SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7409-1 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5879-4 (lieferbare Buchausgabe)
© 2018 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH
Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: info@scm-haenssler.de
Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Umschlaggestaltung: SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
Gedruckt in Deutschland
ISBN 978-3-7751-5879-4
Bestell-Nr. 395.879
Über die Autorin
Einleitung
Kapitel 1 | Kirchentagsdiskussion
Kapitel 2 | Was ist Konservatismus und wer sind seine Gegner?
Kapitel 3 | Kindheit
Christenverfolgung, Hilfsorganisationen und Kirche
Kapitel 4 | Jugend
Lebensschutz in Deutschland
Kapitel 5 | Bayerische Jahre
Die Ehe für alle
Kapitel 6 | AfD – eine Partei entsteht
Kapitel 7 | Fundamentalopposition oder Realpolitik
Kapitel 8 | Warum wir mutige Konservative brauchen
Epilog
Anmerkungen
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ANETTE SCHULTNER
studierte Deutsch und Englisch. Sie arbeitete in einem Projekt für Jugendliche zur Lebens- und Berufswahlplanung und unterrichtete im Schulbereich des Jugendstrafvollzugs sowie in Maßnahmen für den beruflichen Wiedereinstieg von Alleinerziehenden und Menschen mit Erkrankungen. Bereits seit Schul- und Studienzeiten engagiert sie sich intensiv in parteipolitischen Gremien und auch freien Gemeinden. Anette Schultner arbeitet heute als Referentin im Düsseldorfer Landtag.
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Konservativ – das bin ich. Gerne und aus Überzeugung.
Konservativ – darin klingen Heimat und Familie mit. Christlicher Glaube, der nicht nur Beiwerk ist. Bewahrung dessen, was ewig gilt.
Meine Wurzeln sind mir wichtig und ich möchte Gutes schützen und erhalten. Das führte mich 2013 in die Alternative für Deutschland (AfD), als deren »christliches Gesicht«1 ich später galt.
Als Bundesvorsitzende der Vereinigung der »Christen in der Alternative für Deutschland« (ChrAfD) erhielt ich eine Einladung zu einer Podiumsdiskussion beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin, bei der viele Themen angesprochen wurden, die mir wichtig sind. Auszüge davon können Sie in Kapitel 1 dieses Buches lesen.
Im zweiten Kapitel erläutere ich dann, was Konservatismus ist und welche Themen Konservativen besonders wichtig sind.
Um meinen politischen Werdegang besser zu verstehen, ist auch ein Blick in meine Biografie notwendig. In den folgenden drei Kapiteln berichte ich von meiner Kindheit, Jugend und meiner Zeit als junge Erwachsene und gebe gleichzeitig Einblick in drei Sachthemen, die mir sehr wichtig sind: Christenverfolgung, Lebensschutz sowie Ehe und Familie.
Kapitel 6 berichtet von meinem Weg in die AfD, Kapitel 7 davon, wie es weiterging. Das letzte Kapitel und der Epilog geben einen Ausblick auf die Zukunft des Konservatismus.
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Bitte um Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung auf einem Podium des Evangelischen Kirchentags 2017 in Berlin: Mitte Dezember 2016 erreichte mich als damalige Bundesvorsitzende der »Christen in der Alternative für Deutschland«, kurz: ChrAfD [sprich: kraft], diese überraschende Einladung durch eine E-Mail von Herrn Dr. Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Das Thema lautete: »Streitzeit: Christen in der AfD?«. Diskussionsteilnehmer sollten außer mir dezidierte AfD-Kritiker sein: der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dr. Markus Dröge, und die Publizistin Dr. Liane Bednarz, die Moderation würde die ZDF-Journalistin Bettina Warken übernehmen. Weder ließen das Thema noch die vorgenannten Namen Zweifel bei mir daran zu, dass es bei der Veranstaltung nicht um einen Austausch im Sinne eines vielleicht partiellen Verstehens der Position des Gegenübers ging. Auch die organisatorisch angestrebte unterschiedliche Redezeitverteilung der Pro- und Kontra-Positionen würde eine Rolle spielen. Hinzu kam, dass sich die bekannte erhebliche politische Linkslastigkeit der heutigen evangelischen Kirche (mehr dazu in Kapitel 5) auf ihren Kirchentagen noch zu potenzieren pflegte: Art der dort angebotenen Veranstaltungen und Publikum bedienten einander größtenteils.
Mich trieb vor allem die Frage um, wie konstruktiv diese Diskussionsveranstaltung werden konnte, und ich war mehr als skeptisch. Insofern dauerte es Tage, bis ich mich zur Teilnahme durchgerungen hatte und zusagte. Letztlich bewegte mich hierzu die Überlegung, dass man sich als AfD-Mitglied nur schwer über kommunikationsbezogenes Ausgeschlossen-Sein in diversen Landeskirchen beschweren konnte, wenn man dann eine solche Möglichkeit verstreichen ließ. Beim Katholikentag 2016 in Leipzig hatte es keinerlei Bereitschaft zur Diskussion mit AfD-Vertretern gegeben.2
Zudem fühlte ich mich persönlich als konservative Christin angesprochen: Wenn es hier die Möglichkeit gab, doch ein wenig mehr christlich-konservative Gedanken auf dem Evangelischen Kirchentag öffentlich anzubringen, auch unter schwierigen Bedingungen, wollte ich diese Chance wahrnehmen.
Der Kirchentag rückte näher und ich fand das viele Aufheben, das um meine dortige Teilnahme auf einem Podium gemacht wurde, kaum noch in Worte zu fassen, völlig absurd. Immer mal wieder meldeten sich Leute bei mir, die belustigt feststellten, dass es, Barack Obama ausgenommen, um keinen Veranstaltungsteilnehmer beim Evangelischen Kirchentag 2017 so einen öffentlichen Wirbel gab wie um mich – parteibedingt. Im September 2016 hatte das Kirchentagspräsidium jedoch beschlossen, dass der Kirchentag sich als ein offenes Forum für faire Debatten über aktuelle Themen in Kirche und Gesellschaft verstehe und niemand nur wegen seines Parteibuches ein- oder ausgeladen würde. In der evangelischen Kirche beziehungsweise seitens der Kirchentagsleitung hatte man sich aufgrund einer gewissen Skepsis gegenüber der AfD vor meiner Einladung darüber hinaus intensiv mit mir und meinen Aussagen beschäftigt und dabei natürlich keine rassistischen oder sonstige menschenfeindlichen Äußerungen gefunden; dieses wurde wohl sogar gutachterlich festgestellt. Nicht mit mir öffentlich zu diskutieren, wäre daher eine reine Ableitung aus meinem damaligen Parteibuch gewesen. Die Kirchentagsleitung blieb deshalb trotz Gegenwind fest in ihrer Einladung.
Schließlich war der Tag der Veranstaltung da. Vor der Kirche war aus Sicherheitsgründen reichlich Polizei präsent und eine große Menschentraube stand davor, die in der stattlichen Sophienkirche keinen Einlass mehr gefunden hatte. Wie ich hinterher erfuhr, hatte dort kurz zuvor eine Bibelarbeit mit Manuela Schwesig stattgefunden und die meisten der Teilnehmer waren gleich sitzen geblieben. Von mehr als einer Seite hörte ich später, dass zu unserer Podiumsdiskussion nur noch etwa fünfzig Leute von draußen hinzukommen konnten, was ich sehr schade fand. Presse war reichlich da, zwischen Podium und erster Reihe saßen und standen in einem Halbkreis die Kameraleute.
Drinnen begrüßten mich herzlich Herr Dr. Lamprecht und Mitdiskutantin Liane Bednarz, Bischof Dröge war deutlich verhaltener. Die Moderatorin Frau Warken hatte im Vorfeld des Kirchentages schon telefonisch einzelne Eingrenzungen für die Diskussion vorgenommen, die sie nun ergänzte. Außer beim Eingangsstatement sollten wir unsere Antworten unbedingt kurz halten. Wir durften nicht direkt miteinander diskutieren, sondern nur sie als Fragestellerin ansprechen. Im ersten Teil würde sie Fragen stellen, im zweiten würden ausgewählte Fragen, die das Publikum zuvor auf Zettel schreiben konnte, zur Beantwortung verlesen werden. Eigentlich sollte es immer eine Antwortrunde geben, wenn nötig wollte Warken aber auch Rückfragen stellen.
Mag sein, dass zuvor bei manchem die Sorge vor einem nicht kalkulierbaren Diskussionsverlauf bestand. Das Gesprächskorsett, von dem die Zuhörer natürlich in dem Maße nichts wussten, war jedoch erheblich, ließ viel zu wenig echte Diskussion zu und sollte leider manche interessante Ergänzung und Vertiefung verhindern.
Dennoch möchte ich hier eine Zusammenfassung des Gesprächs geben, da darin diejenigen Themen angesprochen werden, die mir am wichtigsten erscheinen. Gleichzeitig möchte ich die Vertreter anderer Positionen selbst zu Wort kommen lassen.
Zu Beginn der zweistündigen Diskussion erkundigte sich Frau Warken nach unserem jeweiligen christlichen Menschenbild. Konsens bei uns allen war, dass wir den Menschen als Ebenbild Gottes sehen und er daher eine Würde hat und wertvoll ist. Frau Bednarz war es in politischer Hinsicht wichtig, dass eine Partei, die sich christlich nennt oder ihre christlichen Grundsätze betont, Menschen nicht nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen unterscheidet, sondern universalistisch denkt. Das macht für sie das konservativ-politisch-christliche Denken in Deutschland aus. Ich erklärte, dass jeder Mensch gottgewollt und von ihm geliebt ist, schließlich hat Gott die Haare jedes Menschen gezählt und ihn wunderbar im Mutterleib gebildet (Lukas 12, 7; Psalm 139, 13). Bischof Dröge sieht die Seligpreisungen als besonders wichtig an: Selig ist der Mensch, der sich für Frieden, für Gerechtigkeit und für Versöhnung einsetzt und der den Nächsten liebt. Er versteht darunter vor allem den Nächsten, der einem fern ist und bei dem es Schwierigkeiten bereitet, ihn zu lieben. Diese beiden Elemente machen für Dröge das Menschenbild aus: die gleiche Würde aller und der Ruf Jesu Christi, sich verantwortlich in diese Welt hineinzubegeben, um dafür zu kämpfen, dass die gleiche Würde jedes einzelnen Menschen geachtet wird.
Frau Warken fragte mich daraufhin, ob »jeder Mensch« für mich tatsächlich »jeder Mensch« oder »jeder Christ« bedeutet, und fragte mich im Folgenden außerdem nach meiner Einstellung zur Hilfe für den Fremden, den Nächsten. Mir war klar, dass es ihr eigentlich um meine Einstellung zu Migranten ging, daher ging ich in meiner Antwort darauf ein. Natürlich hat jeder Mensch die gleiche Menschenwürde, nicht nur jeder Christ. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch auf der Welt alles machen kann, was er will. Jeder Staat hat das Recht, sein Staatswesen zu regulieren. Wenn ich morgen in die USA reise, habe ich dort nicht die gleichen Rechte, die jeder US-Amerikaner hat. Meine Antwort sprach außerdem das Elend in der Welt an. Ich finde es wichtig, dass man etwas dagegen unternimmt, aber ich bin der Ansicht, dass Völkerwanderungen und am Ende die Entwurzelung von Hunderten von Millionen kein Ziel der Nächstenliebe sein können.3
Unruhe, Zwischenrufe und eine latent aggressive Stimmung bei Teilen des Publikums, besonders jenen, die optisch erkennbar zum Antifa-Milieu gehörten, waren die ganze Zeit geradezu greifbar im Raum, schwollen jetzt aber immer mehr an. Zu keinem Zeitpunkt der Veranstaltung hätte ich, trotz Polizei und dem Veranstaltungsort in einer Kirche, darauf wetten wollen, dass sich die Diskussion wirklich über zwei Stunden bis zum Ende würde führen lassen. Einerseits erforderte die von Anfang an aufgeladene Situation eine gewisse Behutsamkeit und gleichzeitig machte sie das wirklich persönliche und sensible Eingehen auf aus dem Publikum geäußerte Empfindungen unmöglich. Das bedauerte ich wirklich sehr.
Als Antwort auf meinen Beitrag sagte Bischof Dröge: »Es gibt in der Bibel die ganz lange Tradition, dass die Gläubigen aufgerufen werden, die Fremden, die unter ihnen leben, zu achten, anzunehmen und sie so zu behandeln wie sich selbst, weil auch das Volk Israel fremd gewesen ist und diese Erfahrung gemacht hat. Aus dieser sozialen Tradition, die wirklich auch die Rechte gerade des Fremden achtet, die ganz tief fundiert ist in dem Menschenbild, das wir alle beschrieben haben, ist ja auch der moderne Staat entstanden, der keine Unterschiede mehr macht zwischen Menschen. Deswegen setzen wir Christen uns ein für einen Staat, in dem jeder leben darf, gleich welcher Religion, welcher Kultur. Er muss sich natürlich an die Rechte bei uns, an unser Grundgesetz, an unsere Gesellschaftsform halten; aber wir können keine Unterschiede machen.«
(Ich erhielt nicht die Gelegenheit, auf diesen Beitrag zu antworten. Daher möchte ich hier kurz den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman zitieren: »Es ist eine Sache, eine freie Einwanderung für Menschen, die bei uns arbeiten wollen, zu ermöglichen, aber es ist etwas anderes, eine freie Einwanderung zu Sozialleistungen zu ermöglichen. Wenn man einen Sozialstaat hat, wenn man einen Staat hat, in dem jedem Einwohner ein bestimmtes Mindesteinkommen oder ein bestimmter Mindest-Lebensunterhalt versprochen wird, ganz gleich ob er arbeitet oder nicht, etwas dazu beiträgt oder nicht, dann ist das tatsächlich unmöglich.«4 Friedman ist in keinster Weise jemand, der Fremde hasst, er heißt sie sogar in seinem Land willkommen. Aber er sieht, dass es unmöglich ist, jeden, der einreisen möchte, mit einem Grundeinkommen zu versorgen, denn die staatlichen Mittel sind nicht unerschöpflich. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet eine freie Einwanderung zu Sozialleistungen eine deutliche Kürzung der Sozialleistungen für alle, »die schon länger im Land leben«, und letztlich das Ende des Sozialstaats.)
Im zweiten Teil, in dem das Publikum Fragen einreichen konnte, griff Bettina Warken das bereits genannte Thema »Nächstenliebe« noch einmal auf und fragte, ob man als Christ alle Menschen gleich lieben und behandeln müsse und die Nächstenliebe gleichzeitig die Liebe zum nächsten Fremden sei.
Bischof Dröge erklärte, dass das, was als christlich bezeichnet wird, sich an Jesus Christus festmachen müsse. Seiner Meinung nach sei das vor allem das, was Jesus in der Bergpredigt (Matthäus 5-7) gesagt hat. Das sei zwar ein hoher Anspruch, aber auch ein Orientierungspunkt, an dem wir uns ausrichten sollen: »Da ist sehr deutlich, dass er mit seiner Feindesliebe absolut zugespitzt hat, dass es im christlichen Verständnis der Liebe nicht primär darum geht, das, was mir sowieso schon wertvoll ist, nämlich ich selbst, meine Familie, meine Heimat, meine Tradition, zu lieben, wertzuschätzen und zu unterstützen, was ich natürlich alles darf und soll. Aber das spezifisch Christliche, was der Botschaft Jesu entspricht, ist, genau da einen Schritt weiter zu gehen und denjenigen zu lieben, der erst einmal schwierig ist, der fremd ist, der in Not ist. Das hat Jesus mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter sehr deutlich gemacht. Da hat er jemanden als Beispiel für Nächstenliebe gebracht, der gar nicht so richtig zum Volk Israel gehörte. Er hat also deutlich gemacht: Nicht hier in meinem Heimatvolk finde ich die richtige Liebe, sondern erstaunlicherweise bei ganz anderen.« Seinen Grundgedanken unterstützte Dröge mit einem Verweis auf Dietrich Bonhoeffer und dessen Buch »Nachfolge«.
Warken griff den Gedanken an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter auf, in dem der Fremde dem Einheimischen half, und fragte mich: »Ist es spezifisch christlich, nicht nur den Nächsten, die Familie, die Heimat, sondern auch den Fremden zu lieben?«
Ich erklärte, wie ich darüber denke. Zum einen ist es selbstverständlich, dass wir das lieben, was uns nahe ist: die Familie, die Freunde, die Menschen um uns herum. Das Gesetz der Nächstenliebe sagt nicht: »Liebe jeden Menschen auf der Welt wie dich selbst«, sondern: »Liebe den Nächsten wie dich selbst.« Ich sagte weiter: »Ich bin davon überzeugt, dass Gottes Wort eine tiefere Logik hat. Ein ›Liebe jeden Menschen auf der Welt wie dich selbst‹ wäre nicht logisch, weil es nicht funktionieren würde.«
(Aufgrund der Zeit konnte ich diesen Gedanken nicht weiter ausführen. Wer könnte schon jetzt, in voller Konsequenz, alle Menschen auf der Welt lieben, wie er sich selbst liebt – und sich gemäß dem daraus entstehenden Anspruch dann auch persönlich verhalten? Beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10, 25-37) begegnet jemand einem Verletzten, dringend Hilfesuchenden, übernimmt persönliche Verantwortung, zunächst selbst, und als das nicht mehr geht, bezahlt er die weitere Hilfeleistung für den Fremden aus eigener Tasche. Es ist diese persönliche Großherzigkeit, die den Samariter barmherzig wirken lässt. Man kann die Nächstenliebe, zu der man sich selbst herausgefordert sieht, nicht bequem ersatzweise bei anderen erzwingen und sich dafür auf die Schulter klopfen.)
»Der Unterschied zur Nächstenliebe ist, dass diese den Menschen persönlich anspricht. Wenn wir uns persönlich Menschen zuwenden und ihnen helfen, wenn wir persönlich sagen: ›Ich will eine verfolgte Familie hierherholen, ich will das finanzieren und sie unterstützen. Ich übernehme die Verantwortung‹, wäre das barmherzig und großmütig. Mich stört jedoch, dass die Kirche erwartet und eigentlich sogar mit ein bisschen Druck durchsetzen will, dass der Staat das im großen Maße macht. Die Kirche wirft Leuten, die dies kritisch sehen, einen Mangel an Nächstenliebe vor. Nächstenliebe ist aber etwas zutiefst Persönliches und kann nicht staatlich verordnet werden.«
Bischof Dröge war es hiernach wichtig, zu betonen, dass es nicht darum ginge »die ganze Welt zu lieben« und nach Deutschland zu holen. Er betonte, dass die Kirche sich auch für die Bekämpfung der Fluchtursachen einsetze und es Christen wichtig sei, dass in allen Weltgegenden ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Zurück zum ersten Teil der Diskussion. Diese befasste sich noch mit den Themen Flüchtlinge und Migration und kurz mit dem AfD-Strategiepapier. Dann ging es um Familienpolitik und Gender-Mainstreaming.
Familienpolitik bzw. ein traditioneller Familienbegriff sind konservative Herzensthemen, denn jenseits von linken Utopien basiert das Bewahren einer vitalen Gesellschaft auf dem Schutz ihrer kleinsten zukunftsfähigen Keimzelle: der Familie. Daher machte ich deutlich, dass für mich Familienwerte und die traditionelle Familie wichtig sind. Das heißt nicht unbedingt, dass es nicht auch andere Kombinationen des Zusammenlebens geben kann, die wertvoll sind. Aber das Ideal, gerade auch um Kinder aufzuziehen, ist die traditionelle Familie. Die Gender-Ideologie wird von konservativen Christen sehr kritisch gesehen.
Bischof Dröge erwiderte, dass die EKD und die katholische Kirche die Familie als eine gute, eine optimale Form des Zusammenlebens ebenfalls stützen würden. Gleichzeitig könne man aber nicht sagen, dass die klassische Familie die einzig würdige Form sei, zu leben. In Bezug auf andere sexuelle Prägungen sagte er: »Wir müssen auch Formen finden, dass Menschen mit einer anderen Prägung die christlichen Werte leben können: die Verantwortung füreinander, die Treue zueinander. Das ist etwas, das im Moment in unserer evangelischen Kirche in sehr verantwortlicher Weise getan wird. Das entspricht ganz genau dem christlichen Menschenbild.«5
Liane Bednarz erklärte, dass das traditionelle Familienbild für Konservative, insbesondere für konservative Christen, sehr wichtig sei, gerade beim Thema Abtreibung und generell beim Lebensschutz. Aber auch andere Themen würden im Moment nicht politisch repräsentiert: »Die CDU ist in die Mitte gewandert; gerade das Thema Abtreibung hat da keinen besonders großen Stellenwert, jedenfalls im Moment. Ich verstehe, dass das für konservative Christen ein Problem ist, für mich übrigens auch. Auch ich bin gegen Abtreibung.« Bednarz war der Ansicht, dass man das Thema Gender-Mainstreaming durchaus kritisch sehen könne, aber sie fand übertrieben, »was die AfD daraus macht«. Sie kritisierte die Bezeichnung »Gender-Ideologie«, da Gender-Mainstreaming zunächst einmal die Gleichstellung von Mann und Frau ist. Bei der Gender-Diversity geht es um sexuelle Vielfalt und den Abbau von Diskriminierung. Bednarz erwähnte auch die Gender-Studies an den Universitäten und die Haltung der AfD dazu: Da die AfD dahinter eine Ideologie sehe, wolle sie nicht, dass dies weiter staatlich gefördert wird. Bednarz sagte, dieser Ansatz sei nicht liberal und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Bettina Warken richtete eine weitere Frage an mich: »Wie ist das mit christlichen Positionen vereinbar, wenn führende AfD-Mitglieder dafür sorgen, dass es Positionen in der AfD gibt, die in erster Linie völkisch und ausgrenzend sind? Wie kommen Sie als Christin damit zurecht?«
In meiner Antwort beschrieb ich, warum ich nach über zwei Jahrzehnten in der CDU/CSU nun Mitglied der AfD war: »Für mich war es, solange ich politisch arbeite, immer wichtig, dass der Konservatismus so etwas wie einen politischen Ansprechpartner, so etwas wie eine Partei hat. … Wir haben jetzt leider die Situation, dass wir schon ziemlich lange so etwas wie eine konservative Repräsentationslücke haben. … Ich war keine Parteisoldatin in der Union, ich bin es auch nicht in der Alternative. Mir war von Anfang an klar, dass es in einer jungen Partei Verwerfungen gibt, die mich nicht nur glücklich machen würden. Denken Sie an die Anfangsgeschichte der Grünen. Es gibt Dinge in der eigenen Partei, die mir wirklich nicht gefallen. Wenn Sie mich googeln, finden Sie eine Fülle von Statements, in denen ich mich zum Beispiel zu Herrn Höcke geäußert habe. … Ja, es gibt eine gewisse Bandbreite in der AfD; das habe ich eben gesagt. Aber es gibt auch einen konservativen Teil, und dieser wird medial völlig negiert. Sie müssen nicht konservativ sein; aber Sie müssen akzeptieren, dass es Konservative gibt, die einen Ansprechpartner haben wollen.«
Ausgehend von einer Publikumsfrage befragte mich Frau Warken zu meinem Verhältnis zur evangelischen Kirche.
Daraufhin erwiderte ich: »Um es ganz grundsätzlich zu sagen: Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen wünsche ich mir sehr, sehr stark; aber ich wünsche, dass sie ihre Kernaufgabe erfüllt. Ihre Kernaufgabe ist, den Menschen das Evangelium zu bringen; ihre Kernaufgabe ist Mission. Das ist etwas, was ich … am Kirchentag kritisieren muss. Hier findet wahnsinnig viel Politik statt. … den Menschen wird ganz wenig vom Evangelium erzählt. (Lachen) Ich meine, wir sind in Ostdeutschland, wir sind in einer entchristlichten Region, und es wäre die Mammutaufgabe der Kirche – und das müsste ihre größte Sorge sein, wenn sie davon überzeugt ist –, dass sie Menschen, die das Evangelium nicht kennen und Jesus Christus nicht als Erlöser angenommen haben, die also keine Erlösung finden und nicht die Ewigkeit sehen, das Evangelium näherbringt. Aber sie beschäftigt sich wahnsinnig viel mit Politik, und zwar linkspolitisch. Ich meine, es war sogar jemand aus Ihrem Präsidium, der sinngemäß sagte, dass das hier atmosphärisch der Parteitag der Grünen ist. Und das ist ja noch nicht einmal so verkehrt. Die evangelische Kirche ist so ein bisschen wie ein Arm der linken politischen Parteien im vorpolitischen Raum.
(Lachen)
Ich denke, dass das sehr viele konservative Christen so empfinden. Das ist bedauerlich. Viele konservative Christen finden sich in den evangelischen Landeskirchen nicht mehr wieder. Warum? An der Spitze der evangelischen Kirche gibt es viele Leute, die einen politischen Hintergrund haben, aber fast nur einen linkspolitischen. Es muss ja keiner aus der AfD sein. Wählen Sie da doch einmal jemanden, der so knapp konservativ aus der CSU kommt, herein! Warum spielen die ganz vorne keine Rolle?«
Bischof Dröge wies die Vorwürfe, die Kirche sei zu politisch, zurück. Er meinte, es sei die Verantwortung eines christlich gelebten Lebens, auch in die Politik hinein etwas zu vermitteln: »Der christliche Glaube hat immer auch den Wunsch, die Welt zu gestalten. Diese Welt ist nun einmal so, dass sie, wenn sie gestaltet wird, mit Politik zu tun bekommt.« Im weiteren Verlauf ging er auf die Verkündigung ein: »Immer wieder wird der Vorwurf erhoben, die evangelische Kirche würde nicht Mission betreiben. Ich bin ja nun Bischof von Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz. Dort gibt es Dörfer mit vielleicht noch 4 oder 5 % evangelischen Christen. Wir haben in einem Konsultationsprozess festgelegt, dass wir eine Kirche mit Mission sind, dass wir mit unserer Mission vom Evangelium Jesu her in die Gesellschaft hineingehen. Wir beschränken uns nur nicht auf den individuellen Glauben, sondern wir wissen, dass der individuelle Glauben auch immer etwas damit zu tun hat, wie man Verantwortung in der Welt übernimmt.« Er wies außerdem darauf hin, dass man im Gebiet der ehemaligen DDR Menschen nur für den christlichen Glauben interessieren könne, wenn man soziale Verantwortung übernimmt. Deshalb reiße die Kirche den individuellen Glauben und den gelebten gesellschaftlichen Glauben nicht auseinander.
Frau Warken gab mir daraufhin wieder das Wort und ich antwortete: »Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass sich Christen nicht politisch engagieren sollen. … Natürlich sollen sich Christen einbringen, egal ob ihre Meinung jetzt eher konservativ oder liberal oder sozial oder was weiß ich ist. … Sie haben sicherlich dieser Tage die Studie gelesen, die besagt, dass es mehr Bürger in Deutschland gibt, die sagen, die Zuständigkeit der Kirchen sei mehr die Vermittlung von Werten als das eigentliche Evangelisieren. Das würde mich an Ihrer Stelle schockieren, weil – ja, das klingt so unmodern, das klingt so rückwärtsgewandt – die Frage des Seelenheils tatsächlich am Ende die wichtigste für jeden einzelnen Menschen ist. Es ist völlig in Ordnung, wenn Sie hier nachher herausgehen und alles schrecklich fanden, was ich gesagt habe, und das auch alles nicht hören wollen und mir kein Wort glauben. Aber das Wichtigste, was Sie vom Kirchentag mitnehmen müssen, ist, dass Jesus Christus Erlöser ist und dass Sie ihn in Ihrem Leben brauchen und dass Sie ihn dann, wenn Sie ihn nicht in Ihrem Leben haben, sofort in Ihr Leben holen sollten. Sie sollten ihm Ihre Schuld hinlegen, die jeder Einzelne von uns hat: ich, Sie, jeder hier vorne. Sie sollten sich bekehren in Ihrem Glauben. Das ist das Wichtigste, was Sie hier tun können. Sie wissen nie, wie lange Ihr Leben währt; Sie wissen nicht, ob dieser Tag das Ende aller Dinge für Sie ist. Und dann ist das Problem, wenn Sie sich Jesus nicht zugewandt haben, viel größer als alle Probleme, die wir hier vorne besprochen haben.«
(Teilweise Beifall)
Nach diesem Thema ging es um die Frage ehrlicher Politik, um Antisemitismus und um das Schächten. Anschließend wurde das Thema »Ängste« angesprochen.
(Meiner Ansicht nach ist dies ein Kernthema von Kirchentagen. Ob es um Aufrüstung, Kapitalismus oder Waldsterben geht, die großen Ängste besonders polit-grüner Lebenswelten waren oft Herzensthemen und Publikumsmagneten bei Evangelischen Kirchentagen und mein Eindruck war nicht, dass Kirchentage hier eine aus christlichem Glauben heraus beruhigende Wirkung auf die Besorgten entfalteten, im Gegenteil.)
Warken fragte hier, wie man die Diskrepanz zwischen der Befreiung von Angst auf der einen Seite und dem Ernstnehmen von Ängsten auflösen könne. Bischof Dröge sagte dazu, dass das Evangelium immer ein befreiendes Evangelium ist. Natürlich müsse man Ängste auch ernst nehmen. Gleichzeitig sei es wichtig, die Fakten zu prüfen und herauszufinden, wo die Ängste übertrieben werden. Das Evangelium ist für ihn eine Kraft, die Ängste zu verarbeiten, neuen Mut zu gewinnen und sich dann konstruktiv und verantwortlich in die Gesellschaft hineinzugeben. Hier hat er Schwierigkeiten mit den Positionen des Rechtspopulismus, da sie für ihn der Grundhaltung nach Paulus widersprechen. Christen sollten sich einsetzen für Glaube, Liebe und Hoffnung. Glaube heißt für Dröge, Vertrauen wecken, und dies stehe für ihn im Widerspruch zu dem Misstrauen gegenüber anderen Menschen, das aus der AfD heraus geweckt werde. Christliche Liebe bedeutet für ihn vor allem, den Fremden zu lieben. Als Drittes gehört es für ihn zum christlichen Glauben, Hoffnung zu machen und darauf zu vertrauen, dass wir die Probleme bewältigen können, wenn wir sie uns anschauen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Des Weiteren erwähnte er die Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin, bei denen an den Problemen gearbeitet wird: »Die ganzen gesellschaftlichen Kräfte sind dabei, die Probleme der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, aufzuarbeiten. Die Integration schreitet voran. Wir könnten eigentlich froh und dankbar sein, wie viel Hoffnung, wie viel Mut, wie viel Möglichkeit in unserer Gesellschaft ist. Ich kann mir als verantwortlicher Christ nicht vorstellen, dass ich dann bei einer Partei mitmache, die Ängste schürt, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt.«
Ich antwortete darauf, dass die AfD keine Ängste schüre, sondern dass diese in der Bevölkerung bereits vorhanden seien. Die Menschen hätten Angst um die Entwicklung des Sozialstaates und vor einer Islamisierung. Wenn man die Menschenrechtssituation für Christen in allen muslimischen Staaten und für Minderheiten generell betrachtet, dann hat man meines Erachtens jeden Grund, Angst zu haben. Ich bin praktisch vom Elternhaus her mit der Situation der verfolgten Christen und der Märtyrerkirche aufgewachsen. Christen werden in genau den Ländern verfolgt, aus denen wir in den letzten Jahren Menschen aufgenommen haben. Ich verwies auf die Vorfälle in einigen Flüchtlingsheimen und darauf, dass ich den Eindruck habe, dass die Kirche das ziemlich heruntergespielt hatte, als seien das Einzelfälle. Außerdem betonte ich die Wichtigkeit der Nächstenliebe für die eigenen Geschwister, da in der Bibel angesprochen wird, dass man sich um die Brüder kümmern soll. Des Weiteren kritisierte ich, dass nach meinem Empfinden die Politik die Christenverfolgung in Flüchtlingsheimen nicht wahrhaben will.
Dröge antwortete darauf, dass man die Ängste natürlich ernst nehmen müsse. Aber man müsse prüfen, was man gegen die Probleme, die dafür verantwortlich sind, tun könne. Es sei logisch, dass man vor dem islamistischen Terror Angst habe. Aber es sei keine Lösung, diese Angst auch noch zu predigen, ohne Lösungen anzubieten. Deutschland einfach zu schließen, würde nicht funktionieren. Man könne die Gewalt in der Welt nicht dadurch abschaffen, dass man Mauern baut, sondern es sei wichtig, die Menschen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen wollen, aus allen Religionen zusammenzuholen, wie es der Papst getan hat.
Der Bischof führte außerdem aus, dass die Kirche sich sehr wohl um die Christen in den Flüchtlingsheimen kümmere. Er selbst sei bereits im Tempelhofer Feld gewesen und habe dort mit den Christen gesprochen. Außerdem sei er mit den syrisch-orthodoxen Gemeinden im Gespräch: »Wir tun das Mögliche. Wir tun sehr, sehr viel. Sie behaupten immer pauschal, wir würden nichts tun. Das ist doch einfach nicht fair.«
Ich wandte ein, dass auch Open Doors darauf hinweist, dass sich die Kirchen zu wenig um die verfolgten Christen kümmern würden.
Daraufhin berichtete Dröge von Gottesdiensten zum Gedenken an und zur Fürbitte für bedrängte Christen weltweit, die bereits seit sechs Jahren durchgeführt würden. Außerdem berichtete er von Treffen des Ökumenischen Rates mit Bischöfen in Syrien und von Hilfswerken, die Christen im Mittleren Osten unterstützen, sowie von der Unterstützung für orthodoxe Gemeinden in Deutschland. Er resümierte: »Das heißt, wir tun doch sehr, sehr viel. Deshalb verstehe ich nicht, warum immer gebetsmühlenartig wiederholt wird, wir würden uns nicht einsetzen für die Christen, die weltweit verfolgt und unterdrückt werden. Wir dramatisieren es nur nicht, weil ich in dem Moment, wo ich es dramatisiere und wo ich es polarisiere, den Menschen dort mehr schade, als wenn ich im Stillen versuche, das Mögliche zu tun. Die Bischöfe bitten uns immer, diese Probleme nicht so wahnsinnig zu dramatisieren, sondern so weit wie möglich im Stillen zu helfen und die Politiker aufzurufen.«
(Diese Worte sorgten im Anschluss für einige kritische Berichterstattung. Denn »etwas dramatisieren« bedeutet, »etwas aufregender, schlimmer oder bedeutungsvoller darstellen, als es eigentlich ist«6. Natürlich kann das Aufbauschen eines Problems einem Opfer besonders in repressiver Umgebung nachhaltig schaden. Doch ist das Ausmaß der weltweiten Christenverfolgung nicht schon so groß, dass es ohnehin keinen Grund gibt, etwas aufzubauschen? Tatsächlich ist in der deutschen Öffentlichkeit relativ wenig bekannt zum millionenfachen Leid der weltweiten Christenverfolgung, von einer Überrepräsentanz oder allgemeinen »Dramatisierung« des Themas kann keine Rede sein.)
Nach weiteren Beiträgen zum Thema Angst und Gewalt gab es einen Wechsel zum Thema Familie, wo ich aus der konservativ christlichen Perspektive heraus einen klassischen und zukunftsorientierten Familienbegriff aus Vater-Mutter-Kind(er)-Familien vertrat.
Bischof Dröge hielt dem entgegen, dass Jesus das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe und die Inhalte der Bergpredigt am wichtigsten gewesen seien. Daher müsse man alle Traditionen, auch innerbiblische, danach befragen, ob sie einen Menschen zur Verantwortung befreien. Wenn man dies vergesse, dann würde man in ein wörtliches, unhistorisches Verständnis abrutschen. Natürlich könne man sich für ein bestimmtes Familienbild einsetzen, das tue auch die Kirche. Es sei jedoch nicht möglich, ein Familienbild als spezifisch christlich zu bezeichnen, sondern es sei wichtig, dass man es in unterschiedlichen Konstellationen schafft, die Mitte der Schrift »Wie befreie ich Menschen dazu, Verantwortung zu übernehmen?« herauszuarbeiten. Hier verwies er auf die Barmer Theologische Erklärung7 und die Zwei-Reiche-Lehre. Die Barmer Theologische Erklärung ist als Gegenpol in einer Zeit entstanden, als versucht wurde, völkisches Denken christlich zu begründen. Sie hat festgelegt, dass Jesus Christus der Maßstab ist und dass es keine anderen Mächte und Gewalten und Traditionen und Sonstiges geben darf, die über diesen Maßstab hinaus Autorität beanspruchen. Er fragte daher, wieso ich zu Themen wie Homosexualität oder zum Familienbild Stellung nehmen würde, wenn ich doch die Kernthemen des Evangeliums vertreten würde. Das andere seien wichtige Themen, aber nicht die Kernthemen des Evangeliums.
Ich verwies auf Absatz 5 der Barmer Erklärung8