Mara Andeck hat und studiert. Heute schreibt sie mit viel Freude Kinderbücher und rettet heimat-lose Tiere – von der einsamen Schildkröte bis zum süßen Siebenschläfer. Mit ihrem Mann und zwei Hunden lebt sie in der Nähe von Stuttgart. Phine Wolff hat studiert und lebt in Berlin. Mit ganzem Herzen hat sie sich dem Erzählen in Bildern verschrieben und es, Alltagsheldinnen und Superhühner zu zeichnen. In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei einem Recycling-Projekt. Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de
Erschienen bei FISCHER E-Books© 2021, Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag GmbH, Hedderichstrasse 114, D - 60596 Frankfurt am MainCovergestaltung: Phine WolffCoverabbildung: Phine WolffE-Book-Produktion: rombach digitale manufaktur, FreiburgAbhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen. Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.ISBN 978-3-7336-0411-0
51 Ferienfrust beim Sonntagsfrühstück Gaaaah! Schissimatuggi!Aber wahr. Wir fahren dieses Jahr nicht in die Ferien. Und ich hab nicht mal wen, den ich anschreien kann, denn hier kann keiner was dafür. Das Ferienhaus, das wir schon vor einem Jahr fest für diesen Sommer gemietet haben, ist nämlich doch nicht frei. Weil es abgerissen wird.
6Abgerissen? Weg? Für immer? Das wundertollste Haus der Welt? Das kann doch nicht wahr sein! Tja. Ist es aber. Hey, wir fahren da jedes Jahr hin! Es ist direkt am Meer! Und super alt und gemütlich und windschief. Und wenn es stürmt, knarzt es wie ein altes Schiff und man hat das Gefühl, damit ins Meer geweht zu werden. Wo gibt es denn so was noch? Außerdem leben da Seehunde, auf einer Sandbank! Man kann sie von der Terrasse aus sehen. Ich wollte dieses Jahr einen zähmen! Menno, ich hatte Pläne. sagt Feli, meine große Schwester, die neuerdings ganz
7lange, hellblonde Haare haben und nicht mehr Feli heißen will, sondern Fee. Und sie wirft ihre Haare so schwungvoll zurück, als würden sie bis zum Po reichen. Dabei gehen sie ihr nicht mal bis zu den Schultern. Übrigens sind sie auch nicht hellblond, sondern so hellbraun wie der Dackel unserer Nachbarn.»Cool! Wir fliegen nach Ägypten«, sagt Leon, mein großer Bruder, der zum Glück immer noch Leon heißen will. Nur nicht mehr Löwchen, was Mama oft zu ihm sagt. Weil sein Name angeblich Löwe bedeutet und weil er früher so eine niedliche Wuschelmähne hatte. Aber da war er zwei. Und heute ist er fünfzehn und zwei Köpfe größer als Mama. Obwohl er immer noch Wuschelhaare hat, geht Löwchen echt nicht mehr.»Zu fünft? Fliegen? Viel zu teuer. Und viel zu unökologisch, also schlecht für die Umwelt«, sagt Papa. Dabei ist das doch gerade gar nicht das Problem.Hey, unser Ferienhaus soll abgerissen werden! Unser! Haus! Da müssen wir doch kämpfen. Wie können die einfach neue Pläne machen?
8»Das ist nicht u n se ru n se r Haus, nur weil wir da wegen dir jedes Jahr hinmüssen«, sagt Feli, als ich mich beschwere, und wirft schon wieder ihre eingebildeten Haare zurück. »Es wird höchste Zeit, mal was anderes zu sehen.« So. Jetzt habe ich immerhin wen, den ich anschreien kann. Was soll denn das heißen? »Tabea, das Haus ist wirklich schon sehr alt.« Mama legt mir besänftigend die Hand auf die Schulter. »Das Dach ist undicht, es regnet rein!«»Na und?«, frage ich. »Wo ist das Problem? Wir stellen Töpfe unter die Löcher und gießen mit dem Wasser die Zimmerpflanzen.«»Es gibt keine Zimmerpflanzen«, erinnert Feli mich. »Der Wind fegt durchs Haus, selbst wenn die Fenster geschlossen sind. Und das vertragen Pflanzen nicht.«»Das ist ja das Tolle!«, sage ich. »Man muss nicht mal lüften.«

9»Die Klospülung hat letztes Jahr auch nicht mehr funktioniert«, behauptet Leon. Dabei stimmt das nur halb. Sie war ein bisschen schlapp, ja, aber es kam schon noch was raus, wenn ich lange an der vergilbten Kordel gezogen habe. Und wenn das dieses Jahr noch weniger ist, können wir ja nachhelfen. »Dann nehmen wir dafür eben das Wasser aus den Töpfen«, sage ich. »Problem gelöst! Und überhaupt: Abreißen ist unökologisch. Man soll nicht einfach wegschmeißen, was man nicht mehr braucht. Man soll fragen, ob andere davon was haben wollen. Das sagt ihr doch immer. Und ich will unser Haus so was von!«Wir verschwenden unsere Zeit mit dieser Diskussion«, sagt Papa.»Das Haus wird abgerissen, die Besitzer haben es so beschlossen, und wir können daran ändern. Ein anderes Haus am Meer für fünf Leute ist leider auch nicht mehr frei. Und deswegen bleiben wir dieses Jahr daheim. Punkt. Lasst uns jetzt lieber überlegen, was wir stattdessen machen. Na, was soll hier zu Hause euer schönstes Ferienerlebnis werden? Jeder hat einen Wunsch frei.«
Und dann bestimmt er, dass wir alle in unsere Zimmer gehen, um eine Wunschliste zu schreiben. Für eine Familienkonferenz in genau einer Stunde. Da wird dann beschlossen, was jeder von uns in den Ferien machen darf.Erst kann ich das gar nicht tun, weil mir ist. Das ist nämlich ein Problem von mir. Immer wenn ich richtig traurig bin, wird mir übel. Zum Glück bin ich es selten, aber gerade schon. Es wird ein bisschen besser, als ich trotzdem mit der Liste anfange. Erst will ich darauf schreiben, dass wir das Ferienhaus retten sollen. Aber ich weiß ja, das geht nicht. Ich kann einfach überhaupt nichts dafür tun. Also schmiede ich einen Plan B:Meine Liste: 1. Ich will auf ein Z Geht nicht. Schon klar! 2. Ich will ein Pony hGeht auch nicht. Das ist Absicht! 3. Ich will einen Hund. Dann muss das ja wohl klappen, oder? Muhaha!
11So, das ging schnell. Ich hab noch viel Zeit, und mir ist gar nicht mehr schlecht. Also überleg ich schon mal, was für einen Hund ich will. Am liebsten ein Hundebaby. Schneeweiß. Mit Knopfaugen und Flauschohren. Vielleicht ein Mädchen. Sie soll in meinem Bett schlafen, und ich nenne sie Pol Meine Laune ist schon viel besser, als ich eine Stunde später mit den anderen am Esstisch sitze. Und weil ich mich so auf Polly freue, will ich gleich loslegen. »Wer darf anfangen?«, frage ich. »Ich finde: die Jüngste.« »Nein«, widerspricht Leon und macht sein Schwestern-Ärgergesicht. »Du darfst immer. Das ist ungerecht. Diesmal fängt der Älteste an.« Papa nickt. »Also gut. Der Älteste.« Leon grinst schon siegesgewiss, aber da sagt Papa: »Und
12!!! Haha. Ätsch !!! Bruder-Ärgergesicht Oookay. Zu früh gefreut. Weil ich fies gelacht habe, darf Leon jetzt doch anfangen, und ich komm zuletzt dran. Das nennt sich , sagt Papa.Mir doch egal.Aber damit ich nicht gleich wieder erzogen werde, mache ich schnell mein aufmerksamstes Gesicht und schreibe mit, was die anderen sich wünschen. Leons Wunsch:Sein Bauch soll weg. Er will stattdessen einen haben.Das ist ein Bauch mit Muskeln und weiter oben sehr breiten Schultern dran. Und an den Armen will er Bizeps haben. Was auch Muskeln sind.
13 Felis Fees Wunsch: Die ganze Feli soll weg. Wer sie nicht Fee nennt, den hört sie ab sofort gar nicht mehr. Und sie will einen Internet-Tschännel.Moment, das schreibt man so: Channel. Und es bedeutet, dass Feli, äh Fee, von sich selbst Videos drehen will, in denen sie toll aussieht und irgendwas Tolles macht. Die kann dann jeder im Internet sehen, und sie wird berühmt. Also, wenn es klappt. Aber echt, wer will denn schon Videos von Feli, äh Fee, angucken? Höchstens Omi, und davon wird Fee garantiert nicht berühmt.
Mamas und Papas Ferienwunsch: Unser Sofa muss weg. Und ganz viele andere Möbel.Mama und Papa wollen nämlich unser Wohnzimmer renovieren. Die Wände streichen, alles neu einrichten, solche Sachen. , was ist hier eigentlich los? Wieso muss plötzlich alles weg?Erst das Ferienhaus und dann auch noch alles andere. Das ist doch Haben die noch nie was von Recycling gehört?»Ich will nichts weghaben«, sage ich, als ich endlich dran bin. »Gar nichts. Ich will, dass alles so bleibt, wie es ist.
15Und ich will sogar noch was dazu haben.« Nämlich einen Hund! Aber natürlich sag ich das mit dem Hund nicht gleich, sondern fange zuerst mit dem Zauberinternat und dem Pony an.
16 kriegen, was sie wollen. Alle. Nur ich nicht.Leon kriegt Hanteln, und er darf in den Ferien am Computer ein Trainingsprogramm machen, bis ereinen Body hat. Fee kriegt eine Kamera und Scheinwerfer und darf schon mal für ihren Channel üben. Wenn sie noch ein bisschen älter ist, darf sie die Filme dann auch ins Internet stellen. Mama und Papa kriegen Farbe und neue Wohnzimmermöbel.Aber ICH kriege KEINEN Hund. Sie haben gesagt:
17Basta heißt: Ich kann nichts daran ändern. Schon wieder. Als ich das gehört habe, bin ich die Treppe hochgerannt und ab in mein Zimmer. Peng. Tür zu. Bett. e Hey, ist es zu fassen? Ich bin das dritte Kind meiner Eltern! Und die wissen immer noch nicht, wie man mit Kindern umgeht?! Die müssen doch mitbestimmen dürfen! Lernen Mama und Papa das denn nie?Vielleicht sollten sie mal üben. Aber sie haben ja dauernd andere Sachen im Kopf. Solche, die kein Mensch braucht.
Papa macht ständig irgendwas mit Computern. Nicht nur im Büro, auch bei uns. Er will nämlich unser ganzes Haus mit seinem Handy steuern. So was geht, sagt er. Bei allen Geräten mit Strom kann er irgendwie eine Handy-Fernbedienung einbauen, und da ist er dran. Neulich hat er unseren Fernseher ausgeknipst, obwohl er im Büro war. Mama ist Wissenschaftlerin. Sie erforscht Bakterien und weiß alles darüber. Aber nichts über Kinder, weil die ganz anders funktionieren. Deswegen liest sie immer Bücher über Erziehung. Aber die falschen. Nie welche, in denen was über Mitbestimmung steht. Und über Hunde und wie wichtig die sind.
GRRRRR Auf dem Bett liegen und ins Kissen beißen ist manchmal ganz hilfreich. Aber heute fühl ich mich trotzdem nicht besser. Sogar mein Bauch tut jetzt weh., ich brauche einen Rat. Vielleicht von Feli? Ich schleiche rüber. Aber als ich ihre Zimmertür einen Spaltbreit aufmache, wummert mir Musik entgegen, und Feli gibt es nicht mehr. Vorm Spiegel steht stattdessen Fee. Sie lächelt sich selbstverliebt an, hält eine Haarbürste wie ein Mikrophon vor sich und macht Mundbewegungen zu dem Song, so als würde sie gerade singen. Was sie zum Glück nicht tut. Sie klingt nämlich beim Singen wie ein heiserer Frosch. Aber wer weiß, was noch kommt, deswegen hau ich hier lieber ab.
20Also muss Leon mir helfen. Und in seinem Zimmer ist alles wie immer. Überall liegt was rum, Leon sitzt an seinem Schreibtisch und klickert an seinem Laptop.Ich werfe mich zur Abwechslung mal auf sein Bett und beiße hier in das Kissen.»Alles okay?«, will er irgendwann wissen.Mmpf. Und weil ich nur grunze, merkt Leon das sogar, obwohl er sich nicht mal umdreht.»Das mit dem Hund kannst du vergessen«, sagt er über die Schulter. »Papa ist nun mal gegen Tierhaare allergisch. Aber du tust allen echt leid. Wünsch dir also ruhig was richtig Tolles. Die Chancen stehen gerade gut, dass du es auch bekommst.«Ich richte mich auf. »Dann will ich ein Lama.«»Hat doch auch Haare.« tippt weiter auf der Tastatur rum. Ich hebe den Kopf.