Für nichts und wieder alles

Inhaltsverzeichnis

»Ich schaue: Alles hängt am Geiste.

Ich erkenne: Alles fährt im Geiste dahin!

Fleisch hängt an Seele,

Seele hängt an Hauch,

Hauch hängt an Glanz.«

Psalm des Valentinos

für Péter Nádas

Schriftrollen gibt es hier en masse

stille Kopierarbeit vermehrt sie noch

jeder Herrscher befiehlt einen Anbau

Meisterhaft der Katalog der Bestände

vorbildlich das System der Verweise

Ordnung im Wirrwarr der Überlieferungen

In einer Halle

die Werke der Kartographen

bald werden die letzten Löwen getilgt sein

Am Ende der Großen Kolonnade Sand

ausgewählter Sand zur Diktatur der Zeit

In diesem Raum wird knapp diskutiert

Daneben der Saal der Nekrologe

Wer keinen Mund hat kann nicht schweigen

Wiedererinnerungen Streugut für Enkel

Vom vielen Aufrollen fettig sind

die Papyri über Tyrannen und Feldzüge

dicht gefolgt von Werken über die Liebeskunst

und Berichten der großen Reisenden

Die Verschlüsse dieser Rollen sind brüchig

zu oft schon wurden sie konsultiert

Doch

nur ein paar Liegen und Öllampen

Alles andere kosmische Finsternis

Hier werden die Schatten aufbewahrt

in all ihren Formen schmal lang dicht

auch Halbschatten auch leerer Schein

auch schattichte Seelen der Verstorbenen

Nachbilder auch vom Schatten

dem unzertrennlichen Gefährt des Traums

Der Katalog listet dieses Gebiet nicht auf

Der Kurator hier ist ein Künstler

Spezialist für die Lichthaut ums dunkle Herz

Seine Mimik ist kontrolliert

Seine Rede genau und ziseliert

Sie macht Welttatsachen am Dunkel fest

Aus diesem Schwarz einer Ritz

kriecht das Licht herein

wie die Idee der Rettung

So viele kommen in diesen Raum

zur Erziehung des Auges

damit sie in den Schriften

die Fallen ausmachen können und die Türen

und schließlich verstehen

die leere Stelle des vollkommenen Katalogs

»Ich bin, was ich erinnere.«

Augustinus

Es gibt kein Brot an diesem Tisch.

Um diesen Tisch sitzen Dichter.

Sie sprechen in der Hustensprache,

essen peinliche Pilze, gehen frieren.

Angst nutzen sie als Trampolin.

Ihr Augenschein ist Ohrenschein.

Nacht für Nacht hören sie das Gewicht

der alten Poesie und ihrer vielen Wohnungen.

Ihre Hände waren zu voll und sind

jetzt leer. Sie wissen: Die toten Dichter

halten ihren Schmerz für zu klein,

kläglichen Kram, fast blind, verrieben

in alle Winkel der lieben Finsternis.