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Christof Klenk – Ein Fall für Lukas | Die rätselhaften Verfolger – SCM Kläxbox

Inhalt

Inhalt

Kapitel 1: Der Füller

Kapitel 2: Die Festnahme

Kapitel 3: Entführung

Kapitel 4: Die schwarze Limousine

Kapitel 5: Klaas packt aus

Kapitel 6: Der Hubschrauber

Kapitel 7: Torben

Kapitel 8: Wieder auf dem Revier

Kapitel 9: Beim Rektor

Kapitel 10: Das Derby

Kapitel 11: Der verlassene Schrottplatz

Kapitel 12: Der Plan

Kapitel 13: Eingesperrt

Kapitel 14: Die Befreiungsaktion

Kapitel 15: Auf der Jagd

Kapitel 16: Das Geständnis

Kapitel 17: Der Brand

Kapitel 18: Eine heiße Spur

Kapitel 19: Showdown

Kapitel 20: Sherlock Holmes und Dr. Watson

Für Christina,
Maren, Lena und Alva

Kapitel 1

Der Füller

Lukas war sich sicher. Er war sich sicher, dass es in dem Moment passiert war, als der Mann seinen Vater angerempelt hatte. Er hatte die Szene noch genau abgespeichert. Sein fotografisches Gedächtnis ließ ihn nicht im Stich. Er konnte im Kopf das, was er gesehen hatte, zurückspulen wie bei einer Videokamera und sich auch an noch so kleine Details erinnern.

Doch der Reihe nach: Sie waren auf dem Marktplatz von Dahlheim unterwegs. Lukas und sein Vater. Nur noch wenige Wochen bis zur Landtagswahl und natürlich blieb Papa wieder mal beim Stand einer Partei hängen, um mit den Leuten zu diskutieren. Wenn es um Politik ging, kam Herr Bender schnell ins Diskutieren. Lukas war nicht so interessiert. Er setzte sich auf eine Bank vor dem Rathaus, denn er wusste, dass es länger dauern würde, wenn sein Vater erst mal in Fahrt kam. Es war lustig zu sehen, wie er mit den Händen herumfuchtelte. Doch Lukas wurde langsam kalt. Es war zwar ein recht milder Novembertag, aber zum Rumsitzen doch zu kühl.

Hinterher sagte Papa, das Gespräch wäre sehr anregend gewesen. Es sah aber eher so aus, als würde er sich ziemlich aufregen. Nach gefühlten zwei Stunden ging das Rededuell jedenfalls zu Ende und Lukas konnte mit seinem Vater endlich die Zutaten fürs Essen kaufen. Sie hatten sich schon auf den Weg zurück zum Auto gemacht, als Frank Bender feststellte, dass er seinen Füller vermisste; den Füller mit der Gravur „F.B.“, den er immer in der Innentasche seines Jackets bei sich trug! War er beim Gestikulieren einfach herausgefallen? Kaum denkbar, denn die Innentasche hatte kein Loch. Der Füller war da immer ganz gut verstaut. Hatte er ihn benutzt, um etwas aufzuschreiben, und dann am Stand liegengelassen? Er konnte sich nicht daran erinnern. Lukas auch nicht. Herr Bender ging nochmals zurück zum Stand und fragte nach. Dort hatte man das lebhafte Gespräch nicht vergessen, aber niemand konnte sich an den Füller erinnern. Trotzdem wurden der Stand, der Boden drum herum und der halbe Markt sorgfältig abgesucht. Vergeblich! Selbst ein Anruf zu Hause brachte keine Entwarnung. Dort war der Füller auch nicht.

„Na ja, es ist nur ein Füller“, meinte Papa auf dem Weg zum Auto. Er sagte das mehr zu sich selbst als zu Lukas, aber Lukas kannte seinen Vater. Er wusste, dass sein Vater sauer war, denn er nahm es mit seinen Sachen sehr genau. Ein kleiner Kratzer an seinem Auto konnte den Herrn Pastor über Stunden beschäftigen. Außerdem hatte Frank Bender den Stift von Lukas’ Mutter geschenkt bekommen. „Nur ein Füller“, sagte er wieder, aber es klang auch beim zweiten Mal nicht so richtig überzeugend.

Plötzlich kamen Lukas diese Bilder ins Gedächtnis. Nein, keine Visionen oder Hirngespinste oder so. Ihm kam die Szene auf dem Marktplatz wieder in den Sinn: Sein Vater fuchtelt herum und redet auf den Mann von der Partei ein. Der scheint nicht ganz einverstanden zu sein. Da ist aber noch ein anderer Mann. Er geht nah an Lukas’ Vater vorbei und rempelt ihn an. Ein weißhaariger Mann mit Stoppelbart. Er verschwindet so schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Auf einmal war sich Lukas sicher: Er hatte eine Spur!

„Der Füller wurde geklaut!“, sagte Lukas laut.

Sein Vater war so verblüfft, dass er fast einen Passanten umrannte. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte er.

„Ich kann mich erinnern, dass dich jemand angerempelt hat. So wie du gerade fast jemanden gerammt hast. Du warst im Gespräch mit dem Typen von der Partei.“

„Echt? Es kann schon mal passieren, dass man im Vorbeigehen an jemandem hängenbleibt. Da hast du dich bestimmt getäuscht.“

„Das war aber komisch, dass du angerempelt wurdest. Es war schließlich heute Morgen gar nicht so viel los auf dem Markt und schon gar nicht am Parteistand“, gab Lukas zu bedenken.

Sein Vater nickte langsam mit dem Kopf, dachte nach und fragte dann: „Könnte sein, dass du recht hast. Kannst du dich denn noch erinnern, wie der Mann aussah, der an mir vorbeiging?“

„Ich habe ihn nur kurz von der Seite gesehen, aber in meinem Kopf sehe ich einen großen älteren Mann mit weißen Haaren, Stoppelbart und einem grünen Mantel.“ Keine besonders präzise Beschreibung.

„Für eine Anzeige bei der Polizei ist das ein bisschen zu wenig“, meinte Papa.

„Da ist er!“, rief Lukas plötzlich. Genau in diesem Moment verschwand der Mann in einer Seitenstraße. „Hol du das Auto, ich lauf hinterher“, sagte Lukas. Er drückte seinem Vater die Einkaufstüten in die Hand und rannte los, ohne auf eine Antwort zu warten.

Als Lukas die Seitenstraße erreichte, war der Mann nicht mehr zu sehen. Lukas rannte bis zum Ende der Straße und konnte gerade noch erkennen, dass der Weißhaarige nach rechts abgebogen war und jetzt auf die Hauptstraße zusteuerte. Der Junge beeilte sich, weil er Sorge hatte, den Dieb endgültig zu verlieren. Als er an der Hauptstraße angelangt war, hatte er so viel aufgeholt, dass er das Lauftempo drosseln musste, um nicht zu sehr aufzufallen. Jetzt konnte er den älteren Herrn gut sehen. Er trug eine Umhängetasche. An die konnte sich Lukas noch erinnern. War da der Füller drin? Lukas wurde bewusst, dass er ziemlich schwitzte. Ob vor Aufregung oder weil er so schnell gerannt war, wusste er nicht.

Der Mann überquerte die Hauptstraße und bog in eine Nebenstraße ein. Lukas folgte mit einigem Sicherheitsabstand. Doch als er die Straße erreicht hatte, verschwand der Mann in einen Fußweg. Lukas musste erst einige Autos vorbei lassen. Als er den Weg erreichte, hatte er den Mann aus den Augen verloren. Wo war er hin? Lukas wurde nervös. Wo blieb überhaupt Papa? Sie waren jetzt so oft abgebogen, dass sein Vater sicherlich eine Weile suchen musste, um ihn zu finden. Der Weg führte durch eine Siedlung und endete in der Luisenstraße. Lukas ärgerte sich, dass der Akku seines Handys leer war. In dem Moment sah er das Mädchen aus dem Kindergottesdienst: Lina oder so ähnlich. Lukas erinnerte sich nicht mehr genau an ihren Namen, aber er wusste, dass er sie letzten Sonntag in der Gemeinde gesehen hatte. Sie war erst vor Kurzem mit ihren Eltern nach Dahlheim gezogen.

Sie stand am Straßenrand und schien auf jemanden zu warten.

„Hallo“, rief Lukas.

Sie grüßte zurück.

„Ich kenne dich doch aus dem Kindergottesdienst, stimmt’s?“

Sie nickte.

„Ist hier gerade ein weißhaariger Mann mit einer Umhängetasche vorbeigekommen?“

Sie nickte wieder.

„Wo ist er hin?“

„Du stellst Fragen! Da rein ist er.“ Das Mädchen deutete auf ein großes Haus. „Er wohnt da!“

Lukas ging auf das Gebäude zu. In dem Haus wohnten bestimmt ein Dutzend verschiedene Leute. Er sah sich die Namen auf den Briefkästen an. Unmöglich zu wissen, wer der Gesuchte war. Lukas ging noch einmal zurück zu dem Mädchen.

„Weißt du, wie der Mann heißt?“, fragte er.

„Nein, warum?“

„Er hat etwas, das ich suche“, sagte Lukas zögernd.

„Ich glaube, er wohnt im unteren Stock. Ich habe ihn mal da auf dem Balkon gesehen“, überlegte sie.

Das Haus hatte zwölf Balkone. Lukas sah sich die Klingeln neben der Haustür an. Zwölf Klingelschilder. Wenn die Angaben des Mädchens stimmten, dann hieß der weißhaarige Mann Moltke. Lukas erschrak fürchterlich, als sich die Tür öffnete und Herr Moltke herauskam.

„Suchst du etwas?“, fragte der Mann. Er hatte eine ziemlich heisere Stimme.

Lukas schüttelte nur den Kopf.

„Na dann“, sagte Herr Moltke, nahm das Fahrrad, das an der Hauswand gelehnt hatte, und fuhr davon.

„Was ist mit dir los?“, fragte das Mädchen lachend, das immer noch am Straßenrand stand, als Lukas wieder zurückkam. „Du siehst ganz verdattert aus.“

Lukas konnte sich gut vorstellen, dass er im Moment nicht den intelligentesten Eindruck bei ihr hinterließ. „Wie heißt du noch mal – Lina?“, fragte er.

„Fast. Ich heiße Aline und du bist Lukas. Dein Papa ist der Pastor der Gemeinde, stimmt’s?“

Lukas nickte etwas verlegen. Sie wusste offenbar besser Bescheid über ihn als er über sie.

„Wohnst du auch in diesem Haus?“, fragte Lukas.

„Nein, ich wohne in dem gelben Haus da drüben.“

„Kann ich bei euch mal kurz telefonieren? Ich müsste meinen Vater anrufen. Er wollte das Auto holen, während ich Herrn Moltke hinterhergerannt bin.“

„Hatte denn Herr Moltke, was du suchst?“, wollte Aline wissen.

„Das weiß ich noch nicht. Um das herauszufinden, muss ich mit meinem Vater sprechen.“

Diese Antwort musste Aline komisch vorkommen, doch sie sagte ohne zu zögern: „Okay, komm mit“, und ging auf das gelbe Haus zu. Lukas folgte ihr und war froh, dass sie nicht weiter nachfragte.

Die Wohnung von Alines Familie erschien Lukas nicht besonders groß. Im Flur standen noch ein paar Umzugskartons herum. Aline gab dem Jungen das Telefon. Er rief seinen Vater auf dem Handy an. Der nahm sofort ab und klang ziemlich besorgt: „Lukas, wo bist du denn? Ich suche dich schon die ganze Zeit!“

„Ich bin bei Aline. Kannst du mich hier abholen?“

„Wer ist Aline? Wo wohnt sie? Warum bist du bei Aline?“ Jetzt klang Papa eher verwirrt als besorgt.

„Das erzähl ich dir gleich“, sagte Lukas und nannte seinem Vater die Adresse.

Fünf Minuten später bog Herr Bender in die Luisenstraße ein und parkte am Bordstein. Lukas bedankte sich bei Aline, verabschiedete sich und stieg zu seinem Vater ins Auto. Bevor der losfuhr, wollte er wissen, was passiert war. Der Junge erzählte von Herrn Moltke: dass er ihm bis hierher gefolgt war, dass der weißhaarige Mann in dem großen Haus wohnte und dass er sich sicher war, dass dieser Herr ihn, also Papa, auf dem Marktplatz angerempelt hatte. Sein Vater brauchte ein paar Sekunden, bis er alle Informationen verarbeitet hatte. Dann überlegten sie, was sie tun konnten, und beschlossen schließlich, zur Polizeiwache zu fahren. Einen Versuch war es wert.

Kapitel 2

Die Festnahme

„Mmmh, einem unbescholtenen Bürger wegen eines verschwundenen Füllers mit der Polizei ins Haus zu fallen, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben“, zögerte Polizeiobermeister Christian Kowalski, als er sich Lukas’ Geschichte angehört hatte. „Herrn Moltke haben wir hier nicht in der Datei der stadtbekannten Gauner, aber vielleicht stimmt der Name auch nicht. Komm, ich zeig dir mal ein paar Bilder.“ Kowalski, ein großer Mann mit kurz geschorenen dunklen Haaren, einem Schnauzbart und einer Lesebrille, die an einer Schnur um seinen Hals hing, öffnete am Computer eine Datei und drehte den Bildschirm zu Lukas hin.

Der Junge schaute sich die Fotos einschlägig bekannter Taschendiebe genau an. Es waren ganz schön finstere Gestalten dabei, denen er lieber nicht begegnen wollte. Lukas schauderte ein wenig. Manche sahen aber auch aus wie der nette Onkel von nebenan. Das zwölfte Gesicht kam Lukas bekannt vor. Er schaute es sich genauer an und war sich dann ganz sicher: Moltke. Auf dem Foto sah er mindestens zehn Jahre jünger aus. Die Haare waren noch nicht so weiß und statt des Stoppelbarts war da ein Schnurrbart, der Lukas ein wenig irritierte. Trotzdem hatte der Junge keinen Zweifel.

„Das ist er. Das ist Herr Moltke“, sagte Lukas. Polizeiobermeister Kowalski war erstaunt, dass sich der junge Besucher plötzlich so sicher war: „Eigentlich heißt der Mann Harald Martens, aber es würde mich nicht wundern, wenn er sich jetzt anders nennt. Schließlich wird er polizeilich gesucht. Das ist ein Taschendieb, der hier in der Gegend schon länger sein Unwesen treibt. Da fahren wir direkt hin und schauen, ob du recht hast.“ Er holte schnell seine Jacke und eine Kollegin, die bei dem Einsatz dabei sein sollte.

Lukas war plötzlich ziemlich aufgeregt und glücklich darüber, dass er mit den Polizisten im Streifenwagen fahren durfte. Sein Vater folgte ihnen in seinem Auto. Das Innere des Polizeifahrzeugs unterschied sich nicht sonderlich von einem normalen Auto, bis auf ein paar zusätzliche Knöpfe und das Funkgerät. Ständig waren Meldungen aus dem Polizeifunk zu hören. Irgendwo gab es einen Einbruch und zwei Kollegen erklärten, dass sie jetzt da hinfahren würden, um nachzuschauen, was los war. Lukas fand das unheimlich spannend und wollte wissen, wie es weiterging, doch leider dauerte die Fahrt zu Harald Martens alias Moltke nicht besonders lange. Als sie in die Luisenstraße einbogen, spürte der Junge ein seltsames Grummeln in der Magengegend. Aline war nicht zu sehen, Martens-Moltke auch nicht. An der Hauswand lehnte kein Fahrrad.

„Bleib erst mal im Auto sitzen“, sagte Kowalski. Die beiden Polizisten stiegen aus und gingen zu dem Mehrfamilienhaus, in dem Moltke wohnte. Lukas ahnte es schon: Kowalskis Klingeln blieb ohne Erfolg und die Tür geschlossen. Entweder war Moltke-Martens noch nicht wieder zurück oder er hatte sein Fahrrad woanders verstaut. Vielleicht saß er jetzt in seiner Wohnung und beobachtete sie vom Fenster aus. Lukas begann sich gerade auszumalen, wie der weißhaarige Mann die Beute des Tages hastig in seiner Tasche verstaute und sich dann durch den Hintereingang davonschlich. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er den Mann, an den er gerade dachte, auf einem Fahrrad am Streifenwagen vorbeifahren sah. Er hielt nicht vor dem Haus an, sondern trat kräftig in die Pedale. Offenbar hatte er gesehen, dass der Besuch der Polizei ihm galt und sich dann entschlossen, Reißaus zu nehmen.

Lukas öffnete das Fenster und rief den Polizisten zu: „Da ist er!“ Die Polizisten verstanden sofort, eilten zurück zum Auto und fuhren mit quietschenden Reifen los. Da sie erst noch drehen mussten, war der Radfahrer schon nicht mehr zu sehen, als sie endlich in die richtige Richtung fuhren. Sie schalteten Martinshorn und Blaulicht ein und rasten durch das Wohngebiet. „Was für ein Tag!“, dachte Lukas. „Zuerst der gestohlene Füller, dann die unheimliche Begegnung mit Herrn Moltke, die Fahrt im Streifenwagen und jetzt auch noch eine wilde Verfolgungsjagd! Was kommt als Nächstes?“