Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
Dieses E-Book darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, E-Reader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das E-Book selbst, im von uns autorisierten E-Book-Shop, gekauft hat.
Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.
ISBN 978-3-417-22785-7 (E-Book)
ISBN 978-3-417-28677-9 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
CPI books GmbH, Leck
© 2015 SCM Kläxbox im SCM-Verlag GmbH & Co. KG
Bodenborn 43 | 58452 Witten
Internet: www.scmedien.de | E-Mail: info@scm-klaexbox.de
Umschlaggestaltung und Illustrationen: Dietmar Reichert, Dormagen
Satz: Katrin Schäder, Velbert
Für alle, die Band 1 noch nicht gelesen haben, noch einmal kurz zur Erklärung:
Wie funktioniert der Rätsel-Krimi?
Für Detektive ist es ganz besonders wichtig, dass sie die Augen und Ohren offen halten. Sie müssen alles ganz genau beobachten und gründlich zuhören. Schließlich weiß man nie, welche Kleinigkeiten später wichtig sein könnten.
Zum Schluss eines jeden Kapitels gibt es ein Rätsel, das du lösen kannst, wenn du beim Lesen gut aufgepasst hast. Mit jeder Lösung erhältst du einen Buchstaben. Wenn du am Ende alle Buchstaben zusammensetzt, ergibt sich daraus ein Motto, das für W.O.L.F. in diesem Fall besonders wichtig ist ☺.
Übrigens gibt es ganz am Ende der Geschichte nochmal alle Rätselfragen im Überblick. Dort kannst du auch deine Lösungen notieren.
Viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg beim Grübeln!
W.O.L.F. – das ist ein Detektiv-Club, bestehend aus den drei Freunden Wuschel, Olaf und Latif und Wuschels Ratte Freddy.
Olaf (Teschke) | ist ein zwölfjähriger Junge mit kurzen braunen Haaren und einem ganz beachtlichen Intelligenzquotienten. Er hat fast immer gute Noten (außer in Sport) und bringt mit seinen Fragen manchmal sogar die Lehrer zum Schwitzen. Er lebt mit seiner Mutter in einer 3-Zimmer-Wohnung mit kleinem Balkon. Er ist ein Computerfreak und liebt allen möglichen technischen Schnickschnack, genau wie Flohmärkte und alten Trödel. |
Latif (Arslan) | ist ebenfalls zwölf und geht in dieselbe Klasse wie Olaf. Er liebt Sport und ist am liebsten dauernd in Bewegung. Er lebt mit seinen Eltern und einem älteren Bruder in einer nicht allzu großen 3-Zimmer-Wohnung. Latif versorgt den Detektivclub gelegentlich mit türkischen Leckereien, die seine Mutter selbst herstellt. Da er den Computer zu Hause mit seinem Bruder teilen muss, hat er oft Zeit, seine Nase in spannende Bücher zu stecken. Er spielt Fußball in einem Verein. |
Wuschel | heißt eigentlich Katharina (Karmann) und ist zwölf. Sie geht in eine Parallelklasse der beiden Jungs. Katharina ist abenteuerlustig und sorgt gelegentlich dafür, dass der Detektivclub in größere Schwierigkeiten gerät, als es eigentlich sein müsste. Genau wie Olaf und Latif liest sie mit Begeisterung Detektivgeschichten, außerdem nimmt sie Reitstunden. Ihren Spitznamen Wuschel erhielt sie, weil sie sich einmal selbst die Haare schnitt und das ziemlich schiefging. Sie wohnen in einem tollen alten Fachwerkhaus mit einem großen Garten. In der dschungelartigen Ecke steht eine Hütte, die Wuschel sich mit alten Möbeln ihrer Großeltern eingerichtet hat und wo sich jetzt der Detektivclub am liebsten trifft. |
Freddy | ist Wuschels schokobraune Farbratte. Er frisst für sein Leben gern Erdnüsse und ist sehr intelligent. Eigentlich darf er nicht mit in die Schule, aber Wuschel schafft es immer wieder, ihn einzuschmuggeln. Wenn er entdeckt wird, gibt es jedes Mal ein großes Theater, inklusive Antreten beim Direktor, Einberufung der Eltern und anschließendem Hausarrest. Freddy ist aber wirklich völlig zahm, lässt sich gern streicheln und würde niemals weglaufen (sagt Wuschel). |
Sissi Karmann | ist neun Jahre und die kleine Schwester von Wuschel. Sie hat einen Hamster namens Snickers. Sissi ist ziemlich begeistert von Latif und himmelt ihn an, wenn er in der Nähe ist, was diesem jedoch eher peinlich ist. Sissi ist nicht nur neugierig, sondern möchte auch immer wissen, was ihre große Schwester gerade tut. Und natürlich will sie gern dabei sein. |
Inhalt | |
Kapitel 1 · | Ein alter Dachboden ist immer für einen Schatz gut |
Kapitel 2 · | Nachts sind sogar Einbrecher grau |
Kapitel 3 · | Wer sucht was, und vor allem – warum? |
Kapitel 4 · | Bert und eine böse Überraschung für Olaf |
Kapitel 5 · | Ein neuer Fall für W.O.L.F. |
Kapitel 6 · | Ein Papier sagt mehr als seine Worte |
Kapitel 7 · | Die Schatzsuche beginnt |
Kapitel 8 · | Berts denkwürdiges Zuhause |
Kapitel 9 · | Tarik räumt das Feld und Latif hat freie Bahn |
Kapitel 10 · | Das blonde Mädchen |
Kapitel 11 · | Der geheime Raum |
Kapitel 12 · | Ein seltsamer Fund |
Kapitel 13 · | Freddy wird zum Lebensretter |
Kapitel 14 · | Die Ungewissheit eines langen, dunklen Tunnels |
Kapitel 15 · | Dieses Biest ist ein Verräter |
Kapitel 16 · | Bekanntmachung der ersten Täter |
Kapitel 17 · | Auftrag eins – erledigt! |
Kapitel 18 · | Auf geheimer Mission |
Kapitel 19 · | Ein schwarzer Tag für Wuschel |
Kapitel 20 · | Freddy in den Händen des Feindes |
Kapitel 21 · | Latifs große Überraschung |
Kapitel 22 · | Eine Entführung in Belgien, und der Tag wird immer schlimmer |
Kapitel 23 · | Auf der Lauer an der Hütte am Waldsee |
Kapitel 24 · | Wie verhindert man ein Inferno und seinen eigenen Tod? |
Kapitel 25 · | Nass läuft man langsamer |
Kapitel 26 · | Einer jener Abende |
Kapitel 27 · | Das Geheimnis des roten Tagebuchs |
Die W.O.L.F.-Detektivausrüstung |
Wuschels Stimme klang brüchig, als sie mit ihm sprach. »Bitte, Olaf, geh und hol ihn. Bitte, tu es für mich. Für Freddy!« Sie flehte mit aller Verzweiflung. »Bitte!«
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Wuschel linste über ihre Sonnenbrille hinweg Olaf und Latif an. Die Sonne stand hoch am Himmel und schien grell über den Schulhof.
»Es wären nur ein paar Tage. Ich finde, wir sollten das übernehmen.«
Olaf zögerte, genau wie Latif. Wuschel, die eigentlich Katharina hieß, hatte sie gerade mit dem Vorschlag überrascht, dass sie bei ihrer Nachbarin, einer alten Frau, den Dachboden entrümpeln sollten.
»Wir werden sogar dafür bezahlt!«
»Seit wann brauchst du denn eine Bezahlung?«, erkundigte sich Latif mit einem Stirnrunzeln. So, wie sie Katharina bisher kennengelernt hatten, war sie mit einem großzügigen Taschengeld ausgestattet. Wuschel zuckte mit den Schultern.
»Tja, seit unserem nächtlichen Ausflug im Fall des goldenen Todesreiters halten mich meine Eltern an der kurzen Leine. Sie meinen, dass wir ohne mein Erspartes gar nicht in der Lage gewesen wären, auf dumme Gedanken zu kommen. Und sie haben irgendwie recht.«
Bei ihrem ersten gemeinsamen Detektivfall, bei dem es um eine verschwundene mongolische Figur aus dem Museum ging, war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als einen langen Ausflug zu machen und dann auch noch eine halbe Nacht zu verschwinden. Ihre Eltern hatten leider wenig Verständnis für ihr Unternehmen gezeigt, obwohl sie es wenigstens teilweise zu akzeptieren schienen, als die ganze Wahrheit über ihren selbstlosen Einsatz am nächsten Tag in den Zeitungen stand.
»Und die Belohnung?«, fragte Latif. Sie hatten im Anschluss an ihren Fall vom Museum für die Wiederbeschaffung der echten Statue etwas Geld erhalten. Olaf und Latif beglichen damit zuallererst ihre Schulden bei Wuschel, denn sie hatte mehr oder weniger für alle Ausgaben bei ihrer Ermittlung bezahlt.
»Auf einem Sparbuch außerhalb meiner Reichweite.« Wuschel zog die Mundwinkel nach unten. »Also, was ist nun? Unsere Nachbarin ist echt nett und sie will jedem von uns hundert Euro geben, wenn wir die Arbeit erledigt haben.«
Olaf zog die Nase kraus. »Ich weiß nicht. Wir sind doch ein Detektivclub. Wir wollen Kriminalfälle lösen und nicht anderen Leuten den Kram sortieren. Was, wenn wir morgen den nächsten Fall übernehmen? Dann haben wir gar nicht genug Zeit für beides.«
»Sei mal ehrlich – bisher hat man uns nicht gerade mit Aufträgen bombardiert«, warf Wuschel ein. »Wir könnten das Geld gut gebrauchen, zum Beispiel für Ausrüstung und unsere Geschäftskarten. Außerdem dürfen wir behalten, was uns gefällt, wenn Frau Jahn einverstanden ist. Sie ist froh, wenn sie das Zeug loswird.«
Olaf sah zu Latif. Der nickte.
»Ich fände es okay. Wir könnten nachmittags und am Wochenende jeweils ein paar Stunden für die Frau arbeiten. Bestimmt sind wir recht schnell fertig mit allem. Sie kann ja nicht so viel haben, wenn sie allein lebt.«
Schließlich stimmte auch Olaf zu. Wuschel hatte leider recht – nach dem Fall um den goldenen Todesreiter war kein neuer aufgetaucht. Dabei war dieser Fall schon ein paar Wochen her. Sie waren jetzt der W.O.L.F-Detektivclub, und Olaf hatte fest damit gerechnet, dass sie viel zu tun bekommen würden, zumal sie seit Neuestem auch eine eigene Webseite und Visitenkarten besaßen. Wahrscheinlich dauerte es einfach eine Weile, bis es sich herumsprach, dass man sie engagieren konnte.
Das Läuten beendete die Pause und sie verabredeten sich schnell für den Nachmittag, um mit dem Ausmisten eines Dachbodens zu beginnen.
Eine sehr, sehr alte Frau öffnete die Tür, nachdem Wuschel geklingelt hatte, und sah sie über ihren Rollator hinweg fragend an. Sie war gerade mal so groß wie Katharina, mit tausend Falten und Knittern im Gesicht, hatte weißes, flaumiges Haar und trug trotz der spätsommerlichen Wärme eine dicke, ausgeleierte, hellblaue Strickjacke.
»Hier sind wir, Frau Jahn«, erklärte Katharina laut. »Das sind die beiden Freunde, von denen ich Ihnen erzählt habe. Wir sind wegen Ihres Dachbodens hier.«
Frau Jahns Gesicht hellte sich auf. »Ach so, ja, kommt doch herein.«
Sie folgten ihr in das überheizte Hausinnere durch den Flur in die Küche. Olaf brach augenblicklich der Schweiß aus.
»Ist kühl heute, nicht wahr?«, meinte die alte Dame und setzte sich auf eine alte Bank, vor der ein Tisch stand. »Ich kann nicht mehr so lange stehen«, fügte sie entschuldigend hinzu. »Ihr kommt also wegen des Dachbodens, ja?«
Die drei Detektive nickten eifrig. Je eher sie anfingen, umso besser. Olaf wollte möglichst schnell raus aus dem stickigen Raum.
»Wisst ihr, da gibt es allerhand Trödel und Andenken. Wenn ich mal nicht mehr bin, sollen meine Kinder sich nicht mit all dem Ramsch herumärgern müssen. Deshalb will ich das entrümpeln lassen und dann den Sperrmüll bestellen. Dort oben sind sogar noch Sachen, die meinen Großeltern gehörten. Die haben dieses Haus gebaut. Alle Möbel, die sie, meine Eltern und später mein Mann und ich nicht mehr gebraucht haben, sind immer nach oben gewandert. Man hat früher nicht so viel weggeworfen und ich muss zugeben, ich kann mich auch von nichts trennen. Aber es muss nun mal sein. Ich werde ja nicht mehr lange hier verweilen.«
Offenbar sprach sie von ihrem Tod. Olaf fuhr sich unangenehm berührt mit dem Finger unter den Halsausschnitt seines T-Shirts, das anfing, an ihm festzukleben.
»Ich dachte mir das so«, fuhr Frau Jahn fort. »Alles, was nicht mehr zu gebrauchen und kaputt ist, stellt ihr in die Einfahrt für die Müllabfuhr, die holen das in ein paar Tagen ab. Die Dinge, die noch ganz ordentlich in Schuss sind, bleiben oben. Dafür lasse ich jemanden kommen, der sie abtransportiert und weiterverkauft. Und dann gibt es noch die Sachen, die ich behalten möchte, all die lieben Erinnerungsstücke an meine Eltern hauptsächlich. Haltet Ausschau nach Fotografien, Briefen und solchen Sachen, die könnt ihr mir bringen, und ich schaue sie mir an und entscheide, was damit passieren soll. Habt ihr das soweit verstanden?«
»Alles klar«, versicherte Wuschel.
»Ich komme da nicht mehr hoch«, meinte die alte Frau und deutete auf ihren Rollator, »aber ich weiß sehr gut, wie es auf dem Dachboden aussieht. Es gibt auf einer Seite ein großes Fenster, da könnt ihr die Dinge, die zum Müll kommen, runterwerfen. Das Fenster geht direkt auf die Einfahrt hinaus.«
Olaf gab einen erleichterten Seufzer von sich. Er hatte schon befürchtet, sie müssten mit schweren Möbeln mehrere Stockwerke hinunterklettern. Sein eigener Umzug in die Stadt lag noch nicht lange zurück und er erinnerte sich sehr genau an den fürchterlichen Muskelkater, den er vom Schleppen der Kartons und Kisten bekommen hatte. Latifs Mundwinkel zuckten und er warf Olaf einen amüsierten Blick zu, als hätte er seine Gedanken gehört.
»Wenn ihr Durst habt, kommt runter. Ich stelle euch Limonade und Saft in den Kühlschrank. Katharina, du weißt bestimmt noch, wo es hinauf geht. Du warst ja schon mal oben.« Frau Jahn deutete mit ihrer Hand Richtung Decke und Wuschel salutierte beinahe, so zackig riss sie den Kopf hoch und die Schultern nach hinten.
»Jawohl, weiß ich. Folgt mir«, forderte sie Latif und Olaf auf und marschierte aus der Küche, ohne sich noch einmal umzusehen. Sie stiegen die Treppe hinauf ins obere Stockwerk – am Geländer war ein Treppenlift befestigt, der Frau Jahn zwischen den Etagen beförderte – und dort angelte Wuschel mit einem Stock, an dem ein Haken befestigt war, an der Decke nach dem Ring in der Falltür, um sie nach unten hin zu öffnen. Latif musste ihr beim Ziehen helfen und gemeinsam öffneten sie den Zugang zum Dachboden und ließen die Klapptreppe herunter. Die Stufen waren steil und hoch.
Stumm sahen sich die drei, an ihrem Ziel angekommen, um. Es war wesentlich schlimmer, als Latif angenommen hatte, so viel konnte Olaf ihm vom erstaunten Gesicht ablesen. Der Dachboden war zwar groß, dennoch standen die Möbel von drei Generationen übereinandergestapelt rings um sie herum. Tische, viele, viele Stühle, ein Sofa, so wuchtig, dass Olaf sich unwillkürlich fragte, wie sie das jemals hier herauf bekommen hatten. Außerdem alte Bettgestelle aus Metall und eins aus Holz, Sessel, zwei Kleiderschränke, einem davon fehlte eine Tür, enorm große Truhen aus dunklem, fast schwarzem Holz, abgewetzte Koffer, die alle vollgestopft schienen, ausgeblichene und abgetretene Teppiche, Regale und Kommoden. Dazu auf jedem freien Plätzchen Vasen, Krüge, Geschirr, Bilder, Bücher, Kleider und Hüte, alte Schuhe, Schlittschuhe, Ski, Schlitten und Bälle, Tennisschläger, Federballschläger, ein Boccia-Set, Kästchen und Dosen, Hutschachteln … Sogar eine Schneiderpuppe gab es, die ein altes Kleid mit Fransen und einer Federboa trug.
»Wir werden Wochen brauchen!«, ächzte Wuschel.
»Eine wahre Fundgrube!«, jubelte Olaf, der sich endlich für die Aufgabe erwärmen konnte. Er stöberte unheimlich gern auf Flohmärkten herum und das hier versprach, noch viel besser zu werden.
»Wo fangen wir an?«, grübelte Latif laut. »Es steht alles voll, wir müssen erst einmal Platz schaffen, um eine Ecke zu haben, in die wir die Sachen bringen, die verkauft werden können. Aber wo?«
»Wo ist das Fenster?«, erkundigte sich Olaf und hielt Ausschau nach Tageslicht. Bislang erhellten hauptsächlich zwei nackte Glühbirnen den Dachboden.
»Zugestellt«, antwortete Wuschel und befand sich schon auf dem Weg durch einen Stapel Stühle. »Es ist hier, hinter diesem Regal, seht ihr? Da unten ist nämlich die Einfahrt. Es kann nur in dieser Wand sein.«
Sie zog an einer mit Büchern vollgestopften Vitrine, um sie vorzuziehen. Das Möbelstück bewegte sich quietschend einige Zentimeter über den Dielenboden.
»Dann sollten wir zuerst dort alles freiräumen«, schlug Latif vor. »Wir müssen ja immer wieder zum Fenster, um den Müll loszuwerden.«
Sie stürzten sich in die Arbeit, schoben und wuchteten Möbel zur Seite, stapelten Bilder und Stühle über- und nebeneinander und versanken dabei in Staubwolken. Fünf Minuten später waren sie in eine hitzige Diskussion darüber vertieft, ob alte, vergilbte und eingestaubte Bücher Müll waren oder ob sie zu dem Stapel der verkaufbaren und aufzuhebenden Dinge gehörten. Sie mussten Frau Jahn fragen und die befand, dass die Bücher aufgehoben werden sollten. Schon bald war das Fenster freigeräumt und sie begannen mit der Suche nach allem, was kaputt war. So flogen wenig später löchrige Schuhe, Stühle ohne Sitzpolster und Armlehnen im hohen Bogen in die Einfahrt. Danach flatterten mottenzerfressene Kleidungsstücke und Bücher ohne Einband hinterher, ein Schlitten, dem die Hälfte der Leisten fehlte, ein Koffer, dessen Verschluss nicht mehr funktionierte, ein Bilderrahmen ohne Glas und jede Menge muffiger Kissen mit klumpig gewordener Füllung.
Am Abend, als es Zeit wurde, nach Hause zu gehen, sah es tatsächlich schon ein bisschen leerer aus. Olaf durchstöberte gerade eine der riesigen Truhen, als Latif ihn daran erinnerte, dass sie Schluss machen mussten, um den Bus zu kriegen.
»Ja, einen Moment noch«, entgegnete Olaf ohne aufzusehen. »Ich glaube, diese Sachen haben einmal einem Soldaten gehört. Schaut mal, hier ist eine Uniform.« Er zog die blauen Kleidungsstücke heraus und hielt sie in die Höhe. Ein kleines, in rotes Leder gebundenes Buch flog auf den Boden.
»Oh, was ist das denn?« Wuschel hob es auf und blätterte darin. »Sieht wie ein Notizbuch aus.«
»Vielleicht ein Tagebuch«, vermutete Latif. »Viele Soldaten führten Tagebuch während des Krieges, um ihre Erlebnisse niederzuschreiben und für die Nachwelt festzuhalten.«
»Kann ich es mal sehen?«, bat Olaf.
Wuschel reichte es Olaf, der es interessiert aufschlug. Die Seiten waren dicht mit einer kleinen Handschrift gefüllt, viele Zeilen, die kaum oder gar nicht zu entziffern waren. Es würde einige Zeit dauern, sich darin zurechtzufinden.
»Ich würde es gern lesen. Ich frage Frau Jahn, ob ich es mir ausleihen kann.«
Er legte die Uniform ordentlich über die Rückenlehne eines Sessels. Sie schalteten das Licht aus und stiegen ins Erdgeschoss hinunter, wo ihre Auftraggeberin schon auf sie wartete. Olaf zeigte ihr das Tagebuch.
»Das muss von meinem Vater sein«, überlegte die alte Dame. »Er war Soldat im Ersten Weltkrieg. Er wollte nie, dass ich es lese. Er meinte, es seien zu viele grauenhafte Dinge darin geschrieben, die mich nur verstören würden.«
»Wollen Sie es jetzt lesen?«, erkundigte sich Olaf. Frau Jahn drehte das rote Buch in ihren Händen hin und her und überlegte. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Nein, ich glaube nicht. Ich möchte den Wunsch meines Vaters respektieren, auch wenn mich seine Erlebnisse heutzutage vermutlich nicht mehr so erschrecken würden. Inzwischen weiß man sehr gut, wie es in diesem Krieg zuging.«
»Darf ich es mir ausleihen?«
Frau Jahn sah Olaf betrübt an. »Bist du dir sicher? Ich weiß nicht, ob das so ratsam wäre. Offensichtlich ist es nicht für Kinderaugen gedacht.«
Olaf beschloss, diese Bemerkung über »Kinderaugen« nicht persönlich zu nehmen. »Ich würde gern versuchen, ob ich die Schrift entziffern kann. Und wenn die Schilderungen zu schlimm werden, kann ich ja aufhören.«
»Nun gut, nimm es ruhig mit. Aber verlier es nicht.«
Natürlich würde er das Tagebuch nicht verlieren. Olaf hütete all seine Besitztümer wie Schätze. Latif zupfte ihn am Ärmel. Nach einem Blick auf die Uhr sagten sie schnell auf Wiedersehen und stürmten davon. Atemlos sprangen sie im letzten Moment in den Bus, der sie nach Hause bringen würde.
F R A G E : | Wie heißt der Detectiv-Club von Olaf, Latif, Wuschel und Freddy? |
Du brauchst den 1. Buchstaben. |
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Olaf stutzte und sah noch einmal genauer hin. Irgendetwas an der Uniform kam ihm seltsam vor. Sie lag nicht so, wie er sie zurückgelassen hatte. Oder bildete er sich das nur ein?
»War Frau Jahn vielleicht hier oben?«, fragte er, doch Wuschel schüttelte sofort den Kopf.
»Ganz bestimmt nicht, sie käme niemals die Treppe herauf.« Sie bückte sich und holte Freddy, ihre zahme, schokobraune Ratte aus der Tasche. Er machte ein paar vorsichtige Trippelschritte und hielt die Nase schnuppernd in die Luft.
»Du lässt deine Ratte hier laufen?«, wunderte sich Latif.
Auf diesem riesigen, vollgestellten Dachboden konnte das kleine Nagetier leicht verloren gehen oder unter etwas begraben werden. Katharina schien sich darüber keine Sorgen zu machen.
»Er soll sich auch umsehen dürfen. Ratten sind neugierig und eine neue Umgebung zu erkunden ist gut für seine Psyche und seinen Verstand. Wir müssen eben aufpassen. Ihr wisst ja jetzt, dass Freddy hier ist.«
Latif zog die Augenbrauen in die Höhe, erwiderte aber nichts. Olaf wandte sich wieder der Uniform zu, legte Jacke und Hose zusammen und platzierte sie mit dem Helm auf dem Sessel. Dann schaute er in die Kiste, in der er sie gefunden hatte. Wieder beschlich ihn dieses unheimliche Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Er sah genauer hin. Zum Schluss war er gestern zwar in Eile gewesen, weil sie gehen mussten, trotzdem war er sich ganz sicher, dass er den Inhalt anders zurückgelassen hatte. Er konnte nicht auf Anhieb sagen, was sich verändert hatte, doch in ihm wurde die Überzeugung immer stärker, dass er sich nicht irrte.
»Könnte sonst jemand hier gewesen sein?«, fing er erneut an.
»Bevor wir lange raten, sollten wir Frau Jahn fragen, wer hier war«, schlug Wuschel vor. Wenig später standen sie vor der alten Dame, die es sich im Garten auf einer Bank vor der Hauswand gemütlich gemacht hatte. Obwohl die Sonne schien, trug sie wieder die dicke Strickjacke, als ob ihr ständig kalt wäre. »Frau Jahn«, fing Wuschel an, »war außer uns eigentlich noch jemand auf dem Dachboden?«
»Du meinst, seit gestern Abend?« Die alte Frau schaute sie verwundert an. »Aber nein, es war niemand außer euch hier. Warum?«
Olaf faltete verlegen die Hände. »Ich hatte den Eindruck, dass jemand oben war und etwas – hm – gesucht hat.«
»Vielleicht ein Marder oder ein Waschbär? Einmal meinte ich tatsächlich, dort oben etwas zu hören, aber ich höre nicht mehr so gut und meine Ohren spielen mir manchmal Streiche.«
Olaf nickte und gab den anderen ein Zeichen, es dabei zu belassen. Auf dem Weg zurück zur Treppe hielt Olaf jedoch inne.
»Ich bin mir inzwischen ganz sicher, dass jemand während unserer Abwesenheit oben war. Wir könnten uns umsehen, ob etwas auf Einbrecher hinweist«, schlug er vor. »Wenn jemand auf dem Dachboden war, muss er ja irgendwie ins Haus gekommen sein.«
»Gute Idee«, stimmten die beiden anderen zu. Sie teilten sich auf, die Türen und Fenster genau zu untersuchen. Es hatte auch wirklich jeder eine Lupe dabei. Olaf suchte die Haustür ab, konnte aber nicht den kleinsten Hinweis darauf finden, dass sich jemand mit Gewalt Zugang verschafft hatte. Auch Latif und Wuschel fanden nichts.
»Das heißt dann wohl«, überlegte Latif, als sie wieder auf dem Dachboden waren, »dass derjenige, der hier war, einen Schlüssel hat.«
»Oder dass Olaf sich irrt«, warf Wuschel ein, die nach Freddy Ausschau hielt.
»Nein, bestimmt nicht«, widersprach Olaf. »Irgendjemand war hier und hat etwas gesucht.«
»Tja, dann sollten wir uns fragen, ob er es wohl gefunden hat. Oder wird er vielleicht wiederkommen?« Latif blickte nachdenklich zum Fenster. »Und vor allem: Was sucht er?«
»Ich hätte da eine Idee«, meinte Wuschel. »Ich könnte mich heute Nacht auf die Lauer legen und das Haus beobachten. Wenn er zurückkommt – oder sie –, werde ich ihn – oder sie – vielleicht identifizieren können. Womöglich kann ich sogar herausbekommen, was er sucht und wie er ins Haus kommt!« In ihrem wachsenden Eifer vergaß sie am Ende jedes Mal zu erwähnen, dass natürlich auch eine Frau den Dachboden durchsucht haben könnte. Wuschel war immer sehr für Gleichberechtigung und fand, dass man nicht automatisch annehmen sollte, dass alle Verbrecher nur Männer waren. Latif klopfte ihr auf die Schulter.
»Das wäre wirklich sehr nobel von dir, Wuschel.«
Katharina zog die Nase kraus. Sie hatte sich immer noch nicht vollständig mit ihrem Spitznamen angefreundet.
»Bist du sicher, dass du das hinkriegst?«, erkundigte sich Olaf vorsichtig. »Es ist echt schwer, eine ganze Nacht aufzubleiben, und morgen ist Schule, vergiss das nicht.«
Wuschel warf ihm einen erbosten Blick zu. »Natürlich schaffe ich das. Das ist doch ein Klacks!«
Drei Stunden später ging Katharina müde, schmutzig und total erledigt mit dem ebenfalls eingestaubten Freddy nach Hause.
»Ab in die Wanne«, meinte ihre Mutter, als sie ihre Tochter sah und diese widersprach nicht. Ein warmes Bad erschien ihr unheimlich verlockend. Gähnend saß sie anschließend beim Abendessen und fing an sich zu wundern, wie sie die Nacht ohne Schlaf überstehen sollte. Aber zu kneifen kam überhaupt nicht in Frage. Ganz bestimmt würde sie nicht vor Latif und Olaf zugeben, dass sie es nicht geschafft hatte, wach zu bleiben.
Katharina wünschte ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Sissi eine gute Nacht und erklärte, sie wolle früh zu Bett gehen. In ihrem Zimmer richtete sie alles her, was sie brauchte – eine Flasche Wasser, eine Packung Kekse, die sie aus einem Küchenschrank stibitzt hatte, das Teleskop auf dem Stativ, das sie zu ihrem elften Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und einen Stuhl mit einem weichen Kissen. Stuhl und Teleskop baute sie am Fenster auf. Gut, dass ihr Zimmer direkt gegenüber von Frau Jahns Haus lag. Sissis Zimmer lag auf der anderen Seite und auch, wenn sie manchmal fand, dass es das schönere war, hätte sie gerade heute nicht mit ihrer Schwester tauschen wollen.
Katharina sah zum Fenster hinaus, bis es dunkel wurde. Sie hörte, wie Sissi heraufkam, empört polterte und die Türen hinter sich zuschlug, bevor sie sich lautstark die Zähne putzte und in den Schlafanzug schlüpfte. Sie war abends meistens sauer, weil sie unerbittlich ins Bett geschickt wurde, obwohl sie wie ein Baby um weitere fünf Minuten bettelte, die sie aufbleiben wollte. Kurz vor elf kamen ihre Eltern leise die Treppe hoch und zogen sich ins Schlafzimmer zurück, wo sie ein eigenes Badezimmer hatten. Eine Weile hörte Katharina noch die Geräusche des Wassers in den Leitungen, dann kehrte Ruhe ein. Jetzt schliefen bestimmt alle, nur sie nicht.
Bei Frau Jahn brannte Licht im Erdgeschoss, es drang durch die Vorhänge, die sie zugezogen hatte. Katharina wusste, dass es die Küche und das Wohnzimmer waren. Nach Mitternacht ging endlich auch ihre Nachbarin schlafen. Zum tausendsten Mal gähnte Katharina und kniff sich in die Arme, um munterer zu werden. Wenigstens konnte es jetzt nicht mehr lange dauern, redete sie sich gut zu. Doch die Minuten schlichen dahin. Warum kam dieser doofe Einbrecher denn nicht endlich? Wehe, wenn Olaf sich doch geirrt hatte und sie umsonst aufblieb!
Katharina stand auf und ging umher, versuchte es mit einem Handstand, aß Kekse, holte Freddy aus dem Käfig und spielte mit ihm. Vom Wassertrinken musste sie bald aufs Klo und schlich hastig ins Bad und wieder zurück, weil sie Angst hatte, etwas zu verpassen. Das Nachbarhaus lag so unberührt da wie zuvor. Katharina lehnte sich auf dem Stuhl nach hinten. Nur mal kurz die Augen schließen. Natürlich würde sie nicht schlafen, nur eben die Lider ausruhen … Mit einem Ruck kam sie zu sich. Erschrocken sah sie hinüber. Nein, nichts. Puh, Glück gehabt. Sie hatte auch nicht lang geschlafen, nur wenige Minuten. Das durfte ihr nicht noch einmal passieren!
All ihr guter Wille half nicht viel – sie nickte immer wieder ein und jedes Mal fuhr sie mit Herzrasen auf und befürchtete, sie hätte alles versäumt. Irgendwann war Katharina dann so weit, das Vorhaben aufzugeben und sich ins Bett zu legen. Wahrscheinlich kam der Unbekannte in dieser Nacht gar nicht. Bestimmt hatte er doch schon gefunden, was er gesucht hatte, und sie saß unnötig hier herum und versuchte, wach zu bleiben. Sie sollte vernünftig sein und schlafen. Also aß sie einen letzten Keks, gab Freddy eine Ecke davon ab und drückte die Packung zu, gähnte herzhaft und streckte ihre vom Muskelkater steifen, schmerzenden Glieder. Gerade als sie aufstehen wollte, bemerkte sie einen flackernden Lichtschein vor Frau Jahns Haustür.
Mit einem Schlag war ihre Müdigkeit wie weggeblasen und Katharina drückte ihr Auge an das Teleskop. Sie suchte nach der Schattengestalt, fand sie, stellte das Bild scharf und sah angestrengt ins Dunkle, um herauszufinden, wer dort drüben war und wie er die Tür öffnete. Dummerweise konnte sie nicht viel erkennen, nur graue Schemen, wo das fahle Licht der Straßenbeleuchtung hinfiel, und ein wenig mehr an den Stellen, wo die Taschenlampe des Unbekannten ihren Lichtkegel warf. Katharina biss sich auf die Lippe. Wenn sie sich nicht täuschte, steckte der Einbrecher etwas in das Schloss der Haustür. Was benutzte er? War es ein Dietrich? Ein Schlüssel? Jetzt drehte er die Hand …
»Was machst du da?«, fragte eine Stimme neben ihrem Ohr. Katharina fiel beinahe vom Stuhl, so sehr erschrak sie sich. Sie stupste sich durch die heftige Bewegung das Teleskop ins Auge und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Sissi stand vor ihr und musterte sie neugierig.
»Wieso bist du nicht im Bett? Du solltest längst schlafen!«, wisperte Katharina verärgert.
»Das gilt für dich genauso. Also, was machst du mit dem Teleskop?«