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Übersetzung aus dem Niederländischen von Gregor Seferens
ISBN 978-3-492-97320-5
März 2016
© Maarten `t Hart 2004
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016
Covergestaltung: Cornelia Niere, München
Covermotiv: Cornelia Niere / div. Shutterstock-Motive
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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In den Niederlanden wohnen die meisten Menschen auf Sand, abgetragenem Moor, Klei oder verschmutztem Hafenschlamm. Ich selbst habe das Vergnügen, auf »altem Marschklei« zu wohnen. Das liebreizende Dorf, in dem ich lebe, liegt hingegen hoch auf einer uralten Düne, deren oberste Schicht aus leicht zu bearbeitendem fruchtbaren Geestboden besteht. Verlässt man jedoch das Dorf nach Westen, dann steigt man einen Meter hinab in den Polder.
Einst, in längst vergangenen Tagen, haben hier bei Hochwasser Seitenarme des Rheins, zwischen den jungen Dünen und der alten Düne, für Überschwemmungen gesorgt. Verzog sich das Wasser wieder, dann blieben Sedimente zurück. Auch konnte es geschehen, dass das Meer durch die Flussarme in das Gebiet zwischen der alten Düne und den jungen Dünen eindrang. Und auch dann blieben Sedimente zurück, wenn sich das Meer wieder zurückzog. Diese Sedimente, die hier wahrscheinlich öfter aus dem Meer als aus einem Seitenarm des Rheins stammen und die aus sehr feinen Teilchen bestehen, verdichteten sich zu See- und Flussklei.
Es ist nicht unbedingt einfach, auf Klei zu wohnen. Der Boden ist immer ein paar Grad kälter als der Sand. Man kann das hier im Dorf erstaunlich gut spüren. Wenn man beim Friedhof die alte Düne verlässt und in den Polder hinuntergeht, dann packt einen die Kälte bei der Kehle. Und nicht nur sind Luft und Erde kälter, es dauert auch länger, bis sie sich erwärmt haben. Wenn man auf dem alten Geestboden der Düne schon längst Bohnen pflanzen kann, muss ich noch mindestens zwei bis drei Wochen damit warten.
Eine Sandschicht ist enorm porös. Das Regenwasser versickert sehr schnell darin. Klei hält das Wasser gut fest, so gut sogar, dass man in einem nassen Sommer im Schlamm watet. Auf dem Klei ist also ein trockener Sommer besser. Allerdings haben wir in den Niederlanden selten einen trockenen Sommer (Anfang Juni setzt fast immer der westeuropäische Monsun ein), und dann darf der Sommer auch wieder nicht allzu warm und trocken sein, denn in diesem Fall wird der Klei steinhart und bekommt Risse. Außer einem sehr zähen Gras, Elytrigia repens, alias die berüchtigte Gemeine Quecke, wächst dann wirklich nichts mehr.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bauern, sowohl südöstlich als auch nordwestlich von meinem Wohnort, den Boden »umgebrochen« haben. Unter dem Klei befindet sich eine Schicht Torf, und darunter Sand. Sie haben vor einigen Jahren mithilfe eines recht komplizierten Verfahrens, bei dem Tiefenpflüge auf den Feldern eingesetzt wurden, den Klei unter den Torf gemischt und den Sand nach oben geholt. Auf dem Sand züchten sie nun schon seit Jahren Tulpenzwiebeln, die mit lauten Sprenkelanlagen bewässert werden.
Unseren Garten könnten wir jedoch nur »umbrechen«, wenn wir zuvor das Haus und alle um das Grundstück herumstehenden Bäume entfernen würden. Selbstverständlich ist das ausgeschlossen, und daher plagen wir uns eben weiterhin auf dem alten Klei. Jahrein, jahraus führen wir einen erbitterten, ungleichen Kampf gegen den triumphierenden Holunder, die unaufhaltsamen Brombeeren, die schlaue Zaunwinde, die allgegenwärtige Brennnessel, die unausrottbare Quecke, das hinterhältige Kletten-Labkraut. Genesis 3, 18: Dornen und Disteln soll er dir tragen.
Schaut man aus dem Fenster, dann sieht man, »wie die Holunderbüsche aus der Erde dringen, dieweil sie heiser, stotternd singen«. Und dem unbändigen, bereits nach einem Jahr mannshohen Holunder folgen Kastanien und Eichen auf dem Fuß und singen leise mit, und überall entdeckt man beginnenden Ahornwildwuchs. Auch der Rotdorn fühlt sich auf dem Klei heimisch. Seinem Namen Ehre machend, steht er mehr oder weniger den ganzen Juni über in üppiger Blüte. Auch die Schlehe, die bereits sehr früh im Jahr, noch ehe ihre zarten grünen Blättchen erscheinen, betrügerisch blüht, liebt ganz offensichtlich den Klei. Trotzdem erscheinen auch ihre grazilen Blüten – gleich Tausenden von schneeweißen Schmetterlingen, die sich auf den schwarzen Zweigen niedergelassen haben – erst, nachdem sie auf dem Sand bereits verblüht sind.
Es ist, auch wenn Rotdorn und Schlehe Trost spenden, nicht verwunderlich, dass auf dem Klei seit jeher ein schwermütiges, gebückt gehendes Geschlecht lebt. Wegen des Umgrabens, das schon vor Weihnachten erledigt sein muss, damit die fetten, schweren Brocken kaputtfrieren können, stets vom Hexenschuss geplagt. Auf dem Klei leben in den Niederlanden daher auch die Ultraorthodoxen, die Pietisten, die Hardcore-Calvinisten. Und ich, auch so ein pietistischer Typ, allerdings mit einem Minuszeichen davor, wohne deshalb genau dort, wo ich hingehöre.
Als ich mich im Jahr 1982 auf Kleiboden niederließ, wollte ich besonderes Gemüse anbauen. Über Dicke Bohnen, Salat, Blumenkohl, Rübchen, Möhren rümpfte ich die Nase. Ich kaufte das Buch Besondere alte und neue Gemüse in Garten und Küche von Buishand und Houwing. Darin strich ich mir an: Echter Meerkohl, Radicchio, Senfkohl, Rucola, Knollen-Ziest, Große Klette, Komatsuna, Topinambur.
Es war nicht leicht, Samen für diese Pflanzen zu bekommen. Auf dem Dienstagsmarkt in der Groenoordhal in Leiden fand ich schöne kleine Senfkohlpflanzen. Auf dem kalten Klei jedoch verkümmerten die Pflänzchen. Den Schnecken schienen sie dennoch ganz hervorragend zu munden. Natürlich haben die von normalem holländischen Salat und gewöhnlichem Spitzkohl die Nase einigermaßen voll. Massenhaft machten sie sich daher über den Senfkohl her, hatten die grünen Blättchen in Nullkommanichts von den hübschen Pflanzen gerupft, und es blieb nur noch eine aus Blattnerven konstruierte Miniatur-Zadkine-Skulptur übrig.
Den Samen für den Echten Meerkohl bezog ich von einer renommierten Firma in Lisse. Gegen Zahlung einer erklecklichen Summe wurden mir sieben kleine Schoten gesandt. Diese musste man vorsichtig aufprokeln. Dann werde man, so stand es hinten auf der Packung, einen braunen Samen finden. In fünf der sieben Schoten befand sich überhaupt kein Samen. Die zwei, die ich entdeckte, tat ich auf Anweisung von Buishand und Houwing in Becher mit Substrat. Auf der Fensterbank im Wohnzimmer sprossen die Pflänzchen schön empor. Als es draußen wärmer wurde, härtete ich sie zunächst ab und pflanzte sie dann an einer geschützten Stelle. Pflanze eins war nach zwei Tagen tot. Mit Pflanze zwei machten, obwohl ich sie mit einem großen Kreis aus Muschelgrus umgeben hatte, die Schnecken kurzen Prozess. Seitdem habe ich nicht wieder versucht, Echten Meerkohl zu züchten. Hin und wieder lese ich wehmütig in dem Buch von Buishand und Houwing: »Echter Meerkohl ist ein interessantes Gemüse, das, was den Geschmack angeht, große Ähnlichkeit mit Spargel hat.«
Mit Radicchio, den Samen dafür konnte ich in der Schweiz erwerben, habe ich hingegen durchaus gute Erfahrungen gemacht. Man muss ihn spät säen, sonst schießt er. Allerdings bleiben dann auf dem kalten Klei die Köpfe ziemlich klein. Die Pflanzen können einiges vertragen. Ein bisschen Frost jagt ihnen keinen Schrecken ein, und die Schnecken zeigen kaum Interesse. Was den Geschmack betrifft, erinnert Radicchio am ehesten an Chicorée. Roh schmeckt er herrlich.
Was die anderen Gemüsesorten, die ich weiter oben erwähnt habe, angeht: Abgesehen von Topinambur, war ich mit keiner einzigen erfolgreich. Wie gern würde ich zum Beispiel Knollen-Ziest züchten! Die winzig kleine Knolle wächst zwar in meinem Garten, doch erstens findet man die Knollen kaum, und zweitens ist es kein kleines Kunststück, sie, wenn man sie gefunden hat, aus dem Klei zu pellen. Meist beschädigt man sie dabei so sehr, dass man sie nicht mehr zubereiten kann. Ach, Knollen-Ziest!
Von der Erdbirne, wie Topinambur auch genannt wird, die Buishand und Houwing als »sehr schmackhaft« bezeichnen, habe ich vor etwa zehn Jahren schöne Knollen ernten können. Wie bei der Kartoffel tut man eine Knolle in die Erde, und daraus wächst dann eine große Pflanze, die wiederum neue Knollen bildet. Als ich Topinambur das erste Mal anbaute, habe ich gleich eine ganze Reihe gepflanzt. Als all die Knollen sich zu Pflanzen entwickelt hatten, war der Anblick überwältigend. Man hätte meinen können, ich hätte eine besondere Art von Windschutz gepflanzt. Laut Buishand und Houwing werden Topinamburpflanzen »leicht zwei bis drei Meter hoch, sie blühen jedoch spät oder gar nicht«. Na, zwei Meter hoch wurden meine Pflanzen nicht – die höchste reichte mir bis zum Kinn –, aber geblüht haben sie alle wie wild. Wunderschöne gelbe Blumen.
Ich ernte eine gewaltige Menge von Knollen. Nach Ansicht von Buishand und Houwing »kommt der Geschmack dem der Artischocke nahe«. Das klingt vielversprechend, doch ich muss gestehen, dass mir der fade, süßliche Geschmack der Erdbirne nicht sonderlich zusagt. Ich habe sie seitdem nicht wieder angebaut. Doch auch ohne mein Zutun wächst jedes Jahr an den unglaublichsten Stellen meines Gartens Topinambur. Saatgewinnung mag in unserem Klima, laut Buishand und Houwing, nicht möglich sein, aber die Erdbirne sät sich eifrig selbst aus. Jedes Jahr blüht die Pflanze üppig als Symbol für meinen lächerlichen Versuch, nicht heimisches Gemüse auf dem kalten Klei zu züchten.
Vor gut dreißig Jahren habe ich Die Welt als Wille und Vorstellung von Schopenhauer auf Deutsch gelesen. Ob ich damals viel verstanden habe, weiß ich nicht, aber beeindruckt war ich schon. Ich lese das Buch jetzt erneut, in der niederländischen Übersetzung von Hans Driessen, die vor ein paar Jahren erschienen ist. Welch ein merkwürdiges Amalgam aus köstlichen Kapiteln und dürren Dunkelheiten. Bizarre Ansichten über Homosexualität und die Farbenlehre. Vollkommen unlesbar sind die letzten einhundert Seiten über Kant.
Auf S. 226 des ersten Bandes sagt Schopenhauer: »Während nun also jeder Mensch als eine besonders bestimmte und charakterisirte Erscheinung des Willens, sogar gewissermaaßen als eine eigene Idee anzusehen ist, [fehlt] bei den Thieren […] dieser Individualcharakter im Ganzen […], indem nur noch die Species eine eigenthümliche Bedeutung hat.«
Wie kann Schopenhauer etwas so Dämliches behaupten? Tieren soll ein Individualcharakter gänzlich abgehen? Ich war schon immer darüber erstaunt, dass selbst zwei Ratten, die aus demselben Wurf stammen, einen vollkommen unterschiedlichen Charakter haben können.
Man kann sich kaum zwei Tiere vorstellen, die sich so sehr voneinander unterscheiden wie meine beiden Ziegenböcke Adu und Jozef. Adu, der nun leider schon seit vielen Jahren tot ist, war ebenso sanftmütig wie gefräßig. Er verputzte alles. Sogar Zeitungen futterte er, und dabei war es ihm vollkommen egal, an welcher Tageszeitung er gerade knabberte. Kam jemand, um mich zu interviewen, und brachte einen Blumenstrauß mit, dann gab ich diesen, sobald der Journalist verschwunden war, Adu, weil ich Blumen in Vasen hasse. Wie dankbar er dann war! Der Strauß wurde auf der Stelle gefressen, und zwar inklusive des Tütchens mit Pflanzennahrung. Adu war äußerst schweigsam, ich glaube, ich habe ihn ganze zwei Mal ein Geräusch von sich geben hören. Wer auch immer mich besuchte, Adu ließ sich geduldig streicheln und versuchte währenddessen, sich der Schals zu bemächtigen. Im Laufe der Jahre hat er diverse teure Damenschals gefressen, oft unter lautem Geschrei der Beraubten, aber das kümmerte ihn nicht. Seine merkwürdigste Eigenschaft war, dass er eine Erektion bekam, wenn Frauen auf meinem Grundstück erschienen, die ich nett fand.
Jozef macht man mit einem Blumenstrauß keine Freude. Er schnüffelt vorsichtig daran, und vielleicht knabbert er von dieser oder jener Rose die dunkelroten Blättchen ab, auf dem Rest aber trampelt er nur herum. Er ist verblüffend wählerisch. Wovon er lebt, ist mir nicht klar, die Nahrungsaufnahme scheint nur mit kleinen Buchstaben in seinen Genen verzeichnet. Eine Zeitung ist nicht sein Ding, Schals interessieren ihn nicht. In dieser Hinsicht sind Streichler also nicht in Gefahr. Allerdings beantwortet er jeden Annäherungsversuch mit einem gezielten Kopfstoß. Am liebsten würde er den ganzen Tag lang Menschen und Dinge umstoßen. Da es aber an einem konstanten Kandidatennachschub für dieses lustige Spiel in der Regel fehlt, steht er oft da und meckert traurig vor sich hin. So schweigsam Adu war, so gesprächig ist Jozef. Ihm steht ein gewaltiges Arsenal an Tönen zur Verfügung. Zieht ein Flugzeug vorüber, macht er einen Heidenlärm. Während man Adu nicht frei herumlaufen lassen konnte (er fraß alle Knospen ab und spazierte aus meinem Garten hinaus), muss man Jozef nicht einsperren. Für die Knospen besteht keinerlei Gefahr, und das Gelände verlassen? Bloß nicht! Wenn ich ihn zu den Nachbarn auf die Weide bringe, tut er alles, um so schnell wie möglich wieder auf eigenen Grund und Boden zu gelangen. Ist eine nette Frau zu Besuch, bekommt er keine Erektion, sondern er versucht, sie umzuschubsen.
Es ist kaum zu glauben, dass zwei Ziegenböcke so unterschiedlich sein können. Nichts von dem, was ich im Umgang mit Adu gelernt habe, kann ich bei Jozef anwenden. Während Adu vollkommen aus dem Häuschen war, wenn ich ihm eine Handvoll Rote-Bete-Blätter brachte, erwidert Jozef diese großzügige Gabe mit einem Kopfstoß. Schopenhauer und Kant ähnelten einander mehr als Adu und Jozef.
»Die Blätter fallen in die gelben Grachten«, dichtete J. C. Bloem. Eine schöne erste Zeile eines sublimen Gedichts, aber das Problem ist, dass die meisten Blätter neben die gelben Grachten fallen. Und was rund um mein Grundstück dennoch im Wasser landet, sollte ich besser wieder rausholen, denn sonst verschlammen sämtliche Gräben.
Jedes Jahr erstaunt mich die gewaltige Blättermasse, die nahezu geräuschlos heruntersegelt, aufs Neue. Vor ein paar Jahren dachte ich, während ich all das Laub von den Wegen rechte, zum ersten Mal: Man könnte fast meinen, es werde jedes Jahr mehr. Eine Weile später kam mir ein zündender Gedanke. »Aber natürlich, es sieht nicht nur so aus, als würde es immer mehr, es wird tatsächlich mit jedem Jahr mehr, denn die Bäume werden ja immer größer.«
Nachdem mir diese Erkenntnis zuteilgeworden war, fasste ich einen kühnen Entschluss. Stets hatte ich gesagt: »So ein Blätterpuster, das ist was für reiche Säcke und Faulenzer. Außerdem machen die Dinger Lärm wie ein Düsenflugzeug.« In der Zeitschrift der Verbraucherberatung erschien zudem mitten im Sommer, als alle Blätter noch ordentlich an den Bäumen hingen, ein Artikel, in dem dargelegt wurde, dass ein solcher Apparat vollkommen überflüssig ist. Ein bisschen rechen, und alles sei weg.
Leider ist es nicht so einfach. Bei mir fällt das meiste Laub dorthin, wo es ruhig liegen bleiben kann. Von den Kieswegen jedoch muss es verschwinden. Nicht, weil ich saubere Wege haben will. Aber Laub kompostiert, es wird, kurzum, zu fruchtbarem Humus, und dort, wo es haufenweise auf dem Kies liegt, schießt dann im nächsten Jahr das Unkraut üppig zwischen den Kieseln empor. Wenn man sich das mühsame Unkrautharken ersparen will, dann muss man folglich die Blätter vom Kies entfernen.
Ich habe daher meine Meinung geändert und bin zum Kauf eines solchen Blätterpusters übergegangen. Nein, nicht so ein Ding, das man sich auf den Rücken schnallt, sondern gleich ein teures Ungetüm auf Rädern. Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas anderes angeschafft habe, was mir so viel Freude bereitet hat. Das ganze Jahr lang freue ich mich auf den Herbst, wenn ich wieder das Laub von den Wegen pusten darf. Vor allem die taschentuchgroßen gelben Blätter, die von den Ahornbäumen fallen – ach, welch ein Vergnügen ist es, sie vom Weg zu wirbeln. Und wenn man sie weggewirbelt hat, kann man sie auf dem Rasen zu noch höheren Haufen zusammenpusten, um sie anschließend zum Komposthaufen zu transportieren.
Nicht alle Blätter geben sich einfach so geschlagen. Die Eschenblätter zum Beispiel muss man, sobald sie abgefallen sind, blitzschnell von den Wegen blasen. Es sind gefiederte Blätter, und das bedeutet, dass aus einem Hauptstiel eine Reihe von kleinen Blättern wachsen. Die kleinen Blätter verwelken schnell und lösen sich, sobald das Blatt auf dem Boden liegt, nach kurzer Zeit vom Hauptstiel. Und der bleibt anschließend wie ein einzelnes Zweiglein auf dem Gartenweg liegen, ganz gleich, wie entschlossen man ihm mit dem Laubpuster zu Leibe rückt. Nur frisch gefallene Eschenblätter kann man daher mit Hauptstiel und allem, was daran hängt, von den Wegen pusten. Und obwohl ich die Lektion, das Eschenblatt gleich beim Kragen zu packen, längst intensiv gelernt habe, bin ich meistens den ganzen Winter über damit beschäftigt, die Eschenblattstiele von den Gartenwegen zu sammeln. Wo all diese Heimlichtuer herkommen, weiß ich nicht, aber sie schaffen es immer wieder, haufenweise herumzuliegen.
Ein großer Vorteil des Eschenblattes jedoch ist, dass das Vieh es ganz besonders mag. Mein Ziegenbock und die Leasing-Ziege würden alles dafür tun. Wenn ich sie im Herbst herumlaufen lasse, dann schlendern sie vorzugsweise auf den Kieswegen zum Eschenlaub. Worüber sie aber die Nase rümpfen, sind Eichenblätter. Das ist eine Katastrophe, denn die verwittern nicht einmal und verschwinden von selbst, sie liegen nur herum und werden braun und ledrig. Auf dem Komposthaufen – wo sie nicht hingehören – bilden sie eine undurchdringliche Schicht. Wenn alle anderen Blätter längst zerfallen sind, strotzt das Eichenlaub noch vor Gesundheit. Bis weit in den Februar hinein hört man es laut rascheln, wenn eine emsige Amsel darin nach Futter sucht.
Das Merkwürdige ist: Von einem Tag auf den anderen scheint es plötzlich vorbei zu sein. Erst pustet man zwei-, dreimal am Tag die Blätter weg, und dann nichts mehr. Kein Blatt ist mehr an den Bäumen zu sehen. Der Winter hat begonnen.
Als ich mich 1982 auf meinem Hektar Klei niederließ, beackerten fünf Schrebergärtner einen Teil meines Landes. Alle fünf bekämpften den Maulwurf fanatisch mit Forke, Gift und Falle. »Meine Herren«, sagte ich zu ihnen, »das ist ab heute verboten.« Nun ist es nicht sonderlich sinnvoll, großmächtig und ohne Argumente ein Verbot zu verhängen. Wenn man das tut, muss man gewaltige Anstrengungen unternehmen, um seine Einhaltung zu erzwingen. Ich versuchte also, die fünf davon zu überzeugen, dass es nicht klug ist, den Maulwurf auszumerzen. Ich zeigte ihnen eine Passage aus einem Buch über biologischen Gartenbau von Hans van Cuijlenborg. »Was Säugetiere angeht, so gibt es einige, die für eine gute biologische Arbeitsweise eigentlich unverzichtbar sind. Dabei steht der Maulwurf an erster Stelle. Es ist ein Irrglauben, wenn man meint, diese Tiere seien schädlich. Der Maulwurf ist ein großer Helfer, wenn es darum geht, schädliche Insekten zu bekämpfen. Schwere Böden erhalten durch die Maulwurfsgänge außerdem eine zusätzliche Drainage.«
Natürlich ist es eine Illusion, zu glauben, man könne Gärtner mit »Bücherwissen« von ihren Überzeugungen abbringen. Ungeachtet meines Verbots fuhren die fünf fort, den Maulwurf heimlich zu bekämpfen. Inzwischen haben vier von ihnen wegen Alters, Rückenbeschwerden und Ablebens das Handtuch geworfen, doch der Fünfte stellt immer noch Fallen auf, wenn er einen Maulwurfshügel entdeckt. »Nein!«, rufe ich dann. »Maulwürfe machen Jagd auf Maulwurfsgrillen, das sind die eigentlichen Übeltäter.«
Es bleibt mir unbegreiflich, dass ein so niedliches, prächtiges, nützliches Tier wie der Maulwurf bekämpft wird. Maulwürfe fressen Insekten, Larven, Puppen, Engerlinge und Nacktschnecken. Wenn es zu viele Maulwürfe gibt, schrecken sie nicht einmal vor Kannibalismus zurück, sodass man folglich nie fürchten muss, sie könnten zu einer Plage werden. Auf Klei lockern sie zudem den Boden. Ihre Gänge fördern die Entwässerung. Wer sie tötet oder vergrämt, ist dumm. Daher macht mich ein Buch wie das von Romke van de Kaa vollkommen ratlos. Er präsentiert ein ganzes Arsenal von Bekämpfungsmitteln. Gott sei Dank ist er nicht so tief gesunken, dass er selbst die schrecklichen Schlagfallen verwendet. Dies sind grausame Folterwerkzeuge, die man in den Maulwurfsgängen platziert. Läuft ein Maulwurf hindurch, dann schnappt die Falle zu, und das Prachttier stirbt einen schrecklichen Tod. Aber van de Kaa sagt leider nicht, dass es verbrecherisch ist, solche Fallen zu verwenden. Er selbst rückt dem Maulwurf mit dem zu Leibe, was er als seine Lieblingswaffe bezeichnet: der Rauchpatrone. Und warum? Weil er eines stockdunklen Abends beim Gassigehen mit dem Hund über eine eingesunkene Terrassenfliese gestolpert ist und sich übel verletzt hat. Da möchte man doch sagen: »Hättest du mal lieber ein bisschen besser aufgepasst. Soll der nützliche Maulwurf nun wirklich für deine eigene Unaufmerksamkeit büßen?«