DAS
VORSORGE
BUCH
Wie Sie Körper und Seele
gesund erhalten
Wichtiger Hinweis:
Die diesem Buch zugrunde liegenden medizinischen Forschungsergebnisse und die Empfehlungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ausgeschlossen. Da sich die Medizin ständig weiterentwickelt, können zukünftige neue Erkenntnisse nicht ausgeschlossen werden. Die hier genannten Ratschläge sollen kein Ersatz für fachkundige Beratung sein. Die richtige Diagnose und Therapie von Erkrankungen müssen immer Sache des behandelnden Arztes bleiben.
Für Thomas und Gregor
Das Wichtigste zuerst: Vorsorge bedeutet nicht, dass wir vor lauter Sorge um unser Wohlergehen und im ständigen Bemühen um richtiges Verhalten zu Opfern eines Gesundheitswahns werden. Vorsorge bedeutet vielmehr die Chance, durch kluges individuelles Handeln unsere Lebensqualität zu erhalten – auch im höheren Alter.
Dabei gilt es, den Mittelweg zu finden zwischen Verhaltensänderungen und Spaß am Leben, aber auch zwischen sinnvoller Früherkennung von Krankheiten und unnötigen Untersuchungen aus Angst vor vermeintlichen Gefahren.
Vorsorge und Früherkennung sind in letzter Zeit in den Fokus von heftigen Diskussionen geraten. Bringen sie überhaupt etwas? Und wenn ja, wem nützen sie? Dem Patienten, der auf längere Gesundheit hoffen kann? Dem Arzt, der daran verdient? Oder dem ganzen Gesundheitssystem, das ohnehin unter den ständig steigenden Kosten der modernen Medizin leidet und durch Prävention entlastet wird? Oder werden durch die Vorsorgemaßnahmen hauptsächlich Ängste geschürt, Überdiagnostik und womöglich eine schädliche Übertherapie gefördert? Und was ist mit diesen neuen elektronischen Überwachungstechniken, die uns pausenlos über unser angebliches Befinden informieren? Über Herzschlag, Blutdruck, Atemtiefe und die Zahl der Schritte, die wir heute schon oder noch nicht gegangen sind? Machen sie uns vielleicht alle zu Hypochondern oder Zwangsneurotikern? Verlernen wir durch sie das natürliche Gefühl für unseren Körper? Viele Fragen. Wir werden sie, schön der Reihe nach, alle beantworten. Zunächst aber wollen wir uns einigen grundsätzlichen Gedanken zuwenden.
Die Entdeckung des Penicillins als Mittel gegen Infektionskrankheiten hat die Lebenserwartung der Menschen im 20. Jahrhundert dramatisch erhöht
Hätten Sie nämlich um das Jahr 1900 herum gelebt, dann wären nicht alle, aber die meisten Möglichkeiten der heutigen Gesundheitsvorsorge »für die Katz« gewesen, wie es so schön heißt. Zu dieser Zeit wurden die Leute im Durchschnitt gerade einmal 47 Jahre alt. Sie brauchten sich deshalb keine besonderen Gedanken zu machen, ob ihr Herz wohl lange genug durchhalten, ob ihre Blutgefäße und ihre grauen Zellen bis zu ihrem Ende funktionieren würden. Die reale Sorge der Leute galt seinerzeit den Infektionskrankheiten, den Pocken, der Tuberkulose, der Lungenentzündung – aber dagegen war ohnehin so gut wie nichts zu machen. Und, richtig, Gicht war eine gefürchtete Krankheit, gegen die man keine Medizin hatte, die man aber in den eleganten Bädern der Zeit mit Wasserkuren bekämpfte – und gleichzeitig mit erotischen Abenteuern garnierte. Das Leben war also kurz, und die Krankheiten des höheren Alters, mit denen heute viele von uns rechnen müssen, spielten nur bei den wenigen Menschen eine Rolle, die seinerzeit auch alt oder sogar sehr alt wurden.
Soziale Kompetenz, viele Kontakte zu Familie und Freunden wirken sich positiv auf unsere Gesundheit aus
Doch zurück zu uns. Es ist fast unglaublich, aber unsere Lebenserwartung steigt und steigt. Neunzig Jahre alt zu werden ist fast nichts Besonderes mehr, nachdem uns eine durchschnittliche Lebenszeit von über achtzig Jahren vorhergesagt wird – den Frauen ein wenig mehr als den Männern. Das Beste an dieser Situation aber ist, dass wir diese geschenkten Jahre wohl nicht als hinfällige Greisinnen und Greise verbringen werden, sondern dass wir sie wahrscheinlich in ganz guter Gesundheit genießen können, wenn – und jetzt kommt das große WENN – wenn wir uns rechtzeitig darum kümmern, dass wesentliche Funktionen von Körper und Geist nicht vorzeitig nachlassen oder verloren gehen.
Wenn wir, beispielsweise, dafür sorgen, dass die Blutgefäße, die alle Organe, vor allem jedoch Herz und Gehirn, mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen, nicht durch hohen Blutdruck oder zu hohe Blutfette vorzeitig zerstört werden. Oder wenn wir uns rechtzeitig darum kümmern, dass unsere Knochen nicht durch Osteoporose brüchig werden und die Muskeln nicht aus Mangel an Training verkümmern. Natürlich lassen sich nicht alle Alterserscheinungen verhindern, gutes Altern hat auch mit unseren geerbten Genen zu tun. Aber die Wissenschaft hat längst bewiesen, dass sogenannte epigenetische Faktoren, also Umwelt, Verhalten, selbst psychosoziale Bedingungen den Zustand unserer Zellen stark beeinflussen.
Im Kern jeder Körperzelle liegt die genetische Erbsubstanz, aufgerollt in den Chromosomen. Sie steuert die Funktionen der Zelle, vor allem auch die Teilung, also ihre Erneuerung. An den Enden der Chromosomen befindet sich eine Art »Lebensfaden«, man nennt ihn Telomer (vom griechischen télos = Ende und méros = Teil). Dieses winzige Endteilchen bestimmt die Jugendlichkeit der Zelle. Je länger es ist, desto größer ist deren Fähigkeit, sich zu teilen und dadurch ältere Bausteine des Körpers durch frische zu ersetzen. Allerdings wird der Faden bei jeder Teilung etwas kürzer und irgendwann ist er aufgebraucht – die Zelle geht in eine »Ruhephase«, sie kann sich nicht mehr teilen und eines Tages stirbt sie. »Unsterblich« sind nur die Krebszellen; ihr Lebensfaden verkürzt sich nicht.
Immerhin gibt es ein Enzym im Zellkern, das ein Schrumpfen der Telomere rückgängig machen kann oder eine Art der Erneuerung bewirkt: die Telomerase. In einer Studie, die 2013 in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde1, konnten Wissenschaftler nachweisen, dass durch einen veränderten Lebensstil – gesündere Ernährung, mehr körperliche Aktivität, Stressabbau und soziale Unterstützung – die Länge der Telomere bei den getesteten Personen nach fünf Jahren zugenommen hatte! Gleichzeitig fiel die erhöhte Aktivität der Telomerase auf. Fazit: Durch eine positive Veränderung der Lebensweise erhalten die Körperzellen einen Teil ihrer Jugendlichkeit zurück. Damit war der Beweis erbracht, dass die Art, wie wir leben, direkten Einfluss auf die Erneuerungsfähigkeit unserer Zellen hat.
Es ist nie zu spät für Veränderungen im Alltag, die zu einer gesünderen Lebensweise führen. Eine englische Studie hat gezeigt, dass Menschen über 75 Jahre, die täglich eine Strecke von zwei bis drei Kilometern zu Fuß gehen – egal, in welchem Tempo, ob sie schlendern oder zügig marschieren –, um 50 Prozent weniger Schlaganfälle oder Herzinfarkte erlitten. Je früher wir uns allerdings grundsätzliche Gedanken darüber machen, was wir tun können, um uns auch als ältere Menschen am Leben zu erfreuen, desto besser ist es. Gesundheitsvorsorge geht deshalb auch die Jüngeren an. Nicht nur weil die Art, wie wir unseren Körper in jungen Jahren behandeln, entscheidend für das Wohlbefinden in späteren Jahren sein kann, sondern weil es auch für junge Menschen eine Reihe von Gefährdungen gibt. Da ist der Familiäre Darmkrebs, den ich verhindern kann, wenn ich mir rechtzeitig bewusst mache, dass in meiner Familie ein Risiko besteht. Da ist die Neigung zu stärkerem Übergewicht, das ich bekämpfen kann, bevor ich vielleicht schon in jungen Jahren Diabetikerin werde. Eine nachgeholte Rötelnimpfung kann verhindern, dass ich in der Schwangerschaft erkranke und dadurch das werdende Kind gefährde. Und selbstverständlich danken es mir mein Herz und mein Gehirn, wenn ich rechtzeitig mit dem Rauchen aufhöre und so meine Arterien gesund erhalte.
Darf ich Fragen stellen?
Ja, selbstverständlich.
Irgendwie bin ich verunsichert. In meiner Familie sind eigentlich alle ziemlich gesund gewesen. Jetzt bietet mir mein Arzt diese Untersuchungen an, die ich selbst bezahlen soll …
Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL …
… Richtig. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, ständig auf irgendetwas getestet zu werden, ziemlich viel Geld hinzulegen, um dann zu hören: alles in Ordnung. Inzwischen mache ich mir natürlich Gedanken, und jetzt habe ich schon regelrecht Angst, zum Doktor zu gehen.
»Individuelle Gesundheitsleistungen« können, aber müssen nicht sinnvoll sein. Lassen Sie sich in jedem Fall gründlich aufklären!
Ich möchte gerne einen Kollegen zitieren, der dieses Problem so beschrieben hat: »Der Patient kommt, weil er Gesundheit will oder Besserung von Beschwerden. Wir aber halten ihm dafür einen Katalog hin, wie eine Speisekarte in der Würstchenbude …« Ich gebe diesem Kollegen absolut Recht. Es gibt sicherlich einige Untersuchungen, die sinnvoll sind, obwohl die Kassen sie nicht bezahlen. Darauf kommen wir noch. Ich will auch die Kollegen nicht anklagen, wenn sie glauben, sie bräuchten diese Zusatzeinkommen, um ihren Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir müssen den Patienten aber sagen, dass alle wirklich nötigen Untersuchungen von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Und wir müssen sie darüber aufklären, was wir im Einzelfall für richtig halten, was nicht und warum, mit anderen Worten: Wir müssen die »sprechende Medizin« wieder einführen, die Beratungen, die Fragen nach der Vorgeschichte, nach psychischen Belastungen, nach der sozialen Situation des Patienten; wir müssen seine Vorstellungen von einer Behandlung berücksichtigen, wir müssen ihm mit Empathie, Geduld und Verständnis begegnen und ihn idealerweise zu einem mündigen Partner machen. All das gilt auch für das Thema Vorsorge. Dass dies mit einer »Fünf-Minuten-Medizin« nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Ich fürchte deshalb, Sie müssen sich einen anderen Arzt suchen, einen, für den all dies selbstverständlich ist. Solche Ärzte gibt es, gottlob, noch immer – und gar nicht so selten.
In der Medizin gibt es fast keine hundertprozentigen Gewissheiten. Wenn ich Ihnen hier zunächst einmal eine Reihe von Krankheiten vorstelle, von denen man die wichtigsten Ursachen zu kennen glaubt, so ist dies keine Garantie dafür, dass Sie trotz Befolgung aller Präventions-Ratschläge in diesem Buch nicht doch daran erkranken. Jeder Mensch ist anders in seiner genetischen Ausstattung, seiner Umgebung und seinem Lebensstil. Hier kann es deshalb nur um grundsätzliche Erkenntnisse und erste Empfehlungen gehen. Ausführliche Informationen zu den angesprochenen Themen finden Sie in den jeweiligen Kapiteln.
Je mehr wir uns im Lauf unseres Lebens mit immer neuen Aufgaben und Ideen beschäftigen, desto weniger sind wir durch Alzheimer gefährdet
Als um die Jahrtausendwende bekannt wurde, dass das menschliche Genom, also die Summe aller Gene, entziffert war, hat man das zu Recht als eine Revolution bezeichnet, als eine »Neue Ära der Genomik«. War es doch erst dadurch möglich geworden, in den drei Milliarden einzelner »Buchstaben« des gesamten Erbguts eines Menschen Stellen zu definieren, die im Vergleich zu den intakten Genen verändert, das heißt »mutiert« oder fehlerhaft schienen und bald auch bestimmten Krankheiten zugeordnet werden konnten.
Das klingt jetzt relativ einfach. In Wirklichkeit sind es hochkomplexe Abweichungen in den Gen-Strukturen, die meist nicht nur an einer Stelle, sondern erst in der Kombination mit anderen fehlerhaften Strukturen so etwas wie eine Blaupause für bestimmte Krankheiten darstellen.
Inzwischen ist man in der Zuordnung von genetischen Risiken zu besonderen Abschnitten des Genoms schon sehr viel weiter. Gleichzeitig wurde klar, dass die Möglichkeit, Anlage oder Neigung zu einer bestimmten Krankheit durch eine Genanalyse festzustellen, die Gesellschaft, die Ärzte, aber auch jeden einzelnen Menschen vor eine Reihe von Problemen stellt: Will ich wissen, was mir droht – oder will ich mich nicht mit einer solchen Erkenntnis belasten? Entscheidend ist zunächst die Frage: Gibt es für das befürchtete Risiko vorsorgliche Maßnahmen, die mich gesund erhalten können? Bzw. hat man für diese Krankheit gute Therapien? Wenn ja, dann wird man einer genetischen Untersuchung wohl eher zustimmen. Wenn nein, dann dürfte die Entscheidung wesentlich schwieriger sein.
Das klassische Beispiel einer genetischen Erkrankung ist die Chorea Huntington, auch »Veitstanz« genannt, weil Betroffene im Lauf ihres Lebens durch den Abbau bestimmter Gehirnregionen die Kontrolle über ihre Muskeln verlieren und tanz-ähnliche unwillkürliche Bewegungen und Grimassen machen (von griechisch chorea = Tanz). Betroffen sind glücklicherweise nur zwei bis drei von 100.000 Menschen. Ein einziges defektes Gen auf dem Chromosom 4 ist dafür verantwortlich. Es vererbt sich auf die Kinder eines Kranken mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Da es derzeit noch keine Heilung gibt, lauten in dieser Situation die existenziellen Fragen: Habe ich das Gen geerbt und werde ich deshalb mit Sicherheit krank – oder habe ich es nicht geerbt und bleibe mit Sicherheit gesund? Will ich das wissen? Muss ich das wissen?
Ich kann also mein gesamtes Erbgut untersuchen lassen. Ist das sehr teuer?
In nicht zu ferner Zukunft wird man bestimmte Fehler im Erbgut »reparieren« können
Ja. Aber mit neuen biotechnischen Methoden glaubt man, den Preis dafür demnächst auf unter 1.000 Euro reduzieren zu können. Falls Sie aber nur ein bestimmtes Risiko überprüfen wollen, zum Beispiel das Vorhandensein von bekannten Brustkrebs-Genen wie BRCA1 oder BRCA2, dann genügt es, wenn man einen kleinen Teil des Genoms »sequenziert«, also untersucht. Gerade bei diesen Brustkrebs-Genen weiß man schon genau, wo man suchen muss. Das Gleiche gilt für den Familiären Darmkrebs. Einfach so das gesamte Erbgut zu analysieren, kann viele Unsicherheiten und Ängste verursachen, weil man das Ergebnis noch nicht in allen Einzelheiten beurteilen kann.
Stimmt es, dass man inzwischen auch feststellen kann, ob eine bestimmte Krebsbehandlung, zum Beispiel eine Chemotherapie, Erfolg haben wird oder nicht?
Es gibt übrigens ein Recht auf Nichtwissen!
Das stimmt. Wir können ja nicht nur unsere normalen Zellen gentechnisch untersuchen lassen, sondern auch Tumorzellen. Dabei haben wir gelernt, dass es bestimmte Eigenschaften dieser Zellen gibt, die darauf hinweisen, dass Chemotherapie keine gute Wirkung hätte, dass aber, beispielsweise, eine der neuen Immunbehandlungen große Chancen bietet, den Tumor zu besiegen. Auch das versteht man unter dem Begriff »Prävention«, was ja wörtlich »Zuvorkommen« heißt.
Unsere Beziehungen zur Medizin und zu den Möglichkeiten, die uns das Gesundheitssystem anbietet, haben sich geändert. Noch vor kurzem war unser Arzt oft eine vertraute Bezugsperson, die uns Jahr um Jahr begleitete und sagte, was gut für uns war und was nicht. Eigene Kenntnisse vom Körper und von Krankheiten waren irgendwie nicht unbedingt nötig – wozu auch, man hatte ja jemanden, der einem alles genau und geduldig erklärte.
Natürlich gibt es sie auch heute noch – wunderbare ältere (und auch gar nicht so wenige jüngere) Hausärztinnen und Hausärzte, die uns, unsere körperlichen und seelischen Schwächen kennen, die Anteil nehmen an Familiendramen, und die uns verteidigen, nicht nur gegen Krankheiten, sondern auch gegen die Zumutungen eines immer kommerzieller agierenden Medizinsystems. Also wohl dem, der einen solchen Vertrauten an seiner Seite weiß. Alle anderen aber haben heute im Grunde wenig Chancen, sich zurechtzufinden im Dschungel verwirrend widersprüchlicher Informationen über gesundheitliche Risiken, drohende Krankheiten, über Diagnosen und Therapien, wie sie vor allem das Internet und die übrigen Medien bieten.
Sie werden hier, in diesem Buch, nicht alles darüber finden, was Ihre Gesundheit möglicherweise gefährdet und wie Sie Risiken begegnen können. Aber Sie sollten nach der Lektüre über ein solides Grundwissen verfügen, um den wichtigsten Gefährdungen die richtigen Maßnahmen entgegenzusetzen.
Vielleicht denken Sie jetzt: Ich fühle mich doch prima und habe eigentlich keine Lust, mich mit düsteren Fakten über die Bedrohung meiner Gesundheit zu beschäftigen. – Einverstanden. Dann überspringen Sie dieses Kapitel und schlagen ein anderes auf, eines, das Ihrer Seelenlage besser entspricht. Etwa das über Grippe oder über die großartige Leistungsfähigkeit Ihrer Gehirnzellen. Für alle anderen aber kommt jetzt eine kleine Selbstbefragung, die Ihnen Aufschluss über eventuelle Gefährdungen geben soll.
Kein Zweifel, Gesundheit beginnt im Kopf. Das bedeutet, dass Sie sich zunächst einmal klarmachen sollten, welche Gehirnprogramme Ihr Leben derzeit steuern. Sie haben richtig gelesen – Programme! Denn unser Verhalten wird bestimmt von Gewohnheiten und Vorlieben, die wir mit der Zeit als zweckmäßig oder angenehm verinnerlicht haben und die wir mit Überzeugung verteidigen. Einige typische Programme:
»Radfahren-ist-mir-zu-mühsam-wozu-habe-ich-ein-Auto?« oder: »Mein-90-jähriger-Opa-hat-lebenslang-geraucht-dann-darf-ich-das-wohl-auch!«, »Gemüseputzen-ist-doch-doof«, »Sport-ist-Mord (hat schließlich schon Winston Churchill gesagt)«. Sehr beliebt: »In-meinem-Alter-noch-was-Neues-lernen?-Wozu-denn?«, »Klar-könnte-ich-abnehmen-will-ich-aber-nicht.«, »Fett-und-süß-ist-vielleicht-schädlich-aber-es-schmeckt-mir-eben-gut«. Und vor allem: »Lasst-mich-doch-in-Ruhe-warum-soll-ich-mich-ändern?«
Gerade dieses letzte Programm kann sich allerdings als ziemlich fatal herausstellen, und Sie müssen es vielleicht aufgeben oder mit einem anderen »überschreiben«. Darauf kommen wir später noch mal zurück.
Wenn wir wissen wollen, ob unsere Gesundheit gefährdet ist und wie wir eventuelle Gefahren abwenden können, dann sollten wir zunächst ein wenig in der Familienchronik forschen.
Schließlich ist die Basis unseres Lebens das, was wir von unseren Eltern geerbt haben, diese ca. 25.000 Gene, die sich in jeder Zelle unseres Körpers auf den Chromosomen befinden. Natürlich haben Umwelt und Lebensumstände, die epigenetischen Einflüsse, wie die Wissenschaft das nennt, auch eine große Bedeutung für unsere Gesundheit. Zunächst aber sollten Sie sich erkundigen, ob vielleicht bei Onkel Eduard oder Tante Isabell, also bei unmittelbar Verwandten, Probleme aufgetreten sind, die für Sie ein mögliches – mögliches! keineswegs sicheres! – Risiko bedeuten können. Gab es da zum Beispiel:
Wir sind nicht Sklaven unserer Gene
Noch vor wenigen Jahren hätte man die meisten dieser Leiden als »schicksalhaft« bezeichnet. Inzwischen weiß die Medizin, dass wir keine »Sklaven unserer Gene« sind, sondern viele Möglichkeiten haben, Gefahren zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hadern Sie also nicht mit Ihren Vorfahren, sondern notieren Sie alle Informationen, die Sie herausfinden. Wir kommen später darauf zurück.
Und nun zu Ihnen selbst.
Fangen wir mit dem Alter an. Ziemlich unfair, ich weiß. Schließlich hilft nichts gegen das eigene Geburtsdatum. Leider werden mit dem Alter die Zellen müder, ihre Regenerationsfähigkeit wird schwächer, ihre Neigung, sich fehlerhaft zu teilen, größer, der Blutdruck höher und die Abwehrkraft des Körpers insgesamt geringer.
Altwerden ist keine Krankheit
Dennoch: Alter ist keine Krankheit. Wenn wir diese Zeit genießen wollen, statt sie in Arztpraxen und Krankenhäusern zu verbringen; wenn wir in den zwanzig oder mehr Jahren, in denen wir nicht mehr jung, aber längst noch nicht hinfällig sind, »erfolgreich« altern wollen, dann müssen wir etwas für uns tun. Also ist Risiko Nr. 1: das Alter.
Die nächste Frage betrifft Ihre medizinische Vorgeschichte. Ärzte nennen sie Anamnese. Schwere Krankheiten? Vielleicht solche, die bleibende Spuren hinterlassen haben, zum Beispiel eine Leukämie im Kindesalter oder womöglich ein Herzinfarkt?
Mit all diesen und vielen anderen Erkrankungen kann man uralt werden, aber zweifellos haben sie den Körper in Mitleidenschaft gezogen und Veränderungen verursacht, auf die Sie heute besonders achten müssen. Deshalb: Risiko Nr. 2: vorgeschädigte Strukturen im Körper.
Kommen wir zu Ihrem jetzigen Leben. Sie fühlen sich ganz prima, sind vergnügt und leistungsfähig? Wie schön. Aber wie wird das in Zukunft sein?
Wie viele Stunden pro Woche verbringen Sie körperlich aktiv? Also mit Sport oder – je nach Alter und Fitness – mit Schwimmen, Wandern oder wenigstens Spazierengehen? Zwei Stunden? – Zu wenig. Vier Stunden? – Schon besser. Übrigens: Gartenarbeit bedeutet zwar auch Bewegung an frischer Luft, ist aber meistens zu statisch, als dass wir sie hier anrechnen könnten. Wer jetzt behauptet, »absolut keine Zeit« für regelmäßige körperliche Aktivität aufbringen zu können, der – oder die – hat ein hohes Risiko Nr. 3: zu wenig Bewegung.
Unsere Ernährung ist bekanntermaßen wichtig. Nein, falsch. Ernährung ist ganz außerordentlich wichtig. Das wissen Sie selbstverständlich. Und Sie wissen auch, dass die beste Ernährung die ist, die nicht zu viele Kalorien, nicht zu viel Fett, vor allem tierisches Fett, und nicht zu viel Zucker enthält. Dafür viel vitaminreiches Gemüse, Obst und Vollkornprodukte, natürlich auch Fisch und Fleisch, aber Letzteres in Maßen. Das bedeutet im Grunde das Aus für jede Art von Industrienahrung. Und es bedeutet die Notwendigkeit, selbst zu kochen oder da zu essen, wo mit natürlichen Zutaten gekocht wird.
Sie meinen, das sei heutzutage schwierig? Finde ich nicht. Man muss allerdings die Familie, vor allem Kinder, hartnäckig und geduldig so lange trainieren, bis auch ihnen Junk-Food nicht mehr schmeckt. Das schaffen Sie nicht? Denn Fertiggerichte sind doch so praktisch? Dann haben Sie ein beträchtliches Risiko Nr. 4: falsche Ernährung.
Der nächste Punkt betrifft den Schlaf. Wir können selbstverständlich nicht mehr so lange, friedlich und tief schlafen, wie wir das als Kinder taten. Aber sieben bis acht Stunden sollten es schon sein, in einem möglichst ruhigen und gut gelüfteten Raum. Wem das nicht gelingt, wer sich womöglich an Tabletten gewöhnt hat, um ein- oder durchschlafen zu können, der hat Risiko Nr. 5: Schlafstörungen.
Wie steht es mit Ihrem Gewicht? Zwar hat sich herausgestellt, dass ein geringes Übergewicht nicht schadet und dass Sie damit sehr alt werden können. Aber wenn Sie einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 haben, dann wird es kritisch. Den Index können Sie übrigens leicht berechnen: Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch das Quadrat der Körpergröße (in Meter). Oder Sie holen sich eine Tabelle in der Apotheke.
Es geht nicht um Ihr Äußeres, um Ihr Selbstbewusstsein oder um gesellschaftliche Normen. Auch wenn man diese Aspekte nicht unterschätzen sollte. Es geht ganz eindeutig um Ihr künftiges körperliches Wohlbefinden. Übergewicht begünstigt Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes verursacht oft Knie- und Hüftprobleme und sogar Krebserkrankungen. Deshalb lautet Risiko Nr. 6: Übergewicht.
Häufige Ursache nicht nur von Schlafstörungen, sondern von allgemeinen Gesundheitsproblemen ist Stress. Stress nicht als zeitlich begrenzte Belastung in Beruf oder Familie, von der man weiß, dass man sie bewältigen kann, sondern Dauerstress: das berühmte Hamsterrad, die Alltagsüberlastung, die mit ständiger Versagensangst und dem Gefühl der Ohnmacht einhergeht und von der man weiß, dass sie nicht aufhören wird, und gegen die man im Grunde keine Chance hat.
Diese Art von Stress ist ein hochgefährlicher Krankheitsfaktor. Wenn er auf Sie zutrifft, dann haben Sie Risiko Nr. 7: Überlastungs-Syndrom.
Gefährlich: seelische Störungen!
In gleicher Weise gefährlich sind andere psychische Probleme, zum Beispiel Depressionen und Angststörungen. Vor allem Depressionen werden oft nicht oder erst sehr spät erkannt. Den Verlust von Lebensfreude, die dunklen Gedanken, die Antriebslosigkeit, die Unfähigkeit, negative Lebensumstände aktiv zu verändern – all das deuten Betroffene oft als »Schwäche« und »Versagen« statt als Symptome einer seelischen Erkrankung.
Da die Seele den Körper stark beeinflusst – und umgekehrt – sind psychische Probleme eine echte Gefährdung und dadurch Risiko Nr. 8: kranke Seele.
Zum Schluss noch eine Frage: Rauchen Sie etwa? Immer noch? (Andere Abhängigkeiten will ich gar nicht erwähnen.) Über die negativen Auswirkungen von Nikotin brauche ich Sie nicht aufzuklären; darüber wissen Sie ohnehin Bescheid. Also ist Risiko Nr. 9: Rauchen.
Es reicht! Was ist denn mit meinen guten Eigenschaften? Mit meiner Lebenslust, meiner Liebe zur Natur, zur Familie? Mit meiner Hilfsbereitschaft, meiner Großzügigkeit, meinen vielen Interessen, meiner Freude an der Arbeit? Zählt denn das alles gar nicht?