Inhalt

Ein Vorwort

Ein Neuanfang

TEIL I – Eine kurdische Familie

Ein stolzer Vater

Dilan

Kultura

Berge, die Geschichten erzählen

Tickets nach Bagdad

Ein Brief an Schuxan

Ein Kaninchen ohne Namen

Ein Mann, der kein Kurde ist

Ein Park, ein Abschied

Gesegnet sind die Frommen

Eine Große Frau

Der mächtige Sheikh

TEIL II – Eine islamische Ehe

Die Feinde der Gläubigen

Eine Sache vor Allah

Zwölf Goldringe

Kein Gott außer Allah

Die Brautnacht

Eine amtliche Ehe

Morgentochter

Blutnacht

Brüder im rechten Glauben

Von Zeichen und Worten

Eine Einladung

Das Unsichtbare führt Krieg

Millionen Kinder

Allah ist gerecht

Der Engel des Todes

Eine Verbündete

Wenn du Reue zeigst

Die Koranschule

Eine Gesellschaft der Frommen

Es wird Krieg geben

So fühlt sich die Freiheit an

Ein Angriff auf Erbil

Der Weg in die Freiheit

Lebensland

Nachwort

Anmerkungen

Bildteil

Ein Vorwort

Ich bin Nigin, ich bin die Tochter von Chalat Saeed. Meine Mutter hat mir erlaubt, dieses Vorwort zu schreiben. Sie denkt, dass ich es besser schreiben kann als sie, obwohl das nicht stimmt.

Meine Mutter ist eine Näherin aus Sulaimaniyya im nördlichen Irak, sie hat nur sechs Jahre lang die Schule besucht. Ich aber werde in sehr vielen Jahren eine Rechtsanwältin in Deutschland sein. Wir haben beide zum christlichen Glauben gefunden, jede auf ihre Art. Ich habe mit Christen gesprochen und so ihren Glauben kennengelernt. Meine Mutter aber ist anders zum Christentum gekommen. Erst hat sie sich vom Islam als der Religion der Männer abgewandt. Danach dachte sie, dass es keinen anderen Glauben für sie gibt. Im Nordirak gibt es keine Christen, dort gibt es nur den Islam. Meine Mutter war mit ihrem Glauben, der nur ihr gehört hat, wie eine Blume in der Wüste. Wo kein Glaube war, ist er entstanden. Und gewachsen ist er aus nichts, wie ein Wunder. Erst viel später hat sie das Christentum als Religion der Frauen entdeckt.

Sie ist eine einfache Frau, die sich von ihrem Mann, einem gewalttätigen Muslim, befreit hat. Für mich ist sie eine Heldin. Über Frauen wie meine Mutter wurde nie geschrieben.

Mit Nadia Murad aber – einem jesidisch-kurdischen Bauernmädchen aus dem Nordirak – ist zum ersten Mal eine dieser einfachen Frauen an die Weltöffentlichkeit getreten. Mit dem Friedensnobelpreis wurde ihr Mut belohnt. Dieser Friedensnobelpreis macht auch meine Mutter stolz. Er war sehr wichtig, denn es gibt viele Millionen dieser Frauen, die in ihrer muslimischen Ehe Rechtlose sind. Sie sind in den Augen ihrer muslimischen Männer eine Arbeitskraft – putzen, kochen, Kinder kriegen. Genauso wie Nadia Murad ist auch meine Mutter verkauft worden, wie ein Stück Vieh.

Noch etwas Besonderes steht in diesem Buch. Es wird sonst nie darüber berichtet, was jungen Mädchen in ihren eigenen Familien zugefügt wird. Meist wird der Eindruck erweckt, als würde eine Kurdin in einer behüteten Umgebung aufwachsen. Doch das ist falsch. Sobald die Mädchen ihre erste Periode bekommen, werden sie von ihren männlichen Verwandten mit roher Gewalt auf die Heirat vorbereitet. Der spätere Ehemann soll ein völlig gefügiges Mädchen erhalten. So verlangt es die „Ehre“ der Familie. Eine Mädchenidylle gibt es im Nordirak nicht. Eine kurdische Pippi Langstrumpf existiert nur in Büchern. Meine Mutter und ich aber werden ein ehrliches Buch schreiben.

Ich verstehe, dass eine junge Jesidin nicht öffentlich über ihre männlichen Verwandten reden will. Auch meine Mutter hat deshalb sehr mit sich gerungen. Aber ich, Nigin, habe ihr gesagt, dass wir das millionenfache Schicksal von jungen Mädchen überall auf der Welt nicht verschweigen dürfen. Wir müssen die ganze Wahrheit erzählen. Hier also ist, was meine Mutter berichten will: Ihre große Schwester wurde von den eigenen Brüdern schwer misshandelt. Sie, die jüngere Schwester, musste dabei zusehen. Wir wollen auch nicht verschweigen, dass meine Mutter von ihrem eigenen kurdischen Bruder verkauft wurde.

Von drei Dingen wird meine Mutter also berichten: von den Misshandlungen, denen sie als junges Mädchen in ihrer eigenen kurdischen Familie ausgesetzt war, von ihrer Ehe mit einem gewalttätigen Muslim und von ihrem Weg zum Glauben.