Letzte Dinge regeln

KARIN VON FLÜE

Letzte Dinge regeln

Fürs Lebensende vorsorgen – mit Todesfällen umgehen

Dank

Die Autorin dankt Monika Brechbühler für die Informationen zum Thema Pflege von Angehörigen (Kapitel 5) sowie Käthi Zeugin für das sorgfältige Lektorat.

Download-Angebot zu diesem Buch

Sämtliche mit diesem Signet gekennzeichneten Checklisten, Vorlagen und Muster im Anhang stehen auch online zum Herunterladen bereit unter: www.beobachter.ch/download (Code 8585).

Beobachter-Edition

5., aktualisierte Auflage, 2018

© 2009 Ringier Axel Springer Schweiz AG, Zürich

Alle Rechte vorbehalten

www.beobachter.ch

Herausgeber: Der Schweizerische Beobachter, Zürich

Lektorat: Käthi Zeugin, Zürich

Umschlaggestaltung und Reihenkonzept: buchundgrafik.ch

Umschlagfoto: Agentur plainpicture

Satz: Jacqueline Roth, Zürich

Druck: Grafsches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe

ISBN 978-3-03875-093-2

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Inhalt

Vorwort

Teil 1

Vorsorgen für den Pflege- und den Todesfall

Die Liebsten absichern

Das Einmaleins des Erbrechts

Wenn Kinder da sind

Wenn keine Kinder da sind

Erben und ihre Pflichtteile

Erbvorbezug und Schenkung

Erbvorbezug und Heimfinanzierung

Streit unter den Erben vermeiden

Das digitale Erbe regeln

Die Ehefrau, den Ehemann absichern

Zuerst: die güterrechtliche Teilung

Begünstigung für Ehepaare ohne Kinder

Begünstigung für Ehepaare mit Kindern

Vorsorgen durch Versicherungen

Den Lebenspartner, die Partnerin absichern

Kein gesetzliches Erbrecht

Begünstigung in der 2. Säule

Begünstigung in der Säule 3a

Vorsorgen durch Versicherungen

Was Alleinstehende wissen sollten

Die Erbabwicklung erleichtern

Vorsorgen für den Pflegefall

Wohnen und Organisatorisches

Die Vollmacht für Ihre Vertrauensperson

Der Vorsorgeauftrag

Der Beistand vom Staat

Die beste Wohnform finden

Welche Pflege wünschen Sie sich?

Wenn Angehörige pflegen

Was die Spitex leistet

Privates Pflegepersonal

Die Versorgung im Pflegeheim

Die Pflegekosten

Über Geld sprechen

Was die Krankenkassen übernehmen

Ergänzungsleistungen zu AHV- oder IV-Rente

Anspruch auf Hilflosenentschädigung

Die private Pflegeversicherung

Pflegende Angehörige entschädigen

Selber bestimmen, wenn es ums Sterben geht

Wer entscheidet über medizinische Massnahmen?

Die eigenen Wünsche kommen zuerst

Die Patientenverfügung

Sterbebegleitung

Professionelle Hilfe: Palliativpflege

Der Umgang mit Schmerzen

Seelsorgerische Begleitung

Sterbehilfe

Was ist in der Schweiz erlaubt?

Wenn Sie Sterbehilfe beanspruchen möchten

Was soll nach Ihrem Tod geschehen?

Die Organspende

Die Körperspende

Leichenschau und Obduktion

Die Beerdigung ordnen

Die Bestattung: Erde oder Feuer?

Auf dem Friedhof

Die Natur als letzte Ruhestätte

Die Trauerfeier: traditionell oder alternativ?

Die kirchliche Feier

Eine etwas andere Trauerfeier

Anordnungen zur Bestattung

Der Vorsorgevertrag

Die Rolle der Angehörigen

Die Kosten für die Bestattung

Teil 2:

Leitfaden für Angehörige

Einen Angehörigen pflegen

So bereiten Sie sich auf die Pflege vor

Bevor Sie Ja sagen

Klare Vereinbarungen treffen

Einen Pflegevertrag abschliessen

Die Betreuungsgutschrift der AHV

Der Umgang mit Belastungen

Die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen

Unterstützung und Entlastung

Der Umgang mit dem kranken Menschen

Miteinander durch das Tal der Tränen gehen

Schmerzen und Depressionen

Die Pflege dem Heim anvertrauen

Die Pflegesituation neu begutachten

Wenn der Tod naht

Todesfall: Das kommt auf Sie zu

Formalitäten rund um die Beerdigung

Sofort nach dem Tod die Dinge regeln

Der Gang zum Bestattungsamt

Weitere Stellen informieren

Todesanzeige und Danksagung

Die Bestattungsbräuche

Das Aufbahren

Einsargen und Transport des Toten

Sarg und Totenbekleidung

Erdbestattung oder Kremation?

Wer bestimmt über die Bestattung?

Die Bestattungskosten

Die Trauerfeier organisieren

Die Feier in der Kirche

Die alternative Trauerfeier

Der virtuelle Friedhof im Internet

Nach der Beerdigung

Was geschieht mit dem Nachlass?

Die Erbengemeinschaft

Der Willensvollstrecker

Wenn sich das Amt einschaltet

Angst vor Schulden: die Ausschlagung

Organisatorisches

Was tun mit dem Testament?

Einen Erbenvertreter bestimmen

Verträge kündigen und Verpflichtungen auflösen

Pass für die Erben: der Erbschein

Die Teilung der Erbschaft

Ermittlung des Vermögens und Bewertung des Nachlasses

Erbquoten und Zuteilung in natura

Alles dem hinterbliebenen Elternteil überlassen?

Wenn Erben streiten

Renten und andere Zahlungen an Hinterbliebene

Die Leistungen der AHV

Die Leistungen der Pensionskasse

Die Leistungen aus der 3. Säule

Trauer und Neubeginn

Die Trauerphasen

Mit der Trauer umgehen

Hilfe und Unterstützung

Anhang

Checkliste: Todesfall

Vorlagen zum Ausfüllen

Musterdokumente

Adressen

Beobachter-Ratgeber

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Verschiebe nie auf morgen, was du heute kannst besorgen. Dieser Lebensweisheit folgen wir gerne bei allen lustvollen Aktivitäten. Uns mit Themen wie Pflegefall und Tod zu beschäftigen, verschieben wir dagegen lieber auf den St. Nimmerleinstag. Nicht Sie! Mit dem Aufschlagen dieses Buchs ist der entscheidende erste Schritt schon getan.

Wer sich frühzeitig mit der letzten Lebensphase, dem Tod und seinen Folgen auseinandersetzt, kann in Ruhe für sich und seine Liebsten vorsorgen. Und dabei soll dieses Buch helfen: Der erste Teil zeigt Ihnen, was im Hinblick auf den eigenen Pflege- und Todesfall alles zu bedenken ist – von den finanziellen über die ethischen bis hin zu den organisatorischen Aspekten; der zweite Teil richtet sich an die Angehörigen. Sie erfahren, was bei der Pflege eines nahestehenden Menschen zu beachten ist, was es im Todesfall alles zu regeln gilt und wie sie dabei am besten vorgehen. Kurz: «Letzte Dinge regeln» ist ein Ratgeber, der alle wichtigen Fragen rund ums Thema Pflege, Sterben und Tod beantwortet. In der vorliegenden fünften Auflage finden Sie neu Informationen zur Demenzklausel und noch mehr Tipps und Erfahrungswissen aus der täglichen Beratungspraxis des Beobachter-Beratungszentrums.

Liebe Leserin, lieber Leser, Themen wie Pflegebedürftigkeit und Tod sind keine leichte Kost. Ich wünsche Ihnen den Mut, sich damit auseinanderzusetzen, und hoffe, dass Ihnen dieses Buch einige wertvolle Impulse liefert. Denn sind diese heiklen Fragen erst einmal geklärt und geregelt, fällt das Leben – egal in welcher Lebensphase – ein schönes Stück leichter.

Karin von Flüe
im Januar 2018

 

Teil 1

Vorsorgen für den Pflege- und den Todesfall

Die Liebsten absichern

Sterben und Tod – darüber denken viele nur ungern nach. Meist wagen wir uns erst an diese Themen, wenn es darum geht, Familienangehörige abzusichern: mit Ehevertrag, Testament, Versicherung. Oder wenn ein Todesfall in der Umgebung auch das eigene Sterben innerlich näherrücken lässt. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie am besten für Ihre Liebsten vorsorgen, aber auch, was gilt, wenn Sie gar nichts unternehmen.

Das Einmaleins des Erbrechts

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) definiert, wer nach dem Tod eines Menschen für dessen Kinder und Tiere sorgen muss und wer das Hab und Gut erbt. Das Gesetz lässt aber Raum für eigene, abweichende Anordnungen.

Gesetzliche Erben, Pflichtteil, Erbvorbezug, frei verfügbare Quote – das Erbrecht wartet mit einer Fülle an Fachausdrücken und Regelungen auf, die auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken. Trotzdem ist es ratsam, sich mit dieser Materie zu befassen. Denn wenn Sie Ihre Verhältnisse umsichtig und in Ruhe klären, vermeiden Sie viele Probleme. Bei komplexen Familien- und Besitzverhältnissen lohnt sich die individuelle Beratung durch eine Fachanwältin für Erbrecht.

BUCHTIPP

Dieses Buch beschreibt die Grundzüge des Erbrechts, die Sie für eine erste Auslegeordnung benötigen. Ausführlichere Informationen finden Sie in diesem Beobachter-Ratgeber: Testament, Erbschaft. Wie Sie klare und faire Verhältnisse schaffen.

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Wer zur gesetzlichen Erbengemeinschaft gehört, bestimmt die sogenannte Stammesordnung und vor allem aber Ihre familiäre Situation.

Wenn Kinder da sind

Die verstorbene Person wird im Erbrecht als Erblasser bezeichnet. Hinterlässt der Erblasser Nachkommen, also Kinder und Kindeskinder, bilden diese die Erbengemeinschaft.

Hinterlässt eine Verstorbene einen Ehemann oder eine eingetragene Partnerin, gehört diese Person ebenfalls zur Erbengemeinschaft. Der Ehegatte respektive die Partnerin erhält die Hälfte des Nachlasses. Die andere Hälfte geht zu gleichen Teilen an die Kinder. Ist ein Kind vorverstorben, treten dessen Nachkommen an seine Stelle.

Verwandte des elterlichen oder grosselterlichen Stamms sind ausgeschlossen.

Erster Stamm: die Nachkommen

Wenn keine Kinder da sind

Hat ein Erblasser keine Nachkommen, gehören Mutter und Vater zur Erbengemeinschaft; sie erben je zur Hälfte. Ist ein Elternteil schon verstorben, geht das Erbe weiter an seine Nachkommen, also an die Geschwister und Halbgeschwister des Erblassers. An die Stelle eines vorverstorbenen Geschwisters treten wiederum dessen Kinder, also Neffen und Nichten.

Zweiter Stamm: Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten

War der Erblasser verheiratet oder lebte er in eingetragener Partnerschaft, gehört auch die hinterbliebene Ehegattin beziehungsweise der Partner zu den gesetzlichen Erben. Sie erhalten drei Viertel der Erbschaft; der Stamm der Eltern erhält total einen Viertel.

Der grosselterliche Stamm

Wenn eine Erblasserin keine Verwandten vom Stamm der Eltern hinterlässt, gehören die Grosseltern der mütterlichen und väterlichen Seite zur Erbengemeinschaft. An die Stelle bereits verstorbener Grosseltern treten ihre Kinder, also Onkel und Tanten der Erblasserin. Sind auch diese verstorben, kommen deren Kinder, also die Cousinen und Cousins, zum Zug.

Hinterlässt die Erblasserin aber einen Ehemann, so ist er Alleinerbe (dasselbe gilt auch für die eingetragene Partnerin). Die Verwandten des grosselterlichen Stammes sind dann von Gesetzes wegen vom Erbe ausgeschlossen.

Der Staat als Erbe

Hinterlässt eine verstorbene Person weder Nachkommen noch einen Ehegatten respektive eingetragenen Partner noch Verwandte des elterlichen oder grosselterlichen Stammes, erbt der Kanton, in dem sie zuletzt ihren Wohnsitz hatte.

DRITTER STAMM: GROSSELTERN, ONKEL, TANTEN UND COUSINS

INFO Nicht zu den gesetzlichen Erben gehören die geschiedene Ehefrau, der nicht eingetragene Lebenspartner, Stiefkinder, Stiefeltern, Stiefgeschwister, Schwiegereltern und andere verschwägrte Verwandte.

Erben und ihre Pflichtteile

In einem Testament kann man Personen oder Institutionen als Erben einsetzen. Auch einzelne gesetzliche Erben können gegenüber anderen bevorzugt werden. In den meisten Familien ist die Verfügungsfreiheit aber durch Pflichtteile eingeschränkt. Denn Ehefrau und Ehemann, eingetragene Partner und Partnerinnen, die Nachkommen und die Eltern haben von Gesetzes wegen Anspruch auf einen Pflichtteil. Anderen Personen steht kein Pflichtteil zu; das gilt seit 1988 auch für Geschwister.

Wie gross ist der Pflichtteil?

Das Gesetz bestimmt die Höhe des Erbteils der gesetzlichen Erben. Diese gesetzlichen Erbteile dürfen Erblasser bei den Pflichtteilserben nur beschränkt verkleinern: bei Nachkommen um einen Viertel, beim Ehemann respektive der eingetragenen Partnerin und den Eltern um die Hälfte. Man nennt diese Praxis «auf den Pflichtteil setzen». Der Pflichtteil ist also der Teil des gesetzlichen Erbteils, den der Erblasser seinen Pflichtteilserben nicht entziehen darf (wie diese Pflichtteile berechnet werden, veranschaulicht das Beispiel im Kasten auf der vorangehenden Seite).

SO WERDEN PFLICHTTEILE BERECHNET

INFO Der Bundesrat will die Pflichtteile der Nachkommen auf die Hälfte verkleinern. Der Pflichtteil der Witwen und Witwer soll noch einen Viertel betragen und jener der Eltern ganz wegfallen. Das Parlament wird frühestens 2018 über diese Änderung beraten.

Die verfügbare Quote

Der nicht gebundene Teil des Erbes (im Beispiel: 3/8) heisst frei verfügbare Quote. Über diesen Teil des Nachlasses können Erblasser nach Belieben verfügen. Je nach Zusammensetzung der Erbengemeinschaft ist diese Quote unterschiedlich hoch.

Wichtig: Wenn Sie Pflichtteile verletzen, ist Ihr Testament deswegen nicht automatisch ungültig. Die Erben haben jedoch die Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Sie müssen die Pflichtteilsverletzung innert eines Jahres seit der Testamentseröffnung gerichtlich anfechten und ihren Pflichtteil fordern. Ohne eine fristgerechte Anfechtung oder eine Einigung der Erben auf eine andere Regelung gelten Ihre Anordnungen trotz der Pflichtteilsverletzung.

Erbvorbezug und Schenkung

Mit einem Erbvorbezug, auch Vorempfang genannt, gibt jemand schon zu Lebzeiten seinen gesetzlichen Erben etwas vom künftigen Erbe ab. In den allermeisten Fällen sind es die Eltern, die ihren Kindern unter die Arme greifen. Das kann sinnvoll sein: Die ältere Generation ist vitaler als früher, lebt länger und ist im Durchschnitt vermögender als die jüngeren Jahrgänge. Und die Kinder können eine Unterstützung gut gebrauchen: für die Familiengründung, für eine eigene Firma oder für Wohneigentum.

Die freie Entscheidung

Eltern sind nicht verpflichtet, ihren Kindern einen Vorempfang auszurichten. Sie entscheiden frei, ob sie schon zu Lebzeiten etwas von ihrem Vermögen weitergeben möchten und wenn ja, in welcher Höhe und welchem Kind. Sie müssen auch nicht alle Kinder gleich behandeln. Erst nach dem Tod der Eltern sieht das Gesetz einen Ausgleich vor.

Um böses Blut zu vermeiden, ist es allerdings besser, wenn Sie das Thema offen mit Ihren Kindern besprechen. Idealerweise erhalten alle Kinder gleich viel oder sie sind informiert, wenn eines der Geschwister mehr bekommt. Besprechen Sie auch, ob nach Ihrem Tod voll, teilweise oder gar nicht ausgeglichen wird. Muss ein Kind das Erhaltene ausgleichen, spricht man von Erbvorbezug; ist es vom Ausgleich befreit, spricht man von Schenkung.

Den Erbvorbezug ausgleichen

Haben zu Lebzeiten der Eltern nicht alle Kinder gleich viel erhalten, wird nach deren Tod abgerechnet. Unter den Nachkommen sind Erbvorbezüge immer auszugleichen. Um einen solchen Erbvorbezug handelt es sich, wenn die Eltern das Erhaltene als Erbvorbezug oder Vorempfang bezeichnet haben.

Oft wird das aber nicht gemacht, ja, es gibt nicht einmal etwas Schriftliches. In solchen Fällen sieht das Gesetz vor, dass alle Zuwendungen der Eltern automatisch als Erbvorbezug gelten, wenn sie «Ausstattungscharakter» hatten. Das heisst, wenn die Schenkung der Existenzsicherung oder -verbesserung diente – zum Beispiel, wenn die Tochter mit der geschenkten Summe Schulden beglichen, ein Eigenheim finanziert oder das Geld in ein eigenes Geschäft gesteckt hat. Die meisten Schenkungen an die Kinder zählen zu dieser Kategorie.

Nicht ausgleichen müssen Kinder die in ihrer Familie üblichen Gelegenheitsgeschenke, etwa zum Geburtstag und an Weihnachten. Das Gleiche gilt für reine Luxusschenkungen, wenn der Vater dem Sohn zum Beispiel einen Ferrari schenkt.

TIPP Am besten halten Sie alle Vorempfänge schriftlich fest und stellen klar, ob das Erhaltene nach Ihrem Tod auszugleichen ist oder nicht.

URS T. HAT EINEN ERBVORBEZUG von 20000 Franken erhalten, seinem Bruder Georg haben die Eltern ohne Vermerk 10000 Franken überweisen, damit er seine Schulden begleichen kann. Beim Tod der Eltern verbleiben 90000 Franken. Dazu werden der Erbvorbezug und die Überweisung addiert; total beträgt die Teilungssumme also 120000 Franken. Jeder Sohn erbt davon die Hälfte, je 60000 Franken. Von den noch vorhandenen 90000 Franken erhält Urs T. 40000 Franken (60000 minus 20000 Erbvorbezug), sein Bruder 50000 Franken (60000 minus 10000 Erbvorbezug). Hätten die Eltern nachweislich festgehalten, dass Georg T. die überwiesene Summe nicht ausgleichen müsse, wären vom Nettonachlass 55000 Franken an ihn und 35000 Franken an Urs T. gegangen.

Vorbezüge in Form von Geld müssen nur verzinst oder der Teuerung angepasst werden, wenn die Eltern das so bestimmen. Vorbezogene Sachwerte, zum Beispiel ein Haus, sind dagegen auch ohne spezielle Anordnung der Eltern zum Verkehrswert am Tag der Erbteilung auszugleichen. Hier wird eine Wertsteigerung also berücksichtigt. Das kann zu Überraschungen führen.

ELSA G. ERHÄLT VON DEN ELTERN eine Ferienwohnung geschenkt, Wert im Zeitpunkt der Schenkung nach Abzug der Hypothek: 200000 Franken. Ihrem Bruder Tim überweisen die Eltern dieselbe Summe. Sie wollen die Kinder schliesslich gleich behandeln. Tim G. kauft sich mit dem Vorempfang ein Eigenheim. Als die Eltern sterben, haben sich der Wert der Ferienwohnung und des Eigenheims verdoppelt. Bei der Erbteilung muss sich Tim G. nur 200000 Franken als Erbvorbezug anrechnen lassen, Elsa G. dagegen 400000 Franken. Zum Glück für Frau G. verzichtet ihr Bruder auf diesen Ausgleich.

TIPP Wenn ein Kind nicht den vollen Preis für die elterliche Liegenschaft bezahlen muss, ist es ratsam, dass die Eltern und alle Kinder beim Notar einen Erbvertrag abschliessen. Darin können die Familienmitglieder verbindlich abmachen, ob und wenn ja welche Summe beim Tod der Eltern auszugleichen ist. So schaffen Sie Rechtssicherheit und beugen späteren Streitigkeiten vor.

Wenn Pflichtteile verletzt werden

Im obigen Beispiel hätten die Eltern ihre Tochter von der Ausgleichung des Mehrwerts der Ferienwohnung befreien können (siehe Formulierung auf Seite 21). Allerdings kann man nicht eines der Kinder gegen den Willen der anderen unbeschränkt einseitig von der Ausgleichung befreien. Ist die Ungleichbehandlung unter den Kinders so gross, dass die Pflichtteile verletzt werden, können die benachteiligten Kinder nach dem Tod der Eltern zumindest einen teilweisen Ausgleich verlangen (die Höhe der Pflichtteile finden Sie auf Seite 20).

ALS DIE ELTERN VON MAREK UND CHRIS T. sterben, haben sie fast all ihr Vermögen aufgebraucht. Marek T. hat schon zu ihren Lebzeiten das Elternhaus erhalten. Die Eltern hielten im Abtretungsvertrag fest, dass er die Differenz zwischen dem damaligen Verkehrswert und dem Anrechnungswert von 100000 Franken gegenüber seinem Bruder nicht ausgleichen müsse. Beim Tod der Eltern hat sich der Wert der Liegenschaft verdoppelt, und damit auch der Wert der elterlichen Schenkung, die nun 200000 Franken beträgt. Davon kann Chris T. einen Anteil von 3/8 fordern (¾ Pflichtteil x ½ gesetzlicher Anteil). Marek T. muss also seinem Bruder – wenn dieser darauf besteht – 75000 Franken aus dem eigenen Vermögen auszahlen.

Und was gilt, wenn Marek T. das Erbe der Eltern ausschlägt (siehe Seite 167)? Auch dann kann Chris T. auf der Auszahlung seines Pflichtteils beharren. Dies aber nur, wenn er die elterliche Erbschaft nicht ebenfalls ausschlägt. Solange der Nachlass nicht überschuldet ist, hat er dazu ja keinen Anlass. Ist der elterliche Nachlass jedoch überschuldet, muss Chris T. sicher sein, dass sein Bruder genügend Vermögen hat, um ihm den Pflichtteil auszuzahlen. Wenn nicht, schlägt er besser aus. Denn auch hier gilt: Wo nichts ist, ist nichts zu holen. Und noch schlimmer: Ohne Ausschlagung müsste Chris T. die Schulden der Eltern selber begleichen.

Erbvorbezug und Heimfinanzierung

Oft wollen Eltern ihre Liegenschaft den Kindern schon zu Lebzeiten abtreten. Problematisch ist dies nur, wenn ihnen später finanzielle Mittel für den Lebensunterhalt fehlen, zum Beispiel, weil sie ins teure Pflegeheim ziehen müssen. Die Behörden oder das Heim können den Kindern die geschenkte Liegenschaft zwar nicht mehr wegnehmen – geschenkt ist geschenkt –, doch bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen wird die Schenkung – oder ein Verkauf unter dem Wert – als freiwilliger Vermögensverzicht behandelt. Das heisst: Der Wert der Schenkung samt einem hypothetischen Ertrag wird den Eltern angerechnet, wie wenn dieses Vermögen immer noch vorhanden wäre.

Entgegen einem weitverbreiteten Irrglauben sind davon auch Schenkungen betroffen, die länger als fünf oder zehn Jahre zurückliegen. Immerhin ist es erlaubt, jedes Jahr 10000 Franken zu verschenken. Ein freiwilliger Vermögensverzicht reduziert sich also jährlich um 10000 Franken. Haben die Eltern zum Beispiel 50000 Franken verschenkt und benötigen sie erst sechs Jahre später Ergänzungsleistungen, wird die gesamte Schenkung nicht mehr angerechnet.

Je früher Sie also Vermögen weggeben, desto besser. Die Höhe des Vermögensverzichts lässt sich zudem erheblich reduzieren, wenn Sie sich zum Beispiel in einer geschenkten Liegenschaft das lebenslange Nutzniessungs- oder Wohnrecht vorbehalten.

Und was passiert, wenn wegen der Schenkung noch nicht genügend Ergänzungsleistungen fliessen? Zur Not würde die Sozialhilfe einspringen. Das empfinden allerdings viele ältere Menschen als höchst unangenehm. Kommt hinzu, dass das Sozialamt prüfen würde, ob wohlhabende Kinder unterstützungspflichtig sind (Verwandtenunterstützungspflicht). Nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), an die sich die meisten Kantone halten, ist wohlhabend, wer als Alleinstehender ein steuerbares Einkommen von mindestens 120000 Franken hat. Bei Ehepaaren sind es 180000 Franken, und für jedes minderjährige oder in Ausbildung befindliche Kind kommen noch 20000 Franken dazu (Stand 2018). Das Vermögen wird bei Alleinstehenden erst ab 250000 Franken, bei Verheirateten ab 500000 Franken mitberücksichtigt.

Von dieser Berechnung sind alle Nachkommen betroffen, also nicht nur das Kind, das die elterliche Liegenschaft oder eine andere Schenkung erhalten hat. Schlimmstenfalls kann es passieren, dass von zwei Geschwistern zum Beispiel der Sohn ohne Erbvorbezug monatliche Beiträge an die Eltern leisten muss, weil er sehr gut verdient. Seine Schwester muss dagegen trotz Erbvorbezug nichts zahlen, weil sie unter den oben erwähnten Einkommens- und Vermögensgrenzwerten bleibt. Das ist unfair.

TIPP Machen Sie sich frühzeitig entsprechende Gedanken, wenn Sie Ihre Liegenschaft an die Kinder abtreten möchten. Professionelle Beratung zur Heimfinanzierung erhalten Sie bei Pro Senectute (www.prosenectute.ch).

Streit unter den Erben vermeiden

Streit entsteht meist darüber, wer welches Erbstück zu welchem Anrechnungswert erhalten soll. Ist nur ein Erbe mit dem Teilungsvorschlag der anderen nicht einverstanden, ist die Teilung blockiert, denn die Erbengemeinschaft muss ihre Beschlüsse immer einstimmig fällen. Finden die Erben keine Lösung, hilft nur ein aufwendiger Erbteilungsprozess (mehr zum Thema Erbteilung auf Seite 175). Mit einem Erbvertrag oder Testament lässt sich das Streitpotenzial erheblich reduzieren.

Gemeinsam mit den Erben bestimmen: der Erbvertrag

Der Erbvertrag erlaubt eine auf die familiäre Situation zugeschnittene Regelung. Besonders in Patchworkfamilien – wenn also Kinder aus früheren Beziehungen da sind – oder in Konkubinatsfamilien bietet dieser Vertrag mehr Spielarten als ein Testament oder ein Ehevertrag. Im Erbvertrag können Sie gemeinsam mit Ihren Erben die spätere Erbteilung verbindlich festlegen. Pflichtteilsgeschützte Erben können teilweise oder ganz oder auch für eine bestimmte Zeit auf den Pflichtteil verzichten. Die betroffenen Pflichtteilserben müssen aber mit der Lösung einverstanden und über 18 Jahre alt sein. Stehen Erben unter einer Beistandschaft, die den Abschluss eines Erbvertrags umfasst, bedarf es auch der Zustimmung des Beistands.

FLAVIA B., 65-JÄHRIG, ist geschieden und hat zwei Töchter; sie lebt seit 20 Jahren mit ihrer Freundin Yolanda G. zusammen. Frau B., ihre Töchter und die Lebenspartnerin unterschreiben, dass Yolanda G. gratis und lebenslänglich in Flavia B.s Haus wohnen darf. Die Töchter verzichten damit auf ihren Pflichtteil und auf den Zugriff auf ihr Erbe bis zum Tod der Lebenspartnerin.

Wer einen Erbvertrag aufsetzen will, muss eine Urkundsperson beiziehen. In den meisten Kantonen ist das ein Notar. Die Erben und der Erblasser müssen den Erbvertrag vor dem Notar und im Beisein zweier Zeugen abschliessen. Anschliessend kann der Erblasser die im Erbvertrag getroffenen Vereinbarungen nur mit Einwilligung der anderen Vertragspartner aufheben oder ändern. Sind alle mit der Aufhebung einverstanden, reicht ein gemeinsamer schriftlicher Vertrag. Soll der Erbvertrag dagegen ganz oder teilweise geändert werden, müssen alle wieder zum Notar.

Allein entscheiden: das Testament

Mit einem Testament können Sie einseitig vorsorgen und zum Beispiel den Anrechnungswert einzelner Erbschaftsgegenstände bestimmen oder durch Teilungsvorschriften verfügen, wer welche Gegenstände aus Ihrem Nachlass erhalten soll. Sie können auch bestimmen, dass gewisse Vermögenswerte – etwa eine Liegenschaft – verkauft werden müssen und nur der Erlös verteilt wird. Das Testament hat den Vorteil, dass es sich in aller Ruhe und ohne Mitwirkung von Erben verfassen lässt. Dabei müssen Sie die Pflichtteile beachten (Testamentsmuster finden Sie im Anhang).

Damit Ihr Testament gültig ist, müssen Sie es von Anfang bis Ende von Hand verfassen, datieren und unterschreiben. Zusätze oder Unterschriften Ihres Ehepartners oder anderer Erben haben darin nichts zu suchen! Möchten Eheleute sich gegenseitig begünstigen, muss jeder für sich ein eigenes, handgeschriebenes Testament aufsetzen. Oder sie wählen die Form des Erbvertrags und wenden sich an ein Notariatsbüro.

Menschen, die Mühe haben, von Hand zu schreiben, oder das Formulieren ihrer Wünsche lieber Experten überlassen, können ein öffentliches Testament errichten. Öffentlich heisst nicht, dass die Allgemeinheit von Ihrem letzten Willen erfährt. Es bedeutet, dass Ihr Testament nach Ihren Wünschen und in Ihrem Beisein von einer Notarin aufgesetzt und von dieser sowie zwei Zeugen, meist Notariatsangestellten, beurkundet wird.

Die beiden Testamentsarten unterscheiden sich nur in der Form. Die eine hat nicht mehr Gewicht als die andere.

TIPP Ist zu befürchten, dass einzelne Erben später Ihr Testament anfechten und behaupten, Sie seien beim Verfassen nicht urteilsfähig gewesen, machen Sie besser ein öffentliches Testament. Der Notar und die Zeugen hätten schliesslich bemerken müssen, dass Sie nicht verfügungsfähig sind.

Der Willensvollstrecker

Um sicherzugehen, dass Ihrem Testament Folge geleistet wird, können Sie einen Willensvollstrecker einsetzen. Das kann ein Erbe sein, zum Beispiel Ihre Ehefrau, Ihr Mann, oder auch ein Nichterbe, etwa ein juristisch gewandter Freund oder eine Anwältin.

Der Willensvollstrecker hat sich bis zur Teilung um alle Geschäfte der Hinterlassenschaft zu kümmern: Er begleicht die Erbschaftsschulden, richtet Vermächtnisse aus, bewirtschaftet den Nachlass und bereitet die Teilung der Erbschaft nach Ihren Anordnungen vor. Nur er allein hat Zugriff auf den Nachlass. Der Willensvollstrecker hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Sinnvoll ist es, wenn Sie sein Honorar im Testament festlegen, am besten in Form eines Stundenlohns (siehe auch Seite 164).

Der richtige Aufbewahrungsort

Es ist wichtig, dass man das Testament nach Ihrem Tod schnell finden kann. Wenn Sie es zu Hause aufbewahren, legen Sie es am besten ins Familienbüchlein respektive zum Familienausweis oder zum Schriftenempfangsschein. Sie können das Dokument auch einer Vertrauensperson zur Aufbewahrung übergeben oder es bei einer amtlichen Stelle im Kanton gegen Gebühr hinterlegen. Welche Stelle das ist, erfahren Sie auf der Gemeindekanzlei.

Beim Erbvertrag und beim öffentlichen Testament sorgt der Notar zusätzlich für die amtliche Aufbewahrung eines Exemplars.

Das digitale Erbe regeln

Zu Ihrem Nachlass gehören nicht nur Ihre Sach- und Vermögenswerte. Sind Sie aktiv auf Plattformen wie Facebook, Xing, Twitter und Co.? Haben Sie ein E-Mail-Konto, einen Blog oder sogar eine eigene Website? All Ihre Profile auf den Social-Media-Kanälen, Ihre Daten bei Anbietern wie Google, Ihre Fotosammlung auf Instagram und Ihre Konten bei Onlineshops gehören auch zu Ihrer Hinterlassenschaft. Damit Ihre Angehörigen nach Ihrem Tod Zugang zu diesen Daten haben, sollten Sie unbedingt dafür sorgen, dass sie Zugriff auf die dazugehörenden Passwörter haben – sonst bleiben Ihre Daten im Netz. Für die Angehörigen ist es mühsam, ohne Zugangsdaten Ihr digitales Erbe zu verwalten und zu schützen.

Immerhin bieten die meisten Netzwerke inzwischen Lösungen an. Facebook etwa ermöglicht den Angehörigen, das Konto löschen zu lassen oder das Profil des Verstorbenen in einen Gedenkstatus zu transferieren, damit Freunde auf der Pinnwand Einträge hinterlassen können und eine Art virtuelle Trauerstätte erhalten. Für die Angehörigen ist das aber umständlich. Je nach Anbieter braucht es eine Todesbescheinigung oder gar einen Erbschein mit den Unterschriften aller darauf aufgeführten Erben.

Rechtzeitig regeln

Besser ist, Sie sorgen selber vor. So können Sie auch selber bestimmen, wer Ihren Mailverkehr lesen darf, welche Daten zu löschen sind, wer Ihre Fotosammlung beim Cloud-Anbieter erhält. Bei Facebook und Google zum Beispiel können Sie selber veranlassen, dass Ihre Profile nach Ihrem Tod gelöscht werden oder Sie können einem digitalen Nachlassverwalter Ihrer Wahl die Befugnis darüber verschaffen. Und das geht so:

Bei Google: Mein Konto → Persönliche Daten und Privatsphäre Google-Aktivitäten verwalten → Kontoinaktivitätsmanager

Bei Facebook: Dreieck-Zeichen oben rechts anklicken → Einstellungen → Konto verwalten

Im Internet finden sich inzwischen auch verschiedene Anbieter von virtuellen Tresoren. Diese können Sie beauftragen, alle Ihre Internetaccounts nach Ihrem Tod zu deaktivieren, zu ändern oder an eine andere Person zu übertragen. Der Anbieter Secure-Safe beispielsweise wirbt damit, dass diese Daten auf seinen Servern in einem ehemaligen Militärbunker in den Schweizer Bergen sicher gespeichert werden.

So oder so gibt es aber keine Garantie, dass solche Dienstleister auch Jahre später noch existieren. Womöglich ist Ihnen daher die alte, «analoge» Methode sympathischer: Sie können Anordnungen für den digitalen Nachlass auch in Ihrem handschriftlichen Testament hinterlassen (siehe Formulierungsbeispiele auf der vorangehenden Seite). Listen Sie darin alle Accounts mit den Passwörtern auf und bestimmen Sie, was mit den Daten passieren soll. Sie können auch einen Willensvollstrecker damit beauftragen, zum Beispiel einen in der digitalen Welt bestens bewanderten Neffen.

Die Ehefrau, den Ehemann absichern

Hat ein Ehepaar Kinder, gehören diese zur Erbengemeinschaft. Sind keine Kinder da, erben die Eltern und allenfalls die Geschwister. So sieht es die gesetzliche Erbfolge vor. Was aber gilt, wenn man die gesetzlichen Erben von der Erbfolge ganz oder teilweise ausschliessen möchte?

Bei Ehepaaren mit Kindern geht die eine Hälfte des Nachlasses an den hinterbliebenen Ehepartner, die andere an die Kinder. Viele Paare möchten allerdings, dass ihre Kinder erst nach dem Tod beider Elternteile erben. Wer seine letzten Dinge anders regeln will, als es das Gesetz vorsieht, muss aktiv werden, sei es mit einem Testament, einem Erb- und/oder Ehevertrag.

INFO Die gleichen Regeln gelten auch für homosexuelle Paare, die in eingetragener Partnerschaft leben. Sie sind seit dem 1. Januar 2007 den verheirateten Paaren erbrechtlich gleichgestellt.

Zuerst: die güterrechtliche Teilung

Oft vergisst man einen wichtigen Punkt: Vor der erbrechtlichen kommt die güterrechtliche Teilung. In einem ersten Schritt passiert praktisch das Gleiche wie bei einer Scheidung.

Das bedeutet, dass die hinterbliebene Ehefrau, der Ehemann nicht das ganze eheliche Vermögen mit den Miterben teilen muss. Es bedeutet aber gleichzeitig, dass bei dieser güterrechtlichen Berechnung auch die auf den Namen des überlebenden Ehepartners lautenden Vermögenswerte rechnerisch berücksichtigt werden: An die Witwe – oder den Witwer – fallen vorab ihr Eigengut sowie ihr Anteil an der gemeinsamen Errungenschaft. Der Rest des ehelichen Vermögens gilt als Nachlass des verstorbenen Ehemanns – und nur an diesem Nachlass sind die anderen Erbinnen und Erben beteiligt.

Klar voneinander zu unterscheiden sind dabei die eigentumsrechtliche und die güterrechtliche Ebene. Das Eigentumsrecht bestimmt, wem ein Vermögenswert gehört; das Güterrecht klärt, wie der hinterbliebene Ehepartner und der Nachlass wertmässig – also in Franken gerechnet – daran beteiligt sind. Nur die Vermögenswerte, die dem oder der Verstorbenen gehörten, fallen in den Nachlass, gehören also allen Erben gemeinsam. Diese müssen sich dann einigen, was mit diesen Erbsachen geschieht. Was dem überlebenden Ehegatten, der Witwe gehörte, fällt dagegen nicht in den Nachlass. Die Miterben haben darauf keinen Zugriff. Gelten diese Vermögenswerte allerdings als Errungenschaft, wird ihr Wert bei der Berechnung des Nachlasses mitberücksichtigt. Dann kann es passieren, dass die Witwe, der Witwer die Miterben auszahlen muss

MORITZ E. IST IM GRUNDBUCH als Alleineigentümer der ehelichen Liegenschaft eingetragen. Finanziert wurde das Einfamilienhaus mit dem Ersparten aus seinem Arbeitslohn. Stirbt seine Frau, haben der Sohn und die Töchter keine Chance, das Haus als Eigentum zu beanspruchen; es fällt physisch nicht in den Nachlass. Aber güterrechtlich – also in Franken – ist der Nachlass zur Hälfte am Eigenheim beteiligt, weil es mit Mitteln der Errungenschaft finanziert wurde (siehe nächste Seite). Haben die Eheleute nicht vorgesorgt, muss Moritz E. seinen Kindern ein Viertel des aktuellen Verkehrswerts der Liegenschaft auszahlen.

Die Errungenschaftsbeteiligung

Die meisten Ehepaare haben keinen Ehevertrag abgeschlossen. Dann gilt der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. In den Nachlass fallen – umgerechnet in Franken – das Eigengut des Verstorbenen und die Hälfte der Errungenschaft der Eheleute. Das Eigengut der hinterbliebenen Seite und die andere Hälfte der Errungenschaft gehören von vornherein dem überlebenden Ehegatten (wie sich diese Posten berechnen, zeigt das Beispiel auf Seite 176).

Begünstigung für Ehepaare ohne Kinder

Vater und Mutter können zusammen einen Achtel Ihres Nachlasses als Pflichtteil beanspruchen (siehe Seite 20). Herrscht ein gutes Familienklima, sind die Eltern oft bereit, zugunsten der Schwiegertochter oder des Schwiegersohns auf ihren Pflichtteil zu verzichten. Ein solcher Erbverzicht ist nur in der Form des Erbvertrags gültig. Die Eltern müssten den Verzicht also vor dem Notar und im Beisein zweier Zeugen erklären.