Im Thüringer Wald, hoch droben zwischen den Bergen, liegt das Dörflein Oberhain. Kleine, schiefergraue Häuslein ohne Scheunen und Ställe, ohne Gärten und Felder stehen eins neben dem andern dicht am Berg, im Schatten der nahen Waldbäume. Wenn im Frühjahr die kleinen Kartoffeläcker bestellt sind, die sich am Berghang hinziehen, ist die Arbeit getan. Im Sommer erklingt nicht das Dengeln der Sensen, denn es gibt kein Heu auf den kleinen, nassen Wiesen. Im Herbst sieht man keinen Erntewagen, denn niemand hat Garben einzubringen; im Winter hört man nicht dreschen, denn es ist kein Korn gewachsen. Keine Viehherde zieht durchs Dorf, nur ein paar Geißen grasen da und dort oder ein Schweinlein läßt sein Grunzen vernehmen. So sieht ein Dorf aus ohne Bauern. Aber doch leben Leute genug in den schieferbedeckten Häuschen, Leute, die von früh bis spät fleißig sind. Was mögen sie wohl treiben?
Es war im Juni des Jahres 1900 früh am Morgen. Aus der Türe eines der Häuschen trat eine kleine Frau; sie war nicht kräftig und rotbackig wie eine Bäuerin, schmächtig und blaß sah sie aus; doch ging sie ganz munter ums Haus und holte von den Reisern, die dort aufgeschichtet lagen, ein Büschel. Die Türe hatte sie weit offen stehen lassen und man konnte durch dieselbe in das Zimmer sehen und in die Kammer daneben. In dieser standen zwei Betten. Aus dem einen war eben die Frau herausgeschlüpft und der Mann lag noch darin. Im andern Bett ruhten zwei Kinder; eigentlich gehörte wohl noch ein drittes hinein, aber das war offenbar herausgefallen, denn es lag auf dem Boden, war halb unter die Bettstatt hinuntergekugelt, schlief aber dort unten ganz ruhig weiter.
Als die Frau mit dem Holz wieder in die Stube kam und Feuer im Ofen anmachte, verließ der Mann das Bett, kleidete sich an, hob den kleinen Kerl unter der Bettstatt hervor, legte ihn in sein Bett und sagte zu seiner Frau: »Den Johann haben sie wieder herausgeworfen, hast nicht gesehen, daß er auf dem Boden gelegen ist?« »Wohl,« sagte die Frau, »aber es ist ja nicht kalt und schadet ihm nichts.«
»Ja, ja, im Sommer tut sich’s noch, aber die Kinder werden alle Tag’ größer, sie haben zu dritt nimmer Platz in dem Bett, wie soll’s im Winter werden?« »Geh, sorg dich nicht um den Winter, jetzt um Pfingsten herum,« sagte munter die kleine Frau und setzte einen Topf voll Kartoffeln aufs Feuer.
Als der anfing zu sprudeln, erwachten die Kinder fast alle zur gleichen Zeit und bald saß die ganze Familie einträchtig um den Tisch. Mit dem Anrichten der Kartoffeln machte die Hausfrau nicht viele Umstände, sie wurden mitten auf den Tisch geschüttet, da kollerten sie schon von selbst nach allen Seiten und jedes langte zu und aß.
»Mutter, der Johann schiebt die Kartoffeln mit den Schalen hinein,« sagte Marie, die Sechsjährige. Aber die Mutter lachte bloß: »Er denkt halt, so geben sie mehr aus,« sagte sie. »Geh, Marie, schäl du sie dem Johann,« mahnte der Vater, und die Schwester tat es auch, aber lange hatte sie nicht die Geduld dazu und einige Schalen bekam der Kleine immerhin noch mit zu essen.
Nach dem Frühstück wischte Frau Greiner mit beiden Armen den Tisch ab, daß die Kartoffelschalen nach rechts und links auf den Boden flogen und rieb mit ihrer Schürze darüber. Vater Greiner war inzwischen an den Ofen gegangen, in dem trotz des warmen Junimorgens noch das Feuer brannte. Dort stand ein Kessel, von dem kein lieblicher Duft ausströmte: Aus alten Papierabfällen und Kreide, aus Mehl und Leimwasser rührte da Greiner einen wunderlichen Brei zusammen und bald brodelte die Masse und erfüllte mit ihrem Dunst das ganze Stübchen. Papiermasché war es, das er da bereitet hatte, und nun ging er an seine Arbeit. Er hatte neben sich eine Anzahl von Formen, so etwa, wie unsere Kinder Formen haben, wenn sie mit Sand spielen. Sie füllen ihre Förmchen mit dem feuchten Sand und pressen ihn hinein, und wenn sie dieselben umstürzen, so stehen kleine Törtchen oder dergleichen da. So füllte Greiner in seine Formen das Papiermasché, drückte es fest an, und was herauskam, das waren Puppenköpfe, lauter Puppenköpfe. Schön sahen diese noch nicht aus, sie waren weiß und weich, hatten noch keine Augen, und vorsichtig mußten sie zum Trocknen auf die Stäbchen gesteckt werden, die an Brettern rings um den Ofen gestellt waren. So saß nun auf seinem Holzstuhl Vater Greiner stundenlang zwischen dem übelriechenden Brei und all den dampfenden Köpfchen, arbeitete und hustete dabei, denn seine Lunge war krank geworden von der schlechten Luft.
Seine Frau hatte aber auch nicht umsonst den Tisch sauber gemacht. Bald lag auf demselben ein Ballen weißen Hemdentuches, aus dem sie Stoff zu Puppenkörpern herausschnitt; das ging so flink, im Nu war ein ganzer Stoß geschnitten. Dann ging’s ans Nähen; ringsum mußte der Balg zugenäht werden, nur oben, wo später der Kopf darauf kommt, blieb er offen. War er genäht, so mußte er umgewendet werden, aber das tat Frau Greiner nie selbst, dazu war ihre Zeit zu kostbar. Jetzt lagen ein paar Bälge fertig genäht da. »Philipp, da komm her,« rief die Mutter dem Fünfjährigen zu, »umwenden! Philippchen, umwenden!«
Das Philippchen wollte nicht recht. Es kugelte mit dem dreijährigen Bruder, dem Johann, auf dem Boden herum; da war so allerlei: Sägspäne, die man beim Ausstopfen der Puppenkörper verstreut hatte, Papierabfälle und Kartoffelschalen; denn nur am Samstag wurde das alles zusammengekehrt, unter der Woche gönnte sich Frau Greiner nicht die Zeit. Und heute war Freitag, da waren schon Abfälle aller Art auf dem Boden und damit unterhielten sich die zwei Kleinen.
»Philippchen, geh zur Mutter,« sagte jetzt der Vater, »wenn die Marie aus der Schule heimkommt, dann darfst du wieder springen, aber jetzt mußt du halt dran, da hilft nichts.« Das Philippchen setzte sich nun auf die Bank am Tisch und nahm einen der genähten Puppenbälge. Er stülpte ihn um, das ging leicht; aber dann kam eine mühsame Arbeit: die Ärmchen und Beinchen umzukehren; doch mit seinen feinen Fingerchen konnte er das besser als große Leute. Wenn er nur auch immer fleißig weiter gearbeitet hätte; aber die Mutter spornte ihn an, wenn er seine Hände ruhen ließ:
»Philipp, was wird der Herr sagen, wenn ich morgen zu ihm nach Sonneberg komme und kann nicht so viel abliefern, als ich versprochen habe!«
»Was sagt er dann, Mutter?«
»So,« sagt er, »so wenig Bälge bringt Ihr? Der Korb ist ja nur halb voll.«
»Was sagst du dann, Mutter?«
»Dann sag’ ich: Ja, Herr, es ist ein Jammer, mein Philipp ist halt so faul.«
»Was sagt dann der Herr, Mutter?«
»Dann sagt er: ›Euch geb’ ich keine Arbeit mehr, da geb’ ich’s lieber dem Haldengreiner, der ist fleißiger.‹
»Und dann, Mutter?«
»Und dann müssen wir alle Hungers sterben.«
Auf das hin regte Philipp fleißig seine Fingerlein und sah eine ganze Weile nicht von seiner Arbeit auf.
»Es ist ein Elend, daß man’s mit allem Fleiß nicht weiter bringt,« fing der Hausvater nach einer Weile an.
»Warte nur, es kommt schon besser,« sagte die Frau, »am letzten Samstag ist in Sonneberg allgemein die Rede gewesen, daß aus Amerika große Bestellungen gekommen sind, da gibt’s Arbeit genug!«
»Was hilft’s, wenn’s nicht besser bezahlt wird? Wir bringen doch nicht mehr fertig.«
»Das mußt nicht meinen. Der Johann ist jetzt schon drei Jahre, mit vier kann man ihn schon anweisen und mit fünf hilft er so viel wie der Philipp!«
»Dafür muß der dann in die Schule, das gibt auch wieder einen Ausfall in der Arbeit.«
»Die paar Schulstunden mußt nicht so rechnen,« sagte die Frau, »die bringen sie bei Nacht herein. Dem Haldengreiner sein Achtjähriger, der hat schon manche Nacht durchgeschafft.«
»Weiß schon, dann schlafen sie in der Schul’, soll gar nicht gut sein für die Kinder; dumm und schwach bleiben sie, hat der alte Lehrer gesagt, und der neue Lehrer sagt’s auch und er hat recht.«
»Geh zu, was der Lehrer sagt, mußt nicht so anschlagen, er möcht’ halt, daß die Kinder lernen. Der alte hat’s immer gewollt, und der neue ist auch nicht besser. Da ist einer wie der andere aufs Lernen aus.«
»Aber ist’s nicht wahr, daß wir Leute schwach sind? Sogar der Schulz sagt, die wenigsten von unseren Burschen geben Soldaten.«
»Was Soldaten, wir brauchen doch keine, es ist ja seit dreißig Jahren Frieden im Land!«
»Jetzt, Frau, du redest aber dumm daher.«
Die Frau lachte. »Wird halt der Lehrer recht haben, daß wir dumm sind. Aber wieviel Nächte hab’ ich auch schon durchgeschafft! Aber was willst denn machen? Wir können’s doch nicht ändern. Geh, stopf du dir die Pfeife, daß dir die schweren Gedanken vergehen, am Samstag bring’ ich dir wieder ein Päckchen Tabak mit.«
Der Trost verfing am besten; über den Qualm der Pfeife kam der sorgliche Hausvater in gemütliche Stimmung.
Inzwischen wurde es immer dumpfer und heißer in dem Stübchen; der Johann wollte auch nicht mehr gut tun, da kam gerade zur rechten Zeit die Schwester aus der Schule heim. Sie hatte noch nicht die Bücher abgelegt, als Philipp schon den Puppenbalg aus der Hand warf, den er eben in Arbeit hatte: »Da, Marie,« rief er, »jetzt komm du her.« »Halt,« sagte der Vater, »zuerst müssen die Köpfe hinaus in die Sonne, so lang bleibst du noch sitzen, Philipp.« Der kleine fünfjährige Arbeiter setzte sich mit weinerlichem Gesicht wieder an die Arbeit; Marie nahm eines der Bretter, auf dem die Köpfe standen, und trug sie hinaus. Sie wußte schon, wie sie’s zu machen hatte: am Gartenzaun wurde ein Köpfchen neben dem andern aufgesteckt, auch auf die Fensterbretter außen wurden sie zum Trocknen gestellt, überall, wo irgend ein Platz zu finden war. An sonnigen Tagen waren gar viele Gärten und Häuser im Dorf so eigenartig geschmückt.
Jetzt kam Marie wieder zurück in die Stube; der kleine Philipp sah begierig auf, ob ihn die Schwester nun ablösen würde. Die aber nahm ihre Schiefertafel, ihr Schulbuch und ihren Griffel und machte alle Anstalten, ihre Schulaufgabe zu schreiben. Aber da erhob sich allgemeine Einsprache: »Was fällt dir denn ein, Marie,« rief die Mutter, »gerad’ nur von der Schul’ heim und wieder schreiben, du bist wohl nicht recht bei Verstand! Als ob wir keine Arbeit hätten! Elias, siehst nicht den Übermut?« rief sie dem Mann zu. Der wandte sich um und wollte auch etwas dagegen sagen, aber da kam der Husten und verhinderte die Einsprache; sie war auch nicht mehr nötig, denn der Philipp fing so laut an zu heulen, daß Marie ihren »Übermut« aufgab, die Bücher beiseite schob und des kleinen Bruders Arbeit nahm, ohne ein Wort zu sagen.
»So, Philippchen,« sagte die Mutter, »jetzt gehst du in die Wirtschaft und holst um zwanzig Pfennige Speck zu Mittag; nimmst auch den Johann mit, daß er auch sein Vergnügen hat.«
»Er hat gar keinen Rock an, darf er im Hemd mit?«
»Den Rock mußt ihm halt anziehen, er liegt in der Kammer auf dem Bett.«
»Ja, der hat schon gestern keinen Häckel mehr gehabt, den kann man nimmer zumachen.«
»Sei nicht so dumm, Philippchen, suchst eben, ob du nicht eine Stecknadel findest, daß der Rock so lange hält, bis ihr wieder heimkommt.«
»Könntest nicht so einen Häckel hinnähen?« fragte der Vater.
»Es ist halt alles zerrissen,« sagte die Mutter, »aber am Sonntag will ich’s schon richten. Johann, gelt, tust dein Röckchen schön halten, daß es auf der Gasse nicht herunterfällt!«
»Das Geld, Mutter, hast keine zwanzig Pfennig?«
»Was fragst so dumm, Philipp, du weißt doch, daß am Freitag das Geld aus ist; sag nur, die Mutter zahlt’s morgen, wenn sie von Sonneberg mit dem Geld heimkommt.« Die Kinder gingen; der Johann hielt mit beiden Händchen seinen Rock hoch, denn die krumme Stecknadel, die der Philipp gefunden hatte, taugte nicht viel und der Rock wollte immer herunterrutschen auf dem Weg zum Wirt, der zugleich der Metzger war.
»Wenn man’s doch richten könnt’,« sagte Greiner zu seiner Frau, »daß man immer gleich bezahlen täte, was man holt!«
»Der Wirt borgt gern,« entgegnete die Frau leichthin.
»Aber doch rechnet er mehr an; elf Pfennige statt zehn, wenn er hat borgen müssen, und der Krämer macht’s auch so.«
»So ist’s halt, Elias, das kannst doch nicht ändern, es war immer schon so.«
»Aber anders wär’s halt doch besser. Wenn man nur ein einziges Mal ein klein Sümmchen ins Haus bekäm’, daß man das alte zahlen könnt’ und das neue auch; von da an dürft’ mir nichts mehr auf Borg geholt werden, kein Lot Kaffee. Aber wir bringen’s nie zu einem Sümmchen und wenn wir uns die Finger wund arbeiten.«
»So red’ doch nicht so viel, mußt sonst doch nur husten, wer kann’s denn wissen, ob’s nicht einmal besser kommt? Deine Schwester ist doch auch eine reiche Frau geworden und lebt in Köln am Rhein und muß gar nichts arbeiten.«
»Ja, die hat ihr Glück gemacht, aber an uns denkt sie nicht; das macht halt, sie ist so jung schon fortgekommen und hat unser Elend vergessen, die weiß gar nicht, wie wohl unsereinem einmal ein Goldstücklein tät! Schon lang hat sie nichts geschickt.«
»Weil sie auch gar so weit weg ist!«
»Von Köln aus könnt’ man schon etwas schicken; unsere Puppen schickt man doch sogar bis nach Amerika.«
»Amerika! Das ist nicht so weit, da fahren die Schiffe alle Tage herüber und hinüber und am Samstag kannst in Sonneberg oft genug so einen Herrn aus Amerika sehen und aus England auch; aber aus Köln kommt keiner, das muß viel weiter weg sein.«
»Viel näher ist’s, Frau, das könntest auch wissen, nach Amerika mußt übers Meer.«
»Und nach Köln wirst über den Rhein müssen, der soll auch so ein großes Wasser sein.«
»Der ist doch nur ein Fluß!«
»Meinetwegen, ich hab’ auch keinen Fluß und kein Meer gesehen.«
Jetzt unterbrachen die Kinder, die den Speck brachten, die Unterhaltung. Die Mutter setzte wieder Kartoffeln zu, und um 12 Uhr legte die ganze Familie für ein Stündchen die eintönige Arbeit beiseite und die müden Hände durften ein wenig ruhen.
»Warum hast heute so schnell deine Schulaufgabe schreiben wollen?« fragte Vater Greiner sein Schulmädchen. Marie wollte nicht heraus mit der Sprache. »Warum, sag’s, bist abgestraft worden? Hast doch gestern abend geschrieben!«
»Ja,« antwortete Marie, »aber der Lehrer hat’s nicht lesen können; ich soll’s bei Tag schreiben, sagt er, gleich zuerst. Denn was wir bei der Nacht schreiben, könne er gar nicht lesen, so schlecht sei’s.«
»Wart nur,« tröstete die Mutter, »im Winter, wenn die stille Zeit kommt und keine Arbeit im Haus, dann kannst schreiben, wann du willst, den ganzen Tag. Aber jetzt geht’s halt nicht, jetzt kommt die strengste Zeit für uns, da muß schon der Lehrer nachgeben.«
Ja, es war strenge Arbeitszeit im ganzen Dorf, denn im Sommer werden die Puppen gemacht, die im Winter auf dem Weihnachtstisch liegen sollen. Bis spät in die Nacht hinein arbeitete Vater Greiner und seine Frau, um alles fertig zu bringen. Am Samstagmorgen standen sie frühe auf. Da wurde der riesengroße Huckelkorb vollgepackt mit all den fertigen Puppenkörpern, die Köpfe wurden in großen Schachteln noch oben auf den Korb geschnürt und ein langes Tuch darüber gebunden. Solch einen Korb aufzuhuckeln, ist ein ganzes Kunststück, und mancher kräftige Mann möchte die Bürde nicht auf sich nehmen. Aber Frau Greiner, so schwächlich sie erschien, war von Jugend auf gewöhnt, die Last zu tragen, und nahm sie auch heute fröhlich auf sich. Ihr Mann zog noch sorglich die Schnur fest, daß nichts ins Wanken geraten konnte von den oben aufgepackten Schachteln, die hoch über den Kopf der Frau hinausragten, und die Kinder sahen ernsthaft zu; sie wußten schon, daß der Samstag immer der wichtigste Tag war, an dem die Mutter die Arbeit ablieferte und neue heimbrachte, und Geld dazu für die ganze Woche. Ein gut Stück Weg liefen sie neben ihr, dann mußten sie umkehren, aber diesmal nicht alle. Für Marie war heute ein besonderer Samstag vor andern, sie durfte mit in die Stadt, und die Mutter wollte für sie einen eigenen Huckelkorb einkaufen, damit sie künftig helfen könnte tragen, wenn es gar zu viel für die Mutter würde.
Und so wanderte sie neben der Mutter her durchs Dörfchen. Aber sie blieben nicht lange allein, denn da und dort kamen aus den kleinen Häusern Frauen und Mädchen mit schwerbeladenen Huckelkörben und mit kleinen Handwagen; sie zogen alle dieselbe Straße nach Sonneberg. Zwischen den schönen Waldbergen hindurch gingen sie gebückt unter der Last, aber doch in fröhlichem Geplauder, und als sie in die Nähe der Stadt kamen, sahen sie von anderen Ortschaften her ähnliche Gestalten der Stadt zupilgern.
»Mutter, was haben die in ihren Körben? Die tragen nicht so schwer wie du,« fragte Marie. »Das sind die von Lauscha,« sagte Frau Greiner, »die machen Glaskugeln und Christbaumschmuck und Puppenaugen. Die sind auch nicht besser bezahlt als wir, aber jetzt paß auf, der dort mit dem schweren Korb, das ist ein Augeneinsetzer, die sind am besten bezahlt.« Achtungsvoll sahen Mutter und Tochter nach dem Mann mit dem schweren Korb.
Nun machte die Straße eine Biegung und Sonneberg, die freundliche Stadt, erschien mit ihren schönen, schiefergedeckten Häusern mitten unter grünen Hügeln. Hier strömten von allen Seiten die Bewohner der umliegenden Ortschaften zusammen und suchten die großen Geschäfte auf, die aus den abgelieferten Köpfen, Körpern und Gliedern die Puppen fertig machen und in alle Welt hinaus versenden. Marie ging neben der Mutter her, sah nach den schönen Häusern hinauf und las die Aufschriften: »Spielwarenfabrik« hieß es an dem einen, »Fabrik gekleideter Puppen« an dem andern, und so fort; die ganze Stadt schien wegen der Puppen da zu sein. Darüber wunderte sich Marie auch gar nicht; ihre Eltern, ja fast alle Menschen, die sie kannte, lebten ja auch durch die Puppen.
Jetzt endlich waren sie an der Fabrik angelangt, für die Greiner arbeitete, und mit Herzklopfen folgte Marie ihrer Mutter durch das große Eingangstor in den Hofraum und durch eine Tür in ein Arbeitszimmer, in dem schon mehrere Frauen und Mädchen standen und warteten.
Eine Frau packte eben die Puppenkörper aus, die sie gebracht hatte, und ein Herr mit der Brille auf der Nase sah einen jeden prüfend an, warf ihn dann neben sich in einen großen Kasten und zählte dabei. Die Frau sah ängstlich zu. Jetzt warf der Herr einen der Körper beiseite und am Schluß noch einen.
»Zwei gehen ab, die sind ungleich gearbeitet, müssen noch einmal aufgetrennt werden.« Die Frau legte sie stillschweigend wieder in ihren Korb, bekam dann einen Zettel, auf dem stand, wieviel sie abgeliefert hatte, und ging mit diesem in das nächste Zimmer, wo sie ausbezahlt wurde und neue Aufträge für die nächste Woche erhielt. So kam eine der Frauen nach der anderen an die Reihe, auch Frau Greiner lieferte ab. Ihre Arbeit wurde tadellos befunden und vergnügt strich sie ihr Geld ein. Für die nächste Woche gab’s Arbeit genug, fast mehr als Frau Greiner versprechen konnte. Der Herr vermerkte es in seinem Buch.
»Mutter, so viel bringen wir doch nicht fertig?« fragte Marie, als sie aus dem Zimmer waren. – »Ich weiß wohl, aber das darf man nicht sagen, sonst heißt’s später, wenn’s weniger Arbeit gibt, gleich: Ihr habt uns auch im Sommer im Stich gelassen, wie die Arbeit drängte.«
»Aber wenn wir’s in dieser Woche nicht fertig bringen? O da möcht’ ich nicht dabei sein, wenn du zu dem Herrn kommst und zu wenig ablieferst, da würd’ ich mich fürchten!«
»Wir werden schon fertig; wenn der Tag nicht reicht, so gibt’s doch noch die Nacht. Jetzt komm, jetzt gehen wir zur Großmutter und schauen, wie’s der Alten geht, und deinen Korb kaufen wir auch.«
Die Großmutter wohnte ganz oben im alten Teil des Städtchens, wo kleine Häuschen in engen Gassen sich am Berg hinziehen. Marie war vor Jahren einmal dagewesen und hatte ihre Großmutter und die Tante, bei der sie wohnte, besuchen dürfen, sie konnte sich’s kaum mehr erinnern.
Sie stiegen eine schmale Treppe hinauf und kamen in einen dunklen Gang. Marie hielt sich an der Mutter. »Gelt, dir kommt’s dunkel vor?« sagte die Mutter, »aber ich find’ gut meinen Weg, ich bin ja da aufgewachsen, und wie ich so alt war wie du, bin ich durch den Gang gesprungen, wie wenn’s heller Tag wär’.« Sie kamen an einer Tür vorbei, man hörte sprechen. »Das ist noch nicht die rechte Stub’, da wohnt ein Stimmacher; weißt so einer, der den Puppen die Stimme einsetzt, daß sie Papa und Mama sagen können. Und da gegenüber ist jetzt einer, der macht Puppenschuh’, hörst nicht seine Maschine?«
»Aber da wohnen viel Leut’, Mutter!«
»Was meinst auch, in Sonneberg sind die Wohnungen gar teuer, aber jetzt sind wir an der rechten Tür, da wohnen wir.« Ohne anzuklopfen machte Frau Greiner die Türe auf: »Guten Tag, Mutter, guten Tag, Regine. Seid ihr wohlauf? Marie, kennst die Großmutter noch? Geh vor, gib ihr die Hand und deiner Tante Regine auch.«
Die alte Frau, die am Fenster saß, nickte freundlich den Ankommenden zu und erwiderte den Gruß. Aber sie stand nicht auf von ihrem Stuhl, denn sie war an der Arbeit. Einen Puppenkopf hatte sie vor sich, einen ganz fertigen, schön bemalten, mit Augen im Kopf, aber oben war das Köpfchen noch offen, dem leimte sie eben das Deckelchen auf, mit dem schön gelockten Haar. Und die Tante, die kniete eben vor dem Ofen und zog aus der Röhre ein Backblech hervor. Aber Kuchen war nicht auf dem Blech, etwas ganz anderes kam zum Vorschein. Glasröhrchen, umwickelt mit blonder und brauner Mohärwolle, die wie Haar aussah, lagen da nebeneinander auf dem Blech und waren im Ofen getrocknet worden. Mit geschickten Fingern streifte Regine die aufgewickelte Wolle vom Glasröhrchen ab, und nun war es eine festgerollte schöne Locke, fertig zum Aufkleben auf den Puppenkopf.
Wenn auch die beiden Frauen ihre Arbeit kaum unterbrachen, waren sie doch freundlich gegen ihre Besuche, fragten nach Mann und Kind und wunderten sich, daß Marie schon so groß sei. Auf dem Ofen stand eine Kanne mit Kaffee. »Schenk dir ein und deiner Marie auch,« sagte die Großmutter, »hol das Brot aus der Schublade und schneid euch ab, es ist euch vergönnt.«
Da saßen sie und aßen und Marie sah dabei auf die Tante, wie sie so blitzschnell die Löckchen abstreifte und von der schönen Mohärwolle, die neben ihr stand, neue feuchte Strängchen um die Glasröhrchen wickelte, daß in kurzer Zeit das Blech wieder voll war und in die Herdröhre wanderte. »Das Frisieren ist schöner als das Bälgemachen, Mutter,« sagte Marie, »das möcht’ ich lieber tun.«
»Gefällt dir’s?« sagte ihre Tante. »Wenn du aus der Schule bist, dann kommst du nur zu uns und hilfst mir. Die Großmutter wird alt, der zittern jetzt schon die Hände.« Aber Frau Greiner lachte. »Du wärst nicht dumm,« sagte sie zu ihrer Schwester. »So lang die Kinder klein sind, soll ich sie haben, und wenn sie aus der Schul’ sind, sollen sie dir verdienen helfen. Die Marie wird schon daheim bleiben müssen. Wir haben jetzt auch Arbeit genug, ich kann sie nimmer allein tragen; einen Korb will ich der Marie kaufen, daß sie mir künftig tragen hilft. Wir müssen gehen, daß wir vor Abend noch heimkommen.«
Stolz kehrte Marie mit dem neuen Huckelkorb auf dem Rücken von Sonneberg heim. Im Dorf hielten sie sich mehr als einmal auf, ehe sie ins eigene Haus kamen. Beim Metzger und beim Krämer, beim Bäcker und bei der Nachbarin, die Geißmilch verkaufte, waren Schulden zu bezahlen und überall wurde noch ein wenig eingekauft, so daß die kleine Barschaft schon ziemlich zusammengeschmolzen war, als sie ihr Haus erreichten. Der kleine Philipp sprang ihnen entgegen.
»Ihr kommt so spät heut’,« sagte er, »es steht schon lang einer da und wartet auf dich.«
»Wer ist’s denn?«
»Der den Stoff verkauft, der will Geld.« »O den kann ich schon gar nicht leiden,« sagte die Mutter, »hätt’ ihn der Vater doch fortgeschickt.« »Der Vater ist auf dem Kartoffelacker, den Johann hat er mitgenommen.«
Vor dem Hause setzte Frau Greiner den Huckelkorb ab, mit dem sie gar nicht durch die niedrige Türe gekonnt hätte, und dann trat sie ins Zimmer. Am Fenster stand der Kaufmann, der von Zeit zu Zeit in den Ort kam und das Tuch verkaufte, aus dem die Puppenkörper angefertigt wurden. Ihm war Frau Greiner viel schuldig, und so ungern sie ihr Geldchen, das sauer verdiente, hergab, so langsam sie auch die Markstücke aufzählte, sie durfte sie doch nicht behalten, sie wanderten in die große Geldbörse des Kaufmanns. Er hätte ihr sonst keinen neuen Stoff gegeben und sie brauchte doch so viel für die Bestellungen, die sie angenommen hatte. Nachdem sie bezahlt hatte, rollte er bereitwillig seinen Ballen auf, und sie konnte von dem schönen weißen Stoff haben so viel sie wollte.
»Wollen Sie ihn nicht gleich zahlen, Frau Greiner, oder wenigstens einen Teil davon? Sie haben ja noch Geld, wie ich sehe, und Sie bekommen jeden Meter um zehn Pfennig billiger, wenn Sie gleich bezahlen.«
Aber Frau Greiner entsetzte sich ordentlich über den Vorschlag. »Noch mehr zahlen!« rief sie. »Was meinen Sie denn, von was sollten wir denn leben in der Woche? Und muß ich nicht auch was zurücklegen für den Hauszins und etwas für die Steuer und für die Sterbekasse? Und gerade heut’, wo wir einen Huckelkorb gekauft haben! Marie, zeig deinen Korb. Sehen Sie? Gleich bar hab’ ich die Hälfte vom Preis auf den Ladentisch hinlegen müssen, sonst hätte ich ihn gar nicht mitbekommen; nein, bis Ende der Woche reicht’s nimmer zu einem Päckchen Zichorie, das kann ich schon jetzt sehen.«
»Nun, ich bin ja zufrieden, ich habe es ja nur gut mit Ihnen gemeint,« beschwichtigte der Kaufmann. »Jetzt ist ja die beste Zeit vom Jahr. Leben Sie wohl, und guten Verdienst!«
Frau Greiner verwahrte das kleine Geldsümmchen im Schrank; auch den Stoff schloß sie sorgfältig hinein, denn am Samstag abend wurde nicht mehr gearbeitet. Der Mann kam ganz erschöpft vom Acker heim, er war die Feldarbeit nicht gewöhnt, auch die Frau war müde von dem langen Marsch. Aber als sie dann mit den Kindern um den Tisch mit den Kartoffeln saßen, wurden sie alle wieder guten Muts. Es sah auch heute abend ganz nett in der Stube aus, die Arbeit war weggeräumt, der Boden aufgekehrt. Das hatte der Mann besorgt, während die Frau in der Stadt war, und nun machte er Feierabend und setzte sich auf die Bank vor dem Haus; die Nachbarn erschienen auch, da und dort standen sie beisammen und plauderten.
Aber die Frauen hatten noch nicht Feierabend. »Schlupft ins Bett, Kinder, daß ich euere Hemden waschen kann,« sagte Frau Greiner. Die Kleinen besaßen jedes nur ein Hemd, das wurde immer in der Nacht von Samstag auf Sonntag gewaschen und am Ofen getrocknet. Marie hatte schon zwei Hemden, dafür mußte sie aber auch schon helfen beim Waschen. Heute kam’s ihr sauer an, sie war so müde, und als die Mutter einmal von der Waschwanne an den Brunnen ging, um Wasser zu holen und wieder ins Haus zurückkam, war die kleine Wäscherin nicht mehr zu sehen und nicht zu errufen – sie war schnell ins Bett geschlupft und schlief schon fest. Frau Greiner lachte und ließ sich’s gefallen.
Am Montag morgen saß die Familie wieder an der Arbeit und jedes von ihnen hätte gedacht, daß dieser Tag und all die nächsten genau so verstreichen würden, wie die vorigen, denn eintönig floß das Leben dieser fleißigen Leute dahin; doch diese Woche brachte einen andern Ton. Er kam durch den ins Haus, der gar oft Aufregung bringt: durch den Postboten. Der Postbote war gar kein so seltener Gast in der Familie Greiner, denn er brachte manchmal Anerbietungen von Kaufleuten, manchmal auch Mahnungen wegen rückständiger Zahlungen. Derentwegen machte er die Türe gar nicht auf, sondern legte sie nur durchs Fenster aufs Gesimse. Heute aber kam er ins Zimmer und sagte: »Daß ihr nur nicht erschreckt: diesmal bringe ich einen Trauerbrief!« Sie erschraken aber doch. »Ich habe ja sonst keine Zeit, die Sachen zu lesen,« sagte der Postbote, »aber die Anzeige habe ich lesen müssen, weil’s mich doch gewundert hat, wer an euch so vornehm schreibt und weil’s so eine ganz besondere Traueranzeige ist.« Er ging. Die Anzeige kam aus Köln. Die Aufschrift lautete: an »Herrn Fabrikbesitzer Greiner mit Familie« und der Inhalt war freilich zum Erschrecken: Herr und Frau Fabrikant Langbeck in Köln waren an einem Tag infolge eines Unglücksfalls plötzlich gestorben. Frau Langbeck war Greiners Schwester. Greiner und seine Frau standen ganz erschüttert beisammen und starrten auf die Nachricht und konnten sie kaum glauben. Und dann hätten sie so gerne Näheres gewußt. Was für ein Unglücksfall konnte das gewesen sein? Immer wieder lasen sie das Blatt, aber es standen nur so wenige Worte darin.
»Haben wir nicht erst in den letzten Tagen von deiner Schwester gesprochen?« sagte Frau Greiner. »Vielleicht gerade in der Stunde, in der sie verunglückt ist; das war eine Ahnung, es war mir gleich damals so traurig zumute.«
Auch die Kinder, die manchmal von ihren reichen Verwandten in Köln gehört hatten, staunten das schwarzgeränderte Papier an, das solche Trauerkunde gebracht hatte. Aber nach einer Viertelstunde saßen Greiner und seine Frau wieder an der Arbeit, und wenn er auch seine Schwester wirklich betrauerte, und wenn sie auch voll Mitleid an die verwaisten Kinder dachte, Zeit durfte nicht versäumt werden; er mußte doch wieder an seine Formen zurück und sie mußte die Bälge nähen, wie wenn nichts geschehen wäre.
Und doch sollte das, was geschehen war, mehr Einfluß auf ihr Leben haben, als sie ahnten. Es vergingen ein paar Tage, da reichte der Postbote wieder einen Brief mit Trauerrand durchs Fenster, der wieder an Herrn Fabrikbesitzer Greiner überschrieben war.
»Was ist aber das!« rief Frau Greiner entsetzt. »Jetzt sind wohl auch noch die Kinder verunglückt. Ich habe doch auch so viel an sie denken müssen. Ich will’s nur gleich vorlesen, du hast ja doch die Hände voll Brei!« Der Brief war von einem Verwandten des verstorbenen Fabrikanten Langbeck. Er teilte mit, es habe sich leider herausgestellt, daß das Geschäft des Verstorbenen zurückgegangen sei und er sein Vermögen eingebüßt habe. Nun müsse gesorgt werden für die drei mittellos hinterbliebenen Kinder: ein Mädchen von sieben Jahren, ein Knabe von vier, und einer von einem halben Jahr. Greiner möchte erklären, ob er nicht eins oder zwei der Waisen aufnehmen könne. Die Kinder seien etwas verwöhnt, weil sie in einem reichen Hause aufgewachsen seien, aber guten Charakters. Nur der vierjährige sei ein wilder Junge und brauche gute Zucht. Baldiger Bescheid wäre erwünscht.
Greiner nahm diese Anfrage schwer auf. Ihn drückte ohnedies die Sorge für seine Familie; es war kein Brot übrig und war kein Platz frei für ein weiteres Familienglied. Er war kränklich und schwach und wollte sich keine neue Lasten aufbürden, die alte drückte ihn schon schwer genug. Aber seine Frau sah’s anders an. »Wir nehmen das Mädchen,« sagte sie, »die Große, die Siebenjährige. Bedenk doch nur den Nutzen! Ein Bett hat sie, denn in reichen Familien hat jedes ein Bett, das muß sie mitbringen, da kann unsere Marie bei ihr schlafen, denk nur die Wohltat. Und dann die Arbeit, die sie tun kann! Sieben Jahre, wahrscheinlich bald acht, gleich kann sie Bälge füllen und jedes Jahr verdient sie mehr. Und dann bedenk doch, es sind doch deiner Schwester Kinder!«
Vater Greiner wurde ganz überstimmt, denn auch die Kinder stellten sich auf der Mutter Seite, Marie vor allem freute sich bei dem Gedanken an eine große Schwester. Aber wenn er auch nicht mehr viel sagte, es lag ihm doch schwer auf der Seele, und oft mußte ihn seine Frau in den nächsten Tagen drängen, bis endlich ein Brief nach Köln abging, in dem sich Greiner bereit erklärte, Edith, das siebenjährige Töchterchen, aufzunehmen. Gleich darauf kam der dritte Brief aus Köln. Er war von der Hand eines jungen Mädchens geschrieben, das als Kinderfräulein in der Familie Langbeck diente, und gerichtet an Frau Greiner. Sie teilte mit, daß Edith, schon ehe Greiners Brief angekommen war, eine freundliche Unterkunft gefunden habe, nicht so die Knaben. Sie bitte nun im Einvernehmen mit dem Vormund herzlich, statt Edith das jüngste Knäblein, den kleinen Alex, aufzunehmen. »Es ist ein goldiges Kind,« schrieb das Fräulein. »Es war unser aller Liebling; ich mag gar nicht daran denken, daß ich mich nun von ihm trennen muß, und ganz gewiß werden auch Sie und Ihr Herr Gemahl die größte Freude an ihm haben, und er wird herrlich gedeihen in der köstlichen Luft des Thüringer Waldes. Ich bin im Begriff, in meine Heimat zu reisen, komme nahe an Thüringen vorbei und wurde von dem Vormund der Kinder gebeten, Ihnen den Kleinen zu übergeben. So bringe ich Alex, wenn Sie nicht abtelegraphieren, schon übermorgen. Alex ist mit Soxhlet[*] aufgezogen, ich bringe diesen deshalb auch mit. Wenn Sie dadurch auch mehr Mühe haben, wird es doch für die ersten Wochen, bis der Kleine eingewöhnt ist, gut sein.« Der Brief war unterschrieben: »Elisabeth Moll, Kindergärtnerin.«
Frau Greiner hatte den Brief vorgelesen. Bei dem Wort »Soxhlet« stockte sie, das Wort hatte sie noch nie gelesen. »Wen bringt sie mit?« fragte Greiner. »Den Soxhlet bringt sie mit; das muß der größere Bruder sein, der vierjährige, der wilde, von dem sie neulich geschrieben haben.«
»Soxhlet, den Namen habe ich aber noch nie gehört,« sagte Greiner. »Die vornehmen Leut’ haben immer so tolle Namen«, meinte die Frau. »Alex steht gerade so wenig im Kalender, und Edith heißt bei uns auch niemand. Es kann auch gar niemand anders sein, als der größere Bub, sie schreibt ja, das Mädchen habe eine Unterkunft gefunden, aber die Buben nicht. So schicken sie halt beide zu uns, das ist eine schöne Bescherung!«
Diesmal war sogar Frau Greiner besorgt, wie das gehen solle, und große Bestürzung herrschte in der Familie. Vater Greiner war ungehalten. »Mir kommt’s auch gar nicht recht vor, wenn man schreibt, man wolle ein Mädchen und man schickt einem dann zwei Buben! Man hätt’s nicht tun sollen, und wenn’s auch meiner Schwester Kinder sind!«
»Wer weiß, ob sie nur Betten mitbringen,« sagte Frau Greiner. »Kinder, da dürft ihr euch schmal machen.«
»Wie heißt der Böse, Mutter?« fragte Marie.
»Soxhlet heißt er.«
»Bei wem schläft der? Vor dem fürcht’ ich mich, gelt, den legst nicht zu mir?«
»Der kommt ja nur für ein paar Wochen,« sagte die Mutter.
»Ja, wenn das nur wahr ist,« sagte Greiner. »Wenn ihn aber niemand abholt, dann bleibt er halt an uns hängen, auf die Straße kannst ihn doch nicht setzen.«
»Du meine Güte, du denkst auch gleich ans Schlimmste,« rief Frau Greiner. »Das wär doch gar zu arg. Es ist schon der Kleine schlimm, der schreit noch bei Tag und Nacht, und das ist noch das ärgste, wenn man nicht einmal seine paar Stunden Nachtruh’ hat. Aber auch noch so einen Wilden dazu, der die Sägspäne verstreut oder deine Köpfe umstößt, so einen können wir nicht brauchen. Weißt noch, wie der Lehrer einmal so Kostbuben gehabt hat? Gleich ist der eine zum Täuflingsmacher und hat das Papiermasché umgeworfen! Jetzt rechne nur einmal die Kosten!«
»Sie schreibt doch etwas vom abtelegraphieren; kann man das nicht telegraphieren, daß sie den Soxhlet nicht mitbringen sollen?«
»Wenn’s halt nicht recht teuer ist, so ein Telegramm nach Köln.«
»Man könnt’ ja fragen, was es kostet.«
»Jedes Wort wird da gerechnet, bis du nur überschreibst: an Fräulein Elisabeth Moll in Köln am Rhein, äußere Ringstraße Nr. 5, hast schon – zähl’ einmal – hast schon zehn Wörter und steht noch nichts vom Soxhlet darin. Dann, so barsch möcht’ ich auch nicht sein, daß ich nur schreibe, sie sollen ihn nicht mitbringen, man müßt’ doch auch erklären, warum. Wieviel gäb’ das Wörter! Das geht nicht in ein Telegramm.«
»Und zum Brief ist’s zu spät?«
»Ja, zu spät.«
Jetzt wurde es ganz still im Zimmer. Vater Greiner bückte sich wieder über seine Arbeit wie immer, nur sah sein abgemagertes Gesicht noch sorgenvoller aus, als sonst, und auch Frau Greiner hatte nicht ihren gewohnten fröhlichen Ausdruck. Marie hatte sich gefreut auf die Genossin, nun kamen statt ihrer kleine Buben, von denen hatte sie schon vorher genug. So machte auch sie ein betrübtes Gesicht, während sie die Puppenbälge mit Sägspänen ausstopfte, und es lag eine rechte Mißstimmung über der ganzen Familie. Aber nach einem kleinen Weilchen erschien schon wieder ein heiterer Zug auf dem Gesicht von Frau Greiner, und indem sie nach ihrem Mann hinsah, sagte sie: »So hat dich wohl niemand genannt, ›mein Herr Gemahl!‹« und sie lachte und die Kinder auch. »Was wohl das Fräulein, wenn sie kommt, für Augen macht, wenn sie meinen Herrn Gemahl sieht in seinem großen Schurz voll Papiermaschétropfen und in seinem verflickten Kittel? Ich meine, die stellen sich alles viel nobler bei uns vor, weil sie doch auch immer an den Herrn Fabrikbesitzer schreiben. Die denkt nicht, daß du nur ein Drücker bist und bei uns alles so armselig ist.«
Ja, damit hatte Frau Greiner richtig geraten. Fräulein Elisabeth Moll, die seit einem Jahr in der Familie Langbeck treue Dienste leistete, hatte sich eine ganz falsche Vorstellung von der Familie Greiner gemacht. Frau Langbeck hatte von ihren Verwandten in Thüringen nur einmal gesprochen. »Mein Bruder,« hatte sie gesagt, »verfertigt solche Puppen, wie Edith hier eine hat. Auch mein Vater hat sich schon damit abgegeben.« Da nun Herr Langbeck Besitzer einer großen Fabrik war, so hatte sich das Fräulein unwillkürlich Herrn Greiner als den Besitzer einer eben so großen Puppenfabrik vorgestellt, und weil in der Familie Langbeck alles hübsch und vornehm eingerichtet war, so machte sie sich auch vom Haus Greiner ein solches Bild. Sie war es, die den Vormund auf diesen Bruder der Frau, auf den Fabrikbesitzer Greiner, aufmerksam gemacht hatte. Der Vormund fühlte sich sehr erleichtert, als sich eine anscheinend so günstige Aussicht für einen seiner kleinen Pflegebefohlenen eröffnete. Er war nicht allzu gewissenhaft, hielt es nicht für nötig, sich näher nach den Thüringer Verwandten zu erkundigen, noch auch mit ihnen persönlich in Briefwechsel zu treten. Im Vertrauen auf das bewährte Kinderfräulein beauftragte er dieses, bei der Familie Greiner anzufragen, und als kein absagendes Telegramm eintraf, wurden die Reisevorbereitungen getroffen.
In einen Reisekoffer packte das Fräulein die ganze niedliche Aussteuer des Kindes: all die spitzenbesetzten Hemdchen, die gestickten Kleidchen und die feine Bettwäsche. Den Kleinen kleidete sie mit besonderer Sorgfalt an, damit er den Verwandten einen guten Eindruck mache. In den Güterwagen wurde des kleinen Reisenden Korbwagen gestellt, daß er bei Ankunft in Thüringen sein gewohntes Bett gleich fände. So trat das junge Mädchen die Reise an, froh, das Haus verlassen zu dürfen, dessen Zusammenbruch sie miterlebt hatte, und in der besten Zuversicht, für ihr geliebtes Pflegekind treu gesorgt zu haben.
Der kleine Alex lachte fröhlich, als die Fahrt begann. Er wußte nicht, was dieser Tag für sein Leben bedeutete. Ahnungslos ließ er sich aus dem Haus des Reichtums und Wohllebens in die Stätte der Armut und Not versetzen.
Die ganze Nacht hindurch und den folgenden Morgen dauerte die Reise. Sonneberg war die letzte Station; hier mußte Elisabeth die Bahn verlassen. Der Korbwagen wurde ausgeladen, der schlafende Kleine liebevoll hineingebettet und nun stand sie da und sah sich um. Sie hatte sicher gehofft, hier abgeholt zu werden und wartete, sich umsehend, eine gute Weile. Es mußte für Herrn Fabrikant Greiner oder seine Gemahlin ein leichtes sein, sie und ihr zukünftiges Pflegekind aufzufinden.
Ach, sie wartete vergeblich. Greiner und seine Frau saßen an der Arbeit wie immer; keinem wäre auch nur der Gedanke gekommen, einen Arbeitstag zu versäumen, selbst wenn sie genau die Ankunftszeit der Reisenden gewußt hätten. Aber nun sah Fräulein Elisabeth jemand, der ihr als Wegweiser dienen konnte. Am Bahnhof standen wartend zwei Frauen. Die trugen eine große »Schanze«, einen flachen Korb, in dem wohl ein halbes Hundert Puppen dicht aneinandergeschichtet lagen, lauter Puppen, in Hemden und Häubchen, offenbar frisch aus der Fabrik – gewiß aus der Fabrik von Herrn Greiner, dachte das Fräulein. Sie ging auf die beiden Frauen zu und fragte, ob sie aus der Fabrik von Herrn Greiner in Oberhain kämen. Nein, daher kamen sie nicht, wußten auch nichts von dem Namen; aber das Dorf Oberhain war ihnen wohlbekannt und auch, daß heute kein Postwagen mehr dorthin ging. So erkundigte sich das junge Mädchen nach einem Gasthaus und bat dort um einen Wagen, der sie mit dem Kleinen sofort nach Oberhain fahren könnte. Ein solcher fand sich auch, groß genug, daß hintenauf der Korbwagen gepackt werden konnte, und Elisabeth stieg mit Alex ein, froh, endlich so weit zu sein. »Wo soll ich halten in Oberhain?« fragte der Kutscher.
»Bei Herrn Fabrikbesitzer Elias Greiner,« sagte Elisabeth, »die Wohnung kennen Sie ja wohl?« Nein, er kannte sie nicht, er war schon oft in Oberhain gewesen, hatte aber nie eine Fabrik bemerkt. Er wollte sie aber schon erfragen. Nun ging’s vorwärts, zuerst flott und rasch durchs Städtchen, dann langsamer die aufwärts steigende Straße hinan, rechts Wald, links Wald, ein herrlicher Anblick für die Städterin. Die köstliche Waldluft strömte herein, Elisabeth war in glücklichster Stimmung.
»Mein kleiner Schatz,« sagte sie zu dem schlummernden Kind, »gelt, ich habe dir eine schöne Heimat ausfindig gemacht, wie wirst du da rote Bäckchen bekommen, mein Liebling – aber Papa und Mama können sich nicht mehr darüber freuen, armer Schneck!«
Als die ersten Schieferhäuschen von Oberhain auftauchten, fuhr der Kutscher langsamer, wandte sich zurück und rief in den Wagen: »Wie soll die Fabrik heißen?«
»Elias Greiner.« Ein paar Schulkinder kamen des Wegs. »He,« rief der Kutscher sie an, »wo ist die Fabrik von Elias Greiner?« Die sahen sich an und kicherten und ein Junge sagte: »Bei uns im Dorfe ist keine Fabrik.« Fräulein Elisabeth wurde ängstlich. »Das kann ich nicht begreifen,« sagte sie. »Ich weiß aber gewiß, daß der Name richtig ist, wir haben erst vorige Woche so überschrieben und Antwort erhalten.«
»Wir wollen’s schon herausbringen,« sagte der Kutscher, »es heißt sich mancher Fabrikant, der keine Fabrik hat.« Er trieb die Pferde an, daß sie rasch durch die Dorfstraße fuhren bis ans Wirtshaus. Bei dem Geräusch des vorfahrenden Wagens trat der Wirt unter die Türe. Die Kutsche hielt, der Kleine wachte auf und fing an zu weinen. Neugierig sammelten sich einige Leute um die Kutsche, während der Kutscher vom Bock aus mit dem Wirt Beratung hielt. Elisabeth verstand nicht genau, was die beiden im Thüringer Dialekt miteinander verhandelten, aber sie hörte, wie der Wirt dem langsam Davonfahrenden nachrief: »Es kann gar kein anderer gemeint sein, als der Drücker Greiner; keiner sonst heißt Elias.«
Und nun ging’s noch ein Stück langsam weiter, die Dorfstraße wurde enge, ein Häuschen kam zum Vorschein mit einem halb zerfallenen Bretterzaun, über und über mit blassen Puppenköpfen ohne Augen besteckt – vor dem hielt der Kutscher, sprang vom Bock, öffnete den Schlag und sagte: »So, jetzt haben wir die Fabrik!« und sich dem Fenster zuwendend, wo Maries Kopf erschien, rief er: »Wohnt da der Elias Greiner?« Der hatte schon den Wagen halten hören, und nun kamen sie alle heraus: Voran die Frau, dann die Kinder, barfüßig alle, der Johann in bloßem Hemdchen, zuletzt der Mann. Ach, dem Fräulein wurde so weh ums Herz – das sollte die Fabrik sein, der Fabrikant! Ärmlichere Gestalten hatte sie kaum je gesehen! Noch hoffte sie, es möchte ein Irrtum sein, aber nun kam Greiner dicht heran, sah das Kind auf dem Arm des Fräuleins, betrachtete bewegt das liebliche Gesichtchen und sagte: »Das ist also meiner Schwester Kind!« »Ja,« sagte Elisabeth, aber unwillkürlich blieb sie dicht am Wagen stehen – keinen Schritt machte sie auf das Haus zu.
Frau Greiner fand bestätigt, was sie sich schon gedacht hatte – das junge Mädchen war enttäuscht über das, was sie vor sich sah, bitter enttäuscht. Sprachlos und ratlos stand sie da, das Kind fest an sich drückend. Frau Greiner war nicht gekränkt darüber, das junge Mädchen dauerte sie. »Kommen Sie nur herein, Fräulein,« sagte sie, »das Kind ist ja noch so klein, das merkt den Unterschied noch gar nicht. Gelt du, Kleiner, gelt du bist froh, wenn du nur etwas zu essen bekommst?« Freundlich blickte sie das Kind an und dieses lächelte wieder, und ehe sich’s Elisabeth versah, hatten diese ärmliche Mutter und dieses schön geputzte Kind die Arme nacheinander ausgestreckt und lachend trug Frau Greiner den kleinen Alex ins Häuschen.
Ihr folgten die Kinder, die bewundernd auf den neuen Ankömmling sahen, während Greiner half, den Koffer abzuladen, und Elisabeth den Kinderwagen richtete. Es war ihr schon ein wenig leichter ums Herz, hatte sie doch ihren kleinen Pflegling in Mutterarme übergeben. Sie folgte ins Zimmer. Da freilich war eine Hitze, ein Dunst und Geruch, daß sie nicht glaubte, bleiben zu können. »Sie haben Feuer an diesem heißen Tag?« fragte sie.
»Das bringt eben das Geschäft mit sich,« sagte Greiner und deutete auf seine Arbeit.
Jetzt aber sprach Frau Greiner die Frage aus, die allen längst auf den Lippen lag: »Haben Sie den Soxhlet nicht mitgebracht?«
»Doch,« sagte Elisabeth, »ich werde ihn gleich hereinholen, er ist draußen im Koffer, ich will nur zuerst dem Kleinen das Reisekleidchen abnehmen.« Greiner und seine Frau warfen sich vielsagende Blicke zu, sie wußten nun, daß Soxhlet kein menschliches Wesen war. Nicht so die Kinder. Für sie war die ganze elegante Erscheinung des Fräuleins mit dem Kind, der schöne Korbwagen, der feine Lederkoffer so wunderbar, daß es ihnen auf ein Wunder mehr auch nicht ankam, und sie glaubten nicht anders, als daß der wilde Soxhlet im Koffer eingesperrt sei. Neugierig schlichen sie miteinander hinaus in den kleinen Vorplatz, wo der Koffer abgestellt worden war. Marie blieb vorsichtig in einiger Entfernung stehen, Philipp aber trat näher.
»Bleib da!« rief die Schwester ängstlich und leise, daß es der Soxhlet nicht hören sollte. Als sich aber der unheimliche Koffer ganz still verhielt, wurden die Kinder kecker. Sie kamen nahe heran, Philipp wagte sogar mit dem Fuß einen Stoß gegen den Koffer, sprang aber dann doch vorsichtig zurück. »Hast nicht gehört, wie er gebrummt hat?« sagte Marie, »paß auf, daß er nicht herausfährt. Der muß doch arg bös sein, daß er so eingesperrt wird!«
Jetzt kam Fräulein Elisabeth mit dem Kofferschlüssel heraus, kniete nieder und schloß auf. Die Kinder blieben ängstlich und fluchtbereit in der Ferne stehen, wunderten sich, daß ihre Mutter so ruhig herantrat, und dann waren sie halb beruhigt, und doch halb enttäuscht, als der Deckel aufgehoben wurde und lauter harmlose Dinge, Kleidungsstücke und Wäsche hervorkamen. »Und da ist der Soxhlet,« sagte das Fräulein und vor den erstaunten Augen der Umstehenden zog sie ein Blechgestell mit einer Anzahl leerer Fläschchen heraus, ein Ding, so harmlos und unschuldig wie nur möglich, so daß die Kinder sich verblüfft ansahen. »Das ist der Soxhlet?« sagte Frau Greiner und machte dabei ein nicht eben geistreiches Gesicht.
»Sie haben sich den Soxhlet vielleicht anders vorgestellt,« sagte das Fräulein. »Ich will Ihnen gleich die Behandlung erklären. In der Berliner Anstalt, wo ich als Kindergärtnerin ausgebildet wurde, hat man uns so gelehrt: ›Um die Milch keimfrei zu machen, wird sie in die Fläschchen gefüllt, die mit durchlochter Gummiplatte bedeckt und in den Blechtopf voll kochenden Wassers gestellt werden, woselbst man sie fünf Minuten kochen läßt. Danach werden die Fläschchen durch Glaspfropfen geschlossen und die Milch noch eine halbe Stunde gekocht.‹« Frau Greiner hatte geduldig und aufmerksam zugehört. Jetzt schloß das Fräulein mit der Bemerkung: »Alex ist doch ein zartes Kind, über die Sommermonate sollten Sie ihn noch weiter so ernähren.«
»Ja,« sagte Frau Greiner, »ich will schon alles recht machen. Milch haben wir ja nicht, wir kaufen halt so viel, daß es grad zum Kaffee reicht. Aber den wird er schon auch mögen und auch Kartoffeln, und an Speck und Hering soll’s ihm gewiß nicht fehlen. Das ist bei uns zulande die Hauptnahrung.«