Cover

Tara Stiles

Wie Yoga heilt

Einfache Übungen
gegen 50 verbreitete Beschwerden

Aus dem Englischen
von Iris Halbritter

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Tara Stiles

Tara Stiles, geb. 1981, ist gegenwärtig die angesagteste Yoga-Lehrerin in den USA und persönlicher Yoga-Coach von Deepak Chopra. Zusammen mit ihm produziert sie erfolgreiche DVDs und ist über Social-Media mit über zwei Millionen Menschen vernetzt. In New York betreibt sie erfolgreich ihr Zentrum Strala Yoga. Ihrer frischen Herangehensweise verdankt Tara Stiles eine breite Anhängerschaft weit über die USA hinaus.

Tara Stiles präsentiert in diesem coolen Yoga-Handbuch einfache

Übungen zur gezielten Heilung sehr verbreiteter Beschwerden. Sie geht dabei auf die 50 häufigsten ein: von Arthritis und schmerzendem Knie bis zu Migräne und verspanntem Rücken.

Doch auch die psychische Seite kommt angesichts der ganzheitlichen Ausrichtung von Yoga nicht zu kurz. Angst, Depression, ja sogar für ein »gebrochenes Herz« gibt es passende Asanas.

Für jedes körperliche und seelische Problem eignen sich gleich mehrere Haltungen, die auch jeder Ungeübte leicht praktizieren kann. Tara Stiles bietet damit ein wirkungsvolles Spektrum zur Soforthilfe, das jeden Betroffenen wieder gesund und glücklich machen kann.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012

unter dem Titel »Yoga cures« bei Three Rivers Press, einem Imprint der Crown Publishing Group, Teil von Random House, Inc., New York.

 

 

 

 

eBook-Ausgabe 2013

Knaur eBook

© 2012 Tara Stiles

Diese Übersetzung wird veröffentlicht

nach entsprechender Vereinbarung mit

Three Rivers Press,

einem Imprint der Crown Publishing Group,

einer Sparte von Random House, Inc.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2013 Knaur Verlag

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Übersetzung: Iris Halbritter

Redaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: Justin Borucki

ISBN 978-3-426-41988-5

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Vorwort

Stress ist mittlerweile ein »normaler« Begleiter im Leben der meisten Menschen, die sich zwischen Arbeit und Familie aufreiben und mit einer unsicheren Wirtschaftslage zurechtkommen müssen. Das erklärt vielleicht, warum so viele Amerikaner – nach der letzten Zählung rund sechzehn Millionen – Yoga-Kurse besuchen oder zu Hause Yoga machen. Alle, die ein wirksames Gegenmittel für Angststörungen und Gesundheitsprobleme suchen und sich als Teil eines größeren Ganzen fühlen möchten, profitieren deutlich und nachhaltig von Yoga, wenn sie es regelmäßig ausüben. Diese uralte Methode verbindet Körper und Geist mit Hilfe einer Reihe von Stellungen, Atemübungen und Meditationen. Durch die Dehnung und Kräftigung der Muskeln, die Mobilisation der Wirbelsäule und die Konzentration auf das eigene Selbst hilft Yoga, Stress abzubauen. Das hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit, denn Stress spielt bei vielen Krankheiten zumindest eine Rolle. Studien zeigen zum Beispiel, dass chronischer Stress das Risiko für einen Herzinfarkt verdoppelt.

Die Forschung zu den positiven Effekten des Yoga steckt noch in den Kinderschuhen. In jüngerer Zeit durchgeführte Pilotstudien weisen jedoch in eine vielversprechende Richtung. So zeigte sich, dass Yoga den Blutdruck und die Herzfrequenz und damit das Risiko von Herzkrankheiten senkt. Das Herz könnte auch noch in anderer Hinsicht profitieren: Eine Studie aus dem Jahr 2006 ergab, dass Yoga bei Menschen mit Erkrankungen an den Herzkranzgefäßen den Cholesterinspiegel senkt und den Kreislauf reguliert. Einige Kliniken haben Yoga bereits in ihre Rehabilitationsprogramme für Herzpatienten aufgenommen.

Zum Thema Gewichtsreduktion durch Yoga liegen gemischte Ergebnisse vor. In einer Studie wurde festgestellt, dass Yoga Übergewichtige beim Abnehmen unterstützen kann, da es dazu motiviert, einen insgesamt gesünderen Lebensstil zu pflegen. Laut dieser Studie begannen die Teilnehmer, die regelmäßig Yoga praktizierten, weniger und langsamer zu essen und gesündere Lebensmittel zu wählen. Sie zeigten außerdem weniger Anzeichen für Essstörungen.

Viele Menschen berichten, dass Yoga ganz allgemein ihr Wohlbefinden erhöht. Der Forschung zufolge könnte Yoga auch bestimmte Arten von Schmerzen lindern, einschließlich Migräne, Schmerzen im unteren Rücken, Arthritis und Wehenschmerzen. Man weiß noch nicht genau, wie diese Wirkungen zustande kommen. Eine Theorie besagt, Yoga-Stellungen wirkten ähnlich wie Massagen: Über markhaltige (isolierte) Nervenfasern sendet die Yoga-Stellung blitzschnell das Signal »Druck« an das Gehirn, während das Signal »Schmerz« das Gehirn langsamer, über markärmere Nervenfasern, erreicht. Das »Druck«-Signal schließt die Rezeptoren und blockiert sie damit für das »Schmerz«-Stimulans. Einer anderen Theorie zufolge bewirkt Yoga eine erhöhte Ausschüttung von Serotonin, einem natürlichen Schmerzmittel des Körpers.

Auch wenn dazu noch nicht ausreichend Studien vorliegen, berichten Yoga-Praktizierende über weniger Schlafstörungen und eine bessere Verdauung. Insbesondere schwangere Frauen schlafen durch Yoga offenbar ruhiger. Zudem scheint die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck in der Schwangerschaft oder eine Frühgeburt zu sinken.

Da Yoga sowohl den Körper als auch die Seele beeinflusst, überrascht es nicht, dass es zur Linderung von Ängsten und Depressionen beitragen kann. Das gilt besonders für Menschen, deren Depression im Zusammenhang mit einer schweren Erkrankung wie Krebs steht. Eine Pilotstudie legt nahe, dass Yoga eine Zunahme der Alphawellen im Gehirn zur Folge hat, die bei Entspannung auftreten. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Yoga den Kortisolspiegel senkt – dieses Hormon wird bei Stress vermehrt ausgeschüttet. Manche Wissenschaftler glauben, ein chronisch hoher Kortisolspiegel begünstige Depressionen und beeinträchtige das Immunsystem.

Falls die möglichen Vorteile für die Gesundheit noch nicht genug Motivation für dich sind: Yoga lässt dich auch durchtrainierter und fitter aussehen und hilft dir, dich leichter und geschmeidiger zu bewegen, besonders wenn du älter wirst. Eine Hatha-Yoga-Studie aus dem Jahr 2007 zeigte, dass diese Übungspraxis die Muskelkraft, Beweglichkeit und Ausdauer der Teilnehmer steigerte. Kein Wunder, dass viele Athleten Yoga als Zusatztraining nutzen.

Auch wenn Yoga möglicherweise nicht alle deine Beschwerden lindert – oder deinen Chef netter macht –, kann es dir helfen, mit Stress besser umzugehen und einen Weg zu finden, dich insgesamt wohler zu fühlen. Allein das kann für deine Gesundheit schon viel bewirken. Atmen wir also alle tief ein und machen den ersten Schritt auf dem besten Weg zu einem gesunden, glücklichen Leben.

Deepak Chopra

Einleitung

Yoga bringt dich zurück zu dir selbst – und dort liegt alles, was gut für dich ist.

Jeder kann Yoga praktizieren und den Lohn dafür ernten. Man muss sich nicht zu einer Brezel verbiegen können oder ein Jahr in stummer Meditation verbringen, um vom verblüffenden Nutzen dieser Übungspraxis zu profitieren. Wer atmen kann, kann auch Yoga. So einfach ist das. Ob du Yoga schon zu kennen glaubst oder es noch nie ausprobiert hast, weil es dir zu esoterisch, zu mystisch, mit zu viel Singerei verbunden oder zu OM-zentriert war (auf gut Deutsch: OMG, ist das langweilig!): Du solltest dieses Buch lesen. Yoga ist viel cooler und zugleich viel einfacher, als du denkst. Es kann eine echte Kraftquelle für dein Leben und deine Gesundheit sein.

Was muss man wissen, bevor man anfangen kann?

Einatmen. Ausatmen. Wiederholen.

Lass dich nicht ins Bockshorn jagen: Viel schwieriger ist es nicht. Sobald du dich auf deinen Atem konzentrierst, erschließt sich dir alles andere wie von selbst. Du brauchst keine große, erhabene Autorität auf einen Sockel zwischen dich und deine Bedürfnisse zu stellen. Du kannst deine eigene Autorität sein! Du hast bestimmt schon einmal den Spruch gehört: »Wo immer du hingehst, da bist du.« Das stimmt. Aber dann sollten wir den Ort, an dem wir sind, auch so gestalten, dass wir uns gerne dort aufhalten.

Yoga kann deinen Körper heilen, deinen Geist beruhigen und dein Energieniveau wieder auf das eines Neugeborenen katapultieren. Wenn du jetzt skeptisch die Stirn runzelst, lies einfach mal weiter. Wie würde es sich anfühlen, ein ausgelassen glücklicher Mensch zu sein, mit einem supergesunden Körper und einem ruhigen, konzentrierten Geist? Yoga kann alles heilen, von Depressionen bis zu Ängsten, von alten Sportverletzungen und Rückenschmerzen bis hin zu Allergien und PMS. Selbst gegen einen Kater kann es helfen. Es gibt keinen Grund, es nicht wenigstens einmal auszuprobieren, angesichts des enormen praktischen Nutzens, den seine regelmäßige Ausübung mit sich bringt. Genau darum geht es in diesem Buch: einfache Heilmethoden, die Spaß machen. Einen frischen Yoga-Ansatz, der verbreitete Beschwerden lindern oder sogar heilen kann.

Ein Mittel gegen Erschöpfung? Bitte schön.

Du leidest unter dem Couch-Potato-Syndrom und kriegst den Hintern nicht vom Sofa? Hier gibt es ein paar Tipps für dich.

Nach einer Woche im Büro fühlst du dich wie der Glöckner von Notre-Dame? Verspannter Rücken, Nackenschmerzen, Schulterreißen und brennende Augen? Bingo!

Du sitzt seit Stunden am Schreibtisch und dir raucht der Kopf? Ein paar einfache Übungen und tiefe Atemzüge können helfen.

Ob du Soforthilfe bei einer Panikattacke brauchst oder etwas gegen einen schlaffen Hintern, hängende Schultern, Schwangerschaftsspeck oder ein kleines Bäuchlein tun willst, oder wenn du einfach gerne wieder in der Lage wärst, deine Zehen zu berühren – in diesem Buch findest du eine Lösung für dein Problem. Natürlich werden in Wie Yoga heilt auch die üblichen Verdächtigen behandelt: Bluthochdruck, Erkältungen, Grippe, Schwindelgefühl, Depressionen, Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, PMS, Arthritis und vieles mehr.

Wenn du dich bis zum Zerreißen gespannt fühlst, können dich diese gut fünfzig Yoga-Heilübungen lockern und entspannen.

Zenspiration

Stell dir vor, du hättest deinen ganz persönlichen Raum zum Atmen, der sich jedes Mal ausdehnt, wenn du übst. Das ist Yoga.

Ein paar Worte zu mir

Ich war schon immer mehr Junge als Mädchen, ein Hippie-Girl, das gerne Faxen macht. In Trainingshose und Kapuzenjacke fühle ich mich viel wohler als in stylischen Yoga-Klamotten. Ich betrachte mich nicht gerne als Yoga-Lehrerin, denn das etabliert sofort eine Schüler-Lehrer-Beziehung. Ich habe dann immer das Gefühl, ich müsste mit Lineal und Notizbuch im Raum auf und ab wandern. Ich ziehe die Bezeichnung »Yoga-Anleiterin« vor. Ich kann dir dabei helfen, dich einzutunen, aber du schuldest mir nichts. Weder ein Treuegelübde noch dein erstgeborenes Kind. Nö. Mach einfach deine Arbeit. Sei gesund und glücklich. Das ist mir genug. Letztendlich bist du selbst dein bester Lehrer. Ich bin nur die Beifahrerin auf deiner Reise zurück zu dir selbst.

Mein Ziel ist es, dich wieder in Einklang mit dir selbst zu bringen. In deinem Inneren findest du die ganze Intuition, die du brauchst, um dein Potenzial zu verwirklichen und ein gesundes, inspiriertes, kreatives und freudvolles Leben zu führen. Eine Yoga-Lehrerin hat mich einmal dazu beglückwünscht, wie gut ich mich auf den »Durchschnittsmenschen« einstellen könne. Diese Bemerkung zeigt eines der Hauptprobleme davon auf, wohin sich Yoga mittlerweile entwickelt hat. Dabei unterscheiden wir uns doch gar nicht vom Durchschnittsmenschen! Wir alle sind Durchschnittsmenschen.

Ich habe nie etwas anderes von mir gedacht, als dass ich ein Mensch bin, der mit allen anderen Menschen auf diesem Planeten in Verbindung steht. Ich brauche euch. Ihr braucht mich. Wir sind alle miteinander verbunden. Das ist einfach so. Da ist gar nichts Esoterisches oder Abgedrehtes dabei. Das ist einfach die Natur. Wenn wir die Gesetze der Natur missachten, geraten wir aus dem Gleichgewicht. Wenn wir in Harmonie mit der Natur leben, fühlen wir uns mit allem anderen verbunden und kommen in den Flow. Dann passt plötzlich alles zusammen und ergibt Sinn. Wenn wir die Autorität jemand anderem übertragen, sei es dem Yoga-Lehrer oder sonst wem, hören wir auf, unserer eigenen Intuition zu folgen, und verlieren die Verbindung zu uns selbst. Das ist nicht gut.

Mein Lebensweg führte mich vom Hippie-Mädchen vom Lande zur Balletttänzerin und zum Ford-Model. Später wurde ich YouTuberin, Bloggerin und Besitzerin eines Yoga-Studios. Mittlerweile darf ich Deepak Chopra zu meinen Freunden, Lehrern und Schülern zählen. Ich bin von vielen wunderbaren Menschen umgeben, die ihre Träume verwirklichen. Wenn ich das Leben meiner Träume führen kann, kannst du das auch.

Wenn du Glück hattest, gab es in deiner Kindheit wenigstens eine Person, die dir sagte: »Du kannst mit deinem Leben alles anfangen, was du willst!« Und als Erwachsener hast du dich hoffentlich mit vielen Menschen umgeben, die dich anfeuern und in allen deinen Unternehmungen unterstützen. Wenn nicht, lass mich diese Person sein. Was die anderen angeht, denen du auf deinem Weg begegnest und die dir einreden wollen, dass du es niemals schaffen wirst – sie behalten nur recht, wenn du es zulässt. Letzten Endes kannst nur du selbst dich daran hindern oder dazu ermutigen, deine Ziele, Sehnsüchte und Träume zu verfolgen.

Was das alles mit Yoga und Heilung zu tun hat? Nun, das ist genau der Punkt, an dem Yoga ins Spiel kommt. Du machst die Arbeit – du profitierst vom Ergebnis. Je mehr du dich für deine Ziele einsetzt, desto stärker merkst du, dass der Weg letztendlich das Ziel ist. Die gute Nachricht ist, dass du genau dort anfängst, wo du stehst. Das heißt, du bist bereits da, wo du sein musst.

Oft verbringen wir unser Leben mit dem Versuch, unser Umfeld zu verbessern und zu verschönern: ein größeres Haus, ein schnelleres Auto. Wir können unser ganzes Leben lang nur Dinge erwerben, mit denen wir uns von außen umgeben. Doch wenn wir Yoga machen, wenden wir unsere Aufmerksamkeit nach innen. Das erinnert uns daran, dass unser erstes Haus – unser Körper und Geist – abgestaubt, umgeräumt, renoviert und gepflegt werden muss, wenn es stark bleiben soll. Wenn wir uns um unsere innere Welt kümmern, spiegelt die Außenwelt das wider. Damit hat auch sie eine solide Grundlage, um zu gedeihen. Noch einmal: Alles, was du wissen musst, um dein Leben, deine Gesundheit und deinen Körper so zu gestalten, wie du es willst, steckt schon in dir drin.

Sei glücklich und ausgelassen

Wir haben alle schon Augenblicke erlebt, in denen wir uns absolut fantastisch gefühlt haben. Mehr als das: unbesiegbar. Himmelhochjauchzend und springlebendig. Vielleicht ist dieses Gefühl nur noch eine ferne Kindheitserinnerung; vielleicht hast du es zwar manchmal, aber nicht oft und nicht regelmäßig. Wenn du anfängst, Yoga zu machen, wird es diese ausgelassenen Momente wieder häufiger geben, bis sie sich zu einer Kette verbinden und dein Leben bestimmen. Glaubst du, ich verspreche zu viel? Tue ich nicht. Wir sind alle so »verdrahtet«, dass wir Unglaubliches schaffen können, und diese Verdrahtung können wir durch unsere Lebensweise optimieren.

Dein Vagusnerv erstreckt sich vom Stammhirn bis zum Bauch. Vagus bedeutet Wanderer. Auf diesem Nerv wandern Impulse durch den ganzen Körper. Er schlängelt sich durch den Unterleib, das Zwerchfell und den Brustkorb, am Rückenmark entlang bis zum Hals hoch und endet im Gehirn. Er verbindet im wörtlichen Sinne Geist und Körper. Seit 1997 behandelt man Epilepsie-Patienten durch die Stimulation des Vagusnervs. Dazu wird ihnen eine Art Schrittmacher in den Brustkorb eingepflanzt. Derzeit denkt man über die Anwendung bei klinischen Depressionen nach. Glücklicherweise gibt es aber auch eine noninvasive Methode, den Vagusnerv zu stimulieren und die Verbindung zwischen Körper und Geist auf Trab zu bringen. Die Ujjayi-Atmung, oft auch als »Darth-Vader-Atmung« bezeichnet, regt den Vagusnerv an und löst damit Signale aus, die glücklich machen. Wenn du beim Yoga tief ein- und ausatmest, schickt dein Vagusnerv Botschaften zwischen deinem zentralen Nervensystem und deinen wichtigsten Organen hin und her. Das Hormon Oxytocin wird ausgeschüttet; es hilft uns zu entspannen und senkt sowohl den Blutdruck als auch den Kortisolspiegel und damit den Stresspegel. Wir haben also jederzeit unser körpereigenes, stets einsatzbereites Antistressmittel dabei. Um darauf zugreifen zu können, brauchen wir nur tief zu atmen.

Wenn wir auf die Welt kommen, stecken wir voller Rohpotenzial. Wir können unser Leben damit verbringen, dieses Potenzial zu verleugnen und uns hinter Hemmungen und Ängsten zu verstecken. Oder wir stellen uns der Aufgabe, unsere Individualität zu kultivieren, unsere Talente zu entwickeln und zu sehen, was wir aus uns selbst machen können.

Ich glaube fest daran: Wenn genug Menschen die transformierende und heilende Kraft eines regelmäßigen Yoga-Trainings begreifen und erfahren, wird unsere Kultur nicht nur von Grund auf gesunden. Wir werden auch mitfühlender uns selbst und anderen gegenüber – glücklicher, fröhlich und lebendig.

Willst du es versuchen?

Der siebenfache Nutzen des Yoga

Körperlich: Die Yoga-Bewegungen formen einen aufrechten, schlanken, starken und souveränen Körper.

Mental: Die tiefe Atmung versetzt den Geist wieder in seinen natürlichen Zustand: ruhig, konzentriert und hellwach.

Psychisch: Die Konzentration auf das Innere zeigt uns unsere Neigungen und Verhaltensweisen auf. Unsere Gewohnheiten auf der Matte sind dieselben wie in unserem Leben. Wenn wir das erkennen, haben wir die Wahl: Wer will ich sein? Wir erschaffen uns jeden Tag neu. Regelmäßiges Üben verleiht dir einen klaren Geist und die Inspiration und den Mut, dein Leben kontinuierlich zu verbessern und zu bereichern.

Neurologisch: Wenn dein Gehirn auf Yoga eingestellt ist, kommt dein neurologisches System wieder ins Gleichgewicht. Es wird darauf konditioniert, dich ganz natürlich zu einem gesünderen Lebensstil zu lenken. Unsere Körper werden unaufhörlich neu verdrahtet, so dass uns das, was wir üben, immer leichter fällt. Wenn wir versuchen, einen gesunden, ausgewogenen Lebensstil zu praktizieren, werden wir zu einem gesunden, ausgewogenen Lebensstil finden.

Intuition: Sind Körper und Geist angespannt, wird die Intuition zugeschüttet und der Körper schaltet in den puren Überlebensmodus. Yoga schafft physisch Raum im Körper, löst Spannungen und beruhigt den Geist. So kann deine Intuition wieder an die Oberfläche kommen und dich führen.

Kreativität: Die Kreativität beginnt zu fließen, wenn Körper und Geist mentale Blockaden auflösen. Wenn Stressoren vorhanden sind, ob durch körperliche Anspannung oder geistige Unklarheiten, zeigt sich die Kreativität nicht gern. Schmilzt der Stress dahin, kann sich die Kreativität wieder frei entfalten und spielen.

Verbundenheit: Yoga ist praktizierte Verbundenheit. Welche Einstellung du auch zu deiner Spiritualität hast, Yoga zu machen erinnert dich daran, dass wir alle miteinander verbunden sind. Wir sind hier, um uns gegenseitig zu helfen, und haben enormes Potenzial, wenn wir nett zueinander sind.

Teil 1

Wirf dich in Pose!

Yoga besteht aus einer Reihe ineinander übergehender Stellungen, die dazu gedacht sind, Körper und Geist zu heilen. Der Atem gibt dabei den Weg vor. Diese Stellungen sind voller Bewegung – ob du aktiv in die nächste Stellung gleitest oder einfach nur atmest, während du in derselben Haltung verweilst. Das tiefe Ein- und Ausatmen erweckt die Stellungen zum Leben und bringt dich mit deinem ganzen Selbst in Einklang.

Wenn du in der gesamten Bewegung ruhig atmest, kann alles einfach fließen. Der Körper öffnet sich und gewinnt an Kraft, ohne Widerstand zu leisten. Der Geist konzentriert und beruhigt sich. Das Achten auf den Atem und die bewusste Bewegung unterscheiden die heilende Kraft des Yoga von anderen Formen körperlicher Betätigung wie Sport, Gymnastik oder Tanz.

Yoga ist eine Bewegungsmeditation, die dein inneres und äußeres Selbst miteinander verbindet. Die Konzentration auf den Atem ist das Herzstück jeder Art von Meditation. Das gilt auch für den Yoga. Im Yoga ist nichts statisch oder festgefahren.

Ein korrekter Ansatz für die physische Ausrichtung des Körpers ist wichtig, schon aus Gründen der Sicherheit und der therapeutischen Wirksamkeit. Extreme Stellungen sind aber nicht das Ziel. Wenn du dich mit deiner Atmung bewegst, zeigt dir dein Körper, wie weit er gehen kann. Und du bist entspannt genug, um über diesen Punkt hinaus nichts zu erzwingen. Beim Yoga fängst du genau dort an, wo du stehst, und du bist jeden Tag woanders.

1. Was ist Yoga?

Yoga bedeutet Einssein. Der Sanskrit-Begriff »Yoga« hat viele verschiedene Bedeutungen: sich vereinen, etwas verbinden, etwas betrachten und in etwas vertieft sein. Wenn wir regelmäßig Yoga praktizieren, bringen wir unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele in Einklang. Wir verbinden uns mit uns selbst, und wir verbinden uns auf eine bedeutungsvollere Weise mit anderen Menschen und mit der Welt, in der wir leben. Es ist, als ob du ein Meeting mit deinem ganzen Selbst einberufen würdest, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.

Yoga ist das ultimative Selbststudium. Mit Yoga tauchen wir täglich tief in unser Inneres ein. Wenn wir wieder auftauchen, sind wir erfrischt und bereit für alles, was kommen mag. Yoga geht viel weiter als die bloße Dehnung. So wie du in deinem Körper lebst (und ihn erlebst), so lebst du auch in deinem Geist. Umgekehrt ganz genauso. Was ich damit meine? Wenn dein Geist angespannt ist, ist dein Körper angespannt, und das setzt sich wie eine Kettenreaktion durch dein gesamtes Leben fort. Wenn dein Geist aus dem Gleichgewicht ist, ist dein Körper aus dem Gleichgewicht, und dein ganzes Leben kann außer Kontrolle geraten. Wenn dein Geist dagegen ruhig, offen und konzentriert ist, werden dein Körper und dein Leben das ebenfalls widerspiegeln und sich entsprechend erweitern und ausdehnen.

Yoga zeigt uns, wie wir unseren Geist dazu bringen, uns ein Leben lang zu dienen. Wenn wir das nicht tun, kann der Geist in viele destruktive Richtungen abdriften. Bekommen wir den »Affengeist« jedoch in den Griff, sind unsere Möglichkeiten grenzenlos. Begrenzungen verschwinden, und das Leben weitet sich aus … umso mehr, je öfter du übst.

Zenspiration

Es gibt keinen Grund zur Eile. Du hast dein ganzes Leben Zeit zu üben. Also freu dich, dass du bist, wo du gerade bist. Jedes Mal, wenn du übst, bist du woanders.

Warum du mir das glauben solltest? Weil ich nicht die Einzige bin, die vom Nutzen des Yoga überzeugt ist. Viele Wissenschaftler auf der ganzen Welt haben Yoga und Meditation untersucht. Sie haben nur bestätigt, was wir, die es praktizieren, längst wissen: Ein regelmäßiges Yoga-Training baut Stress ab, beruhigt den Geist, macht glücklicher, lindert Schmerzen, steigert die geistige Leistungsfähigkeit, heilt und wirkt vorbeugend gegen alle möglichen Krankheiten und Beschwerden. Yoga ist eine Übungsmethode für ein besseres Leben – Atemzug um Atemzug.

Eine (sehr) kurze Geschichte des Yoga

Niemand weiß genau, wann man begann, Yoga zu praktizieren. Das ergibt auch Sinn, denn Yoga ist etwas, was schon immer existiert hat und in jedem von uns steckt. Traditionell diente Yoga dazu, sich mit dem Absoluten zu verbinden. Dadurch erkennen wir an, dass das Absolute in unserem Inneren zu finden ist. Yoga verbindet Körper, Geist und Seele zu einer Einheit. Wie Erde, Wasser und Luft ist auch Yoga ein Element, das in uns enthalten ist. Im Industal im Nordwesten von Indien zeigen in Stein geritzte Figuren, die über fünftausend Jahre alt sind, Yoga-Stellungen. Einem weit verbreiteten Irrglauben zufolge ist Yoga aus dem Hinduismus hervorgegangen. Die religiösen Strukturen des Hinduismus entwickelten sich jedoch viel später und integrierten dabei Vorstellungen und Praktiken aus dem Yoga.

In die Vereinigten Staaten gelangte Yoga vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts. Weithin bekannt wurde es aber erst in den sechziger Jahren, als es in der Unterhaltungsbranche, der Popkultur und der Hippie- und Intellektuellenszene populär wurde. George Harrisons Interesse am östlichen Mystizismus wurde durch seine Begegnung mit Swami Vishnudevananda entfacht, dem Begründer der Sivananda-Yogazentren auf der ganzen Welt. Er überreichte Harrison eine Ausgabe seines Bestsellers Das große illustrierte Yoga-Buch, während die Beatles auf den Bahamas Help! drehten. Die Beatles begannen, bei Maharishi Mahesh Yogi Transzendentale Meditation zu studieren, zunächst in London und Wales, später dann auch in seinem Ashram in Rishikesh im Himalaja. Stars wie Mia Farrow, Donovan und Mike Love von den Beach Boys taten es ihnen gleich.

Etwa zur selben Zeit führte der Harvard-Professor Richard Alpert, heute besser bekannt als Ram Dass, Meditationsstudien und psychedelische Experimente an Gefängnisinsassen durch. Nachdem er wegen seiner unorthodoxen Methoden Harvard hatte verlassen müssen, ging Alpert nach Indien. Dort wurde er Schüler des Gurus Neem Karoli Baba, der ihm den Namen Ram Dass gab (»Diener Ramas«). Die Yogis Sri T. Krishnamacharya, Swami Sivananda, Shri Yogendra und Swami Kuvalayananda bemühten sich darum, Frauen und Ausländer zu integrieren, die bis dahin von den Praktiken ausgeschlossen waren. Außerdem glaubten sie, dass die indische Philosophie neben der westlichen Wissenschaft und Medizin bestehen könne – ein innovativer Gedanke, der bis heute Bestand hat. Swami Satchidananda, einer von Sivanandas Schülern, führte Yoga in Woodstock vor. Noch bekannter wurde Yoga im Westen, als der einflussreiche B. K. S. Iyengar 1954 anfing, den berühmten Geiger Yehudi Menuhin in Yoga zu unterrichten. Heute werden in den USA jährlich über sechs Milliarden Dollar für Yoga ausgegeben; rund fünfzehn Millionen Menschen praktizieren es mehr oder weniger regelmäßig. Es gibt viele verschiedene Yoga-Stile und Stilkombinationen.

Die Stellungen sollen dich von innen heraus heilen. Jede hat einen bestimmten Zweck und Nutzen: den Kreislauf oder den Stoffwechsel ankurbeln, die Verdauung regulieren oder den Bewegungsradius vergrößern, um eine bessere Körperkontrolle und einen besseren Gleichgewichtssinn zu entwickeln. Im Laufe der Zeit sorgen die Yoga-Stellungen dafür, dass Körper und Geist optimal funktionieren. Sie kräftigen, dehnen und formen deine Muskeln, damit dein ganzer Organismus optimal arbeitet. Als zusätzlicher Bonus wird dein Körper mit Energie aufgeladen, stark, schlank und wohldefiniert. Deine Haut wirkt frisch und strahlt voller Lebendigkeit. Kurz gesagt, sind die Stellungen dazu da, die Energiespeicher deines Körpers von innen heraus aufzufüllen. Leider war auch Yoga im Laufe seiner Geschichte nicht vor Rückschlägen, Missverständnissen und Verfälschungen gefeit. Abgeschreckt von falschen Gurus, religiöser Verbrämung, angeblichen Besitzansprüchen, einem aggressiven Lehrstil oder rigiden Voraussetzungen, konnten viele Menschen nicht von dem hohen Nutzen einer Übungspraxis profitieren, die eigentlich ein Geschenk an alle ist.

Der weise Gelehrte Patañjali hat einen der ersten Texte über Yoga verfasst: das Yoga-Sutra. Die Sutren könnten bereits im 1. oder 2. Jahrhundert vor Christus oder erst im 5. Jahrhundert nach Christus entstanden sein; das genaue Datum ist unbekannt. In diesem Text umriss Patañjali die Yamas und Niyamas, die zusammen eine Art ethischen Verhaltenskodex ergeben, den Yogis befolgen sollten. Bevor wir diesen Kodex näher betrachten, möchte ich gerne auf einen Aspekt davon eingehen: Ahimsa. Diese Regel in den Yamas fordert zur Gewaltlosigkeit auf. Das bedeutet praktizierte Freundlichkeit allen Lebewesen gegenüber, einschließlich uns selbst.

Du bist nicht nur ein Tropfen im Ozean. Du bist der mächtige Ozean in einem Tropfen. – Rumi

Beim Yoga geht es darum, dich selbst von innen heraus zu erkennen und gut zu dir zu sein. Verwechsle gut zu dir selbst sein nicht mit selbstsüchtig sein. Wir können unsere Liebe erst auf andere ausdehnen, wenn wir uns aufrichtig selbst lieben. Wenn wir unentwegt hart zu uns selbst sind und uns verurteilen, machen wir dasselbe mit anderen. Das, was wir über uns selbst denken, übertragen wir auf andere. Eine einfache Möglichkeit zu erkennen, wie wir uns selbst behandeln, besteht darin, die Menschen um uns herum zu betrachten. Sie spiegeln wider, was in uns vorgeht.

Hoffentlich haben wir uns alle wenigstens irgendwann einmal gut behandelt und erfahren, wie schön sich das anfühlt. Je öfter wir Yoga machen, desto wohler fühlen wir uns und desto leichter können wir eine durchgehend freundliche Haltung entwickeln und pflegen. Das stellt die Weichen für eine weit größere Leichtigkeit in allen Lebensbereichen.

Ich bin davon überzeugt: Wenn die Zahl der Yoga-Praktizierenden eine kritische Masse erreicht, werden viele unserer kollektiven psychischen und physischen Gesundheitsprobleme immer mehr dahinschwinden. Aber damit Yoga zu einer Massenbewegung wird, müssen die Leute begreifen, dass wirklich jeder Yoga machen kann.

Du musst nicht Patañjalis achtfachem Pfad folgen oder in einen Ashram ziehen, um in deinem Leben von Yoga zu profitieren. Du musst nur anfangen zu üben. Es ist einfach, leicht und wirkungsvoll.

Was ist der erste Schritt? Atmen.

Und der nächste? Beobachten.

Die acht Glieder des Yoga

Patañjali schrieb über das System, das heute unter dem Namen Ashtanga-Yoga oder die acht Glieder des Yoga bekannt ist. Hier sind die ethischen Richtlinien, die er für alle Yoga-Praktizierenden entwickelt hat – einschließlich dir selbst, wenn du magst.

Yama: Verbote, die uns daran hindern, Gewalt auszuüben, zu lügen und zu stehlen

Niyama: Regeln, deren Befolgung Zufriedenheit, Reinheit und Toleranz zur Folge hat

Asana: Körperübungen (Yoga-Stellungen)

Pranayama: Atemtechniken

Pratyahara: Vorbereitung zur Meditation, die Abschottung des Geistes von Sinneseindrücken

Dharana: Zustand der Konzentration; die Fähigkeit, den Geist für eine bestimmte Zeit auf einen einzigen Gegenstand gerichtet zu halten

Dhyana: Meditation; die Fähigkeit, sich unbestimmt lange auf nichts – keinen Gegenstand – zu konzentrieren

Samadhi: Versenkung, im Hier und Jetzt sein und die wesentliche Natur des eigenen Selbst erkennen

Beobachten, ohne zu werten

Beobachten, ohne zu werten, ist die Grundlage jeder Meditation. Das gilt auch für den Yoga, der letztendlich nichts weiter ist als eine Bewegungsmeditation. Wirklichen Nutzen entfaltet Yoga erst dann, wenn du es schaffst, diese Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe in alle Bereiche deines Lebens zu transportieren. Andernfalls ist Yoga lediglich eine Abfolge von Beugen und Dehnungen; auch schön und gut, aber nicht Sinn der Sache.

Du bist immer derselbe, ob auf der Yogamatte oder jenseits davon. Yoga zu praktizieren ist eine gute Gelegenheit, deine Gewohnheiten und Neigungen zu beobachten. Gibst du zu leicht auf? Arbeitest du hart, aber wenig effektiv? Machst du dich selbst fertig, wenn etwas nicht klappt? Gibst du gern an, wenn etwas gut läuft? Wenn wir Yoga machen, geben wir uns den nötigen Raum, all diese Dinge zu betrachten, ohne sie zu beurteilen. Wir gewinnen eine andere Perspektive und arbeiten an einer dauerhaften Änderung zum Besseren.

Wenn wir uns darin üben zu beobachten, ohne zu werten, nehmen wir uns den Raum und die Zeit, uns von Belastungen zu lösen. Diese Belastungen entstehen, wenn wir gefühlsmäßig in den Augenblick verstrickt sind. Beim Üben verringern wir gleichzeitig das Bedürfnis, ausschließlich impulsiv zu reagieren. Das baut Stress ab und löst die Anspannung direkt an der Quelle. Stress und Angst können den Blutdruck in die Höhe treiben, das Immunsystem schwächen und im Laufe der Zeit die Entstehung von Unwohlsein und Krankheiten fördern. Gut, dass es die langen, tiefen Atemzüge gibt, die hier schnell Hilfe bringen!

In der Meditation beobachten wir das Jucken, anstatt uns zu kratzen.  – Ram Dass

Balanceakt: im Hier und Jetzt sein

Wenn du perfekt ausbalanciert in der Baum-Stellung stehst, ist alles leicht: Dein Atem ist tief und entspannt, und deine Muskeln arbeiten ganz genau so, wie du es gerne hättest. Wenn du einen guten Tag hast, passiert dasselbe. Deine Atmung ist ruhig, dein Körper arbeitet harmonisch mit deinem Geist zusammen. Alles fühlt sich viel leichter an, weil du in einem Zustand des Gleichgewichts bist.

Warum ist Balance so wichtig? Betrachten wir es vom Standpunkt der Lebenslektionen aus, geht es darum, zu lernen, wie man sich wohl fühlt, ohne dass einem das eigene Ego in die Quere kommt. Sagen wir, du machst einen Kopfstand. In dem Moment, wo du denkst: »Wow, ich schaffe diese Stellung!«, gerätst du normalerweise ins Wanken. Du bist nicht mehr im Augenblick versunken und kommst aus dem Gleichgewicht, sobald du darüber nachdenkst, was du tust, und es bewertest, anstatt es einfach nur zu erleben und zu genießen.

Das ist es, was Yoga uns lehrt: wie wir ganz in der Gegenwart sein können, egal unter welchen Umständen. Wir konzentrieren uns auf die Atmung, denn mit jedem Einatmen schaffen wir mehr Raum in unserem Körper. Wir konzentrieren uns auf die Bewegung, denn jede Bewegung erinnert uns daran, dass jeder Moment eine neue Gelegenheit zur Veränderung bietet. Jedes Ausatmen erlaubt uns, den Moment loszulassen, der gerade vergangen ist. Unsere Konzentration auf jeden einzelnen Atemzug verankert uns im Hier und Jetzt.

Wenn wir lernen, den Augenblick zu genießen, müssen wir nicht mehr in ständiger Sorge, Furcht und Anspannung vor Dingen leben, die noch gar nicht geschehen sind und vielleicht nie geschehen werden. Yoga zu machen hilft uns dabei, diese schlechten geistigen Angewohnheiten loszuwerden, ebenso wie die Stressauslöser, die wir dabei oft unbewusst aufnehmen.

Du fragst jetzt vielleicht: »Aber was, wenn das Hier und Jetzt beschissen ist? Wie kann das Leben im Augenblick dann helfen?« Wenn dein Leben nicht im Gleichgewicht ist und du um Stabilität ringst, wird es erst richtig interessant – und sehr nützlich –, das Beobachten ohne Werten zu üben. Wie das? Weil du lernst, dich von der Achterbahnfahrt deiner Gefühle und den äußeren Umständen zu distanzieren und auch jetzt noch das Leben zu genießen.

Äußerliche Fluchtmittel wie Alkohol, Drogen oder übermäßiges Essen dienen dazu, die Unsicherheit beiseitezuschieben und vorübergehend zuzudecken. Sie mögen einen Moment lang Trost spenden, aber ich muss dir nicht sagen, dass sie auf lange Sicht mehr Probleme schaffen als lösen. Wir können etwas Wichtiges lernen, wenn wir Unsicherheit und Unheil nüchtern erleben. Die chaotischsten Momente sind nämlich die, von denen wir am meisten profitieren. Nehmen wir noch einmal die Baum-Stellung. Wenn dein Baum durcheinandergerät und du hinfällst, wenn dein Bein brennt und es unmöglich scheint, irgendeine Art von Stabilität zu wahren, solltest du dich darin üben zu beobachten, was passiert, anstatt dich in den Umständen zu verheddern. Wenn du lernst, in solchen Momenten ruhig zu atmen, werden Körper und Geist folgen.

Du kannst leichten Herzens aus dem Baum kippen – oder frustriert und mit einem Gefühl der Niederlage. So wie du einen Sturz in deinem Leben hinnehmen und beschließen kannst, dich – mit einem Kichern oder Stöhnen – abzuputzen und wieder aufzurappeln oder aber am Boden liegen zu bleiben und aufzugeben. Das liegt ganz bei dir. Es ist dein Leben – und deine Übung. Und wie ich schon sagte: Was du auf der Matte übst, wirst du schließlich auch im Leben tun.

Zenspiration

Probier es jetzt aus. Hör einen Moment lang auf, das zu tun, was du gerade tust. Schließ die Augen und richte deine Aufmerksamkeit nach innen. Fang an, dich wie ein Unbeteiligter zu beobachten. Beobachte, wie deine Empfindungen kommen und gehen. Mach das eine Minute lang, dreimal am Tag. Du wirst bald ein wohltuendes Gefühl der Ruhe und Leichtigkeit dabei verspüren.