Mann nicht verliert. Oder wie man einem Mann im richtigen Augenblick den Damm massiert. Mit so was kenn ich mich aber überhaupt nicht aus. Ich bin eine Versagerin mit tausend Fehlern und hab den richtigen Dreh auch noch nicht gefunden, also hab ich da auch keine schlauen Tipps zu bieten. Aber ich kann Ihnen helfen, indem ich Ihnen von meinen Fehlern und meinem Kummer und meinen lustigen Momenten erzähle. Ich weiß, was mir wichtig ist, und zwar meine Familie (nicht die versammelte, natürlich nicht). Und mit meinen Freunden zu lachen und das Leben zu genießen. Und – natürlich – ab und zu einen Orgasmus zu haben. Ich finde, einmal am Tag wäre optimal.

Also … Ich hoffe, mein Buch gefällt Ihnen, und wenn nicht, sagen Sie’s bitte nicht weiter.

Drücken Sie mir die Daumen!

OFFENER BRIEF AN MEINE VAGINA

Erstens: Entschuldige. Zweitens: Gern geschehen.

Ich weiß, dass ich dir eine Menge zugemutet habe. Ich hab dich von Fremden mit heißem Wachs übergießen und dir die Haare ausreißen lassen. Manche von diesen Fremden haben dich verbrannt, obwohl ich ihnen gesagt habe, dass du sehr empfindliche Haut hast. Aber ich bin ja selbst schuld, dass ich in diesen zwielichtigen Laden in Astoria, Queens, gegangen bin – du hast gleich gecheckt, dass das in Wirklichkeit so ein Laden ist, mit dem Drogengeld gewaschen wird. Wegen mir hast du dir Pilzinfektionen und Blasenentzündungen eingefangen, und ich hab zu oft Strumpfhosen mit zu viel Elasthan getragen, obwohl ich wusste, dass du davon Probleme kriegst. Und ich möchte mich für Brad vom Lacrosseteam entschuldigen, der dich mit dem Finger bearbeitet hat, als würdest du ihm noch Geld schulden. Das war ätzend, und ich finde, du hattest allen Grund, sauer zu sein. Aber du hattest doch auch eine Menge nette Besucher, oder? Oder nicht? Gib’s zu, wir hatten eine Menge Spaß zusammen. Ich hab sogar dafür gekämpft, dich im Fernsehen »Pussy« nennen zu dürfen, weil ich weiß, dass du den Namen am liebsten magst.

Als ich älter wurde, hab ich mich aufrichtig bemüht, nur noch Besucher zuzulassen, die nett zu dir sind, und ich bin der Meinung, dass ich das Nötige getan habe, um dich gesund zu halten. Ich weiß, manchmal habe ich Leute ohne Kondom in dich reingelassen, aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass sich das einfach besser anfühlt, und ich hab das ja auch nur bei denen gemacht, mit denen ich zusammen war und denen ich vertraute.

Es tut mir auch leid für das eine Mal, wo ich mit meinem neuen Freund geschlafen hab und wir hinterher das Kondom nicht mehr finden konnten, bis ich drei Tage später merkte, dass es bei dir geblieben war, und ich musste pressen, um das Ding wieder aus dir rausfischen zu können. Muss ganz schön nervig für dich gewesen sein. Oder vielleicht war’s ja auch ganz lustig, so lange Besuch zu haben? Egal – war mein Fehler!

Na, was meinst du? Wollen wir ein Bierchen trinken gehen? Ja, okay, nichts mit Hefe. Aber du zahlst.

MEIN EINZIGER ONE-NIGHT-STAND

Ich hatte in meinem ganzen Leben erst einen einzigen One-Night-Stand. Ja, einen. Ich weiß. Tut mir leid, wenn ich die Leute enttäusche, die glauben, ich renn die ganze Zeit durch die Gegend mit einer Margarita in der einen und einem Dildo in der anderen Hand. Vielleicht rührt das Missverständnis daher, dass ich auf der Bühne all meine wildesten und übelsten sexuellen Erinnerungen auf einmal raushole – das sind unterm Strich ungefähr fünf Erlebnisse im Laufe von fünfunddreißig Jahren. Wenn Sie das alles hintereinander hören, klingt es wahrscheinlich so, als wäre meine Vagina eine Kaufhausdrehtür im Weihnachtsgeschäft. Aber natürlich erzähle ich von diesen paar unseligen Abenteuern, weil es nicht lustig oder interessant wäre, sich von irgendjemand Geschichten von seinem gesunden, alltäglichen, liebevollen Sexleben anzuhören. Stellen Sie sich vor, ich würde auf der Bühne stehen und sagen: »Also, letzte Nacht bin ich mit meinem Freund ins Bett gegangen, und wir haben uns ganz lang und liebevoll im Arm gehabt, und dann hat er total zärtlich Liebe mit mir gemacht.« Die Leute würden den Saal verlassen, und ich würde gleich mitgehen.

Außerdem verwechsle ich manchmal selbst meine sexuelle Bühnen-Persona mit meinem vernünftigen, realen Ich. Manchmal versuche ich mir einzureden, dass ich Sex ohne Gefühle haben kann, wie ich das immer von Männern höre, oder von Samantha aus Sex and the City. Ich hab da zwar durchaus meine Momente, aber zu 99,9 Prozent der Zeit bin ich eben nicht so. Ich hab noch nicht mal nach einem meiner Auftritte einen Typen abgeschleppt. Ist das nicht traurig? Jetzt mach ich seit zwölf Jahren meine Bühnenshows, und nicht ein einziges Mal hab ich nach einem Auftritt einen Typen kennengelernt, mit nach Hause genommen oder auch nur mit ihm rumgeknutscht. Nichts. Ich kenne ein paar männliche Komiker, die behaupten, sie hätten noch nie eine Frau ins Bett gekriegt, die sich nicht vorher ihren Auftritt angesehen hat. Das ist das genaue Gegenteil von mir. Ich mache das nicht der Schwänze wegen. Ich genieße Sex in völlig normalem Maß, und meistens passiert es mit jemandem, mit dem ich gerade zusammen bin, und dann liege ich da in der Happy-Baby-Pose und gebe Geräusche von mir, um zu zeigen, dass es mir gefällt. Wenn ich Single bin und One-Night-Stands anklopfen, bin ich meistens ein ziemlich vorsichtiges Mädchen, und der Gedanke, dass mir irgendein mysteriöser Fremder seinen Schwanz reinschiebt, treibt meinen Puls nicht in die Höhe. Okay, außer dieses eine Mal …

Ich war gerade auf Tournee und musste von einer grässlichen Stadt zur anderen fahren: von Fayetteville, North Carolina, nach Tampa, Florida. Ich hab keine Angst, das so hinzuschreiben und die Einwohner vor den Kopf zu stoßen, denn ich weiß genau, dass niemand, der dort lebt, jemals ein Buch angerührt hat. WARNUREINWITZ, WARNUREINWITZ, WARNUREINWITZ! Obwohl, nicht nur. Wenn man zwischen zwei solchen Städten unterwegs ist, hat man das Vergnügen, den winzigsten fliegenden Bus zu besteigen, der aus unerfindlichen Gründen immer noch als Flugzeug bezeichnet wird. Beim Einsteigen muss man sich bücken, während des Fluges hört man die ganze Zeit die Propeller, und auch, wenn jemand ganz leise »La-la-la-la la Bamba …« singt, wobei man irgendwie hofft, dass man sich Letzteres nur eingebildet hat.

Es war früh am Morgen, und ich hatte einen Kater. Wie gesagt, ich hatte gerade eine Show in Fayetteville hinter mir, und da gibt es hinterher nichts zu tun außer trinken, bis einem die Augen zufallen. Ich kam zum Flughafen wie immer – kein Make-up, kein BH, Schlabberhose, T-Shirt und flache Schuhe. Und ich gehöre übrigens nicht zu den Leuten, die morgens toll aussehen. Ich würde sagen, ich sehe genauso aus wie Beetlejuice – die von Michael Keaton gespielte Filmfigur, nicht der Stammgast bei Howard Stern. Ich genoss also diesen wunderbaren Moment, in dem mich die Leute nicht fotografierten – wobei ich die Momente, in denen ich ihre Bilder fotobombe, sehr wohl auch genieße. Ich war einfach nur ein wunderbares einunddreißigjähriges Mädchen, das den Mund auf und zu machte und merkte, dass es vergessen hatte, sich die Zähne zu putzen – okay, weniger vergessen, sondern eher die Zahnbürste in Charleston liegen lassen und verschusselt, mir in North Carolina eine neue zu kaufen. Ich kann ganz sicher sein, dass ich am Vorabend zu viel getrunken habe, wenn ich mit Rotweinzähnen aufwache und feststelle, dass der Eyeliner unter meinen Augen wild genug verschmiert ist, um der Kriegsbemalung eines Tight End der New England Patriots zu ähneln. Die Sache ist die, dass ich an diesem Morgen schrecklich aussah und nach Curry roch, und wenn mir jemand einen Dollar in die Kaffeetasse geworfen hätte, weil er mich für eine Obdachlose hielt, hätte ich nur gedacht: Völlig korrekt!

Ich war gerade bei der Sicherheitskontrolle, und da stand er: ein knapp 1,90 großer, ungefähr fünfunddreißigjähriger Rotblonder. Meinen ersten Kuss tauschte ich mit einem Rothaarigen aus, deswegen hab ich irgendwie eine Schwäche für diese Haarfarbe. Er war der schönste Mann, den ich je gesehen hatte, ich brauchte ihn nur anzuschauen und war schon angetörnt. Kleine Bemerkung am Rande: DAS PASSIERT MIR SONST NIE. Männer schauen jeden Tag Frauen in ihren Röcken und engen Jeans hinterher und kriegen eine Mini-Erektion nach der anderen oder empfinden zumindest irgendeine Art von Erregung. Aber bei Frauen ist es echt selten, dass sie einen Kerl sehen und sich denken: Bäng! Ich musterte ihn von oben bis unten und versuchte einen Zentimeter an ihm zu entdecken, der nicht Gaston aus Die Schöne und das Biest war, doch ich wurde nicht fündig. Das Einzige, was ihm fehlte, war der Pferdeschwanz (und die Schleife an besagtem Pferdeschwanz).

Ich seufzte hörbar, und bevor er durch den Metalldetektor ging, schaute er mich an. Mein Blut rauschte mir auf einen Schlag komplett in die Vagina, und ich lächelte ihn an, bevor mir jäh wieder einfiel, dass ich aussah wie Bruce Vilanch. (Für diejenigen unter Ihnen, die nicht wissen, wer das ist, und die zu faul sind zum Googeln: Stellen Sie sich einfach eine Eule mit blonder Perücke vor.) Ich ging durch die Sicherheitskontrolle und zu meinem Gate, und – Bäng! – da war er wieder und sah noch heißer aus als vorher. Er trug ein Langarmshirt, das ihm an der Brust gerade eng genug war, dass man wusste, was man darunter zu vermuten hatte. Es war sonnenklar, dass unter seinem T-Shirt ein Ort war, an dem man seine Wange ruhen lassen und die ganzen Pheromone dieses Mannes einatmen wollte, bis er einen nahm wie Marlon Brando in Endstation Sehnsucht oder Ryan Gosling in verdammt noch mal jedem Film!

Ich rannte zur Toilette und wühlte in meiner Handtasche nach Make-up. Meine Tasche ist ein bodenloser Schacht, wenn ich mal was brauche (und bei allen anderen Gelegenheiten auch). Ungelogen: Meine Handtasche hat alles, was man für ein richtiges Straußennest brauchen würde. Ich würde nie so eine »Was haben Sie in Ihrer Handtasche, XY?«-Story für irgendeine Zeitschrift machen, denn dann würden die Leute diesen ganzen witzigen, ekligen Müll zu sehen kriegen und wahrscheinlich annehmen, dass man mich irgendwo einliefern sollte. Ich fand ein bisschen Rouge und einen Fettstift für die Lippen und dachte: Perfekt. Mehr brauch ich nicht, um von einer zwei auf eine vier zu kommen. Ich schaute in den Spiegel, betrachtete die Couperose, die ich mir aufgemalt hatte, und lachte mich an. Ich rollte die Beine meiner Schlabberhose ein Stückchen hoch, ganz nach dem Motto Ich betone mal das, was ich habe. Ich putzte mir mit dem Finger die Zähne und bespritzte mich hastig mit Wasser. Dann spazierte ich wieder hinaus, als würde ich über einen Laufsteg marschieren, und schwebte direkt an ihm vorbei. Im Terminal schaute er mich nicht mal eine Sekunde an.

Ich kaufte mir Kaugummis und eine Zeitschrift mit Jennifer Aniston auf dem Cover, stieg ins Flugzeug und hatte mich schon geschlagen gegeben. Ich ging zu meinem Platz an dem winzigen Fenster und begann zu lesen, dass Jennifer allein sterben würde und dass das alles nicht fair war, und da sah ich ihn auf einmal wieder, wie er ins Flugzeug stieg. Er ging den Mittelgang entlang, und ich beobachtete ihn, seine muskulösen Arme und die riesigen Hände, die seine Tasche hielten, während er sich seinen Weg bahnte. Ich dachte mir: Vielleicht kann ich ja so tun, als würde ich niesen, wenn er vorbeigeht … und mich dann vor ihm auf den Boden fallen lassen … und dann wird er stolpern und versehentlich in mich reinrutschen. Da sah ich, wie sein Blick auf den Sitz direkt neben mir fiel.

Nein, dachte ich. Das gibt es einfach nicht, nie und nimmer hat der den Platz neben mir. Nein, nein, nein. Aber DOCH! Spiel, Satz und Scheiß-Sieg, dachte ich mir, JETZT IST ES SO WEIT.

Ich unterhalte mich im Flugzeug nie mit anderen Passagieren. Das ist einfach zu riskant, und in Zeiten, als ich es noch riskierte, endete es mit Aussprüchen wie dem von James Toback (bitte googeln Sie ihn), der mir erklärte »Man kennt eine Frau erst, wenn man ihr das Arschloch geleckt hat«, und das noch vor dem Start. Ein andermal zeigte mir eine Frau drei Stunden lang Fotos von ihrem toten Vogel. Aber auf diesem Flug wandte ich mich sofort meinem Nachbarn zu.

»Hallo, ich bin Amy.«

Er lächelte und entblößte eine winzige Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Nichts liebe ich mehr an einem Mann als eine Zahnlücke. »Hallo, ich bin Sam«, sagte er mit englischem Akzent.

Ich fand bald heraus, dass er in der britischen Entsprechung der Marines war und nur für ein paar Tage in der Stadt. Ich konnte jetzt schon nicht mehr. Das war alles zu viel. Ich war wie besessen und verlor völlig die Kontrolle über meine Stimme, wie Sigourney Weaver am Ende von Ghostbusters. Ich war läufig, wie man so schön sagt. Wer so was sagt? Keine Ahnung. Denken Sie nicht so viel, und lesen Sie weiter, wie mich dieser britische Superheld in die Mangel nahm. Wir starteten, und ich tat, als hätte ich schreckliche Flugangst. Es gab null Turbulenzen, aber ich fand trotzdem Gründe, mich an seinen Arm zu klammern und mein Gesicht an seiner Schulter zu vergraben, seinen Geruch einzuatmen. Ich schmiss mich ihm regelrecht an den Hals, und wir mussten beide lachen, wie aggressiv ich dabei vorging. Meine Klitoris pochte wie Das verräterische Herz, und ich dachte die ganze Zeit an den 98 Degrees-Song »Give Me Just One Night (Una Noche)«. Obwohl ich damals schon ein kleines bisschen berühmt war, hatte er noch nie von mir gehört, und das war noch ein Pluspunkt. Ich sagte, ich hätte am Abend eine Show, und vielleicht könnten wir uns hinterher sehen. Also tauschten wir Mailadressen, und ich betete zu sämtlichen Göttern, dass es geschah.

Ich war schon ein paarmal kurz vor einem One-Night-Stand, konnte es dann aber einfach nicht durchziehen. Ein- oder zweimal warnte mich mein Instinkt. Ich fühlte mich nicht sicher. Aber meistens habe ich mich aus purer Faulheit dagegen entschieden. Ich denke da an praktische Fragen wie: Wann kann ich endlich gehen und Pasta essen? Wir sind kein Paar, kann ich also solche alltäglichen Dinge tun wie Zähne putzen und Gesicht waschen und hinterher meine Augenmaske drauf- und die Ohrenstöpsel reintun? Es soll heiß und sexy sein, aber ich sehe morgens grundsätzlich aus wie Shrek in Blond. Wie wird der Morgen laufen? Was werden wir sagen? Was, wenn er was Kränkendes sagt, oder wenn er versucht, morgens noch mal Sex mit mir zu haben, wo wir doch beide wissen, dass meine Vagina da nach Ramensuppe riecht? Ich denke einfach zu praktisch und bin zu faul für One-Night-Stands. Ich denke an die Konsequenzen, und außerdem trink ich nicht mehr wie damals im College.

All das sei unbenommen – aber mit Sam fühlte sich die Sache total anders an. Er war so was von heiß, eine Wirklichkeit gewordene Fantasie. Sein Akzent trug zusätzlich dazu bei, dass er mir nicht real vorkam. Es tat auch nicht weh, dass er am nächsten Tag kurz nach Sonnenaufgang wieder ins Ausland zurückkehren würde. Nachdem wir uns am Flughafen verabschiedet hatten, machte ich meine Show, und die ganze Zeit konnte ich kaum atmen, so sehr hoffte ich, dass er sich melden würde. Und tatsächlich, als die Show vorbei war, hatte ich eine Mail von ihm, in der er mich fragte, wie es gelaufen war. Ich witzelte, ich sei entdeckt worden und würde meinen Durchbruch im Business haben.

Er schrieb zurück: »Wer hat dich entdeckt?«

Ich schrieb: »Ein Zauberer. Ich bin seine Assistentin.« Ich fand das ziemlich komisch.

Er schrieb: »Sägt der dich dann in zwei Hälften?«

Ich antwortete: »Ich hatte eigentlich gehofft, dass du das machst.«

Bäng! Das ist das sexuell Aufdringlichste und trotzdem Wahrste, was ich jemals geschrieben habe. Und es funktionierte.

Wir verabredeten uns in einem Club in der Lobby meines Hotels. Dort tranken wir ein halbes Bier, tanzten zu Ice Cube, der uns zurief »You can do it, put your back into it«, und dann gingen wir. Durch die helle Lobby zu marschieren und in den gedämpft beleuchteten Fahrstuhl zu steigen war schon eine Menge Realität für diese sexy Affäre, die wir hier zu haben versuchten. Die Gedanken, die mir im Fahrstuhl durch den Kopf gingen, lauteten: Fick mich fick mich fick mich fick mich fick mich.

In dieser Phase meines Lebens brauchte mein sexuelles Selbstbewusstsein gerade ganz dringend eine Aufbaukur. Ich hatte kurz zuvor erfahren, dass ein Typ, in den ich lange verliebt und mit dem ich lange zusammen gewesen war, schwul war. Obwohl wir kein Paar mehr waren, brach es mir schier das Herz, als er es mir erzählte. Und ich begann mich zu hinterfragen. Dieser Mensch, der mir so lange das Gefühl gegeben hatte, schön und sexy zu sein, fühlt sich zu Männern hingezogen. Ich dachte: Bin ich wie ein Mann? Wenn man älter und klüger wird, holt man sich sein Selbstbewusstsein von innen, nicht von dem Menschen, mit dem man Sex hat. Aber ich hatte ganz schön dran zu knabbern, als ich in dieser Phase meines Lebens erfuhr, dass mein Ex schwul war. Ich tat mich schwer, mich überhaupt noch als sexuelles Wesen zu fühlen, und stellte meinen eigenen Wert in Frage.

Auftritt Sam – dieser schöne, maskuline Traum von einem Mann, der Stella helfen wollte, ihren Groove wiederzufinden. Die Fahrstuhlfahrt zu meinem Zimmer konnte mir gar nicht schnell genug gehen.

Wir betraten mein schnöde eingerichtetes Zimmer und verloren keine Zeit.

Ich ließ meine Tasche fallen, wir zogen uns bis auf die Unterwäsche aus und fielen ins Bett. Es war überhaupt keine Frage, was wir dort tun wollten. Wir hatten beide nur eines im Kopf: uns gegenseitig zu verschlingen. Iiiih, ich weiß, tut mir leid. Aber es ist wahr. Alles fühlte sich absolut richtig an. Ihn zu küssen fühlte sich richtig an. Sein ganzer Körper fühlte sich richtig an. Und wir wollten es so richtig wissen. Leider kann ich hier keinen auf Fifty Shades machen und eine vergleichbar sinnliche Schilderung hinlegen, deswegen liefere ich Ihnen einfach ein paar Fakten: Wir hatten beide kein Problem mit Geben und Nehmen (oral). Wir konnten nicht glauben, was uns da passierte (wir kamen beide sehr oft). Er wusste das alles so sehr zu schätzen und freute sich extrem (einmal gaben wir uns sogar High Five). Was sich absolut super anfühlte (der Sex, nicht der High Five). Nach der deprimierenden Erkenntnis, dass der Typ, mit dem ich in der jüngsten Vergangenheit am meisten Sex gehabt hatte, schwul war, fühlte es sich einfach unglaublich an, als mich dieses himmlische Geschöpf in die Arme nahm und mir die Gewissheit gab, begehrenswert und schön zu sein. Der Sex war perfekt. Der Mann war perfekt. Wir waren beide in Ekstase, genossen jeden Geruch, jeden Laut und jede Berührung und kosteten sie voll aus.

Als wir fertig waren, sagte ich, es habe mich sehr gefreut, ihn kennenzulernen, und ich wünschte ihm alles Gute für die Zukunft. Er konnte nicht glauben, dass ich nicht wollte, dass er blieb. Wir hatten mindestens noch dreimal Sex, mit kurzen, zärtlichen Pausen, in denen wir uns Geschichten erzählten und lachten und uns im Arm hielten.

Irgendwann erklärte ich ihm jedoch, dass es Zeit war zu gehen. Ich konnte offenbar Sex mit einem absolut fremden Mann haben, aber neben ihm zu schlafen war mir einfach zu intim. Er wollte sich mit mir verabreden, und ich erklärte ihm, dass ich ihn nach diesem einen Mal nicht mehr treffen wollte. Ich sagte, es sei perfekt gewesen und ich würde nie wieder einen One-Night-Stand haben, weil neben diesem Erlebnis alles andere nur abfallen konnte. Wir küssten uns zum Abschied, und ich schlief mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht ein und dachte mir nur: Danke.

Ich weiß, dass eine der besten Nächte meines Lebens nur ein One-Night-Stand in Tampa war. Aber ich fühlte mich wie Marlene Dietrich in Marokko. Nur um das klarzustellen: Ich schlage nicht vor, dass jeder sich auf einen einzigen One-Night-Stand beschränken sollte. Oh nein – im Gegenteil, manche von uns sind vielleicht sogar besser dran, wenn sie für den Rest unseres Lebens nur noch One-Night-Stands haben. Aber für mich war diese Begegnung einfach ein Geschenk des Himmels, als ich mich als Frau gerade gar nicht attraktiv fühlte. Oder überhaupt als sexuelles Wesen. Ich wollte Bestätigung, und eine Nacht mit unerwartetem Sex mit einem gut gebauten, britischen Rothaarigen war so was wie das Antibiotikum, das ich noch brauchte, um den letzten Schleim aus mir rauszukriegen. (Gibt es eine Metapher, die noch weniger sexy wäre? Nein. Außerdem hab ich sowieso den Eindruck, dass Antibiotika nie wirken.) Wir wissen alle, dass One-Night-Stands keine Allheilmittel für gebrochene Herzen und angeknackstes Selbstbewusstsein sind. So was kann nämlich auch ganz schön nach hinten losgehen. Jeder hat schon mal versucht, sich durch Sex Erleichterung zu verschaffen, und hinterher fühlt man sich noch einsamer und rennt zurück zu dem Vollpfosten, den zu verlassen man sich gerade so mühsam durchgerungen hatte. Aber manchmal können One-Night-Stands durchaus ein bestimmtes Problem lösen. Und was noch besser ist: Manchmal, wenn man versucht, ein Problem durch Sex zu lösen, merkt man, dass der Sex an und für sich schon lohnend war. Es muss nicht unbedingt eine Lektion geben, die man dadurch lernen müsste. Man muss keine bestimmten Absichten verfolgen, abgesehen vom puren Vergnügen. Und manchmal kriegt man einfach massenweise wohlverdiente Orgasmen, von einem Kerl, der einen dabei mit den Augen verschlingt, und das genau in dem Moment, in dem man es am dringendsten gebraucht hatte. Jawohl, genau das hätte uns der Onkel Doktor auch verschrieben. Könnten wir nicht einen landesweiten Tag der Rothaarigen ausrufen? Dieser Mann verdient eine Parade oder so.

Er hat sich noch ein paarmal bei mir gemeldet, wenn er wieder in den Staaten war, aber ich blieb meinem Vorsatz treu: Ich wollte diese Nacht für immer hochhalten, die sich seltsamerweise angefühlt hatte wie die reinste Nacht meines Lebens. Und sich bis heute so anfühlt.

ICH BIN INTROVERTIERT

Ich bin introvertiert. Ich weiß – Sie denken sich jetzt: Was soll denn jetzt der Scheiß, Amy? Gerade hast du uns erzählt, dass du in Tampa mit einem wildfremden Mann ins Bett gehüpft bist, und jetzt willst du behaupten, du seist schüchtern? Du bist nicht schüchtern, du bist ein lautes, versoffenes Tier! Okay, in gewisser Hinsicht haben Sie sicher recht. Manchmal stimmt das schon. Aber ich bin zweifellos eine Introvertierte, wie sie im Buche steht.

Für den Fall, dass Sie nicht wissen, was das Wort bedeutet, lassen Sie sich schnell von mir aufklären. Wenn Sie wissen, was es bedeutet, dann können Sie gleich zu dem Kapitel weiterblättern, in dem ich beschreibe, wo man die besten Gloryholes von Beijing findet. War nur ein Scherz, zu dem Thema hab ich keine Infos. Und ansonsten können Sie jetzt bitte einfach mal weiterlesen, wenn ich Ihnen eine Introvertierte beschreibe. Warum haben Sie’s denn auf einmal so eilig mit dem Weiterblättern, das ist doch pervers …

Introvertiert bedeutet nicht, dass man schüchtern ist. Es bedeutet, dass man es genießt, allein zu sein. Nicht nur genießt – man braucht es. Wenn man wirklich introvertiert ist, sind andere Menschen in erster Linie Energievampire. Man hasst sie nicht, man muss sich nur gut überlegen, wann man sich ihnen aussetzt – es ist wie mit der Sonne. Sie ist lebenswichtig, das schon, aber sie kann dich auch verbrennen, und dann kriegst du diesen faltigen Long-Island-Ausschnitt, den ich immer gefürchtet habe und mittlerweile wirklich habe. Für mich waren Meditation und Kopfhörer in der U-Bahn wie Sonnencreme, sie schützten mich vor der Hölle, die die anderen sind.

Im National Geographic hab ich mal ein Foto von einem jungen Braunbären gesehen. Er sitzt friedlich an einem Baum in der Nähe der finnisch-russischen Grenze. Die Bildunterschrift lautete ungefähr: »Die Bärenjungen haben den ganzen Tag wild herumgetollt, und dann hat eines von ihnen die Gruppe verlassen, um sich allein zu erholen und die Stille zu genießen.« Das sprach mich an und berührte mich, denn genauso mach ich das auch! Nur dass in meinem Fall der Bär von seinem Erholungsplätzchen unter Baum verjagt wird, und dann malen ihm die Leute das Gesicht an und brennen ihm Locken in den Pelz und stecken ihn in ein Kleid, damit man ihn auf die Bühne schieben kann, wo er dann auf so einem kleinen Zirkusfahrrad herumfährt. Ich behaupte nicht, dass es ihm nicht gefallen würde, die Leute zum Lachen zu bringen, aber es ist trotzdem ganz schön schwierig da draußen für so einen wuscheligen kleinen Introvertierten.

Ich weiß, dass manche Leute, die ein Buch geschrieben haben, sich da richtig durchkämpfen mussten, man spürt quasi auf jeder Seite, wie sie sich dabei aufgerieben haben. Für mich war das Schreiben dieses Buchs eines der größten Vergnügen meines Lebens. Zu Hause sitzen und schreiben und mit niemand reden – genauso würde ich gern den Großteil aller meiner Tage verbringen. Es wird Sie sicher überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass ich eigentlich die meisten Tage alleine zubringe, außer wenn ich am Filmset bin, was für eine Introvertierte ganz schön heftig ist. In der Mittagspause lasse ich das Essen links liegen und verziehe mich schleunigst in meinen Wohnwagen oder in eine stille Ecke, wo ich meditieren kann. Ich muss mich komplett abschotten. Diese Zeit, die ich in absoluter Stille verbringe, ist für mich wie Nahrung. Natürlich nehme ich auch sonst noch jede Menge Nahrung zu mir. Aber wenn ich gerade keine Dreharbeiten habe, bin ich gern den ganzen Tag allein. Vielleicht mit einer Freundin eine Stunde zum Mittagessen treffen, aber das reicht dann auch.

Wenn man öffentlich auftritt – vor allem als Frau –, geht jeder davon aus, dass es einem gefällt, die ganze Zeit eine Show abzuziehen und von allen angeschaut zu werden. In meinem Fall – und auch bei ein paar Leuten, mit denen ich eng befreundet bin – gibt es nichts, was der Wahrheit ferner läge. Als Kind konnte ich das ganz unbeabsichtigt einüben, denn da ich ein Mädchen und Schauspielerin war, musste ich doch drauf stehen, anderen zu gefallen und sie zum Lächeln zu bringen und gute Laune zu verbreiten. Ich glaube, alle kleinen Mädchen werden darauf hingetrimmt, auch wenn sie nicht in der Unterhaltungsbranche sind. Von Frauen erwartet man immer, dass sie die liebenswürdigen Gastgeberinnen spielen, die mal eben schnell ein Anekdötchen zum Besten geben und die Geschichten anderer mit perlendem Lachen quittieren. Wir sind immer diejenigen, die verlegene Momente im Leben mit matten Scherzchen überspielen sollen. Im Grunde sind wir alle unbezahlte Geishas. Aber wenn wir diese Erwartungen nicht erfüllen (weil wir introvertiert sind), nehmen die Leute an, dass wir entweder depressiv sind oder verbitterte Weiber. Vielleicht bin ich sowieso auch ein verbittertes Weib, aber der Grund ist nicht der, dass ich keine Lust habe, jemand zuzuzwinkern und anzustrahlen, der mir erzählt, dass er als Schüler Geländelauf gemacht hat.

Ich wohnte mit meinem Freund Rick zusammen, als mir diese Wahrheit über mich selbst dämmerte. Aber auch als Kind hab ich schon immer gewusst, dass irgendwas an mir anders war. Ich wollte nie so lange spielen wie die anderen Kinder, und wenn ich mich darauf eingelassen hatte, bei einem anderen Mädchen zu übernachten, wollte ich irgendwann doch lieber wieder nach Hause. Aber als Erwachsene hatte ich eben keine Mutter mehr zur Hand, die mich mitten in der Nacht irgendwo abholte, und langsam wurde mir so einiges klar. Man könnte sagen, Rick war meine erste erwachsene Beziehung, und zum ersten Mal hatte ich einen gemeinsamen Haushalt mit jemandem und imitierte das Verhalten von verheirateten Erwachsenen, die brav die Verpflichtungen gegenüber der Familie des anderen und dem gemeinsamen Freundeskreis erfüllen. Ich weiß noch, wie wir über die Feiertage bei ihm zu Hause waren, und ich merkte, dass ich einfach mehrere Pausen von diesen netten Leuten brauchte, mit denen wir den ganzen Tag zusammen waren. Alle anderthalb Stunden oder so zog ich mich in sein Zimmer zurück oder ging spazieren. Niemand machte mir deswegen Vorwürfe, aber es wurde definitiv bemerkt. Einmal nahm Rick mich auf die Hochzeit eines Freundes mit. Nach dem offiziellen Teil und ungefähr zwei Stunden Small Talk versteckte ich mich eine Weile im Bad. Ich hatte keine Ahnung, was ich noch bieten oder sagen könnte, und hatte das unerträgliche Gefühl, nur noch so gerade eben den Kopf über Wasser zu halten.

Erst als ich mich enger mit ein paar Komiker-Kollegen und Unterhaltern anfreundete, merkte ich, dass es kein Charakterfehler ist, introvertiert zu sein. Auch wenn wir alle zusammen in Urlaub fahren oder unterwegs sind, brauchen wir kleine Pausen in unserem eigenen Zimmer und schreiben uns dann nur kurz eine SMS, um zu checken, was der andere gerade macht oder vorhat. Diese Eigenschaft hat natürlich ihre Tücken, wenn der Beruf verlangt, dass man ständig reist und sich mit neuen Gesichtern, neuen Städten und neuen Zuschauern auseinandersetzt. In dieser Branche begegnet man einer Menge Leuten, und man kommt sich schäbig vor, wenn man nicht jedem der vielen Fahrer, Hotelportiers, Promoter, Backstage-Mitarbeiter, Zuschauer, Kellner usw. ein bisschen von seiner Energie und etwas Konversation schenkt. Und ich meine wirklich »schenken«. So ein Energievorrat ist nämlich begrenzt, und bis sich die nächste Gelegenheit zum Wiederaufladen bietet, kann man ganz schön weit runterkommen. Es ist ja nicht so, dass ich die Leute nicht respektieren würde, die wirklich hart arbeiten (und jeden ihrer Jobs hab ich auch schon mal gemacht, denn ich war schon in jedem Job dieser Welt tätig, außer als Doula. Aber dazu später mehr.) Ich weiß, dass sie es gut meinen, und ich weiß, dass viele Leute da draußen ihrem Taxifahrer gern erzählen, wie ihr Flug war (die Flüge sind immer prima) und wie das Wetter in New York war (kalt oder heiß – ist doch scheißegal). Wie viele Zimmerschlüssel möchten Sie? (Hundertundneun.) Ich gehöre einfach nicht zu dieser Sorte Menschen, und ich möchte ihre Zeit und Energie (oder meine) nicht mit geistlosem Small Talk verschwenden. Jedes Mal, wenn einen ein Fahrer vom Flughafen abholt, fragte er, warum man in der Stadt ist und womit man seinen Lebensunterhalt verdient. Als ich noch neu im Business war, sagte ich einfach immer die Wahrheit, aber ich habe meine Lektion schnell gelernt, denn das lief dann jedes Mal so:

»Oh, Sie sind Komikerin?«

»Habe ich Sie schon mal gesehen?«

»Gibt es Clips von Ihnen auf Youtube?«

»Oh, mein Cousin ist auch Komiker. Er heißt Jimmy Wichsgriffel. Kennen Sie ihn? Den müssen Sie mal googeln.«

»Haben Sie schon mal Carrotbottom getroffen?«

»Wissen Sie, wer echt lustig ist? Dieser Bauchredner, dieser Jeff Dunham.«

»Sie sollten mal eine Show über Taxifahrer machen.«

»Oh, ich könnte Ihnen ein paar witzige Geschichten erzählen, die könnten Sie sicher gut für eine Show verwenden.«

»Haben Sie nicht in diesem einen Film mitgespielt?«

»Nicht? Sind Sie sicher?«

»Eigentlich mag ich weibliche Komiker ja nicht so.«

Dieser letzte Satz bringt mich echt auf hundertachtzig. Es würde ja auch keiner einfach sagen: »Eigentlich mag ich Schwarze ja nicht so.« Das ist so was von beleidigend. Und wenn ich raten sollte – Sie haben in Ihrem ganzen Leben wahrscheinlich genau eine weibliche Komikerin gesehen, und das war in den Achtzigern, und wissen Sie was? Wahrscheinlich waren Sie absolut hingerissen.

Um dieser Art von Unterhaltung aus dem Weg zu gehen, habe ich eine Weile einfach meine Geschichte umgestrickt und hab ihnen erzählt, ich sei Lehrerin. Aber da haben sie auch immer noch weitergefragt, also hab ich irgendwann behauptet: »Ich verdiene mein Geld mit Geschichtenerzählen.« Das war nebulös genug, sodass sie mich in Ruhe gelassen haben.

Ich kann einen ganzen Abend auf der Bühne stehen und Tausenden von Leuten meine verletzlichsten und privatesten Gefühle enthüllen – zum Beispiel meine Überlegungen zu dem Typen, der als Letzter in mir war, oder die Tatsache, dass ich esse wie der Vielfraß in Seven, wenn ich betrunken bin. Aber auf Partys oder bei irgendwelchen Zusammenkünften, bei denen ich das Gefühl habe, »sozialer« sein zu müssen, tue ich mich wirklich nicht so leicht. Normalerweise such ich mir eine Ecke, in die ich mich zurückziehe, und dann fange ich an zu spuken wie das Mädchen in The Ring, in der Hoffnung, dass niemand auf mich zukommt und mit mir reden will. Aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort kann ich ganz schön lustig sein. Ich hatte zum Beispiel schon mehrere nette Gespräche mit älteren Frauen in Umkleideräumen. Selbst wenn sie ihren grauen tornadoförmigen Busch vorstrecken, während sie sich die Haare föhnen, lasse ich mich auf eine Unterhaltung ein.

Es wird wahrscheinlich niemanden überraschen, dass ich die sozialen Medien dem zwischenmenschlichen Kontakt vorziehe. Die sozialen Medien sind einfach effizienter als Online-Dating. Da geht alles ganz schnell und schmerzlos, und wenn man draufkommt, dass einer verrückt oder nicht lustig ist, kann man sich einfach so aus der Unterhaltung zurückziehen. Sogar die Fotos, die die Leute von sich auf Instagram posten, können einem helfen, Zeit zu sparen. Ich habe mal eine potenzielle Romanze beendet, weil der Typ ein Bild von der Beerdigung eines Hundes geposted hat, der seinem Freund gehörte. Das Foto zeigte buchstäblich die Beerdigung, man sah, wie der tote Hund in einer Mülltüte in die Grube gesenkt wurde. Er sagte, es sei ihm eine Ehre gewesen, an diesem Tag dabei gewesen zu sein. Dabei war das nicht mal sein eigener Hund!

Meiner Meinung nach sollte man Dinge posten, die dich als Mensch zeigen, und zwar hundertprozentig. Nicht, dass eine Hundebeerdigung diese Bedingung nicht erfüllen könnte. In diesem Fall hat es aber nur klar gemacht, dass dieser Mann sich an Trauer berauschte und es genoss, Teil eines Dramas zu sein, damit er sich lebendig und wichtig fühlen konnte. Ich poste am liebsten Bilder wie Fotos von meiner Schwester, wie sie bei unseren Spaziergängen die Scheiße von ihrem Hund aufhebt. Warum nicht ehrlich sein und sich ganz zeigen? Bei einem meiner ersten Paparazzi-Erlebnisse erwischten sie mich, wie ich auf einem Paddleboard in Hawaii stand. Ich erkannte mich darauf nicht mal selbst. Ich sah das Bild in Zeitschriften und dachte mir: »Hey, cool, Hitchcock lebt noch, und er steht auf Wassersport.« Aber nein, das war ich. Als meine Freundin mir erzählte, dass die Bilder online waren, informierte sie mich darüber in einem Ton, als wären meine Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen. Doch ich postete stolz sofort das schlimmste Foto, denn ich fand es superkomisch. Ich werde in meinem Buch eine Menge Witze über mich machen, aber lassen Sie sich versichern: Ich fühle mich gut, gesund, stark und fuckable. Ich bin nicht das heißeste Babe, das rumläuft. Ich bin eher die drittheißeste Barkeeperin in einem Dave and Busters in Cincinnati. Als ich bei einer anderen Gelegenheit einem Paparazzo »in die Falle ging« – ich beging gerade die unaussprechliche Tat, ein Sandwich zu verzehren –, postete ich sofort eine Korrektur, denn sie hatten sich beim Belag geirrt (sie hatten Speck geschrieben, dabei war es Prosciutto).

Auf der anderen Seite gibt es Männer und Frauen – wir kennen sie alle (Celebritys oder ganz normale Leute) –, die nur umwerfende Bilder von ihren Bauchmuskeln zeigen, oder Fotos, auf denen sie zufällig umwerfend aussehen. Solche Typen nennt man #humblebrags (RIP @wittels, der diese perfekte Bezeichnung erfunden hat). Auf die kann ich prima verzichten. Ich möchte überhaupt niemanden kennen, der sich nicht so gerade eben durchs Leben wurschtelt. Die sozialen Medien sind ein tolles Instrument für uns Introvertierte, aber auch für anständige Leute, denn es verkürzt die Zeitspanne, die man normalerweise braucht, um zu merken, dass jemand nicht super ist, sondern ganz schrecklich. Ich weiß nicht, wie die Introvertierten überhaupt ohne Internet überleben können. Oder mit Internet. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie wir überhaupt überleben. Manchmal kommt es mir fast unmöglich vor.

Nachdem ich nun weiß, dass ich introvertiert bin, komme ich mit dieser Eigenschaft besser zurecht und beginne, sie sogar als etwas Positives zu sehen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass viele Firmenbosse introvertiert sind, und ich kann das nur bestätigen, die Chefposition gefällt mir auch – egal, woran ich arbeite, ich umgebe mich mit klugen, talentierten Leuten, lasse sie einfach machen, was sie am besten können, höre mir ihre Ideen an und überlege mir, wie ich optimal mit ihnen zusammenarbeiten kann, um das bestmögliche Endergebnis zu bekommen. Die Gags für meine Stand-up-Shows schreibe ich selbst, aber alles andere, was ich so hervorgebracht habe, verdanke ich der Arbeit einer kleinen Gruppe von witzigen Leuten, die alle allein gearbeitet haben. Das ist meine liebste Art, Dinge zu erledigen. Es sollte einen nicht überraschen, dass viele Gagschreiber introvertiert sind, also funktioniert es prima, wenn wir für meine Fernsehshow kurzfristig zusammenarbeiten und uns anschließend wieder in unsere produktiven kleinen Introvertiertenschneckenhäuser zurückziehen, um unsere Arbeit zu machen. Wir sind in erster Linie eine Gruppe von Höhlenbewohnern, die Sozialkontakte nur eine begrenzte Zeit aushalten. An einem beliebigen Tag mit meiner Gagschreiber-Truppe sieht der Zeitplan normalerweise ungefähr so aus:

12.00 Uhr: Das Personal trifft im Büro ein.

12.15 Uhr: Die Gruppe bestellt Mittagessen. Wir wollen alle Suppe, aber die Suppenlieferung hat schon bis zu zwei Stunden gedauert, also bestellen wir bei Bareburger. Unser gluten- und laktosefreier Kyle Dunnigan braucht grundsätzlich am längsten mit seiner Bestellung, und wir müssen uns das Ganze immer wieder anhören. (Dieses Jahr hat er aufgehört mit seiner Gluten- und Laktosefreiheit, und wir sind alle sauer, dass er gegangen ist, nachdem wir uns so lange sein Geseier dazu anhören mussten.)

12.16 – 12.59 Uhr: Das Personal diskutiert und jammert, wie lange es dauert, bis das Mittagessen da ist.

13.00 – 13.10 Uhr: Wir essen unser Mittagessen und unterhalten uns über den Bachelor.

13.15 – 13.30 Uhr: Toilettenpausen überall. Kurt Metzger erzählt eine Geschichte von einem seltsamen Mädchen, das er geleckt hat.

13.30 – 14.00 Uhr: Wir diskutieren Ideen oder lästern über irgendwelche Leute und schauen zusammen Youtube-Videos.

14.00 – 15.00 Uhr: Wir diskutieren, was für einen Imbiss wir uns bestellen könnten. Ich geh zum hundertsten Mal pinkeln.

15.00 – 16.00 Uhr: Wir arbeiten das Skript aus.

16.00 – 19.00 Uhr: Jeder schreibt schön eingeigelt in seinem eigenen Zuhause.

Es ist schwierig, sich länger in Gesellschaft anderer Leute aufzuhalten, während man versucht, kreativ zu arbeiten. Ich verstehe nicht, wie das die Gagschreiber für die Late-Night-Shows machen – die sind die ganze Zeit zusammen und spucken dabei am laufenden Band Pointen aus. Ich bin heilfroh, dass ich so einen Riesentrupp habe, lauter Leute, die ihr eigenes Ding machen und einander in Ruhe lassen, und ich finde, diese Methode, allein gemeinsam zu schreiben, ist einfach die beste. Meine Schwester Kim und ich sitzen oft schweigend nebeneinander auf dem Sofa und schreiben zusammen an demselben Film – nicht nur stundenlang, sondern tagelang. Dabei wechseln wir im Schnitt zwei Sätze, und die drehen sich grundsätzlich ums Essen.

Zum Abschluss würde ich gerne noch der Geheimwaffe der Introvertierten Tribut zollen, einer unserer besten Strategien, um mit sozialen Situationen zurechtzukommen: dem französischen Abgang. Ich habe ihn im Laufe der Jahre perfektioniert. Ich will den Franzosen mit diesem Ausdruck natürlich nicht zu nahe treten, aber sie haben genialerweise diese patentierte Methode erfunden, wie man sich ohne Angabe von Gründen verdünnisieren kann. Selbst wenn ich betrunken bin, kann ich mich von jeder Veranstaltung stehlen, ganz subtil und ninjamäßig und ohne jede Vorwarnung – ein klassischer Introvertierten-Schachzug, den ich aus dem Effeff beherrsche. Ich bin wie Omar von The Wire. Obwohl … nein. »Amy, ich hab dich gestern Abend gar nicht gehen sehen … du hast ja gar nicht Tschüs gesagt!« Da kannst du aber deinen hübschen Arsch drauf verwetten, dass ich nicht Tschüs gesagt habe. Wenn ich dir Tschüs sage, dann aus purem Zufall, weil du wahrscheinlich gerade an der Tür stehst, wenn ich versuche, mich ungesehen hinauszumanövrieren.

Ich wünschte, ich könnte mich auch auf französische Art aus diesem Kapitel verabschieden, denn – ganz die Introvertierte – es macht mich müde, so lange über mich selbst zu schreiben. Aber bevor ich mich hier in Schweigen hülle, möchte ich Ihnen ans Herz legen, dass Sie nächstes Mal vorsichtig sein sollten, bevor Sie eine laute, oftmals taktlose, flatterhafte Blondine nach dem äußeren Schein beurteilen. (Dieses Buch dürfen Sie aber sehr gern nach dem äußeren Schein beurteilen, denn das ist außen genauso fein wie innen.) Nur weil mein Job von mir verlangt, dass ich mich vor dem Mikro über mich selbst lustig mache und für Geld mein Herz auf der Zunge trage, bedeutet das nicht, dass ich nicht gleichzeitig introvertiert sein kann. Ob Sie’s glauben oder nicht, ich habe ein komplexes Innenleben, genau wie Sie, und ich bin gerne allein. Ich brauche das. Und ich war noch nie so glücklich wie in dem Moment, in dem ich das endlich erkannt hatte. Wenn Sie also ebenfalls ein introvertierter Mensch sind, insbesondere eine introvertierte Frau, oder eine Person, von der man erwartet, dass sie ihre Energie regelmäßig allen anderen schenkt, möchte ich Sie ermutigen, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Laden Sie Ihre Batterien so lange auf, wie es für Sie nötig ist. Lehnen Sie sich an einen Baum und gönnen Sie sich eine Pause von den anderen Bärchen. Ich werde auch dort sein, aber ich werde Sie nicht stören. Versprochen.