Claudia & Nadja Beinert

Die Herrin der Kathedrale

Roman

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Claudia & Nadja Beinert

Claudia Beinert wurde am 4. Mai 1978 in Staßfurt geboren. Sie studierte Internationales Managements in Magdeburg, arbeitete lange Zeit in der Unternehmensberatung und hat seit 2011 eine Professur für Finanzmanagement an der Hochschule Osnabrück inne. Sie hat zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und Fachbücher verfasst und lebt und schreibt in Erfurt und Würzburg.

Nadja Beinert wurde am 4. Mai 1978 in Staßfurt geboren. Sie studierte. Internationales Management in Magdeburg und ist seit mehreren Jahren in der Filmbranche tätig. Nadja Beinert lebt und arbeitet in Erfurt.

Impressum

eBook-Ausgabe 2013

Knaur eBook

© 2013 Knaur Taschenbuch Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Dr.Heike Fischer

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: © Richard Jenkins photography; ©FinePic®, München; ©akg / historic-maps

Abbildungen: Computerkartographie Carrle

ISBN 978-3-426-42924-2

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Fußnoten

1

Frei zitiert und mit einigen Auslassungen aus: Walahfrid Strabo: Liber de cultura hortorum/Über den Gartenbau, Hrsg.: Schönberger, Otto, erschienen 2002 im Reclam-Verlag, S. 9.

2

Ebda., S. 9.

Teil IV – die Krone aller Anstrengung

Die Jahre 1032 bis 1038

12. Merseburger Entscheidungen

Im Inneren der Kathedrale konnten sie sie nicht finden«, sagte Katrina und trat vor ihre Herrin. »Sie suchen nun noch den Weg zur Hauptburg ab.«

»Ach, es ist auch schon viel zu lange her«, entgegnete Uta mit abwesendem Blick und fasste sich an die Stelle über dem linken Ohr, über dem bis zum Tage des Brandes noch die Klammer mit den Initialen E. und U. gesteckt hatte. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Sag den Mägden, sie sollen sich wieder an ihre Arbeit in Küche und Kemenaten machen. Der zurückliegende Winter hat die Klammer längst an einen fernen Ort getragen.« Im nächsten Moment strich sie über die grüne Vierkantspange am Schleier.

»Aber was wird der Herr Graf dazu …?«, wollte Katrina fragen, als Uta sich abwandte. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt saß sie in der Fensternische ihrer Kemenate und starrte das Leder an, das sie jüngst vor das Fenster hatte nageln lassen. Auch wenn der Brand bereits mehrere Mondumläufe zurücklag, wollte sie die Baustelle nicht sehen. »Ist Graf Ekkehard denn schon wieder aus Burgund zurückgekehrt?« Sie seufzte.

Katrina nickte. »Herrin, es wäre gut, wenn Ihr etwas vom Brei esst«, gab sie vorsichtig zu bedenken und ergriff die Schale, die sie zu Sonnenaufgang gebracht und auf dem Tisch neben der Bettstatt abgestellt hatte.

Uta schaute auf den Hirsebrei. Die roten Mohnblätter, die Katrina liebevoll auf den Rand der Schale drapiert hatte, sah sie nur verschwommen. »Gib es jemandem, der wirklich Hunger hat.« Uta spürte Tränen über ihre Wangen hinablaufen – wie nahezu jeden Tag seit dem Brand – und umklammerte das Bündel Briefe in dem leinenen Band auf ihrem Schoß.

Enttäuscht drehte Katrina sich um, ließ die Schale aber auf dem Tischchen stehen. Bald, so hoffte sie, würde die Herrin wieder Nahrung zu sich nehmen, sonst bräche sie irgendwann zusammen. Mit einem Gebet machte sie sich an die Reinigung der Bettstatt und verließ dann die Kammer.

Seit nunmehr acht Mondumläufen zog sich Uta zur Mittagszeit in ihre Kemenate zurück, setzte sich in die Nische des Fensters, presste Hazechas Briefe – ohne sie jemals zu lesen – vor die Brust und ließ den Tränen freien Lauf, die sie den Vormittag über, während sie sich der Organisation des Burghaushaltes widmete, mühevoll zurückdrängte. Wenn sie abends erschöpft in die Bettstatt sank, quälten sie Alpträume. So sah sie Ernas Kinder von einem Tretrad erschlagen, Arnold aufgespießt auf einer Schaufel hängen und Erna eingemauert in einem Mörteltrog liegen – ähnlich wie Hazecha erstarrt in der Kiste gehockt haben musste, um vom Bruder in der mütterlichen Kemenate nicht entdeckt zu werden. Am schrecklichsten war jedoch der Gedanke, dass sie schuld war. Wenn sie die kleine Lilie nicht mit in ihren Kampf um Gerechtigkeit hineingezogen hätte, wäre sie heute noch am Leben. Dieser Gedanke steckte wie ein Dolch in Utas Brust und fraß sich Tag für Tag mehr in ihr Herz.

Uta starrte auf das Fensterleder neben sich und vernahm die längst vergessenen Worte des Vaters, die er während des Besuchs des alten Meißener Markgrafen durch seine schmalen, farblosen Lippen gepresst hatte: Ich bezweifle, dass ein Weib Kriegsführung und Politik tatsächlich so zu erlernen vermag, wie uns Gott dieses Vermögen von Geburt an mitgegeben hat. Und mit einem Niemals! hatte Esiko diese Behauptung bestätigt. Sonst würde die von Gott gewollte Ordnung ja auch vorsehen, dass Weiber lernfähig sind. Nachdenklich erhob sie sich von der Fensterbank. »Die von Gott gewollte Ordnung?«, wiederholte sie und legte das Briefbündel an seinen neuen, sichereren Platz in der Gewandtruhe zu der leeren Wachstafel. Sollte die von Gott gewollte Ordnung tatsächlich nicht vorsehen, dass eine Frau Wissen erlangte? Und blieb es einer Frau deswegen versagt, den Bau eines Gotteshauses zu unterstützen? Verzweifelt barg Uta das Gesicht in den eiskalten Händen. Indem sie sich Wissen angeeignet hatte, hatte sie versucht, die von Gott gewollte Ordnung zu verändern! Dies erklärte all das Unglück, das über Naumburg gekommen war und ihr schließlich auch Hermann genommen hatte. »Meister Tassilo, verzeiht mir«, hauchte sie und ihre Tränen flossen heftiger. In ihrer Blauäugigkeit hatte sie gehofft, in den Büchern Antworten auf ihre Fragen zu finden. Aber Fragen, das wurde ihr in diesem Moment klar, wurden nicht durch Geschriebenes, sondern durch das Leben selbst beantwortet, und ihr Leben spie die Antwort förmlich aus: Du wolltest dir Wissen aneignen, um Gerechtigkeit herbeizuführen, und hast dafür rücksichtslos zwei Menschen geopfert und damit auch den Traum Hermanns zerstört!

Sowieso war alles anders gekommen. Es hatte weder ein kaiserliches Gericht noch eine Anklage vor diesem gegeben. Der Kaiser war zum Fest von Christi Geburt nicht nach Naumburg gereist, die Durchsetzung des mit König Rudolf III. geschlossenen Erbvertrages, so hatte er per Boten mitgeteilt, hielten ihn noch immer in Burgund. Die Mehrzahl der Kämpfer hatte Naumburg gleich nach der Messe zu Allerheiligen verlassen. Die meisten waren über den Winter zu ihren Familien zurückgekehrt, einige von ihnen dem Kaiser nach Burgund gefolgt. Die Baustelle war seitdem verwaist. Nachdem Hermann in den Kreis der Benediktinerbrüder im Georgskloster aufgenommen worden war, hatten Ekkehard und Bischof Hildeward gemeinsam entschieden, die Aktivitäten am Bau ruhen zu lassen, so dass die Handwerker mit Beginn des Frühjahrs zu anderen Baustellen im Reich aufgebrochen waren.

Verzweifelt raufte Uta sich die Haare. All dieses Unheil hatten ihr Streben nach Wissen und ihre Mithilfe am Bau heraufbeschworen. Wegen dieser Sünden würde sie keine weitere Unterstützung mehr von Gott erhalten. Kälte ist mein Los!, durchfuhr es sie, denn die Aussicht auf Wärme und eine friedliche Seele war damit endgültig verwirkt.

»Wünscht Ihr etwas zu trinken, Gräfin?« Katrina war erneut mit einem Becher Milch vor Uta getreten, die deren Verschwinden nicht einmal bemerkt hatte. »Der Herr Arnold lässt sie Euch aus der Küche schicken. Sie ist frisch aus dem Stall.«

»Die von Gott gewollte Ordnung …«, wiederholte Uta gedankenverloren und legte die grüne Vierkantspange zu Hazechas Briefen in der Gewandtruhe, um sie nicht noch wie die Eheklammer zu verlieren.

Katrina lächelte Uta aufmunternd zu, als sie deren gerötete Augen sah. »Und Erna lässt Euch ausrichten, dass Luise und Selmina ihrer Tante gerne ihren ersten selbstgewundenen Blumenkranz schenken wollen.«

Uta ergriff den Becher und trank einen Schluck. »Blumenkranz?« Uta sah Ernas lebensfrohe Zwillinge gemeinsam auf einer Wiese herumspringen und daneben sich und Hazecha in gleicher Verbundenheit. »Ich möchte bei dir sein, Hazecha«, flüsterte sie, befestigte den Schleier mit schmucklosen Ersatzklammern im Haar und trat einen Schritt auf Katrina zu. »Ich bin bei …«, begann sie.

Das Kammermädchen nickte sogleich, um ihrer Herrin das Wort Grab zu ersparen. »Ich weiß«, entgegnete sie und schaute Uta, die in den Gang getreten war, besorgt nach.

 

Am Eingang zum Garten des Moritzklosters stiegen Uta erneut Tränen in die Augen. Das Grab der Schwester sah sie von weitem. Sie schritt vorbei an den anderen Ruhestätten, einige davon lediglich mit Holzkreuzen versehen. Vor der Grabplatte der Schwester sank sie in die Knie. »Hazecha«, schluchzte sie, »ich bin schuld an deinem Tod. Ich habe Gott erzürnt.«

Den Blick starr auf die steinernen Buchstaben gerichtet, hatte sie nicht bemerkt, dass Ekkehard von Schwester Margit in den Garten geleitet worden war.

Ekkehard betrachtete seine Gattin vor dem Grab. Ihre kraftlose Gestalt und die dunklen Ringe unter ihren Augen erinnerten ihn an einen Ritter nach einer verlorenen Schlacht. Flüchtig streifte sein Blick die Grabplatte zu ihren Füßen und die Buchstaben darauf: HAZECHA VON BALLENSTEDT. In diesem Moment wusste er, dass er richtig gehandelt hatte, als er Utas Verstoßung zum vergangenen Fest Christi Geburt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben hatte. Es wäre ansonsten einer Situation gleichgekommen, in der er hoch zu Ross und mit Schild und Langschwert in den Händen auf einen Unbewaffneten auf dem Boden eingehoben hätte.

»Unsere kaiserliche Hoheit bittet uns nach Merseburg«, sagte er nach einem ausgedehnten Räuspern. »In Merseburg soll ein Hoftag abgehalten werden.« Sein Blick fixierte die Ersatzklammer am Schleier über dem linken Ohr der Gattin.

Mühevoll erhob sich Uta. »Ich bin im Moment nicht imstande, einem Hoftag beizuwohnen«, entgegnete sie mit zitternder Stimme.

Ekkehard schwieg betroffen, als sie ihn dabei mit leerem Blick anschaute.

»Ohne den Garten hier fühle ich mich noch verlorener«, setzte Uta nach und schaute auf die Grabplatte.

»Der Kaiser hat Eure Anwesenheit erbeten«, entgegnete Ekkehard mit nahezu einfühlsamer Stimme. »Uta, ich bitte Euch, mich zu begleiten.«

Uta blickte auf. In den zurückliegenden Jahren ihrer Ehe hatte er sie noch nie bei ihrem Namen genannt.

»Exzellenz Bischof Hildeward ist heute bereits vorausgeritten. Wir würden morgen mit den Getreuen nachziehen.« Ekkehard zögerte kurz, dann legte er seine Hand auf ihre Schulter. »Ich verstehe Euren Schmerz und bedauere ebenfalls, dass der Bau nun stillsteht und ich damit dem Vater die Grablege versage«, fügte er hinzu und wandte sich zum Gehen.

»Der Brand hat Euch nicht die Grablege für den Vater, sondern den Bruder genommen«, kam es ihr über die Lippen, obwohl sie die Worte ursprünglich nicht hatte aussprechen wollen.

Ekkehard hielt in seiner Bewegung inne. »Ich treffe Euch morgen bei Sonnenaufgang im Hof der Hauptburg«, entgegnete er unsicher. Bevor er aus der Klosteranlage trat, warf er noch einen nachdenklichen Blick auf seine Gattin, die wieder vor der Grabplatte niedergekniet war.

 

Zum Schutz vor den Strahlen der Sommersonne legte Konrad die Hand über die Augen und schaute sich um. Auch die Nachhut schien sich wieder in Gang gesetzt zu haben. Sie waren mit kleinem Gefolge, mit kaum mehr als dreihundert Getreuen, unterwegs. Auf der weiteren Reise nach Merseburg würden noch einmal weitere einhundertfünfzig zu ihnen stoßen – die Fürsten, Äbte und Grafen seines ostfränkischen Reiches. Konrad gab seinem Hengst die Sporen und holte zu Gisela auf, die begleitet von ihren Hofdamen und einem halben Dutzend Leibwachen in der Mitte des Zuges ritt. »Haben wir eine Auflistung aller Teilnehmer?«, fragte Konrad und schaute auf das Pergament in Giselas Satteltasche, auf dem der Ablauf der kommenden fünf Tage in Merseburg detailliert festgehalten war.

Besorgt wandte Gisela sich dem Gatten zu.

»Er wird also nicht erscheinen?«, interpretierte Konrad ihren Gesichtsausdruck. »Erst lässt sich Hermann von Naumburg dazu hinreißen, dem Bau der Kathedrale zu entsagen, dann bittet er mich, die Markgrafenwürde noch zu seinen Lebzeiten auf den jüngeren Bruder zu übertragen, und jetzt folgt er unserer Einladung zum Hoftag nicht!«

»Beruhigt Euch, Gemahl«, versuchte Gisela ihn zu besänftigen und gab den Leibwachen ein Zeichen, Abstand zu halten. Die Augen dennoch aufmerksam auf das Herrscherpaar und die nähere Umgebung gerichtet, ließen die sich daraufhin auf Höhe der Hofdamen zurückfallen.

»Aber er tut das alles ohne unsere Zustimmung!«, beharrte Konrad. »Dabei habe ich den Bau nur auf seinen Wunsch hin ermöglicht, die Sitzverlegung beim Papst erwirkt und zur Grundsteinlegung aufgerufen!«

»Seid nachsichtig mit dem Meißener Markgrafen. Trauer und Schmerz haben sein Gemüt verdüstert.« Gisela lenkte ihre Stute ganz nah an das Pferd des Gatten. Beide Tiere waren diese Nähe längst gewohnt und ließen sich dadurch nicht aus dem Rhythmus bringen. »Man erzählt sich, dass er selbst den Brand verursacht hat«, sagte Gisela leiser, nachdem sie Konrad besänftigend über die Brust gestrichen hatte. Bevor sie weitersprach, versicherte sie sich erneut, dass niemand sie hören konnte. »Wir sollten uns auf Burgund konzentrieren, Gemahl. Eure Krönung dort liegt gerade einmal einen Mondumlauf zurück, und wir müssen noch einige der dortigen Adligen hinter uns bringen. Graf Odo akzeptiert den Erbvertrag immer noch nicht und hat bereits Niederburgund in Besitz genommen. Hier im Osten ist der Feind hingegen unterworfen.«

Konrad ballte die rechte Hand zur Faust. »Dabei hatte in Burgund alles so einfach ausgesehen!«

»Da sprecht Ihr wahre Worte. Ich hatte auch geglaubt, dass wir einfach dort einreiten, uns krönen und uns huldigen lassen könnten, nachdem Rudolf von Burgund verstorben war«, stimmte Gisela zu. Doch die Rückeroberung Niederburgunds aus den Händen Graf Odos von Blois-Champagne war bisher nicht geglückt.

»Die Bauarbeiten an der Kämpfer-Kathedrale müssen unbedingt wiederaufgenommen werden«, brachte Konrad vor und lüftete den Kragen seines geschlossenen Gewandes. »Das Bauwerk hat meinem Heer Kraft gegeben und wird dies auch für die anstehenden Kämpfe mit Graf Odo und alle nachfolgenden tun.«

»Ihr habt recht, denn nach Burgund werden wir die Kämpfer auch noch für Italien benötigen«, ergänzte Gisela. »Ich denke, wir kommen nicht umhin, ein zweites Mal über die Alpen zu ziehen. Ihr erinnert Euch an die Schreiben des Aribert von Mailand?«

Konrad legte die Stirn in Falten. »Wir müssen Hermann von Naumburg erklären, dass er sich den Reichsinteressen unterordnen muss. Schließlich haben wir dem Heer eine fertige Kathedrale in nur zehn Jahren versprochen. Uns verbleiben noch fünf Jahre, unser Versprechen einzulösen.« Bei diesen Worten dachte Gisela unwillkürlich an ihre frühere Hofdame, die einst voller Begeisterung von den Bauarbeiten gesprochen hatte. In Utas Briefen, die seit dem Brand jedoch ausgeblieben waren, hatte sie zuletzt von der Materialbeschaffung für die Türme und von Zeichnungen für die Gewölbe der Seitenschiffe gelesen.

»Zumindest hat uns Ekkehard von Naumburg seine Teilnahme am Hoftag versichert. Mit ihm können wir die Fertigstellung besprechen«, brummte Konrad.

»Erscheint er mit seiner Gattin, wie wir ersucht hatten?«, fragte Gisela ungewöhnlich ungehalten, da es Usus war, Frauen auf der Liste der Teilnehmer nicht zu vermerken.

»Entschuldigung, Kaiserliche Hoheit«, ritt da eine der Leibwachen an Konrads Seite. »Heerführer Graf Esiko wünscht Euch in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.«

Fragend schaute Konrad zu Gisela, die daraufhin knapp nickte.

»Kaiserliche Hoheit, ich grüße Euch«, schloss Esiko kurz darauf zum Kaiser auf und klopfte seinem Pferd, das vom anstrengenden Ritt erschöpft war, beruhigend den Hals. Esiko kam aus Augsburg, wo er einen Kaufmann getroffen hatte, der alljährlich über die Alpen zog und ihm von den Zuständen im südlichen Reichsteil berichtet hatte. Nach dessen Worten begehrten die adeligen Vasallen in Mailand, Cremona und Piacenza gegen die Macht der Bischöfe auf, die die Stützen der kaiserlichen Macht vor Ort bildeten. Der italienische Nieder- und Hochadel forderte Rechte ein, die der Adel im Ostfrankenreich bereits besaß. Der Kaiser würde vermitteln müssen, ohne sich eine der beiden Gruppen zum Feind zu machen. Wahrhaft eine Herausforderung, dachte Esiko und sprach weiter: »Ich danke Euch für die Möglichkeit, Euch noch vor den Toren von Merseburg in dieser vertrauten Runde sprechen zu dürfen.« Nun neigte er den Oberkörper galant am Kaiser vorbei in Richtung Gisela.

»Was ist Euer Begehr, Graf?«, fragte Konrad und bedeutete den Leibwachen erneut, Abstand zu halten.

»Ich habe vernommen, dass Hermann von Naumburg seiner Mark nicht länger als Markgraf vorsteht«, kam Esiko ohne Umschweife auf den Kern seines Anliegens zu sprechen und musste dabei unwillkürlich an Uta denken, die seit dem Kathedralbrand – glaubte er den Berichten der Äbtissin des Moritzklosters – zurückgezogen lebte. Anstatt mit Männern beim Kathedralbau zu wetteifern, schien sich die Schwester schließlich doch noch unterworfen zu haben. Für mich fügen sich die Dinge von ganz allein, dachte er und blickte zufrieden zum Kaiser. »Da Ekkehard von Naumburg als erster Erbberechtigter der Markgrafenschaft keinen Erben vorweisen kann, wollte ich mich Euch für die Mark Meißen empfehlen, Kaiserliche Hoheit. Meine männliche Erbfolge ist bereits zweifach gesichert.« Esiko versuchte, Gisela von Schwaben mit einem einnehmenden Lächeln für sich zu gewinnen, die Kaiserin hielt ihren Blick jedoch geradeaus auf die vor ihr reitenden Bewaffneten gerichtet und schien dem Gespräch nicht zu folgen.